DFP-Literaturstudium Update Tuberkulose Auch am Beginn des 21. Jahrhunderts ist die Tuberkulose weltweit weiterhin die häufigste zum Tode führende bakteriologische Infektion. Dabei stellt sie sich als außergewöhnlich komplexe Infektionserkrankung dar. Tuberkulose muss bei vielen unklaren Krankheitsbildern in nahezu allen medizinischen Fachgebieten als Differenzialdiagnose in Betracht gezogen werden. Von OA Dr. Wolfgang Schreiber Sowohl der klinische Verlauf (Primärkomplex, latente Tuberkulose oder Postprimärkomplex), die klinische Beschwerdesymptomatik wie auch der Organbefall (die Tuberkulose kann jedes Organ befallen) und die unterschiedliche Geschwindigkeit des Krankheitsverlaufes (von fulminant über langsam progredient bis regredient) lassen die Tuberkulose als Chamäleon der Medizin erscheinen. Die Tuberkulose muss bei vielen unklaren Krankheitsbildern in nahezu allen medizinischen Fachgebieten als Differenzialdiagnose in Betracht gezogen werden. In Mitteleuropa ist die Tuberkulose mittlerweile eine seltene Erkrankung. Der Erfahrungsschatz vieler Kollegen ist daher oft begrenzt, und viele junge Ärzte kennen die Erkrankung nur noch aus Lehrbüchern. Da die Tuberkulose jedoch weiterhin zu den drei häufigsten Infektionserkrankungen (neben HIV/Aids und Malaria) weltweit gehört, die Zahl der multiresistenten Tuberkulosefälle zunimmt und die Migration aus Hochrisikogebieten unvermindert anhält, ist das Wissen über die Vielfalt der klinischen Erscheinungsbilder wie auch eine suffiziente Diagnostik und Therapie unverändert von immenser Relevanz (siehe Tab. 1). 8 pne u m o Epidemiologie Bezug nehmend auf die Zahlen des Tuberkulose-Reportes der WHO nimmt die Zahl der Tuberkuloseneuerkrankungen leicht ab. Trotzdem geht die WHO für das Jahr 2012 weltweit von weiterhin 8,7 Millionen Neuerkrankungen (davon 13 Prozent HIV positiv) und 1,4 Millionen Tuberkulose-bedingten Todesfällen (davon 31 Prozent HIV positiv) aus. Der Großteil der Tuberkuloseerkrankungen findet sich in Indien, China und Afrika. Die höchs­te Inzidenz mit rund 1.000 Neuerkrankten pro 100.000 Einwohner liegt in Südafrika. Im Gegensatz zur klassischen Tuberkulose nimmt die Zahl der multiresistenten (multi-drug resistant, MDR) Tuberkulosefälle deutlich zu. Die Rate an MDR-Tuberkulose liegt derzeit bei 3,7 Prozent aller Tuberkuloseneuerkrankungen und 20 Prozent bei vortherapierten Patienten. Die meisten dieser Fälle stammen aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südamerika. Bei neun Prozent aller MDR-Tuberkulosefälle handelt es sich bereits um eine sogenannte extensiv resistente (extensively drug-resistant, XDR) Tuberkulose. CC 5/13 Foto: Center for Disease Control and Prevention, Atlanta/USA y Situation in Österreich In Österreich liegt die Zahl der Neuerkrankungen derzeit bei 8/100.000 Fällen. Österreich ist somit ein Niedrigprävalenzland, die Inzidenz der Patienten mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft ist jedoch deutlich höher als bei Österreichern (33/100.000 versus 5/100.000). Im Jahr 2010 wurden insgesamt 688 Tuberkuloseerkrankungen registriert, in etwa 80 Prozent waren dies eine pulmonale Tuberkulose, 15 Fälle waren MDR-Tuberkulosefälle, ein Fall war eine XDR-Tuberkulose. Die Zahl der MDR-Tuberkulosefälle ist bei uns schwankend, jedoch deutlich zunehmend. Die Patienten mit MDR-Tuberkulose (bis