Historische Wurzeln der stochastischen Geometrie

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Historische Wurzeln der stochastischen Geometrie
Matthias Wehmer | April 2010 |
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April 2010
Inhalt dieser Präsentation
I
1. Buffonsches Nadelproblem
I
2. Bertrandsches Paradoxon
I
3. Definition zufälliger Geraden
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1. Buffonsches Nadelproblem
I
a. Übersicht/Fragestellung
I
b. Zwei Lösungen im Überblick
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Fragestellung
I
1777 von Georges Louis Leclerc, Graf von Buffon
gestellt
I
eines der ältesten Probleme der stochastischen
Geometrie
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Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällig auf ein
liniertes Blatt Papier geworfene Nadel eine der Linien kreuzt?
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Relevante Größen:
I
Länger der Nadel l
I
Abstand der Gitterlinien d
Es wird der Fall l ≤ d betrachtet.
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Zwei Lösungen im Überblick
a.) Idee: Darstellung der Nadel (Strecke der Länge l) mit Hilfe
zweier Parameter:
I
I
ξ = (ξ1 , ξ2 ): Anfangspunkt, nur ξ2 relevant
θ
: Winkel zwischen Nadel und x-Achse
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⇒ Darstellung einer zufälligen Strecke:
(ξ2 , θ),
ξ2 ∼ U[0, d], θ ∼ U[0, π)
|g| = l sin(α)
Abb.1
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⇒ Für festes θ = α:
Nadel kreuzt Gitterlinie ⇔ ξ2 ∈ [d − l sin(α), d]
|günstige Menge im Parameterraum|
|Parameterraum|
Zπ
1
=
l · sin(α)dα
dπ
P(Nadel kreuzt Linie) =
0
2l
=
πd
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b.) Idee: Betrachtung einer ZV
X = #Überschneidungen einer Nadel
⇒ E(X ) = #Erwartete Überschneidungen
⇒ E(X + Y ) = E(X ) + E(Y )
⇒ E(X ) hängt von der Länge der Nadel ab: E(X ) = E(l)
⇒ [induktiv :]E(nX ) = nE(X )
⇒ E(l) = E(1) · l =: c · l
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Approximation eines Kreises K mit Durchmesser d durch
Polygonzug.
X = #Überschneidungen von K und Gitterlinien
⇒ 2 = E(X ) = E(πd) = cπd
⇔c=
2
πd
Im Fall l ≤ d :
E(X ) = 0 · (1 − p) + 1 · p = p
⇒ p = E(X ) = c · l =
2l
dπ
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Bertrandsches Paradoxon
Problem:
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällige
Kreissehne s länger ist als die Seite des gleichseitigen
Dreiecks, dessen Eckpunkte auf dem Kreis liegen?
(Joseph Louis Bertrand, 1889)
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Grundidee:
I
Parametrisierung der Sehne
I
Randomisierung der Parameter
Betrachtung des Einheitskreises ⇒ Gesucht: P(Sehne ≥
√
3)
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1. Ansatz:
Wähle die zwei Punkte zufällig auf der Kreislinie:
x, y ∼ U[0, 2π)
Abb.2
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√
Gesucht: A = {(x, y) ∈ Ω : |s| ≥ 3} ⊂ Ω = [0, 2π)2
Beachte: x, y enstprechen Winkel im Bogenmaß
√
⇒
3
2
≤ | sin(Φ)|,
Φ = | x−y
2 |
√
x−y
3
2 )≤| 2 |
2π
| x−y
2 |≤ 3
⇔ arcsin(
⇔
π
3
≤
⇒ P(Sehne ≥
√
3) =
|A|
|Ω|
=
2π· 23 π
(2π)2
=
1
3
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Abb.3
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2. Ansatz:
Wähle Richtung r ∼ U[0, π) und auf r einen Schnittpunkt M
(M ∼ U[−1, 1]), sodass r ⊥s.
