Grundlagen der Kontaktlinsen-Praxis

Werbung
A N PA S S U N G
Grundlagen der Kontaktlinsen-Praxis
Teil 5 – Anpassung weicher Kontaktlinsen
Jane Veys, John Meyler und Ian Davies setzen ihre Serie
fort mit der Darstellung der wichtigsten Aspekte und
Prinzipien bei der Anpassung weicher Kontaktlinsen.
Weiche Kontaktlinsen dominieren mittlerweile die Kontaktlinsenmärkte. Mit ihnen erfolgen circa 90 Prozent aller Anpassungen weltweit.1 Das Angebot verfügbarer Kontaktlinsen entwickelt sich in den Bereichen Kontaktlinsen-Material, Design
und Austauschintervall ständig weiter. Hydrogellinsen sind
zwar noch immer stark in den Märkten vertreten, aber der Anteil der Silikon-Hydrogellinsen steigt stetig. Bei den anhaltenden Bemühungen zur Steigerung der Patienten- bzw. Kundenzufriedenheit und des langfristigen Erfolges von Kontaktlinsen sollten die Auswahl der Kontaktlinsen und die Optimierung des Kontaktlinsen-Sitzes nicht außer Acht gelassen werden. Auch wenn bei der Anpassung weicher Kontaktlinsen weniger Parameter zu berücksichtigen sind als bei formstabilen,
ist doch die genaue Beurteilung der Passform bzw. des Sitzverhaltens äußerst wichtig.
Das Ziel jedes Kontaktlinsen-Spezialisten sollte es sein, je
nach Topografie und Lebensstil des Trägers das richtige Material, die richtigen Kontaktlinsen-Parameter und die richtige Tragemodalität auszuwählen. Ein suboptimaler Sitz oder eine
falsch gewählte Kontaktlinse können zu mangelhaftem Tragekomfort führen und/oder möglicherweise physiologische Auswirkungen haben. Diese können dazu beitragen, dass der Patient bzw. Kunde aufhört, Kontaktlinsen zu tragen.2 Aufgrund
der Erfahrungen mit den Silikon-Hydrogellinsen der ersten Generation mit höherem Modulus wissen wir, wie wichtig die optimale Passform ist.
Es wurde behauptet, dass die wichtigste Fertigkeit in der
Kontaktlinsen-Praxis nicht mehr die „mechanische“ Anpassung
von Kontaktlinsen, sondern die Überwachung der Physiologie
des Patienten bzw. Kundenauges ist. Das trifft insbesondere
auf die Anpassung weicher Kontaktlinsen zu, weil sich die zur
Verfügung stehende Auswahl oft auf ein Design mit einheitlichen Parametern beschränkt. Kontaktlinsen mit einheitlichen
Parametern können für einen großen Prozentsatz der Patienten bzw. Kunden akzeptabel sein. Trotzdem ist es wichtig zu
verstehen, wie man den Sitz von Kontaktlinsen richtig beurteilt
und optimiert.
Viele „Mythen“ rund um die Anpassung und das Design weicher Kontaktlinsen wurden bereits in der Fachliteratur behandelt.3 Dieser Beitrag bietet einen praktischen Überblick über
die wichtigsten Aspekte und Prinzipien bei der Anpassung weicher Kontaktlinsen. Es geht dabei nicht um bestimmte Produkte. Alle Regeln, die bei der Anpassung von Hydrogellinsen gelten, sind auch auf Silikon-Hydrogelmaterialien anwendbar.
80
■ Die ideale Passform
weicher Kontaktlinsen
Bei der Beurteilung der Passform sind sowohl statische als
auch dynamische Kriterien zu berücksichtigen. Die ideale Passform weicher Kontaktlinsen erfüllt folgende Kriterien:
Hornhautabdeckung
Die Kontaktlinse sollte die Hornhaut beim Blick geradeaus
(Abbildung 1) sowie bei allen anderen Blickpositionen abdekken. So wird die Austrocknung der exponierten Hornhaut, die
zur Epithelstippung (Abbildung 2) führen könnte, vermieden.