inklusive 2012) sind nahezu ausschließlich Migranten (vor allem aus Rumänien und den Staaten der ehemaligen Sowjetunion). Meldepflicht 1968 wurde in Österreich ein Bundesgesetz zur Bekämpfung der Tuberkulose erlassen. Es wird darin unter anderem die Meldepflicht geregelt. Diese schreibt vor, dass jede Tuberkuloseerkrankung und jeder Tuberkulose-assoziierter Todesfall an die zuständige Behörde gemeldet werden muss. Auch eine mikrobiologisch nicht gesicherte Tuberkulose, bei der eine antituberkulöse Kombinationstherapie eingeleitet wurde, muss angezeigt werden. Die Behörde muss darüber hinaus auch über den Nachweis von säurefesten Stäbchen, Resistenzen und Behandlungsabbrüchen informiert werden. Das Gesetz schreibt auch vor, dass eine Therapie unbedingt zu erfolgen und dass der Patient diese auch zu dulden hat. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat Sorge zu tragen, dass die Therapie außerhalb des Krankenhauses (nach der stationären Behandlung) fortgesetzt und dass eine Umgebungsuntersuchung durchgeführt wird. Im österreichischen Strafgesetz sind Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren vorgesehen, wenn eine fahrlässige oder vorsätzliche Gefährdung von Menschen durch eine übertragbare Krankheit vorliegt. Erreger und Übertragung Mycobacteriaceae stellen eine Familie von aeroben stäbchenförmigen Bakterien dar, die aufgrund ihres Färbeverhaltens als „säurefest“ bezeichnet werden. Man unterscheidet zwischen nicht tuberkulösen Mykobakterien (NTM), welche nicht oder nur äußerst selten humanpathogen sind, und den eigentlichen Erregern der Tuberkulose, den pathogenen Bakterien des Mycobacterium (M.) tuberculosis-Komplexes (MTC). Dazu zählen M. tuberculosis (Erreger von 95 Prozent aller Tuberkulosefälle) sowie M. africanum, M. bovis, M. canettii, M. microti und M. caprae. MTC wird aerogen (durch Husten, Niesen, Sprechen) von Menschen mit offener Tuberkulose übertragen. Eine Tuberkulose wird dann als „offene Tuberkulose“ bezeichnet, wenn der Erreger mikroskopisch, kulturell oder molikularbiologisch aus respiratorischem Sekret nachweisbar ist. Die Übertragungs- und Infektionswahrscheinlichkeit hängt dabei von folgenden Faktoren ab: • Menge und Virulenz der ausgehusteten Bakterien • Distanz zwischen den Personen bei Exposition • Kumulative Expositionsdauer • Lüftungsverhältnisse im Raum der Exposition • Empfindlichkeit der exponierten Person (Immunsuppression) 5/13 CC Tuberkulose zählt zu den weltweit drei häufigsten Infektionserkrankungen. Das Wissen über die Vielfalt ihrer klinischen Erscheinungsbilder wie auch über eine suffiziente Diagnostik und Therapie ist daher von unverändert immenser Relevanz. Bei mikroskopisch positiven (ZN positiv) Personen und intensivem Kontakt beträgt das Infektionsrisiko bis zu 60 Prozent, bei „nur“ kulturell oder PCR-(Polymerase Chain Reaction)-positiven Personen liegt die Infektionswahrscheinlichkeit bei 30 Prozent. Daher besteht bei einer mikroskopisch positiven Tuberkulose bei einer Expositionsdauer von acht Stunden ein relevantes Risiko, bei kulturell und/oder PCR-positiven Fällen gilt eine Exposition von >40 Stunden als relevant. Personen, die in unserer Abteilung entsprechend langen Kontakt mit Tuberkulosepatienten haben, erfüllen die Kriterien für eine Umgebungsuntersuchung (und müssen sich einer solchen auch unterziehen). Pathogenese