Praktikum am Nicolaus Copernicus Astronomical Centre in

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Praktikum am Nicolaus
Copernicus Astronomical Centre
in Warschau, Polen
Allgemeiner Teil
Vorbereitung
Für Polen wird kein Visum verlangt, daher bestand die Vorbereitung auf mein Praktikum im
Wesentlichen aus der Suche nach einer Unterkunft.
Beim Vergleich zwischen Flug, Bahn und Fernbussen stellte sich heraus, dass sich die Preise
kaum unterscheiden. Ich buchte daher sehr frühzeitig Hin-und Rückflug und hatte damit schon
einen Großteil meiner Reisevorbereitungen erledigt. Warschau besitzt zwei Flughäfen. Landet
man wie ich auf dem Flughafen Chopin, braucht man für den Weg bis zum Institut mit dem Taxi
nur ca. 20min oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln eine Stunde.
Vor meiner Anreise habe ich ebenfalls versucht etwas polnisch zu lernen. Insbesondere die
Aussprache fiel mir zu Hause allerdings noch sehr schwer. Nach einigen Tagen in Polen merkte
ich zwar, dass ich einige Wörter bzw. Sätze gut anwenden konnte, aber genug Zeit, um die
Sprache richtig zu lernen, blieb nicht.
Unterkunft
Mein Betreuer schlug mir vor in die Unterkunft direkt am Institut zu ziehen. Ich musste diese
zwar mit anderen Studenten teilen, allerdings hatte ich einen separaten Raum und die Wohnung
war sehr billig. Vor meiner Anreise hatte ich nur wenig Informationen über die Art der
Unterkunft, doch ich war im Großen und Ganzen positiv überrascht. Für einen längeren
Aufenthalt ist die Unterkunft meiner Meinung nach allerdings nicht zu empfehlen. Es gab kein
richtiges Bett (nur eine Couch), nur wenige und meistens kaputte Küchenutensilien in der
Gemeinschaftsküche und kein WLAN. Außerdem wurden ständig Reparaturarbeiten an der
Wasserversorgung durchgeführt, sodass wir tagelang überhaupt kein oder nur kaltes Wasser
hatten. Natürlich habe ich auch nach Alternativen geschaut und bin dabei auf einige Zimmer auf
Airbnb und kleine Hostels gestoßen, die teilweise sehr ansprechend aussahen. Ich habe mich aber
schließlich aus preislichen Gründen für das Institut entscheiden.
In der Nähe des Instituts gibt es einen kleinen Markt, in dem man das Nötigste einkaufen kann.
Einige Busstops entfernt gibt es weitere kleine Läden, größere Supermärkte befanden sich jedoch
nicht in der näheren Umgebung. Tipp: man sollte möglichst früh morgens einkaufen gehen.
Nachmittags sind viele Produkte (insbesondere Obst, Gemüse und Milchprodukte) schon
ausverkauft.
Das Institut
Das "Nicolaus Copernicus Astronomical Center" ist eines der führenden astronomischen Institute
in Polen. Forschungsschwerpunkte liegen auf Neutronensternen, schwarzen Löchern, der Struktur
sowie Evolution von Galaxien und vielen mehr (für nähere Informationen siehe:
https://www.camk.edu.pl/en/). Neben mir waren noch weitere "summer students" am Institut. In
meiner Arbeitsgruppe waren ebenfalls noch 2 weitere Studenten aus Schottland. Wir haben zwar
grob am selben Thema gearbeitet, aber die meiste Zeit gab es nur wenige Überschneidungen.
Die Arbeitsgruppen am Institut sind häufig sehr klein und bestehen hauptsächlich aus
Doktoranden. Die Betreuung jedes einzelnen Studenten, der das Institut besucht, ist dadurch sehr
gut und bei Fragen kann immer ein Ansprechpartner gefunden werden.
Die Stadt
Das Institut liegt im Stadtviertel „Mokotów“ in Warschau der Hauptstadt Polens.
An den Wochenenden gibt es zahlreiche Attraktionen, die Warschau sehenswert machen.
Besonders schön sind die Altstadt und das Stadtzentrum . Weiterhin gibt es viele Museen (der
Eintritt ist bei einigen Museen sonntags sogar frei), aber auch Cafés, Bars und Shoppingcenter. Es
lohnt sich ebenso für ein Wochenende mit dem Zug in andere polnische Städte zu fahren. Hier ist
insbesondere Krakau wegen seiner wunderschönen Altstadt zu empfehlen. Einheimische
Studenten haben mir ebenfalls dazu geraten Torún, die Geburtsstätte von Nicolaus Kopernikus,
zu besichtigen
Der öffentliche Verkehr in Warschau besteht aus Bussen, Tram und Metro und ist im
Stadtzentrum sehr gut. Da das Institut außerhalb des Stadtkerns liegt, hat man von dort aus
allerdings nur eine Anbindung mit dem Bus, wodurch längere Wartezeiten entstehen können.