Abb. 1: Sitz der Kontaktlinse beim Blick
geradeaus (primäre
Blickrichtung)
Abb. 2: Unzureichende Hornhautabdeckung und damit verbundene
Stippung aufgrund von Trockenheit
Dynamische Anpassung
Auch bei weichen Kontaktlinsen muss der Tränenaustausch
gewährleistet sein, damit Stoffwechselprodukte von der Hornhaut entfernt werden können. Es steht inzwischen fest, dass
die Beweglichkeit weicher Kontaktlinsen für die Sauerstoffversorgung der Hornhaut nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Der Tränenpump-Effekt ist bei weichen Kontaktlinsen im Vergleich zu formstabilen Kontaktlinsen minimal. Das ist beim
Umgang mit Trägern weicher Kontaktlinsen wichtig. Der Kontaktlinsen-Anpasser sollte die Beweglichkeit der Kontaktlinsen
bei Trägern von Hydrogellinsen nicht erhöhen, um Anzeichen
von Sauerstoffunterversorgung zu lindern. Dieses Thema wird
Gegenstand eines späteren Beitrags dieser Serie sein.
DOZ 10-2008 KONTAKTLINSE
A N PA S S U N G
Anpassung
Die Kontaktlinse sollte sich der Hornhaut und der Bindehaut
anschmiegen und die Bindehautgefäße nicht abdrücken. Das
würde den Tränenfluss im betreffenden Bereich zum Stoppen
bringen und die Sauerstoffversorgung des Limbus verringern.
Die Kontaktlinse sollte am Rand auch nicht abstehen, weil das
zu mangelndem Tragekomfort führen würde.
Zentrierung der Kontaktlinse
Die Kontaktlinse sollte in allen Blickpositionen ungefähr auf
der Hornhaut zentriert sein. Wird dies nicht erreicht, kann das
zeitweise dazu führen, dass die Hornhaut trocken und die periphere Hornhaut mechanisch belastet wird.
Reaktion des Patienten bzw. Kunden
Werden die oben genannten Kriterien erfüllt, sollte der Patient bzw. Kunde einen hohen Tragekomfort empfinden und
zuverlässig scharf sehen können. Die Anforderungen an die
physische Passform und an die Leistung von Kontaktlinsen
sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Tabelle 1: Anforderungen an die Anpassung weicher Kontaktlinsen
■ Instrumente – Keratometrie
Auswahl der Testlinse
Hornhautradien sind ein schlechter Indikator für den Sitz
einer Kontaktlinse. In mehreren Studien, u. a. von Gundal4,
zeigte sich keine Korrelation zwischen zentralen bzw. peripheren Hornhautradien und der bestsitzenden Kontaktlinse. Trotzdem werden noch immer Anpassanleitungen veröffentlicht, in
denen Hornhautradien als Maß angegeben werden, anhand
dessen die erste Basiskurve ausgewählt wird. Young hat dargelegt, weshalb der Sitz weicher Kontaktlinsen nicht unter Verwendung der Hornhautradien vorhergesagt werden kann.5
Dieser wird durch das Verhältnis zwischen der Scheiteltiefe der
Kontaktlinse und der Scheiteltiefe des vorderen Augenabschnitts bezogen auf den Linsendurchmesser bestimmt.
In der Theorie bedeutet das: Ist die Scheiteltiefe der Kontaktlinse größer als die Scheiteltiefe des Auges, ist der Sitz zu steil
– und umgekehrt. Young hat mit Hilfe eines mathematischen
Modells zur Berechnung der Scheiteltiefe des Auges und unter
Verwendung von Normalwerten für die einzelnen Variablen
bewiesen, dass die Variabilität des Formfaktors in der
Durchschnittsbevölkerung eine größere Auswirkung auf die
Krümmung hat als der Hornhautradius bzw. -durchmesser.
Ausgangszustand
Die Keratometrie spielt zwar bei der Auswahl der ersten Testlinse keine Rolle, doch sollten die Hornhautradien im AusKONTAKTLINSE DOZ 10-2008
gangszustand unbedingt zum Zweck der Vergleichbarkeit ermittelt werden.
Beurteilung des Kontaktlinsensitzes
Die Qualität der Keratometer-Testmarken vor und nach dem
Lidschlag kann bei der Beurteilung des Sitzes helfen. Die Testmarkenbilder sollten jederzeit klar sein. Bei einer steil sitzenden Kontaktlinse sehen die Miren vor dem Lidschlag verschwommen und danach klar aus. Bei einer zu flach angepassten Kontaktlinse ist es umgekehrt. Diese Erkenntnis wird oft
angeführt, wenn es um die Beurteilung des Kontaktlinsen-sitzes geht. Die Autoren dieses Beitrags sind jedoch der Meinung, dass diese Methode bei modernen, dünnen Kontaktlinsen-Designs nur begrenzt anwendbar ist.
