Auf Draht sein gegen Drahtwürmer!

Werbung
Ackerbau
Auf Draht sein gegen
Drahtwürmer!
Immer häufiger fressen
Drahtwürmer im KartoffelBau die Erlöse auf. Lässt
sich der Befall dauerhaft
reduzieren? Über
Lösungsansätze berichtet
Ute Schepl, LWK
Nordrhein-Westfalen.
S
chäden durch Drahtwürmer sorgen
seit ein paar Jahren in Kartoffeln im
konventionellen und ökologischen
Anbau zunehmend für Ärger. Übeltäter
ist der Schnellkäfer und seine Larven
(Drahtwürmer).
Der gesamte Lebenszyklus der beiden
häufigen Schnellkäferarten Humus- und
Saatschnellkäfer vom Ei über verschiedene Larvenstadien bis hin zum vollentwickelten Käfer dauert mindestens drei bis
höchstens fünf Jahre.
Anfang April ist die
Winterpause vorbei
Nach der Winterruhe im Boden erscheinen die ersten
Käfermännchen Anfang bis Mitte
April. 10 bis 14 Tage später verlassen
auch die Weibchen ihr Winterquartier.
Sie locken mit Pheromonen die Männchen an, um sich dann zu paaren. Das
Weibchen legt die Eier innerhalb der
nächsten sechs bis acht Wochen nach der
Paarung einzeln oder in Gelegen von bis
zu zehn Eiern dicht unter der Bodenoberfläche oder in kleine Bodenspalten
ab. Die Eier haben einen Durchmesser
von nur 0,5 mm und sind durchscheinend
weißlich gefärbt. Je nach Schnellkäferart
legt ein Weibchen bis zu 160 Eier.
Die besten Voraussetzungen für die
Eiablage bieten dichte, feuchte und ungestörte Bestände, z. B. auf Wiesen, Weiden und stillgelegten Flächen. Aber auch
Ackerflächen mit hohem Beikrautbesatz
(vor allem mit Dauerunkräutern) bieten
idealen Unterschlupf.
Drei Fresswellen pro Jahr
Die Weibchen und Männchen können
zwar fliegen, sind aber meist zu Fuß unterwegs. So besiedeln sie nur langsam in
einem engen Radius neue Flächen
Vier bis sechs Wochen nach der Eiablage schlüpfen die zunächst nur 1,5 mm langen und noch unpigmentierten Käferlarven. Sie sind dünn, lang gestreckt, hart gepanzert, teilweise behaart und färben sich
nach und nach durchscheinend gelb bis
hellbraun. Während ihrer 3- bis 5-jährigen
Entwicklungszeit im Boden wachsen die
Drahtwürmer auf eine Länge von 2,5 bis
Ware mit über 5 % Lochschäden weigert der Handel bei Überangebot. Egal, ob es Fraßschäden der Drahtwürmer (links) ...
3 cm heran und durchlaufen mindestens 8,
aber höchstens 14 Larvenstadien.
Während die Schnellkäfer keine Kulturschäden verursachen und sich an Blüten mit Nektar versorgen, fressen Drahtwürmer überwiegend an jungen Pflanzenwurzeln. Sie haben jährlich bis zu drei
fraßaktive Phasen:
■ Die 1. Phase dauert von Anfang April
bis Mitte Mai,
■ die 2. von Ende Juni bis Mitte Juli und
■ die 3. von Mitte August bis Anfang
Oktober.
Werden Flächen im zeitigen Frühjahr
für eine spätere Gemüsekultur intensiv
bearbeitet und über Wochen unkrautfrei
gehalten, können sich die fraßaktiven
Phasen zeitlich verschieben. Drahtwürmer sind unter Umständen Hungerkünstler: Sie können bei ungünstigen Lebensbedingungen bis zu ein Jahr ohne Nahrung überstehen. Sie ziehen sich dann in
tiefere Bodenschichten (bis über 1 m) zurück.