und klinischer Verlauf Primärinfektion. Inhalierte Mykobakterien werden entweder durch die mukoziliäre Clearence wieder ausgeschieden (keine Infektion) oder durch Makrophagen aufgenommen (Beginn der Primärinfektion). Nach intrazellulärer Erregervermehrung gehen die infizierten Zellen zugrunde. Die dadurch freigesetzten Erreger werden neuerlich phagozytiert, und die Infektion wird dadurch fortgesetzt. Nach zwei bis sechs Wochen wird eine zellvermittelte Immunantwort aktiviert. Es kommt zur Anhäufung von Monozyten, T-HelferZellen und letztendlich zur Ausbildung von zentral nekrotisierenden („verkäsenden“) epitheloidzelligen Granulomen. Dieser lokale Entzündungsherd wird als Primärherd (Ghon`scher Herd) bezeichnet, ist meist 1 bis 2cm groß und liegt bevorzugt im Ober- oder apikalen Unterlappen. Wird die Infektion in diesem Herd nicht ausreichend begrenzt, gelangen die Mykobakterien lymphogen zu den Hiluslymphknoten. Primärherd und befallene Lymphknoten werden als Primärkomplex (Ghon`scher Komplex) bezeichnet. Als Reaktion auf die zellvermittelte Immunantwort wird innerhalb von vier bis acht Wochen der Tuberkulinhauttest und der Interferon-Gamma-Release-Assay (IGRA) positiv. Bei mangelnder Immunantwort können die Mykobakterien auch (selten) hämatogen streuen und sind dann Ausgangspunkt einer möglichen später auftretenden extrapulmonalen Tuberkulose-Organmanifestation. Tab. 1 Tuberkulose-verdächtige pulmonale Krankheitsbilder • Husten über zwei Wochen bei Tuberkulose-Exposition in den letzten zwei Jahren • Husten über zwei Wochen mit Fieber/Nachtschweiß/Gewichtsverlust • Hämoptysen • Unklare pulmonale Beschwerden oder therapierefraktäre Pneumonie • Fleckige inhomogene Infiltrate im Oberlappen oder apikalen Unterlappen • Kavernen • „Tree-in-bud“-Infiltrate • Diffuse feinnodige pulmonale Infiltrate (Miliar-Tuberkulose) • Mediastinal oder hiläre Lymphadenopathie • Unklarer lymphozytär-exsudativer Pleuraerguss pne u mo 9 b Abb. 1: Postprimärtuberkulose: a) Tuberkulose mit Kavernen und Infiltraten im rechten Oberlappen; b) „Tree-in-bud“-Infiltrate (Blütenbaumzeichen) Bis hierher sind die Betroffenen meist beschwer­defrei. In Abhängigkeit der immunologischen Situation sind in weiterer Folge drei Verlaufsformen möglich: asymptomatisch latente tuberkulöse Infektion, symptomatischer Primärkomplex sowie symptomatischer Postprimärkomplex. Asymptomatisch latente tuberkulöse Infektion (LTBI). Bei einigen Erregern (z.B. VZV, CMV, Toxoplasmose, M. tuberculosis) kommt es nach einer Primärinfektion zu keiner vollständigen Elimination. Es entwickelt sich ein asymptomatischer, aber persistierender Zustand, der als latente Infektion (hier als latente Tuberkuloseinfektion, LTBI) bezeichnet wird. In 90 bis 95 Prozent der Fälle von LTBI wird eine adäquate Immunantwort aufgebaut, die bakterielle Replikation kommt zum Stillstand. Die WHO vermutet, dass ein Drittel der Weltbevölkerung eine LTBI hat. Für Österreich wird die Rate deutlich geringer eingeschätzt (unter zwei Prozent). Eine latente Tuberkulose liegt also dann vor, wenn ein positiver IGRA besteht, aber kein Hinweis auf einen Tuberkulose-spezifischen Organbefall nachweisbar ist. Die Kultur aus Flüssig- und Festmedien ist weiterhin der Goldstandard der Tuberkulosediagnostik, der Resistenztestung und der Therapiekontrolle. Primärtuberkulose. In fünf bis zehn