Abb.4
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Gesucht: A = {(r , M) ∈ Ω : |s| ≥
√
Mit Satz des Pythagoras:
√
⇒
3
2
≤
⇔ |M| ≤
√
1 − M2
1
2
⇒ P(Sehne ≥
√
3) =
|A|
|Ω|
=
π
2π
=
1
2
3} ⊂ Ω = [0, π) × [−1, 1]
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Abb.5
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Fazit
Fehlende Informationen in der Problemstellung
⇒ keine eindeutige Parametrisierung
⇒ keine eindeutige Lösung
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Zufällige Geraden
I
a. Maß auf Menge der Geraden
I
b. Zufällige Geraden und konvexe Mengen
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Maß auf Menge der Geraden
Jede Gerade im R2 lässt sich eindeutig mit zwei Parametern
darstellen:
I
p = Abstand vom Ursprung
I
Φ = Winkel zwischen der Normalen und x-Achse
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Abb.6
⇒ Geradengleichung in HNF : x cos(Φ) + y sin(Φ) − p = 0
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Definition:
Das Maß einer Menge X von Geraden G(p, Φ) ist definiert als
das Integral
Z
Z
dG =
X
λdpdΦ
X
wobei wir dG = λdpdΦ die Dichte nennen.
Sei von nun an λ = 1.
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Eigenschaften
I
Maß ist proportional zum Lebeque-Maß im Parameterraum
R × [0, π)
I
Menge von Geraden heißt messbar ⇔ Menge der
Parameter stellt Borel-Menge dar.
I
Maß ist translationsinvariant, d.h. für Menge X von
Geraden und Verschiebung a + X gilt
Z
Z
dG =
dG
X
a+X
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Anwendungsbeispiel:
I
Sei D ein Bereich in einer Ebene mit Flächeninhalt F .
I
Sei G eine Gerade, die D durchläuft.
I
Sei σ die Länge der Sehne in D ∩ G.
Für Menge von Geraden E={G(p,Φ) : p ∈ R, Φ ∈ [0, π) fest} :
Z
Z
σdp = F
σdG =
E∩D6=0
E∩D6=0
⇒ Für Menge aller Geraden G={G(p,Φ) : p ∈ R, Φ ∈ [0, π)} :
Z
Z
σdG =
G∩D6=0
σdpdΦ = πF
G∩D6=0
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Umformung von Parametern
Bei der Wahl anderer Parameter lässt sich die Dichte
entsprechend umformen, z.B.
I
θ = Winkel Gerade mit x-Achse
I
x = Länge zwischen Ursprung und Schnittpunkt x-Achse
Abb.7
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⇒ p = x sin(θ), Φ = θ −
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π
2
Durch Substitution folgt:
Z
Z Z
dG =
dpdΦ
Z Z
=
sin θ dxdθ
⇒ dG = sin θ dxdθ
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Geraden und konvexe Mengen
Betrachte
Z
dG
Φ(K ) =
G∩K 6=0
Z
=
χ(G ∩ K )dG
wobei K eine konvexe Menge und
G = {G(p, Φ) : p ∈ R, Φ ∈ [0, π)}
die Menge aller Geraden.
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Φ(·) ist stetig, bewegungs-invariant, additiv bzgl. konvexer
Mengen.
⇒ [nach Hadwiger’s characterization theorem]:
Es existieren A(K ), U(K ), χ(K ) (Flächeninhalt, Umfang,
Euler-Charakteristik):
Φ(K ) = c1 A(K ) + c2 U(K ) + c3 χ(K )
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Φ(·) ist eine homogene Funktion ersten Gerades
⇒ c1 = 0, c3 = 0
⇒ Φ(K ) = c2 U(K )
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Betrachte den Einheitskreis M:
Z2π Z1
Z
dG =
Φ(M) =
G∩M6=0
dpdΦ = 2π
0
0
Außerdem: U(K ) = 2π
Z
⇒ χ(G ∩ K )dG = U(K )
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Als geometrische Wahrscheinlichkeit folgt für K ⊂ M:
P(Gerade trifft K |Gerade trifft M) =
U(K )
U(M)
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Quellen
I
N. Aigner, G. M. Ziegler, Das Buch der Beweise. Springer
(2009)
I
J. Gärtner, Vorlesungsskript WR I. TU Berlin (2007)
I
D. A. Klain, G.-C. Rota Introduction to Geometric
Probability. Cambridge University Press (1997)
I
I. Molchanov, Springer Beitrag
I
L. Santalo, Integral geometry and geometric probability.
Cambridge Mathematical Library (2004)
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