Zwischen Ende Juni und Anfang August verpuppen sich die Larven. Etwa
drei bis vier Wochen später schlüpfen die
Käfer. Sie überwintern im Boden in einer
Tiefe von 20 bis 30 cm. Im darauffolgenden Frühjahr stehen wieder Paarung und
Eiablage an. So schließt sich der Kreis.
Eine langsame, aber stete Besiedlung
neuer Flächen durch Schnellkäfer hat zur
Folge, dass mehrere Generationen von
Käfern und Larven nebeneinander im
Boden vorkommen. Das führt wiederum
dazu, dass auf diesen Flächen regelmäßig
Kulturschäden durch Loch- und/oder
Wurzelfraß erfolgen können. Die Schäden treten dann jährlich auf.
Gibt es Prognosen für den DrahtwurmBefall und Entscheidungshilfen für Landwirte? Wie lässt sich Drahtwurmbesatz regulieren? Mit diesen Fragen haben sich
drei Projekte seit 2002 befasst, die das
Bundesprogramm Ökologischer Landbau
gefördert hat. Hier die wichtigsten Ergebnisse zu Bekämpfungs-Möglichkeiten für
die Praxis:
➜
Lochfraß durch
Drahtwürmer sorgt seit ein
paar Jahren zunehmend für Ärger.
72 top agrar 4/2010
... oder Dry Core-Schäden sind, die der Pilz Rhizoctonia solani
an Kartoffelknollen verursacht.
Mit Pheromonen
verwirren?
Eine Bekämpfung der Schnellkäfer
mit Pheromonen ist derzeit nicht möglich. Jahrelang haben wir auf denselben
Flächen Schnellkäfer-Männchen mit Pheromonfallen abgefangen. Die Fallen stan-
den in Abständen von jeweils 40 m. Wir
konnten jedoch nie ausschließen, dass vor
dem Fang bereits eine erfolgreiche Paarung stattgefunden hat. Diese Maßnahme
diente somit einem Monitoring: Wann beginnt der Käferflug? Wann ist sein Höhepunkt und wann endet er?
Eine Verwirrungsmethode mit Pheromonen wäre sicherlich aussichtsreicher.
Allerdings ist diese Methode nur bei
Schmetterlingen zugelassen. Zudem sind
Pheromone für einen solchen Einsatz
derzeit noch viel zu teuer.
anlocken,
➜ Erst
dann bearbeiten
Durch Bodenbewegungen, wie sie im
Rahmen von Bodenbearbeitungsmaßnahmen erfolgen, werden Käferweibchen an
der Eiablage gehindert und verschiedene
Entwicklungsstadien der Schnellkäfer gestört oder getötet. Diese Maßnahmen sind
aber nur dann wirksam, wenn sich die Larven in den oberen 20 cm des Bodens aufhalten. Verschiedene Geräte, wie z. B
Scheibenegge, Hacke, Striegel, Mulcher
oder Fräse, können Larven unterschiedlichen Alters und Puppen schädigen.
Um Drahtwürmer im Oberboden gehäuft anzutreffen, müssen Sie diese jedoch
gezielt anlocken. Hilfreich ist, wenn Sie
auf dem Acker streifenweise Getreide einsäen. Dies kann in Vorkulturen vor Kartoffeln oder nach der Getreideernte erfolgen. Die wachsenden Pflanzenwurzeln
scheiden CO2 aus, das Drahtwürmer von
verschiedenen Stellen des Ackers zur Futterquelle lockt. Sobald das Getreide dicht
in der Reihe steht, sollten die Getreidewurzeln täglich auf Drahtwurmbefall kontrolliert werden, um den günstigsten Zeitpunkt für die Bodenbearbeitung zu bestimmen. Fressen Larven an den Wurzeln,
müssen die Einsaatstreifen umgehend bearbeitet werden. Vorteilhaft ist es, dieses
Verfahren mehrfach zu wiederholen.