Prozent der Fälle wird keine adäquate Immunantwort aufgebaut, und es entwickelt sich eine immunologisch instabile LTBI. Der Übergang zwischen diesem instabilen Zustand und einer aktiven TBC ist fließend. Nach stattgehabter Primärinfektion entwickelt sich hierbei innerhalb von zwei Jahren eine symptomatische Tuberkulose. In 90 Prozent der Fälle handelt es sich um eine fieberhafte Primärtuberkulose der Lunge mit progedienten pulmonalen Infiltraten, einer hilären Lymphadenopathie und in rund 30 Prozent der Fälle einem zusätzlichen Pleuraerguss (meist bei Kindern und Jugendlichen). Klassische Kavernen und Hämoptysen sind bei der Primärtuberkulose eher selten. Postprimärtuberkulose. Bei 90 Prozent der latenten Infektionen besteht eine dauerhafte zellvermittelte Kontrol- 10 pne u m o Diagnose Allgemeine Labordiagnostik. Der CRP-Wert ist im Rahmen einer Tuberkulose im Gegensatz zur Pneumonie im Normbereich oder nur leicht erhöht, der PCT-Wert liegt meist um 0,5ng/ml. Im Pleuraerguss findet man ein lymphozytäres Exsudat, die Glukose ist erniedrigt, der Eiweißgehalt und der LDH-Wert sind erhöht (wichtigste Differenzialdiagnose: Pleurakarzinose) Mikroskopische Diagnostik. Bei Vorliegen eines Verdachts auf Tuberkulose sind umgehend Sputumproben zu entnehmen (drei getrennte Sputa im Abstand von acht Stunden). Dieses Material wird mikroskopisch, kulturell und mindestens eine Probe mittels PCR untersucht. Lassen sich durch diese ersten Proben keine Ergebnisse erzielen, ist ein Thorax-CT und eine Bronchoskopie indiziert. Sputum, Lavage, Punktat, zytologisch und histologisches Material kann sofort mittels Ziehl-Neelsen-(ZN)-Färbung oder Auramin-Färbung mikroskopisch untersucht und innerhalb von zwei Stunden befundet werden. Die Sensitivität dieses Verfahrens ist mit 5.000 Erreger/ml eingeschränkt, ein positives Untersuchungsergebnis erhärtet aber schnell den Verdacht auf eine aktive Tuberkulose. Zur sicheren Differenzialdiagnose zwischen MTC und NTM sind jedoch eine PCR und eine Kultur notwendig. PCR. Die mykobakterielle PCR ist sensitiv und spezifisch, aber aufwändig. Die Nachweisgrenze liegt bei ein bis zehn Bakterien/ml, und die Ergebnisse liegen innerhalb von 24 Stunden vor. Zusätzlich erhält man durch die PCR eine rasche Differenzialdiagnose zwischen NTM und MTC und den Nachweis von Resistenzmutationen (zwingend notwendig bei Verdacht auf MDR-TBC). Kultur. Die Kultur aus Flüssig- und Festmedien ist weiterhin der Goldstandard der Tuberkulosediagnostik, der Resistenztestung und der Therapiekontrolle. Die Nachweisgrenze liegt bei zehn Bakterien/ml, und die Ergebnisse liegen nach ein bis acht Wochen vor. Mendel-Mantoux-Test (MMT) und Interferon-GammaRelease-Assay (IGRA). Der Tuberkulin-Hauttest wird heute als MMT durchgeführt. Der MMT ist bei BCG-geCC 5/13 Abbildungen: Wolfgang Schreiber a le der LTBI. Bei wenigen Menschen (oft Immunsupprimierte, HIV-Erkrankte, multimorbide Patienten, Alkoholiker oder Suchtmittelabhängige) kommt es nach Jahren bis Jahrzehnten zu einer Reaktivierung (=Postprimärtuberkulose). Diese Tuberkuloseform manifestiert sich ebenfalls überwiegend pulmonal. Sie zeigt eine hohe Infektiosität, eine frühzeitige Kavernenbildung (oft mit Anschluss an das Bronchialsystem = offene Tuberkulose), und die hiläre Lymphadenopathie ist meist nur gering ausgebildet (oft verkalkte Knoten) (siehe