Da Warschau auch ein beliebtes Reiseziel für Touristen ist, wird in Supermärkten und Cafés im
Stadtzentrum Englisch verstanden. Hält man sich jedoch etwas außerhalb auf, wird meistens nur
polnisch gesprochen. Auch im Wohnbereich des Instituts verstanden die Mitarbeiter kein
Englisch, weshalb ich häufig meine polnische Mitbewohnerin um Hilfe bitten musste. In der
Arbeitsgruppe am Institut war die Verständigung aber natürlich auf Englisch.
Die Preise in Polen liegen leicht unter deutschem Niveau. Fahrten mit dem öffentlichen
Nahverkehr kosten beispielsweise nur ca. 0,80€ für 20 Minuten. Lebensmittel sind auch im
Allgemeinen etwas billiger, allerdings kommt es hier stark auf das jeweilige Produkt an. Viele
Milchprodukte sind beispielsweise teurer als in Deutschland.
Fachlicher Teil
In meinem Projekt habe ich mich zu Beginn mit der Distanzbestimmung von Sternen im
„Galactic Halo“ beschäftigt. Danach wurden die Ergebnisse genutzt, um die Geschwindigkeiten
und Bahnen dieser Sterne zu bestimmen.
Unsere Galaxie kann grob durch 3 Bereiche charakterisiert werden: der „Bulk“ im Zentrum, die
„Disk“ und der „Halo“, der die Galaxie kugelförmig umgibt. Dabei wird angenommen, dass der
„Halo“ durch die ältesten Sterne der Milchstraße gebildet wird. Um diese näher zu untersuchen,
ist die Bestimmung der Bewegungsbahnen und Geschwindigkeiten essentiell. Von der Erde aus
betrachtet sehen wir jedoch nur die 2D Projektion dieser Bahnen. Um ein vollständiges Bild zu
erhalten, muss zusätzlich der Abstand der Sterne bekannt sein.
Es gibt verschiedene Methoden den Abstand von Sternen zur Erde zu bestimmen. Die
bekannteste Methode ist die Bestimmung von Parallaxen. Von der Erde aus betrachtet ändert ein
Stern seine Position relativ zu weit entfernten Sternen (diese haben näherungsweise feste
Positionen aufgrund der großen Entfernung) in Abhängigkeit von der momentanen Lage der Erde
auf seiner Umlaufbahn um die Sonne (siehe Abbildung 1). Vom Stern aus betrachtet ist der
Winkel zwischen zwei Bahnpositionen, bei denen Aufnahmen gemacht wurden, abhängig von der
Entfernung des Messobjekts zum Mittelpunkt der Umlaufbahn (also näherungsweise unserer
Sonne). Dieser Winkel wird als Parallaxe bezeichnet. Über elementare geometrische
Überlegungen lässt sich daraus der Abstand bestimmen.
Abbildung 1: Bestimmung der Distanz mit Parallaxen
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Parallaxe#/media/File:ParallaxeV2.png
Diese Methode funktioniert allerdings nur präzise, wenn der Messfehler klein ist. Außerdem ist
die Bestimmung des endgültigen Fehlerintervalls problematisch. Aus diesem Grund haben wir
mit Hilfe von „Bayesian inference“ eine weitere Möglichkeit eingesetzt, um die Distanz sowie
ein geeignetes Konfidenzintervall zu bestimmen. Für die Anwendung dieser statistischen
Abschätzung wird zuvor eine Annahme über die Distanzverteilung der Sterne benötigt (ein
sogenannter „Prior“). Wir haben für verschiedene „Prior“ die Resultate mit den Ergebnissen aus
den Parallaxen verglichen und danach die beste Annahme ausgewählt.
Die Messung von Parallaxen wird vornehmlich an Sternen durchgeführt, die keine große
Entfernung zur Sonne haben. Meine primäre Aufgabe bestand darin, eine Alternative zu diesem
Messeverfahren zu implementieren, um auch die Distanz zu weiter entfernten Sternen zu
bestimmen. Wir entschieden uns schließlich die Distanzen mit Hilfe von Isochronen
auszurechnen. Es handelt sich bei Isochronen um eine „Sammlung“ von Sternen, die das gleiche
Alter aber unterschiedliche Massen besitzen. Soll die Distanz zu einem beliebigen Stern bestimmt
werden, muss die Masse und Temperatur dieses Sterns bekannt sein. Über den Vergleich der
gemessenen Werte mit tabellierten Werten von Isochronen 1 lässt sich auf die absolute Helligkeit
des Sterns schließen. Nun kann aus dem Verhältnis von absoluter Helligkeit zu gemessener
Helligkeit die Distanz bestimmt werden, da der „Verlust“ der Helligkeit eine Funktion der
Distanz ist. Die Rechnung lässt sich weiterhin noch verfeinern, indem die Abschwächung durch
interstellare Materie beachtet wird.
