Stochastische Signale

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2.7
Stochastische Signale
In 1.3 wurde ausgeführt, daß der zeitliche Verlauf eines stochastischen Signals
dem Zufall unterworfen ist. Ein stochastisches Signal ist daher nicht reproduzierbar
und nicht wie bei determinierten Signalen üblich durch eine Formel für seinen zeitlichen Verlauf zu beschreiben.
Trotzdem ist es möglich, bestimmte für die Systemtheorie wichtige Merkmale und
Eigenschaften stochastischer Signale durch statistische Maßzahlen und Kennfunktionen zu beschreiben. Dazu werden stochastische Signale als sog. Musterfunktionen eines stochastischen Prozesses aufgefaßt. Ein stochastischer Prozeß ist eine Schar (Ensemble) von (sehr) vielen Musterfunktionen. Das Gedankenexperiment „Thermorauschspannung an den Klemmen eines Widerstandes“
kann eine naive, anschauliche Vorstellung vom Abstraktum „stochastischer Prozeß“
liefern: Man stelle sich eine (sehr) große Anzahl von exakt gleichen Widerständen
unter exakt gleichen Umgebungsbedingungen vor. An den Klemmen jedes Widerstandes entstehe eine (winzige) Thermorauschspannung. Ursachenkomplex und
Entstehungsmechanismus dieser regellos schwankenden Thermospannungssignale
werden in der Physik (stochastische Thermodynamik) erklärt. Würde man nun die
Rauschsignale an allen Widerständen in −∞ < t < ∞ gleichzeitig, parallel betrachten, d.h. messen und z.B. aufzeichnen, so bildet die Gesamtheit dieser stochastischen Zeitverläufe einen stochastischen Prozeß. Jeder einzelne Thermorauschspannungsverlauf stellt eine Musterfunktion dar. Obwohl Ursachenkomplex und
Entstehungsmechanismus aller Rauschspannungsverläufe gleich sind, sind die beobachteten Zeitfunktionen nicht gleich, sie schwanken regellos (mit einer Streuung
um einen Mittelwert); jede Rauschspannung wird zu einem gleichen festen Zeitpunkt
t1 einen anderen Momentanwert haben: Der Momentanwert der Amplitude zum
festen (Meß-)Zeitpunkt t1 ist eine Zufallsvariable. Abstrakter ausgedrückt: Der zu
einem festen Zeitpunkt t1 betrachtete stochastische Prozeß ist eine Zufallsvariable.
Durch Betrachtung verschiedener Zeitpunkte t1, t2 ... können beliebig viele Zufallsvariable aus dem stochastischen Prozeß abgeleitet werden.
Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß eine Musterfunktion x i (t ) zum Zeitpunkt t = t j
einen momentanen Amplitudenwert zwischen den Grenzen a und b annimmt, ist
{
}
b
P a ≤ x i (t j ) ≤ b = ∫ f x ( t j ) (ξ ) d ξ .
(2.32)
a
Hier ist f x ( t j ) (ξ ) die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion der Zufallsvariablen
„momentaner Amplitudenwert zum Zeitpunkt t j “.
Wenn diese Wahrscheinlichkeit (für beliebige Grenzen a, b) nicht vom Betrachtungszeitpunkt abhängt, so spricht man von stationären stochastischen Prozessen und Signalen. Es leuchtet ein: Ein stochastischer Prozeß/ein stochastisches
Signal ist ganz gewiß immer dann stationär, wenn der ihm zugrundeliegende Entstehungsmechanismus zeitlich unveränderlich ist. Damit sind natürlich auch alle
Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen für beliebige Zeitpunkte t 1, t 2 , , t j , gleich:
f x ( t1) (ξ ) = f x ( t 2 ) (ξ ) =
= f x ( t j ) (ξ ) =
= f x (ξ ).
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Mit solchen stationären stochastischen Signalen werden wir uns im Zusammenhang
mit den Grundlagen der Signalübertragung in Systemen nur befassen.
Eine sehr aussagefähige statistische Maßzahl eines stationären stochastischen
Signals ist sein (konstanter) Mittelwert. Er ist wie folgt als Erwartungswert definiert:
x = m x = E{x (t )} =
∞
∫ ξ fx (ξ ) dξ .