Hornhauttopografie
Die Hornhauttopografie kann verwendet werden, um den
Apex der Hornhaut zu lokalisieren. Das ist wichtig, weil sich die
Kontaktlinse eher auf dem Apex und nicht auf dem geometrischen Mittelpunkt der Hornhaut zentriert. Liegt der Apex nicht
zentral, wird auch die Kontaktlinse dezentrieren. Ist der Scheitelpunkt lokalisiert, kann dies dazu beitragen, sich für die beste
Vorgehensweise zur Lösung dieses Problems zu entscheiden.
PD-Messstab
Der gewöhnliche PD-Messstab kann zur groben Messung
der vorderen Augenparameter angewandt werden. Der horizontal sichtbare Irisdurchmesser (HVID) ist ein für die Anpassung weicher Kontaktlinsen wichtiger Wert und für die Ermittlung des Gesamtdurchmessers von Bedeutung. Der HVID
muss mindestens 1 Millimeter weniger betragen als der
Gesamtdurchmesser der angepassten Kontaktlinse. Die
Messung des vorderen Augenabschnitts mit einem solchen
PD-Messstab ist allerdings eine ungenaue Methode. Daher
sollte stattdessen das Messokular der Spaltlampe verwendet
werden.
Spaltlampenmikroskopie
Das Spaltlampenmikroskop oder Biomikroskop ist ein wichtiges Hilfsmittel. Der hauptsächliche Anwendungsbereich bei
der Anpassung weicher Kontaktlinsen ist die Beurteilung der
Anpassung der Kontaktlinse und der damit verbundenen Aufzeichnungen. Bei der Anpassung weicher Kontaktlinsen ermöglicht das Messokular der Spaltlampe nicht nur eine exakte
Größenbestimmung zur Dokumentation von Auffälligkeiten
und die Vermessung des vorderen äußeren Augenabschnitts,
sondern dient auch der genauen Beurteilung der Kontaktlinsenbewegung nach dem Lidschlag.
In vielen Texten und Anpassanleitungen heißt es, bei 1 Millimeter wäre die weiche Kontaktlinse optimal angepasst. Tatsächlich bewegt sich die Kontaktlinse nach dem Lidschlag üblicherweise aber nur 0,2 Millimeter bis 0,4 Millimeter. In Abbildung 3 wurde ein Cursor auf das Auge gelegt, um zu zeigen,
wie „groß“ 1 Millimeter durch die Spaltlampe aussieht. Eine
Kontaktlinse, die sich bis zur Markierung in Abbildung 3b
(rechts) bewegt, ist nach Meinung der meisten KontaktlinsenAnpasser zu beweglich, obwohl 1 Millimeter gemessen wird.
Die in Abbildung 3a (links) gezeigte Bewegung ist für weiche
Kontaktlinsen eher typisch. Sie beträgt 0,3 Millimeter.
81
A N PA S S U N G
Abb. 3: Der über das Bild gelegte Messcursor zeigt 0,3mm (links)
und 1mm
Die Spaltlampe wird auch dazu verwendet, die Lidspannung,
die Zentrierung und die Hornhautabdeckung sowie den Kontaktlinsen-Rand und den allgemeinen Sitz der Kontaktlinse mit
Hilfe des Push-up-Tests zu beurteilen.
Techniken
Wie bei allen Kontaktlinsen-Anpassungen ist eine erste
Untersuchung erforderlich, um festzustellen, ob der Patient
bzw. Kunde für das Tragen von Kontaktlinsen geeignet ist und
welche Bedürfnisse er hat. Die erforderlichen Techniken wurden in Teil 1 dieser Serie behandelt.
■ Erste Testlinse
– Auswahl und Aufsetzen
Die erste Testlinse sollte anhand folgender Kriterien ausgewählt werden:
• Scheitelbrechwert – Dieser sollte so gut wie möglich an
die für die Augen des Patienten bzw. Kunden erforderliche
Fehlsichtigkeit angepasst werden, damit er die Vorteile des
Kontaktlinsen-Tragens richtig beurteilen und sich leichter daran
gewöhnen kann. Ist die richtige Stärke nicht verfügbar, ist es
besser, eine Kontaktlinse auszuwählen, die eher unterkorrigiert
als eine, die überkorrigiert. Denn so können Akkomodationskrämpfe, welche die Überrefraktion beeinflussen könnten, vermieden werden. Wenn Monovision getestet wird, sollte eine
Kontaktlinse ausgewählt werden, die so exakt wie möglich der
richtigen Stärke entspricht.
• Gesamtdurchmesser – Dieser muss um ca. 2,5 Millimeter größer sein als der HVID, damit die ganze Hornhaut abgedeckt wird.