Gute Wirkung zeigte auch die selbst ge-
top agrar 4/2010
73
Ackerbau
Auf einen Blick
■ Über die Fruchtfolge lässt sich
langfristig der Drahtwurmbesatz einer Fläche reduzieren. Geeignet sind
Pflanzen aus der Familie der Schmetterlingsblütler (Leguminosen) und
der Kreuzblütler (Kruziferen).
■ Durch Bodenbearbeitung können
Sie empfindliche Entwicklungsstadien
der Schnellkäfer massiv stören. Wichtig ist der richtige Zeitpunkt: Empfindliche Stadien sind die Eiablage und die
Eier zwischen Mai und Juni, die frisch
geschlüpften Junglarven zwischen Mai
und Juli und schließlich die Puppen
Ende Juni bis Mitte August.
■ Eine zügige Ernte schalenfester
Kartoffeln ist in jedem Fall ratsam.
■ Dauerhaften Erfolg erzielen Sie
nur, wenn Sie über Jahre konsequent
handeln.
baute Mulchfräse eines Landwirts in einem Versuch der Landwirtschaftskammer.
Dieses Gerät hat eine Bearbeitungstiefe
von etwa 7 cm und eine hohe Schlagkraft
von 3 000 U/min. Der Bekämpfungserfolg
war sehr gut: Eingesätes Getreide und
Drahtwürmer wurden gleichermaßen gemulcht und zerschreddert.
Durch den streifenweisen Anbau von Getreide lassen sich Drahtwürmer vermehrt in die
oberen 20 cm des Bodens locken. Dort werden sie durch Bodenbearbeitung geschädigt.
■ Mit Weißkohl als Vorfrucht vor Kartoffeln wurden im Versuch unter 5 %
Fraßschäden an Kartoffeln festgestellt,
unabhängig davon, ob der Kohl gehackt
wurde oder nicht.
■ Standen Ackerbohnen vor Kartoffeln,
lag nur dann der Drahtwurmfraß an Kartoffeln unter 5 %, wenn sie gehackt wurden.
■ Nach der Vorfrucht „Mehrjähriges
Kleegras“, das nur gemulcht wurde, lagen
die Fraßschäden an Kartoffeln bei 15 %.
■ Auf stark drahtwurmbelasteten Flächen
lohnt es sich sogar, Ringelblume (Calendula officinalis) in Reinsaat oder Ringelblume in Kombination mit Studentenblume
(Tagetes patula) als Vorfrucht anzubauen.
Bei einem zweijährigen Kartoffelanbau
auf derselben Fläche wurde im zweiten
Anbaujahr der Drahtwurmfraß von 51 %
auf 8 % reduziert. Nach dem zweiten Anbaujahr sollte auf jeden Fall eine vier- bis
fünfjährige Kartoffel-Anbaupause folgen.
erst nach
➜ Fruchtfolge
Jahren erfolgreich
Die Wahl der Kulturen und ihre Stellung in der Fruchtfolge fördern oder hemmen Vermehrung und Entwicklung der
Schnellkäfer. Hierzu liefert ein Dauerversuch, der vor 12 Jahren bei der Landwirtschaftskammer zum viehlosen Ackerbau
nach Dauergrünland angelegt wurde, aussagekräftige Ergebnisse. So sahen die beiden 5-gliedrigen Fruchtfolgen aus:
■ Fruchtfolge 1: Ackerbohnen/W.wicken
und Weißkohl/Kartoffeln/S.weizen mit
Untersaat/Möhren und Zwischenfrucht
■ Fruchtfolge 2: Kleegras/Sellerie/Sommerweizen mit Untersaat/Kartoffeln/
Winterroggen mit Kleegras
Erst ab dem 6. Anbaujahr nahm der
Drahtwurmfraß an Kartoffeln spürbar ab.