(2.33)
−∞
Für die Varianz (Streuungsquadrat) gilt
{
σ x2 = E ( x (t ) − x
) 2 } = ∫ (ξ − x ) 2 fx (ξ ) dξ
∞
(2.34)
−∞
Diese Erwartungswertbildung ist gebunden an die sog. „Ensembletheorie“, also
die Interpretation eines stochastischen Signals als Musterfunktion eines stochastischen Prozesses. Das heißt, der Mittelwert x nach (2.33) definiert als Erwartungswert E {x (t )} den Ensemble- oder Scharmittelwert.
Es ist auch möglich, einen zeitlichen Mittelwert über eine einzelne Musterfunktion
x i (t ) aus dem stochastischen Prozeß zu definieren:
1
T →∞ T
x (t ) = lim
T
2
∫ x i (t ) dt.
(2.35)
T
−
2
Der Index i kennzeichnet eine beliebig herausgegriffene Musterfunktion aus dem
Ensemble.
Häufig treten stationäre stochastische Prozesse auf, bei denen die Erwartungswerte
(Scharmittelwerte) identisch mit den zeitlichen Mittelwerten sind. Solche Prozesse
heißen ergodisch. In weiteren wird unterstellt, daß die betrachteten stochastischen
Signale x(t) aus einem ergodischen stationären stochastischen Prozeß stammen,
eine Annahme, die in vielen Anwendungen aus der linearen Systemtheorie als gültig
angenommen werden kann.
Dann kann der Mittelwert x nach (2.35) bestimmt werden. Da man in der praktischen
Anwendung ohnehin nur den gerade vorliegenden Signalverlauf x(t) für Meß- und
Auswertezwecke echt zur Verfügung hat - und nicht den stochastischen Prozeß - ist
eigentlich nur (2.35) von praktischer Bedeutung. Theoretisch müßte auch hier ein
unendlich langer Beobachtungszeitraum T → ∞ verwendet werden, was praktisch auch nicht möglich ist. Man kann nur ein „genügend langes“ Zeitintervall, in
dem x(t) gemäß (2.35) ausgewertet wird, realisieren und so einen „Schätzwert“ für x
ermitteln.
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Auch die Varianz σ 2x eines ergodischen stationären stochastischen Signals kann
durch eine mit (2.34) korrespondierende zeitliche Mittelwertbildung bestimmt
werden:
σ 2x = ( x i (t ) − x ) = lim
2
1
T →∞ T
T
2
∫ ( x i (t ) − x )
2
dt .
(2.36)
T
−
2
Hier ist x i (t ) eine beliebig herausgegriffene Musterfunktion, im praktischen Anwendungsfall also der vorliegende beobachtete stochastische Signalverlauf x(t), den
man ja nur zur Verfügung hat.
Eine weitere wichtige Kennfunktion zu einem stochastischen Signal ist seine Autokorrelationsfunktion rxx (τ ). Diese gibt in gewisser Weise den „Grad der Regellosigkeit“ im zeitlichen Verlauf x(t) an oder mit anderen Worten, wie schnell sich ein
stochastisches Signal in seinem zeitlichen Verlauf ändern kann. In diesem Sinne ist
die AKF ein Maß für die „innere Erhaltungstendenz“ eines stochastischen Signals.
Für ein ergodisches stationäres stochastisches Signal x(t) ist die AKF als verallgemeinerter zeitlicher Produktmittelwert definiert
1
T →∞ T
rxx (τ ) = x (t ) ⋅ x (t + τ ) = lim
T
2
∫ x (t ) ⋅ x(t + τ )dt .
(2.37)
T
−
2
Für τ = 0 erhält man den quadratischen Mittelwert
1
T →∞ T
x 2 = rxx (0) = lim
T
2
∫ x 2 (t ) dt.
(2.38)
T
−
2
Ein Vergleich mit (2.29) zeigt, daß der quadratische Mittelwert x 2 die mittlere Leistung Px eines stochastischen Signals x(t), das immer als Dauersignal aufzufassen
ist, angibt. Mit einem weiteren Blick auf (2.36) erkennt man: Ist das stochastische
Signal x(t) mittelwertfrei, d.h. x = 0 , so ist seine mittlere Leistung durch die Varianz
σ 2x gegeben.
Grundsätzlich gilt: Stationäre stochastische Signale sind Leistungssignale; in
ihrer zeitlichen Existenz sind sie Dauersignale.
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