• Radius der rückflächenoptischen Zone – Sind verschiedene Basiskurven verfügbar, sollten Kontaktlinsen-Anpasser sich bei der Auswahl der ersten Testlinse an die Richtlinien
des Herstellers halten. Dabei sollten sie nicht die Hornhauttopografie berücksichtigen.
■ Adaptionszeitraum
– Sitzeigenschaften
Nach dem Aufsetzen der Kontaktlinsen muss nach einem
angemessenen Zeitraum der Sitz beurteilt werden. Weiche
Kontaktlinsen verlieren Wasser, sobald sie auf dem Auge sitzen.
Dadurch ändern sich die Parameter und möglicherweise auch
die Passform. Es ist daher wichtig, den Sitz intuitiv zu beurteilen,
sobald Kontaktlinse und Tränenfilm im Gleichgewicht sind.
Laut der klassischen Theorie für weiche Kontaktlinsen sollte
man der Kontaktlinse 20 bis 40 Minuten Zeit auf dem Auge
82
geben, bevor man den Sitz beurteilt. In jüngeren Arbeiten von
Brennan et al6 wurde die Veränderung der Sitzeigenschaften
bei Kontaktlinsen mit niedrigem bzw. hohem Wassergehalt
über eine Tragezeit von acht Stunden untersucht. Es wurde
festgestellt, dass die Beweglichkeit der Kontaktlinse in den ersten 25 bis 30 Minuten Tragezeit signifikant abnimmt. Der beste Zeitpunkt zur Vorhersage des endgültigen Sitzes ist fünf Minuten nach dem Aufsetzen der Kontaktlinse. Ist der Sitz der
Kontaktlinse zu diesem Zeitpunkt inakzeptabel, sollte eine andere Testlinse aufgesetzt werden.
■ Adaptionszeitraum – physiologische
und psychologische Eigenschaften
Fünf Minuten reichen eindeutig nicht aus, um die physiologische Reaktion auf die Kontaktlinse und das Gefühl eines Kontaktlinsen-Neuträgers bei verschiedenen Aktivitäten im Laufe
des Tages zu beurteilen. Nach einem längeren Probetragen
mit einem „Rundgang“ kann der Patient bzw. Kunde beurteilen, was das Tragen von Kontaktlinsen für ihn bedeutet. Er
sammelt so realistischere Erfahrungen als im Anpassraum. Die
regelmäßige Nachkontrolle ermöglicht es dem KontaktlinsenAnpasser, die physiologische Reaktion des Patienten bzw.
Kunden auf Kontaktlinsen zu überprüfen.
Sobald die Testlinse angepasst wurde, sollte bei der Beurteilung von der am wenigsten zur am stärksten invasiven Technik
vorgegangen werden.
■ Subjektive Reaktion des Patienten
bzw. Kunden
• Tragekomfort – Die Kontaktlinse sollte auf dem Auge
praktisch nicht wahrnehmbar sein, insbesondere nach dem
Aufsetzen. Ein anfänglich mangelnder Tragekomfort aufgrund
von Unterschieden in Osmolarität und pH-Wert zwischen der
Lösung, in der die Kontaktlinse gelagert wurde, und der Tränenflüssigkeit des Patienten bzw. Kunden, sollte sich schnell
geben. Das Tragegefühl sollte gleichbleibend sein und sich
bei seitlichen Augenbewegungen oder beim Lidschlag nicht
wesentlich ändern. Als allgemeine Regel sollte der Tragekomfort mit 9 von 10 möglichen Punkten oder besser benotet
werden.
• Visus – Bei richtiger Überrefraktion sollte die Sehqualität
stabil sein. Patienten bzw. Kunden mit stärkeren Refraktionsfehlern könnten jedoch periphere Unschärfen bemerken und
Schwierigkeiten beim Abschätzen von Distanzen haben,
weil sich die Vergrößerung ändert. Das sollte sich jedoch bald
geben.
■ Überrefraktion und Visus
Einer normalen Überrefraktion sollte ein binokularer Abgleich folgen. Die Refraktion sollte ein eindeutiges Ergebnis liefern und die Sehqualität dabei stabil sein. Schwankungen
könnten auf einen schlechten Sitz der Kontaktlinse hindeuten.
Zur Überprüfung wird empfohlen, ein Retinoskop zu verwenden.
DOZ 10-2008 KONTAKTLINSE
A N PA S S U N G
■ Überprüfung mit dem
Spaltlampenmikroskop
Nach der Überrefraktion sollte der Sitz mit der Spaltlampe
begutachtet werden. Um die Kontaktlinse auf dem Auge sehen zu können, sollte eine diffuse direkte Beleuchtung und eine mittlere bis starke Vergrößerung verwendet werden.