In Fruchtfolge 2 fielen die Drahtwurmschäden vor allem in den ersten Jahren
mit
➜ Vorfrüchte
Nachwirkungen
Der Handel verweigert in Zeiten des
Überangebotes Kartoffelpartien, die über
5 % Lochschäden aufweisen. Dabei spielt
es keine Rolle, ob es sich um Drahtwurmfraß oder Dry Core, verursacht
durch Rhizoctonia solani, handelt.
Verschiedenen Gräsern, Schmetterlings-, Korb- und Kreuzblütlern werden
folgende Wirkungen auf Drahtwürmer zugeschrieben: Anlockend wirken z. B Getreide oder Mais durch ihre erhöhte Wurzelatmung. Abschreckend oder reduzierend wirken die toxischen Inhaltsstoffe
von Ringel- und Studentenblume oder
Gelbsenf. In unseren Versuchen stellten
wir Folgendes fest:
74 top agrar 4/2010
Verursacher des
Wurzelfraßes und
der Lochschäden
an Knollen sind
die Larven des
Laufkäfers.
Fotos: Moritz,
Raiser (2),
Schepl (3)
deutlich höher aus als in Fruchtfolge 1.
Mögliche Vorteile der Fruchtfolge 1 im
Vergleich zu 2 liegen in einem höheren
Anteil an Sommerkulturen, in mehr und
intensiveren Bodenbearbeitungsgängen im
Frühjahr in der fraßaktiven Zeit der Drahtwürmer, der Unkrautregulierung oder der
Grundbodenbearbeitung vor Gemüse.
mit
➜ Vorsicht
Kleegras!
Die Hoffnung, mit Zwischenfrüchten
und Untersaaten gegen Drahtwürmer
punkten zu können, bestätigte sich nicht.
Weder der Anbau von Zwischenfrüchten
vor Kartoffeln noch von Untersaaten, die
beim letzten Häufelgang zwischen die
Kartoffeldämme gesät wurden, konnten
den Lochfraß reduzieren.
Aufgepasst auch bei mehrjährigem
Kleegras-Anbau! Es besteht die Gefahr,
dass sich einige Generationen von Schnellkäferlarven im Boden bereits angesiedelt
haben, die sich in ihren Fraßaktivitäten
überlappen. Auf belasteten Flächen sollte
daher nur einjähriges Kleegras angebaut
werden. Auch der Anbau von Kartoffeln
ist auf solchen Flächen nicht ratsam.
➜ Biofumigation
gegen Drahtwürmer
Bei der Biofumigation werden Pflanzen mit einem hohen Gehalt von Senfölen
(Glukosinolaten) als Hauptkultur angebaut: Schwarzer Senf, Weißer Senf, Indischer Senf und Ölrettich. Werden die
Pflanzenzellen durch Insektenfraß oder
Häckseln zerstört, spaltet das im Zellplasma enthaltene Enzym Myrosinase Glukosinolate in Zucker und Isothio- und Thiocyanat. Diese Substanzen sind gasförmig
und für viele Bodenorganismen giftig.
Senf blüht etwa 70 Tage nach der Aussaat. Wird er dann klein gehäckselt und
sofort in den Boden eingearbeitet, lässt
sich die gewünschte Wirkung erzielen. Der
Boden sollte dann nicht zu trocken sein
und die Bodentemperatur um 20 °C liegen,
damit die Umsetzungen rasch erfolgen
können. Möglicherweise erzielt die Vorkultur Weißkohl eine ähnliche Wirkung.
der
➜ Abreife
Knollen verfrühen
Abhängig davon, wie lange die schalenfesten Knollen im Boden bleiben, nimmt
der Drahtwurmfraß ab Mitte August stetig
zu. Daher müssen Sie Kartoffeln roden,
sobald diese schalenfest sind.
Fraßaktive Phasen der Drahtwürmer
lassen sich durch verschiedene Maßnahmen umgehen, die Abreife beschleunigen: Vorkeimen, Krautabschlagen und/
oder Unterschneiden der Wurzeln.
top agrar 4/2010
75
Herunterladen