diskussion - Deutsches Ärzteblatt

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MEDIZIN
DISKUSSION
zu dem Beitrag
Therapie des idiopathischen Parkinson-Syndroms
von Dr. med. Lars Wojtecki, Dr. med. Martin Südmeyer,
Prof. Dr. med. Alfons Schnitzler, in Heft 37/2007
Ist das Parkinsonrisiko reduzierbar?
Die Parkinsonkrankheit als neurodegenerative Erkrankung trifft nach dem 65. Lebensjahr europaweit
jeden 50. Bürger. Damit lohnen Präventionsüberlegungen.
200 Jahre nach der Erstbeschreibung wissen wir
wenig über die Auslöser – von einigen Sonderformen
abgesehen. Es ist keine ursächliche kurative Therapie
bekannt. Die neurologischen Folgen degenerierter dopaminerger Neuronen lassen sich durch Medikamente
mindern, die leider oft mit Nebenwirkungen einhergehen.
Ein Drittel der an Morbus Parkinson Erkrankten
leidet an Depressivität, im späteren Krankheitsverlauf
bekommt ein weiteres Drittel kognitive Probleme –
bis hin zur Demenzentwicklung. Das fordert eine interdisziplinäre Präventionsforschung. Handelt es sich
zur Hälfte nicht um ein idiopathisches Krankheitsphänomen – zumindest bei Frauen?
Von der Hormongabe bei Frauen ab der Menopause
ist bekannt, dass sie bei rechtzeitigem Therapiebeginn
mit einer Reduktion des Parkinsonrisikos um circa
50 % assoziiert ist (1). Das bestätigt indirekt eine neue
Publikation aus der Mayo-Klinik in Rochester in einer renommierten neurologischen Zeitschrift (2): Unter-sucht wurden Frauen, die vor der Menopause eine
einseitige (n = 1 252) oder beidseitige (n = 1 075)
Ovarektomie (ohne Krebsindikation) erhielten. Diese
Gruppe entwickelte postoperativ nach mittlerer Beobachtung von 25 bis 30 Jahren häufiger Parkinsonismus
(RR 1,68) als ein gleichaltriges Kontrollkollektiv
(n = 2 368). Es zeigte sich ein linearer Trend: Je jünger die Frauen bei der Ovarektomie waren und somit
die Menopause vorverlegt wurde, desto mehr stieg das
Parkinsonrisiko an – signifikant bei Operation mit 42
Jahren und jünger. Bei Ovarektomie beidseits vor dem
45. Lebensjahr zeigten sich neben höherer Gesamtmortalität vor allem vermehrt neurologische und psychiatrische Erkrankungen. Dazu gibt es eine wenig
bekannte Monografie (3).
Fazit: Besteht längerfristig Östrogenmangel – hier
„semiexperimentell“ iatrogen vorzeitig ausgelöst –
dann fehlt die Neuroprotektion mit der Folge eines erhöhten Parkinsonrisikos.
DOI: 10.3238/arztebl.2008.0054a
LITERATUR
1. Currie LJ et al.: Postmenopausal estrogen use affects risk for Parkinson disease. Arch Neurol 2004; 61: 886–8.
54
2. Rocca WA et al.: Increased risk of parkinsonism in women who
underwent oophorectomy before menopause. Neurology 2007; 69:
1084–93. www. neurology.orig./[email protected]
3. Behl C: Estrogen-Mystery Drug for the Brain? The Neuroprotective
Activities of the Female Sex Hormone. Wien, New York: Springer
2001.
Prof. Dr. med. J. Matthias Wenderlein
Universität Ulm
Prittwitzstraße 41
89075 Ulm
E-Mail: wenderlein @gmx.de
Schlusswort
Herr Professor Wenderlein greift das wichtige und interessante Thema der neuroprotektiven und präventiven Maßnahmen zum Eingriff in die pathophysiologischen Prozesse der Parkinson-Krankheit auf. Bis heute gibt es keine kurative und keine klar bewiesene neuroprotektive Therapie, obwohl hinsichtlich der letzteren zahlreiche Substanzen immer wieder diskutiert
werden.
Hinsichtlich der zitierten interessanten Studien
zum Einfluss der postmenopausalen Östrogentherapie
und der iatrogenen Menopause auf das Parkinson-Risiko sind auch folgende Aspekte erwähnenswert:
Die Arbeit von Currie et al. deutet darauf hin, dass
das Risiko, an M. Parkinson zu erkranken, durch die
postmenopausale Einnahme von Östrogenen reduziert
werden kann. Dies scheint allerdings nur für die natürliche Menopause zu gelten. Eine Studie von Popat et
al. zeigte für die Hormongabe bei Patientinnen nach
Hysterektomie mit oder ohne Ovarektomie im Gegenteil sogar ein erhöhtes Risiko für die ParkinsonKrankheit. Die Ovarektomie an sich scheint indes mit
einem erhöhten Risiko für Parkinson-Syndrome einherzugehen, wie die von Herrn Professor Wenderlein
zitierte Studie von Rocca et al. zeigt. Ob Östrogene
tatsächlich einen neuroprotektiven Einfluss auf dopaminerge nigrostriatale Neurone in-vivo bei Parkinsonpatienten haben, kann die zitierte Studie allerdings
nicht beantworten.
DOI: 10.3238/arztebl.2008.0054b
LITERATUR
1. Popat RA, Van Den Eeden SK, Tanner CM, McGuire V, Bernstein AL,
Bloch DA, Leimpeter A, Nelson LM: Effect of reproductive factors
and postmenopausal hormone use on the risk of Parkinson disease.
Neurology 2005; 65: 383–90.
Anschrift für die Verfasser
Dr. med. Lars Wojtecki
Institut für Neurologie
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Moorenstraße 5, 40225 Düsseldorf
E-Mail: [email protected]
Interessenkonflikt
Die Autoren beider Beiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im
Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors
besteht.
 Jg. 105
 Heft 3
 18. Januar 2008
Deutsches Ärzteblatt
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