Dabei ist auf Folgendes zu achten:
• Hornhautabdeckung – Solange sich das Auge in Blikkrichtung geradeaus befindet, sollte die Kontaktlinse die Hornhaut vor und nach dem Lidschlag sowie während des Lidschlags vollständig abdecken (Abbildung 1) und die Bindehaut circa 1 Millimeter überlappen.
• Zentrierung – Die Kontaktlinse sollte in dieser primären
Blickposition auf der Hornhaut zentriert sein und sowohl bei
horizontalen, als auch vertikalen Blickrichtungswechseln (Abbildung 4/Abbildung 5) weiterhin die gesamte Hornhaut abdecken. Obgleich Tests und Anpassanleitungen empfehlen,
beide Variablen zu begutachten, um den Sitz von Kontaktlinsen zu beurteilen, deuten Studien jedoch darauf hin, dass diese für die Vorhersage, ob eine Kontaktlinse erfolgreich angepasst wird oder nicht, wenig aussagekräftig sind.
Abb. 4: Zentrierung bei horizontaler Blickrichtungsänderung
Abb. 5: Zentrierung bei vertikaler
Blickrichtungsänderung
• Bewegung nach dem Lidschlag in primärer Blickposition – Diese sollte mit Hilfe eines Messokulars beurteilt
oder idealerweise aufgezeichnet werden. Das ist möglich, indem man während des Lidschlags den unteren Bereich der
Kontaktlinse beobachtet oder, falls das Unterlid den unteren
Rand der Linse verdeckt, den Bereich bei 4- bzw. 8-Uhr beobachten. In einigen Fällen ist es notwendig, das Unterlid mit
dem Finger zu verschieben, bevor man ein Urteil treffen kann.
Die ideale gemessene Bewegung der Kontaktlinse sollte bei
0,2 bis 0,4 Millimeter liegen. Bei modernen, dünnen Kontaktlinsen-Designs mit hohem Wassergehalt und niedrigem Elastizitätsmodulus stellt man oft weniger Bewegung fest als bei älteren, dickeren Designs mit niedrigerem Wassergehalt.
Manchmal kann es schwierig sein, den Sitz ausschließlich anhand der Bewegung zu beurteilen. Eine genauere Einschätzung der Kontaktlinsen-Dynamik ist mit Hilfe des Push-up-Tests
möglich.
• Push-up-Test – Wie fest eine Kontaktlinse sitzt, ist
ein Maß für den richtigen Sitz der Kontaktlinse auf dem
Auge. Es ist der wirksamste Weg zur Beurteilung des dynamischen Kontaktlinsensitzes. Der Kontaktlinsen-Anpasser bewegt
die Kontaktlinse in vertikaler Richtung, indem er mit dem
Finger Druck auf das Unterlid ausübt. Er beobachtet
die Kontaktlinse, während diese sich wieder zentriert (Abbildung 6).
KONTAKTLINSE DOZ 10-2008
Verwöhnen Sie die Augen
mit 40 % mehr Sauerstoff
· Ein Hyper-Dk-Material mit sehr hoher
Sauerstoff-Permeabilität (Dk = 141**)
· Ein Hyper Dk-Linsenmaterial mit hoher
Formstabilität und Bruchfestigkeit
· Ein Hyper-Dk-Material für komplexe
Linsengeometrien
· Mit integrierten Benetzungskomponenten
in der Polymermatrix
*) Polymer Technology, a Bausch & Lomb company
**) Dk 141 (ISO/FATT-Methode)
© Boston ist ein registriertes Warenzeichen von Bausch & Lomb Incorporated
83
A N PA S S U N G
■ Interpretation von Ergebnissen
Wie in der guten Anpass-Praxis üblich, sollten Einzelbefunde
nicht isoliert betrachtet werden. Die Interpretation von Ergebnissen fällt dem Kontaktlinsen-Anpasser leichter, wenn er eine
gut strukturierte Routine befolgt (Tabelle 2).
Abb. 6a: Push-up-Test – Finger in
Position
Abb. 6b: Push-up-Test – Kontaktlinse wird nach oben bewegt
Der Kontaktlinsen-Anpasser beurteilt, wie leicht sich die Kontaktlinse bewegen lässt und wie schnell sie wieder ihre ursprüngliche Position erreicht. Es wurde vorgeschlagen, eine
Prozentskala zu verwenden. Dabei bedeuten 100 Prozent,
dass sich die Kontaktlinse nicht bewegen lässt und 0 Prozent,
dass sie von der Hornhaut fällt, wenn sie nicht von den Lidern
gehalten wird. Der Wert einer ideal sitzenden Kontaktlinse läge
bei 50 Prozent.7
Martin et al8, 9 haben beschrieben, wie wichtig der Push-upTest ist. Martin hat gezeigt, dass die Bewegung von Flüssigkeiten in der Umgebung einer weichen Kontaktlinse von der
Druckbelastung, also von der Kraft zwischen der Vorderfläche
des Auges und der Kontaktlinsenrückfläche, abhängig ist.