Abb. 1). Klinisch werden diese Patienten durch progredienten Husten, Inappetenz mit Gewichtsverlust, Fieber und Nachtschweiß symptomatisch. Ohne Therapie beträgt die Zehn-Jahres-Überlebensrate bei Postprimärtuberkulose weniger als 30 Prozent. impften Personen und auch bei NTMInfektionen positiv und somit nicht ausschließlich Tuberkulose-spezifisch. Auch bei aktiver Tuberkulose liegt die Sensitivität des MMT lediglich bei 65 Prozent. Bei den IGRAs wird die T-Lymphozytenabhängige Immunantwort auf MTCspezifische Antigene im Blut untersucht. Es kommt zu keiner Kreuzreaktion mit BCG-Impfungen oder NTM, die IGRAs können aber nicht zwischen aktiver Tuberkulose und LTBI unterscheiden. Zurzeit sind zwei Testsysteme verfügbar: Der ELISPOT-basierte T-Spot-TB (TSPOT) und der ELISA-basierte QuantiFerona b TB-Gold In-Tube (QFT). Beide IGRAs Abb. 2: Pneumonektomie: a) Therapierefraktäre XDR-Tuberkulose (25-jähriger Mann); sind sensitiver als der MMT, sie erreichen b) Derselbe Patient nach Pneumonektomie (als letzte Therapieoption) aber nur eine Sensitivität von 80 Prozent. Die IGRAs sind zur primären Diagnostik einer aktiven Tuberkulose nicht zu empfehlen, Standardtherapie. Die Lungentuberkulose und die tubersie können einen vorliegenden Verdacht aber erhärten. kulöse Pleuritis werden über eine Gesamtdauer von sechs Monaten behandelt. Die Therapie unterteilt sich dabei in Adenosindesaminaseaktivität (ADA). In tuberkulösen eine intensive Initialphase und eine Erhaltungsphase. In Exsudaten (z.B. Pleuraerguss, Aszites, Perikarderguss, Li- der Initialphase beginnt man mit einer zwei Monate dauquor) ist die ADA deutlich erhöht. Die Sensitivität und ernden 4er-Kombination bestehend aus Isoniazid (INH), Spezifität liegen bei 90 Prozent, und es gibt keine falsch Rifampizin (RFA), Ethambutol (EMB) und Pyrazinamid positiven Befunde bei LTBI. (PZA). Am Ende der zwei Monate wird eine Sputumkultur zu Therapiekontrolle durchgeführt. In der unmittelbar Histologie. Eine epitheloidzellige granulomatöse Infekti- darauffolgenden Erhaltungsphase werden für weitere vier on kann durch eine Vielzahl von Erregern verursacht wer- Monate INH und RFA verabreicht. Der Therapieerfolg liegt den. Man findet nekrotisierende Granulome auch bei hierbei bei >95 Prozent und wird durch eine abschließend NTM-Infektionen, bei ANCA-Vaskulitiden, Rheumakno- negative Sputumkultur dokumentiert. Tab. 2 gibt eine ten, Mykosen und gelegentlich bei Sarkoidose. Nekrotisie- Übersicht zur aktuellen Tuberkulose-Standardtherapie. rende Granulome sind daher verdächtig auf, aber nicht ausschließlich beweisend für eine Tuberkulose. Therapie Nach Durchführung der Tuberkulose-Basisdiagnostik wird bei gesicherter Tuberkulose die Therapie unverzüglich begonnen. Die Entscheidung zur Einleitung der Tuberkulosetherapie wird bei typischer Klinik und positiver ZN-Färbung, positiver PCR oder spezifischen histologischen Befunden getroffen, das Vorliegen einer kulturellen Bestätigung wird nicht abgewartet. In 20 Prozent der Fälle kann die Diagnose nicht mikroskopisch oder kulturell bestätigt werden (geschlossene Tuberkulose). Die Therapieentscheidung basiert hier auf der klinischen Gesamtbeurteilung und sollte nur durch spezialisierte Ärzte getroffen werden. Eine MDR- bzw. XDR-Tuberkulose erfordert den individuellen Einsatz von Zweitlinien­ medikamenten. Therapie der