Das Bärensteiner Kanzelwort Themenpredigt vom Familiengottesdienst „Eine Handvoll Erde“ von Pfarrer Frank Bohne gehalten zu Erntedank, 3. Oktober 2011 (vor der Predigt wurde ein Anspiel gezeigt. Die Schöpfungsgeschichte wurde gelesen als freie Übertragung nach Dietrich Steinwede, Von der Schöpfung, Berlin, 1989) Anspiel: (2 Personen: A mit Gartenhut und Schürze // B in Alltagskleidung) A: (kommt mit Schubkarre voll Erde in den Altarraum und begegnet dort B) B: Na sag mal, was willst du denn hier in der Kirche mit ’ner Schubkarre voll Dreck? A: Na, heute im Erntedank-Gottesdienst geht es doch um unsere Erde. Und das in meiner Schubkarre ist kein Dreck! Das ist gute Kompost-Erde! Da steckt ganz viel Leben drin. Da kannst du Blumen hinein pflanzen oder Samen in die Erde stecken. B: Da krieg ich aber schwarze Fingernägel und dreckige Hände beim Buddeln. A: Ja, aber es sind ganz viele Schätze in der Erde verborgen. Die findest du nur, wenn du danach suchst und gräbst. B: Aber was soll das schwarze Zeug hier im Gottesdienst? A: Nicht nur wir Menschen sind Gottes Geschöpfe, auch die ganze Erde. Gott hat sie uns geschenkt und anvertraut. Deshalb gehört auch Erde mit hier vor zu den Gaben. Du wirst schon noch sehen… Lesung: 1. Mose 1 ff. (Übertragung nach Dietrich Steinwede) Aktion: „Nach Schätzen graben“ (Kleine Schaufeln für die Kinder liegen bereit/ gefundene Schätze werden sichtbar abgelegt) Hier haben wir eine Schubkarre mit ganz schwarzer Erde. Die Erde sieht aus wie Dreck. Sie scheint nicht viel wert zu sein. Man kann nicht sehen, was so alles in ihr steckt. Aber darin ist wirklich was versteckt. Ein Schatz, vielleicht sogar mehrere… Kinder, kommt mal nach vorn. Wir müssen in der Erde mal gründlich suchen. Und damit ihr euch die Hände nicht - wie befürchtet - dreckig macht, gibt’s zum Suchen kleine Schaufeln… (Insgesamt waren 6 Schätze in der Schubkarre mit Erde. Die Reihenfolge hing wird von den Funden der Kinder ab) Kohle: Das ist Kohle. Früher nannte man sie das „Schwarze Gold“. Die Kohle steht für alle Brennstoffe, die wir aus der Erde fördern. Also auch Erdöl und Erdgas. Stein: Wir brechen auch Steine aus der Erde. Naturstein ist wertvoll. Wir pflastern damit Plätze oder bauen daraus Häuser. Lehm: Das ist Lehm. Aus Lehm formt man schöne Keramik, Töpfe und Krüge. Aber auch Dachziegel und Bausteine. Salz: Salz wie dieses wird tief in der Erde abgebaut. Wir brauchen das Salz. Für unsern Körper ist es lebensnotwendig. Wir brauchen es zum Würzen und Haltbar-Machen. Es ist aber auch Grundstoff für viele Plastiksachen. Silber: So leicht wir hier findet man Metall nicht in der Erde. Im Erzgebirge wissen wir darüber Bescheid. Es macht viel Mühe, es aus der Erde herauszuholen. Metall ist aus unserem Alltag gar nicht weg zu denken. Das fängt früh beim Essbesteck an, geht über das Fahrrad, das Auto oder den Bus bis hin zu den Geldstücken, mit denen wir an der Kasse bezahlen. Wasser: Wer in der Erde gräbt, stößt irgendwann auf Wasser. Es gibt Grundwasser, Wasseradern und Quellen, aus denen es kühl und klar heraus sprudelt. Wasser ist Lebensmittel Nummer 1. Ohne Wasser kein Leben. Plastetüte: Was haben wir denn da gefunden?! Diesen „Schatz“ bringt die Erde nicht hervor. Das haben Menschen vergraben. Ja, es ist leider so: Der Mensch gräbt die Bodenschätze aus der Erde hervor und vergräbt dafür seinen Müll unter der Erde. Ein schlechter Tausch für die Erde …. Nach der Aktion nehmen Kinder wieder in den Reihen Platz Dankpsalm/ Teil 1 und Lied „Mit der Erde kannst du spielen“ Strophe 2 Aktion 2: Was für Schätze in der Erde stecken, das haben wir gerade gesehen. Ein richtiges Wunder aber ist, was die Erde alles hervorbringt. Kinder, kommt noch mal nach vorn. Schaut mal bei den Erntegaben nach, welche in der Erde gewachsen sind. Welche Gaben sind in der Erde oder dicht über der Erde gewachsen? (Kinder sagen Namen der Frucht oder fragen ihre Eltern in den Reihen …) (z.B. Kürbis, Zucchini, Kartoffeln, Möhren / Pastinaken, diverse verschiedene Rüben, Rettiche …) Dankpsalm Teil 2 und Lied „Mit der Erde kannst du spielen“ - Strophe 3 Predigt „Eine Handvoll Erde“ Liebe Gemeinde! Da hat der andere wirklich geglaubt, das da sei bloß eine Karre voll Dreck. Nein, das ist gute Gartenerde! Fast möchte man sagen: „So sind sie eben, diese Städter!“ Erde?! - Nein Danke! – bei uns kommt das Essen aus dem Supermarkt. Dabei würde es im Supermarkt überhaupt nichts geben, wenn es nicht solche Erde gäbe. Leider ist uns das Gefühl dafür weitgehend abhanden gekommen. Es sei denn, man hat einen Garten und nutzt ihn auch noch! Zu mehr als nur dem wöchentlichen Rasenmähen … Es ist schon bezeichnend: Die Generation eurer Großeltern hat auf dem Heimweg von der Schule noch Löwenzahn gestochen. Für die Hasen. Sogar die Straßengräben waren vergeben – als Futter für die Tiere zu Hause. Denn den Platz im Garten hat man für sich selber gebraucht. Fürs Gemüse, Kartoffeln, Möhren und Kraut. Denn zu kaufen gab es bei weitem nicht genug. Man war froh, wenn etwas zusätzlich wuchs. Vor der Wende – und das ist die Zeit meiner Generation – da hat man den Garten gebraucht, etwas mehr Abwechslung in die Küche zu bringen. Zucchini, Patisson, Eierfrüchte, die gab’s im Konsum nie. Tomaten und Gurken, Äpfel, Birnen, Pflaumen hatte man am besten selber. Denn die‘ s zu kaufen gab, waren meistens irgendwie Matsch. Dann kam die D-Mark, und es gab alles zu kaufen. Mehr Früchte, Obst und Gemüse, als wir je kannten. Dazu auch noch billig. Wozu sich also abmühen für eine Reihe mit Schwarzwurzeln, wenn es griechischen Spargel gab? Warum sich bücken, einen Apfel aufheben und ausschneiden, wenn ich ihn gewachst und fleckenfrei im Supermarkt bekomme? Im März Kartoffeln aus Ägypten, den Paprika aus Israel, und die Zwiebeln aus Neuseeland. Wozu brauche ich da einen Garten? Beete und Erde? Viele haben in den kommenden Jahren die Beerensträucher rausgerissen, die Obstbäume gefällt. Damit Platz wird für den Carport, den Wintergarten, die japanische Edelkonifere. So wurde aus Erde tatsächlich manchmal nur noch Dreck. Den ich wegmachen und zudecken, pflastern muss. Mit Edelrasen zum Beispiel. Der natürlich nur wächst mit entsprechendem Dünger und Entmooser. Für den ich dann aber auch einen Komfort-Mäher brauche mit fünf verstellbaren Höhen, und einen Vertikulierer und jede Menge Zeit. Von nichts kommt nichts. Der