Steigt die Druckbelastung, sinkt die Menge an ausgetauschter
Flüssigkeit. Die Bewegung weicher Kontaktlinsen zeigt eine geringe Korrelation zur Druckbelastung. Diese ist ein beschränkender Faktor, über den die Bewegung der Kontaktlinse nicht
hinausgeht.
Abbildung 7 nach Martin et al illustriert diesen Zusammenhang. Die Abbildung zeigt, dass Kontaktlinsen eine Druckbelastung aufweisen können, die niedrig genug ist, um einen Flüssigkeitsaustausch stattfinden zu lassen, ohne dass sich die
Kontaktlinse bewegt. Der Sitz, der mit dem Push-up-Test gemessen wird, zeigt hingegen einen linearen Zusammenhang
mit der Druckbelastung (Abbildung 8) und sollte daher bei
der Beurteilung des Sitzes als maßgeblich gelten.
Abb. 8: Verhältnis zwischen klinischer Beurteilung des Kontaktlinsensitzes und Druckbelastung am Augenmodell
Tabelle 2: Flussdiagramm zur Anpassung weicher Kontaktlinsen
Abb. 7: Verhältnis zwischen Kontaktlinsen-Bewegung in vito und
Druckbelastung am Augenmodell
In Tabelle 3 sind die wichtigsten Punkte zusammengefasst,
die bei der Anpassung weicher Kontaktlinsen zu beachten
sind. Die Tabelle zeigt auch die Merkmale einer idealen Anpassung. Darüber hinaus werden mögliche suboptimale Reaktionen aufgeführt und Gegenmaßnahmen empfohlen. In dem
nachfolgenden Abschnitt geht es um die Faktoren, die den Sitz
der Kontaktlinse beeinträchtigen können, sowie um mögliche
Gegenmaßnahmen.
Anzeichen für einen festen oder lockeren Sitz sind in
Tabelle 4 zusammengefasst und in den Abbildungen 9 und
10 illustriert.
84
DOZ 10-2008 KONTAKTLINSE
A N PA S S U N G
Tabelle 3: Wichtige Überprüfungen bei der Anpassung weicher Kontaktlinsen
KONTAKTLINSE DOZ 10-2008
85
A N PA S S U N G
ger Lidspannung haben in der Regel geringere Auswirkungen
auf den Sitz der Kontaktlinse. Eine mögliche Folge ist jedoch
die unzureichende Beweglichkeit der Kontaktlinse.
• Tränenmorphologie – Sowohl der pH-Wert als auch der
osmotische Druck können die Kontaktlinsen-Parameter beeinflussen und den Sitz der Kontaktlinse beeinträchtigen. Eine Reduzierung des pH-Wertes führt zu einer Versteilung der ionischen Kontaktlinsen-Parameter. Eine Studie10 hat gezeigt, dass
sowohl ionische als auch nichtionische Kontaktlinsen fester sitzen, wenn die Tonizität des Tränenfilms sinkt. Das ist klinisch
signifikant, denn wenn mit einem bestimmten KontaktlinsenMaterial keine erfolgreiche Anpassung möglich ist, kann es
sich lohnen, stattdessen ein Material mit anderer Ionizität oder
anderem Wassergehalt zu wählen.
Abb. 9: Abstehender Rand aufgrund einer zu flachen Kontaktlinse
Abb. 10: Abdrücken der Limbusgefäße aufgrund einer zu steil sitzenden Kontaktlinse
■ Augenbedingte Faktoren, die den
Kontaktlinsensitz beeinträchtigen
• Scheiteltiefe des Auges – Dabei handelt es sich um eine
Abhängigkeit von Hornhautformfaktor, Durchmesser und Radius sowie dem Skleralradius und Formfaktor.5 Da die Variablen, welche die Scheiteltiefe des Auges beeinflussen, nicht
genau untersucht werden können, hilft nur das gezielte Experimentieren mit Testlinsen, um die Auswirkung der Scheiteltiefe
auf den Sitz der Kontaktlinse zu beurteilen.