Wir haben verschiedene Techniken ausprobiert, um den Vergleich zwischen Isochronen und dem
Messobjekt durchzuführen. Da häufig zwischen Datenpunkten inter- bzw. extrapoliert werden
musste, ist es wichtig die Aussagekräftigkeit der Rechnungen zu bestimmen. Dafür haben wir
zum Einen stets verschiedene Arten von Fehlerrechnung und zum Anderen den Vergleich zu den
Ergebnissen der anderen Methoden (insbesondere der Rechnung mit Hilfe von Parallaxen)
benutzt. Zum Abschluss haben wir ebenfalls den Lebenszyklus der Sterne bei der
Distanzbestimmung beachtet. Je nach Alter des Sterns ändert sich seine absolute Helligkeit. Wir
haben aufgrund dessen eine gewichtete Interpolation durchgeführt, die die Altersverteilung der
Sterne in den Isochronen beachtet. Dies stellte sich als bestes Verfahren heraus und kann nun für
Distanzbestimmungen, für die keine Parallaxen zur Verfügung stehen, eingesetzt werden.
Weiterhin haben wir eine dritte Methode verwendet, die sogenannte "stellar twins", also solche
Sterne die ähnliche Massen, Metallizitäten und Oberflächentemperaturen haben, identifiziert.
Diese Sterne sollten eine ähnliche absolute Helligkeit aufweisen. Ist nun die beobachtete
Helligkeit beider Sterne sowie der Abstand eines dieser Sterne bekannt, lässt sich der Abstand des
anderen Sterns erneut über das Verhältnis von absoluter zu beobachteter Helligkeit berechnen.
Sämtliche Berechnungen habe ich mit R durchgeführt. Es wurde mir überlassen eine geeignete
Programmiersprache auszuwählen. Ich entschied mich schließlich für R, da mein Supervisor
seine Programme ebenfalls in R schreibt und er meinen Code so leichter nutzen konnte.
Außerdem hat R bereits viele Funktionen, die statistische Auswertungen erleichtern. Obwohl ich
bisher nur in anderen Programmiersprachen Erfahrung hatte, war es kein Problem sofort mit dem
Projekt zu starten. Es war völlig ausreichend, dass ich mir R im Laufe des Projekts Stück für
Stück angeeignet habe. Der Nachteil von R aus meiner Sicht ist jedoch, dass Schleifen und
andere Programmstrukturen, die beispielsweise typisch für C++ oder Java sind, nur langsam
abgearbeitet werden. Durch die große Anzahl der Messobjekte dauerten Berechnungen daher sehr
lange. Ich kann R trotzdem für Programme, die wenig komplexe Programmierelemente
beinhalten und „linear“ (daher ohne viele Verzweigungen) ablaufen, äußerst empfehlen.
1
Die tabellierten Werte stammen aus theoretischen Überlegungen. Aus diversen Parametern (Masse,
Temperatur, Alter, ...) kann unter Anwendung physikalischer Gesetze auf die absolute Helligkeit eines Sterns
geschlossen werden.
Meine Arbeit bestand hauptsächlich aus Programmieren, um die obigen Methoden für große
Datenmengen durchzuführen, sowie der anschließenden Auswertung der Ergebnisse. Mein
Supervisor hat sich regelmäßig nach meinem derzeitigen Stand erkundigt, sodass ich auch bei
schwierigen Aufgaben immer das Gefühl hatte, auf dem richtigen Weg zu sein. Ich hätte mir
allerdings zum Ende gewünscht, dass mir mein Betreuer konkret mitteilt, wie er meine Arbeit
nutzen will. Er hat auf meine Nachfragen lediglich vage erwähnt, wie er im Weiteren vorgehen
möchte.
Resultat
Am Ende des Projekts habe ich, wie bereits erwähnt, die gewonnen Resultate benutzt, um die
Bahnen und Geschwindigkeiten der gemessenen Sterne zu bestimmen. Im nächsten Schritt
können diese Informationen genutzt werden, um die Bahnen der Sterne im „Galactic Halo“ mit
denen aus der „Disc“ zu vergleichen. Nach derzeitigem Stand der Theorie sollten die
Geschwindigkeiten der metallarmen „Halo-Sterne“ relativ zu unserer Sonne wesentlich höher
sein als die der „Disc-Sterne“. Die Ursache hierfür beruht letztlich auf der Entstehung der
Milchstraße (für nähere Informationen: http://www.astro.caltech.edu/~george/ay20/ChiappiniMilkyWay.pdf).
Fazit des Praktikums
Alles in allem konnte ich eine Menge über Astronomie, statistische Auswerteverfahren und die
Programmiersprache R lernen. Ich bin begeistert vom Konzept des Programms DAAD RISE
weltweit, da man Auslandserfahrung sammeln kann, ohne dass es mit dem Studium kollidiert.
Ich möchte mich deshalb noch einmal herzlich bei meinem Supervisor am Institut sowie beim
DAAD für das Praktikum bedanken. Das Programm war für mich nicht nur in fachlicher Hinsicht
eine große Bereicherung, sondern hat mir ebenso viele Erfahrungen über das Leben und Arbeiten
im Ausland geschenkt.
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