Rasenschnitt ist dann auf einmal Müll, und nicht mehr Kompost. Denn auch die Ecke für den Komposthaufen habe ich natürlich längst weg rationalisiert. So sind unsre Gärten nicht mehr für die Ernährung da. Sie sind zum Prestigeobjekt oder Statussymbol geworden. Wer kann sich was leisten? Edelsträucher, Rosen, die Granitvogeltränke und den kleinen Pavillon. Im Garten steht der Schuppen für den Rasentraktor und den Schredder. Auch Trampolins sind groß in Mode. Für die lieben Kleinen, damit sie sich bewegen und entspannen… Und unser Essen? Ehe es in den Supermarkt kommt, muss es natürlich wachsen. Daran hat sich nichts geändert. Allerdings wächst es immer seltener bei uns, und das finde ich sehr schade. Denn uns entgeht damit sehr viel. Das Gefühl für unser Essen zuerst. Wie es wächst. Dass es eben nicht selbstverständlich ist, sondern jedes Jahr neu ein Geschenk. Ob der Obsttag im Kindergarten einmal die Woche, oder der Projektunterricht in der Grundschule – der Besuch beim Bauern – da wirklich abhilft, wage ich eher zu bezweifeln. Verloren geht auch das Gefühl für Zeit: Alles, was wächst, braucht Zeit. Und das sehe ich zum Beispiel, wenn ich selber säe, pflanze, hacke und gieße, und dann auch einmal ernte. Dass das Jahr auch Jahreszeiten hat, die ganz verschieden sind, verschieden riechen, sich verscheiden anfühlen und schmecken. Viele Zeitgenossen kriegen das gar nicht mehr mit. Für sie gibt es entsprechend der Mode nur noch Sommer, Winter, Übergang. Dass es jetzt schon wieder Lebkuchen, Spekulatius und Glühwein gibt, liegt vielleicht nicht so sehr an der Verrücktheit des Handels, sondern an unserer Verrücktheit in Bezug auf ganz selbstverständliche Dinge. Und die Erde im Garten gehört dazu. Eine Handvoll Erde – sie bleibt tatsächlich ein Wunder unter Gottes Geschöpfen. In ihr wimmelt es nur so von Leben. Sie ist wirklich etwas Besonderes. Nicht nur wie eins unter anderen… Das lese ich schon in der Bibel: Gott hat die Erde gemacht. Und als sie fertig ist, da ist sie die Basis allen Lebens auf dem Lande. Eine Schaufel Erde sieht unkompliziert und harmlos aus. Doch was sie wirklich ist, ihre komplexe Zusammensetzung, das werden wir Menschen vielleicht nie ganz verstehen. Gute Erde ist zuerst voller Leben. Es wird geschätzt, dass auf einer Fläche, so groß wie unsere Kirche, etwa 1-3 Tonnen lebende Substanz zu finden sind. Bakterien, Algen, Pilze und Viren, kleinste Insekten und Würmchen. Alle zusammen zersetzen und pulverisieren seit Jahrtausenden sogar härtestes Gestein, stellen es den Pflanzen zur Verfügung und bilden so das, was wir gemeinhin Boden oder Erde nennen. Es bleibt ein Wunder, eine große Gabe --Wir Menschen haben zur Erde aber noch eine ganz besondere Beziehung. Wir sind aus Erde gemacht: „Da nahm Gott vom Staub des Ackerbodens, und formte daraus den Menschen…“ Der Ackerboden, das heißt auf Hebräisch „Adamah“. Und so heißen dann auch wir: „Adam“. Das heißt wörtlich übersetzt „Erdling“ und ist eigentlich gar kein Name. Und wenn unser Weg hier unten einmal zu Ende ist, dann soll unser Körper wieder zur Erde werden. Zu dem, wovon wir genommen sind. In der Zwischenzeit aber dürfen wir die Erde bebauen und bewahren. Das ist Gottes Auftrag an uns. Das Bebauen der Erde wird bei uns, in den reichen Ländern des Nordens, allerdings oft missverstanden: als Auftrag zum Häusle-Bauen. Und das Bewahren als Rechtfertigung für das Schild: „Betreten verboten!