• Apex der Hornhaut – Ein nicht zentral liegender Hornhaut-Apex führt zu einer Dezentrierung der Kontaktlinse. Indem der Gesamtdurchmesser der Kontaktlinse erhöht wird,
kann gegebenenfalls ein größerer Teil der Hornhaut abgedeck
werden. Veränderungen der Basiskurve haben hingegen nur
geringe Auswirkungen auf die Zentrierung.
• Lidspannung – Straffe Augenlider führen oft zu einer
hoch sitzenden Kontaktlinse und möglicherweise zu starker
Bewegung der Kontaktlinse. Dies lässt sich durch die Wahl eines dünnen Kontaktlinsen-Designs und/oder eines größeren
Kontaktlinsen-Durchmessers beheben. Augenlider mit gerin86
■ Kontaktlinsenbedingte Faktoren, die
den Sitz beeinträchtigen
• Gesamtdurchmesser – Die Vergrößerung des Gesamtdurchmessers führt zu einer stärkeren Krümmung der Kontaktlinse und zu einem engeren Sitz. Eine Verringerung hat den
gegenteiligen Effekt. Bei einer Kontaktlinse, die an eine Hornhaut mit dezentriertem Apex angepasst werden soll, kann der
Gesamtdurchmesser auch erhöht werden, um die Hornhautabdeckung zu verbessern. Änderungen des KontaktlinsenDurchmessers beeinflussen den Sitz stärker als Änderungen
des Radius der rückflächenoptischen Zone (BOZR).
• Radius der rückflächenoptischen Zone – Laut der traditionellen Theorie zur Anpassung weicher Kontaktlinsen bewegen sich Kontaktlinsen mehr, wenn der Radius der rückflächenoptischen Zone größer wird, bzw. weniger, wenn er kleiner wird (Abbildung 11). Die meisten Kontaktlinsen-Anpasser
kennen Situationen, in denen eine Veränderung des BOZR,
wenn überhaupt, nur eine minimale Auswirkung auf den Sitz
der Kontaktlinse hat. Diese Beobachtung wird durch mehrere
Studien gestützt. Zahlreiche Forscher3, 11 haben nachgewiesen,
dass der BOZR für die Vorhersage der Kontaktlinsen-Bewegung
nicht aussagekräftig ist. Die Gruppe um Roseman hat auch bewiesen, dass ein steilerer BOZR die Zentrierung verbessern
kann, ohne den dynamischen Sitz der Kontaktlinse zu beeinträchtigen. Das heißt nicht, dass eine Veränderung der Basiskurve die Bewegung nicht beeinflusst, sondern nur, dass sie
nicht unbedingt den beabsichtigten Effekt hat.
Abb. 11: Tatsächlicher Effekt der Basiskurven-Änderung auf die
Bewegung weicher Kontaktlinsen nach dem Lidschlag
DOZ 10-2008 KONTAKTLINSE
A N PA S S U N G
• Design der Kontaktlinsen-Peripherie – Das Design der
Kontaktlinsen-Peripherie, also das Verhältnis zwischen der Vorder- und Rückflächenperipherie, hat eine eindeutige Auswirkung auf den Sitz einer Kontaktlinse. Das haben Young et al12
bewiesen. Wie die Anpasscharakteristika beeinflusst auch das
Design der Peripherie das Handling und den Tragekomfort der
Kontaktlinse. Der Kontaktlinsen-Anpasser kann diese Parameter in der Regel nicht ändern. Es gibt auch sehr wenige Publikationen, die darauf hindeuten, dass sich entsprechende Änderungen lohnen. In der Praxis sollte sich der KontaktlinsenSpezialist bewusst sein, dass beim Umstieg von einem Kontaktlinsen-Design auf ein anderes mit demselben BOZR und
Gesamtdurchmesser nicht gewährleistet ist, dass der Sitz der
Kontaktlinse gleich bleibt.
■ Schlussfolgerungen
Kontaktlinsen-Anpasser haben bei der Entscheidung für die
optimale Passform bei weichen Kontaktlinsen weniger Parameter zur Auswahl als bei formstabilen Kontaktlinsen. Dennoch ist es wichtig, diese genau zu beurteilen, um ein erfolgreiches Tragen von Kontaktlinsen zu gewährleisten. Durch dünnere Hydrogellinsen mit niedrigerem Elastizitätsmodulus und
verbesserte Kontaktlinsen-Designs ist die Anzahl der Parameter, die bei einer Anpassung in der Durchschnittsbevölkerung zu
berücksichtigen sind, weiter zurückgegangen. Bei den neuen
Silikon-Hydrogel-Materialien mit höherem Modulus ist die Optimierung des Kontaktlinsensitzes wichtig für den Anpasserfolg.
