Endokrinologische Kompetenz in der Gynäkologie

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Fortbildungsseminar "Hormonell Aktuell"
Belek, 29. Oktober 2009
Abstract
Endokrinologische Kompetenz in der Gynäkologie
J. M. Wenderlein
Im Rahmen eines Fortbildungsseminars von einer Stunde Dauer wurde hier aus den
hormonellen Lebensphasen der Frau der Bereich um die Menopause ausgewählt. An
den Folgen erloschener Ovarialfunktion leiden in D ca. 10 Millionen Frauen mehr
oder minder. Bis zum Jahr 2002 nutzte die Hälfte der Frauen mit klimakterischen Beschwerden die Hormonsubstitution als einzige kausale und erfolgreiche Therapie.
Mit der WHI-Erstpublikation 2002 schien es, als sollten die Erkenntnisse der vorausgegangenen 40 Jahre nicht mehr gelten. Die Ansichten der US-Kardiologen als WHIInitiatoren wurden von deutschen Fachgesellschaften wenig kritisch und nun aktuell
in die S 3-Leitlinien übernommen.
Die Notwendigkeit der HRT ergab sich durch die Verdoppelung der Lebenserwartung
der Frauen in den letzten 100 bis 120 Jahren. 30 Jahre Östrogendefizit bei heutigem
mittleren Menopausenalter von 51 Jahren und einer Lebenserwartung von 81 Jahren
ist biologisch betrachtet wider die Natur: FSH steigt zwischen 50 und 60 Jahren massiv an, um mehr oder minder atrophische Ovarien zur Hormonproduktion zu stimulieren – leider frustran.
Bei Menopause-Eintritt vor dem 40. Lebensjahr wird unterlassene Hormonsubstitution als Kunstfehler eingestuft. Der Substitutions-Beginn mit einsetzendem Hormonmangel liegt ca. 5 bis 10 Jahre vor der Menopause und kann bis zum Übergang von
Postmenopause ins Senium fortgesetzt werden, also ca. 15 Jahre nach der Menopause. Das bringt den effektivsten Nutzen für Primärprävention von Knochen/Osteoporose, Gefäßsystem /KHK und Gehirn /Demenz.
Bei 80 % der Frauen treten klimakterische Beschwerden vor dem 50. Lebensjahr auf
und stellen die HRT-Hauptindikation dar, gefolgt von Urogenital-Beschwerden und
schlechter Lebensqualität infolge Östrogenmangels.
Hier liegt das WHI-Problem: nur Frauen ohne klimakterische Beschwerden ab 50
Jahren wurden in die Studie aufgenommen, sonst wäre der Placebo-Einsatz unethisch gewesen. Da bei uns mit HRT bei 6 von 10 Frauen vor dem 50. Lebensjahr
begonnen wird, aber keiner Frau in WHI, sind Vergleiche absurd. Das gilt erst recht
für HRT-Start bei 21 % im Alter von 70 bis 79 Jahren in WHI – das ist bei uns nicht
der Fall. Damit wurde - bei bereits geschädigten Gefäßen in dieser Frauengruppe HRT zum Risiko, unter anderem durch Plaque-Mobilisierungen bei viel zu hoher
HRT-Dosierung (41 % Abbrecherquote in WHI insgesamt).
Bei Frauen beginnt das Herzinfarkt-Risiko ab der Menopause und steigt ab 70 Jahren rasant an, was die US-Kardiologen offenbar verkannten bzw. an hormonelle Sekundär-Prävention glaubten, die EU-Gynäkologen nicht erwarten.
Bevor HRT-Nutzen skizziert wird, muss auf mehr Brustkrebs-Diagnosen unter HRT
eingegangen werden. Bei HRT-Start mit 50 Jahren für 5 Jahre ergeben sich 2 Fälle
mehr pro 1000 nach 20 Jahren – also bis zum 70. Lebensjahr. Das ist das Ergebnis
einer Metaanalyse von 1997. Demnach erkranken in diesem Alter 63 von 1000 Frauen ohne HRT an diesem Krebs.
WHI kam bei Östrogensubstitution zum gegenteiligen Ergebnis: bei sicher eingenommener Studienmedikation wurden 33 % weniger Brustkrebse entdeckt als unter
Placebo. Bei Östrogen-MPA-Kombination (bei uns nicht mehr üblich) gab es nicht 7
weniger, sondern 8 mehr Brustkrebsdiagnosen pro 10.000 Frauen/Jahr und zugleich
56 weniger Osteoporosefrakturen/Jahr im Placebo-Vergleich.
Von 13 Studien zur Brustkrebsmortalität unter HRT zeigten 12 eine geringere Mortalität bei HRT-Nutzerinnen. Die eine Ausnahme, nämlich die Million-Women-Study, ist
methodisch problematisch: nach einem Jahr wurde vermehrt Brustkrebs entdeckt
und ein Jahr nach HRT-Absetzen war dieser Effekt nicht mehr beobachtbar.
Relevanter für Brustkrebs ist Übergewichtigkeit/Adipositas, die ab 50 Jahren unter
Östrogenmangel rasant an Häufigkeit zunimmt. Das ist unter Östrogen-Substitution
seltener. Der um ein Drittel reduzierte Grundumsatz ab der Menopause erklärt dieses
Phänomen, da die Nahrungszufuhr in der Regel nicht angepasst wird.
Beim Gefäßschutz sind lipidsenkende Eigenschaften substituierter Östrogene relevant, die Lipidsenkern wie Statinen ähneln. Das bestätigt WHI bei 50 – 60 Jährigen
mit Östrogen-Substitution: ein Drittel weniger KHK-Ereignisse. Der hormonelle Gefäßschutz mit 35 – 50 % weniger KHK im Placebovergleich ist durch viele große Studien bestätigt, z. B. die Nurses Health-Study mit 70.000 Frauen und 33 Jahren (!)
Beobachtung (seit 1976).
Der WHI-"Nutzen" besteht nur darin, dass bekannte Kontraindikationen missachtet
wurden und damit eine Bestätigung in einem großen Kollektiv fanden. Im Zweifelsfall
ist stets die transdermale Substitution der oralen vorzuziehen, um KHK- und Apoplex-Ereignisse im Promille-Bereich zu vermeiden.
Zur Osteoporose-Prävention mittels Östrogensubstitution ab der Menopause gibt es
keine Alternative, weder Biphosphanate noch Strontium, wie vom Dachverband Osteologie empfohlen - trotz dort bekannter vieler Nebenwirkungen und Risiken.
Fazit
Biologische Logik und alle Studien mit logischem Konzept (ohne sekundäre Präventionsziele) sprechen für den Nutzen von HRT. Frauen zwischen 40 und 60 Jahren mit
Interesse an HRT sollten nicht weiter unnötig verunsichert werden.
Prof. Dr. med. J. M. Wenderlein
Universität Ulm
[email protected]
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