“ Doch biblisch hat es bedeutet. Baut etwas an! Auf dem Stück Erde, wo ihr lebt. Kultiviert das, was ihr essen könnt oder zum Leben braucht. Und passt auf, dass die Erde dabei nicht Schaden nimmt. Bewahrt sie, dass auch eure Kinder und Kindeskinder denselben Segen noch erfahren können. Schade, dass diese innige Beziehung zur Erde, wie Gott sie entworfen hat, in unseren Tagen schwer gestört ist. „Erdling“ will keiner sein. Wir wollen was besonderes sein. Dabei ist das, was uns besonders macht, nichts anderes als die Liebe Gottes. Dass wir IHN zum Vater haben. Event- und Freizeitindustrie, immer auf Achse sein, „Keine Zeit, keine Zeit.“ Das Leben als letzte Gelegenheit… Für mich sind das die Versuche vieler Zeitgenossen, gerade die innige Beziehung zur Erde zu verleugnen. Koste es was es wolle. Das ist ziemlich gefährlich. Denn damit zerstören wir das, wovon wir leben. Wir verhalten uns so, als hätten wir noch eine zweite Erde im Keller. Boden – gute Erde schwindet. Weltweit . Und auch bei uns. --248.678 Quadratkilometer groß ist unser schönes deutsches Land. Damit sind wir ziemlich dicht besiedelt. 224 Einwohner müssen sich einen Quadratkilometer teilen. Wenn ich richtig gerechnet habe, kommen 4 ½ m² auf jeden von uns. Zum Leben, zum Wohnen und zum Essen. Es ist genug, sagt Gott. Für euch, und sogar noch für die Tiere. Alle werden satt. Dass es tatsächlich reicht, haben andere Generationen vor uns vorgemacht. Sicher reicht es nicht für Schnitzel, Wurst und Käse, für Hotdog und Döner jeden Tag. Dazu noch für BioSprit und Wegwerfgeschirr aus Weizen und Mais. Aber für Brot und Gemüse, für Wurzeln und Knollen, Beeren und Obst. Sogar noch für den Sonntagsbraten. Da reicht es aus. Was für ein Wunder! Das wieder zu lernen ist schwer. Für verwöhnte und verzogene Gaumen wie die unseren. Doch wir müssen es, wenn wir Gott, unsern Schöpfer, und wenn wir unser Mitmenschen in den Ländern des Südens wirklich ernst nehmen. Dass auch sie ein Recht haben auf ihr Stück Erde, dass es Brot hervorbringt für alle. Eine Handvoll Erde – ein Schubkarren voll guter schwarzer Erde. Nein, das ist nie und nimmer Dreck. Es ist Gottes Geschenk an den Menschen. Es ist – wenn sie so wollen – „heiliges Land“. Es wird zur Gabe und Aufgabe, da wo du lebst. Auf deinem Stück Erde. „Da wo dei Heisl stieht...“ Diese Erde zu schützen und sie zu erhalten – für die, die nach uns kommen, ist deshalb nicht bloß eine Idee von ein paar grünen Spinnern. Die Erde zu bebauen und zu bewahren, etwas aus ihr zu machen, nicht bloß Zierrasen oder Steingarten, das ist der große Auftrag an uns alle. Und auch das ist Erntedank. Gott traut uns das zu. Dass uns dieser Auftrag gelingt. Und er gibt uns dazu seinen Segen. Stellt uns Geschwister zur Seite. Schenkt uns seinen Mut-machenden Geist und dazu große Phantasie, damit uns der Auftrag gelingt. Und der Friede Gottes, der mehr umfasst, als wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.