resistenten Tuberkulose. Bei einer MDRTuberkulose liegt eine Resistenz gegenüber RFA und INH vor. Bei einer XDR-Tuberkulose kommen neben Resistenzen gegenüber INH, RFA und Fluochinolone zusätzlich auch noch Resistenzen gegenüber einem oder mehreren der intravenös verabreichbaren Zweitlinienmedikamente Amikacin, Capreomycin oder Kanamycin hinzu. In Abhängigkeit vom vorliegenden Resistenzmuster Tab. 2 Erstlinienmedikamente der Tuberkulosetherapie Nebenwirkungen Substanz Maximaldosis (mg/Tag) Isoniazid 200–300 asymptomatische Hepatitis, Akne symptomatische Hepatitis, Polyneuropathie, Exanthem Rifampizin 450–600 asymptomatische Hepatitis, Cholestase, Rotfärbung des Urins symptomatische Hepatitis, Juckreiz, Übelkeit, Exanthem, Thrombopenie asymptomatische Hepatitis, Übelkeit, Hyperurikämie, Myalgie symptomatische Hepatitis, Juckreiz Pyrazinamid 1.500–2.500 Ethambutol 800–1.600 5/13 CC häufig selten Retrobulbärneuritis, Arthralgie, Hyperurikämie pne u mo 11 Lecture Board: Prim. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Pohl, Prim. Dr. Norbert Vetter, Dr. Hans Schwaiger Ärztlicher Fortbildungsanbieter: Abteilung für Atmungs- und Lungenkrankheiten, KH Hietzing, Wien Klassische Kaverne im linken Mittelgeschoß (Mono-, Polyresistenz, MDR, XDR) unterscheiden sich die therapeutischen Konzepte sowie die Therapiedauer. Speziell bei MDR- und XDR-Tuberkulose muss die Therapie individuell angepasst werden. Die WHO empfiehlt bei MDR-/XDR-Tuberkulose eine Mindestbehandlungsdauer von 20 Monaten, wobei die Initialphase mindestens acht Monate dauert und in der Kontinuitätsphase eine Kombination von mindestens drei Medikamenten gegeben werden muss. Dieses komplexe Therapieregime muss nahezu zwei Jahre verabreicht werden und geht oft mit beträchtlichen Nebenwirkungen für den Patienten einher. Auch die Therapiekosten sind – abhängig von den individuell benötigten tuberkulostatischen Medikamenten – 15- bis 400-mal höher als bei der unkomplizierten Tuberkulose. Für eine XDR-Tuberkulose liegt die Heilungsrate unter 50 Prozent, bei der MDR-Tuberkulose bei 60 bis 70 Prozent. Aus diesem Grund werden öfters (bei einseitigem Lungenbefall) noch zusätzlich chirurgische Optionen (wie Lobektomie oder Pneumonektomie; siehe Abb. 2, Seite 9) herangezogen. Bild einer Miliar-Tuberkulose einer 50-jährigen Patientin Fazit Die Zahl der Neuerkrankungen nimmt in allen WHO-Regionen seit Jahren leicht ab, es erkranken aber weiterhin jährlich 8,7 Millionen Menschen (davon 13 Prozent HIV positiv). Der Anteil der MDR-/XDR-Tuberkulosefälle nimmt deutlich zu. In Österreich ist die Tuberkulose mittlerweile selten, sie muss aber als mögliche Differenzialdiagnose (intra- und extrapulmonal) herangezogen werden. Bei Verdacht auf Tuberkulose muss ein direkter Erregernachweis (ZN, Kultur, PCR) angestrebt werden, indirekte Diagnostika (IGRAs, ADA) sind im Einzelfall hilfreich und wegweisend. In der Standardtherapie werden die üblichen Erstlinienmedikamente verwendet. Eine MDR-/ XDR-Tuberkulose erfordert den individuellen Einsatz von Zweitlinienmedikamenten. Die Behandlung sollte ausschließlich in speziellen Einrichtungen erfolgen. y OA Dr. Wolfgang Schreiber Abteilung für Lungenerkrankungen, LKH Hörgas-Enzenbach Abbildungen, Foto: Wolfgang Schreiber (3), Privat Durch eine XDR-Tuberkulose beidseits zerstörte Lunge eines 35-jährigen Patienten