Die Autoren dieses Beitrags haben versucht, eine praktische
Anleitung zu bieten und dabei die wichtigsten Aspekte bei der
Anpassung moderner weicher Kontaktlinsen zu berücksichtigen.
Die Sitzbeurteilung weicher Kontaktlinsen endet selbstverständlich nicht mit der Erstanpassung. Die Auswirkungen von
Faktoren wie Tragezeit, Umwelteinflüsse und Augenphysiologie müssen kontinuierlich beobachtet werden. Für den anhaltenden Erfolg beim Tragen von Kontaktlinsen ist eine regelmäßige Nachkontrolle sehr wichtig.
Danksagung
Wir danken David Ruston für die Abbildungen 2, 6, 10 und
11 und Graeme Young für die professionelle Durchsicht des
Beitrags.
Literaturhinweise
1 Morgan et al. International Contact lens Prescribing in 2006.
CL Spectrum, 2007; Jan: 34-38.
2 Young G. Why one million CL wearers have dropped out. Cont Lens
Ant Eye, 2004; 27:2 83-85.
3 Young G. Soft lens fitting reassessed. Spectrum, 1992; 7:12 56-61.
4 Gundal R, Cohen H and DiVergilio D. Peripheral keratometry and soft
lens fitting. Int Eyecare, 1986; 2:12 611-613.
5 Young G . Ocular sagittal height and soft contact lens fit. J BCLA, 1992;
15:1 45-49.
6 Brennan N et al . Soft lens movement: temporal characteristics. Optom Vis Sci, 1994; 71:6 359-363.
7 Young G . How to fit soft contact lenses. J BCLA, 1992; 15:4 179-180.
8 Martin D et al. A unifying parameter to describe the clinical mechanics
of hydrogel contact lenses. Optom Vis Sci, 1989; 66:2 87-91.
9 Martin D and Holden B. Forces developed beneath hydrogel contact
lenses due to squeeze pressure. Phys Med Biol, 1986; 30: 635-649.
10 Little SA and Bruce AS. Osmotic determinants of post-lens tear film
morphology and hydrogel lens movement. Ophthal Physiol Opt,
1995; 15:2 117-124.
11 Roseman M, Frost A and Lawley M. Effects of base curve on the fit of
thin, mid water contact lenses. ICLC, 1993; 20: 95-101.
12 Young G, Holden B and Cooke G. Influence of soft contact lens design
on clinical performance. Optom Vis Sci ,1993; 70:5 394-403.
Autoren:
Jane Veys ist Director Clinical Education für The Vision Care
InstituteTM von Johnson & Johnson Vision Care. John Meyler
ist Senior Director Professional Affairs bei Johnson & Johnson
Vision Care für Europa, Mittleren Osten und Afrika. Ian Davies
ist Vizepräsident des The Vision Care InstituteTM von Johnson
& Johnson Vision Care.
Dieser Artikel wurde von Johnson & Johnson Vision
Care unterstützt erstmals veröffentlicht im Optician
6. Juli 2007.
Wichtigste Punkte
• Es ist wichtig, die Passform weicher Kontaktlinsen zu optimieren.
• Eine ideal angepasste weiche Kontaktlinse sollte folgende
Merkmale aufweisen:
• Tragekomfort (>9/10)
• Scharfe, klare und stabile Sehqualität
• Vollständige Abdeckung der Hornhaut bei allen
Blickrichtungen
• Regelmäßige Ausrichtung des Randes an der Bindehaut
• Sanfte Rückkehr in die Ausgangsposition nach dem
Push-up-Test 0,25mm bis 0,5mm Bewegung nach
dem Lidschlag
• Die Passform der Kontaktlinse und die Auswahl der Basiskurve sind unabhängig vom Hornhautradius.
• Der Push-up-Test ist aussagekräftiger als die Bewegung
nach dem Lidschlag.
• Bei der Beurteilung sollte von der am wenigsten invasiven
zur am stärksten invasivsten Technik vorgegangen werden.
KONTAKTLINSE DOZ 10-2008
inform-broschüre Nr. 21:
Rechtsanwalt Peter Schreiber
Rechtliche Grundlagen
in der Augenoptik
Eine Auswahl der für die Augenoptik relevanten Vorschriften.
Format 160 x 197 mm,
Softcover, ca. 100 Seiten
ISBN 978-3-922269-83-0
16,90 €
inkl. ges. MwSt., zzgl. Porto
und Verpackung
Tel: +49(0)62 21 - 90 5170
Fax: +49(0)62 21 - 90 5171
www.doz-verlag.de
87
Herunterladen