Karl der Grosse

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Inhalt
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Der Höhepunkt einer Regierung: Die Kaiserkrönung
Karls am Weihnachtstag des Jahres 800 . . . . . . . . . . .
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2. Vom Untergang des Römischen Reiches im Westen
bis zu Karls Herrschaftsantritt 768:
Eine kurze Geschichte des Frankenreiches . . . . . . . .
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3. Karls Jugend und erste Regierungsjahre:
Vom Sohn eines Hausmeiers zum Eroberer Italiens . . .
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4. Die Ausdehnung des Frankenreiches nach Osten:
Sachsen, Bayern und Awaren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5. Karl, das Papsttum und der byzantinische Kaiser . . . .
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6. Die Lenkung des Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7. Karls Familie und die Regelung seiner Nachfolge . . . . 107
8. Held und Heiliger. Das Nachleben Karls
im Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
Kommentierte Kurzbibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
Zeittafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
Register. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
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1. Der Höhepunkt einer Regierung:
Die Kaiserkrönung Karls am Weihnachtstag
des Jahres 800
Das Fest der Geburt Jesu im Jahr 800: Am Morgen des Weihnachtstages betrat Karl der Große St. Peter in Rom, um an der
dritten Weihnachtsmesse teilzunehmen, die der Papst dort nach
altem Brauch feierte. Liegend betete man die Oratio. Als Karl
sich erhob, nahm Leo III. eine Krone und setzte sie dem Frankenkönig aufs Haupt. Den anwesenden Römern war die Bedeutung dieser Handlung sogleich bewußt, denn sie akklamierten Karl als Kaiser, indem sie dreimal unter Anrufung der Heiligen riefen: Carolo piissimo augusto, a Deo coronato magno et
pacifico imperatore (sic), vita et victoria! – „Karl, dem überaus
frommen Augustus, dem von Gott gekrönten großen und Frieden stiftenden Kaiser, Leben und Sieg!“ Nach altem Herkommen ehrte der Papst den neuen Kaiser mit einem Fußfall.
Die Ereignisse des Weihnachtstages 800 waren spektakulär
und hatten weitreichende Folgen. Damals wurde das mittelalterliche Kaisertum begründet, das in Form des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation bis zum Jahr 1806 fortbestehen sollte. Zugleich wurde dieses Kaisertum eng an das
Papsttum gebunden, obschon Karl dies keinesfalls so beabsichtigt hatte. Auch den Zeitgenossen muß die Bedeutung dieses Aktes bewußt gewesen sein; denn mit ihm forderte Karl
Byzanz heraus, das sich als bruchlose Fortsetzung des alten
Imperium Romanum verstand. Bislang war der in Konstantinopel residierende oströmische Kaiser auch im Westen Europas der allgemein anerkannte Inhaber der höchsten weltlichen
Gewalt gewesen. Kein fränkischer, langobardischer oder gotischer König hatte jemals ernsthaft diesen Vorrang bestritten.
Auch für die Päpste war der Kaiser bis zu Leos Vorgänger Hadrian in theologischen Angelegenheiten der wichtigste Partner
geblieben, während der Frankenkönig den weltlichen Schutz
des Papstes und der Stadt Rom übernehmen durfte. Karl blieb
ohne den Kaisertitel bei aller realen Macht zweitrangig und
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mußte hinter den alten höchsten Repräsentanten der geistlichen und der weltlichen Gewalt, dem Papst und dem Kaiser
im Osten, zurückstehen.
Unruhen in der Ewigen Stadt standen am Anfang einer Entwicklung, die schließlich zur Kaiserkrönung Karls führen sollte. Im Jahr 795 war Papst Hadrian gestorben. Sein Nachfolger
Leo III. entstammte im Gegensatz zu seinem Vorgänger nicht
den adligen Führungsschichten der Stadt Rom, sondern verdankte seinen Aufstieg ausschließlich dem Dienst in der römischen Kirche. Schon bald kam es zu Spannungen zwischen dem
neuen Papst und der Aristokratie, über die uns die zeitgenössischen Quellen im Unklaren lassen, doch dürfte es um
die Verteilung von Macht und Einfluß innerhalb der Stadt Rom
und in ihrem Umland gegangen sein. An der Spitze der Unzufriedenen standen Paschalis, ein Neffe Hadrians, und Campulus, beide hohe päpstliche Verwaltungsbeamte, die bereits
Hadrian gedient hatten. Am Markustag, dem 25. April, des
Jahres 799 nutzten die Aufrührer eine Prozession durch Rom,
um einen Umsturz herbeizuführen. Der Papst wurde ergriffen
und mißhandelt, ja man wollte ihn sogar blenden und ihm die
Zunge herausschneiden. Solche Verstümmelungen dienten dem
Ziel, das Opfer auf Dauer amtsunfähig zu machen. Tatsächlich
wurde dem Papst wohl auch in der Kirche des Klosters San
Silvestro in Capite ein förmlicher Absetzungsprozeß gemacht.
Anschließend wurde er zunächst dort, dann im Kloster San
Erasmo in Monte Celio inhaftiert.
Doch die Verschwörer wagten nicht, einen neuen Papst einzusetzen, ohne zuvor den Frankenkönig Karl eingeschaltet zu
haben, der Ober- und Mittelitalien machtpolitisch beherrschte.
Er hatte Leo schließlich förmlich anerkannt, der ihm sogar
anläßlich seiner Wahl die Schlüssel zum Grab des hl. Petrus
und das Banner der Stadt Rom übersandt hatte und so Karls
Rolle als Schutzherr Roms unübersehbar herausgestellt hatte;
ihn durften die Umstürzler nicht übergehen, wenn sie mit
ihrem Vorhaben Erfolg haben wollten. Paschalis und Campulus mußten die notwendigen Konsultationen nicht fürchten,
repräsentierten sie doch auf Grund ihrer Nähe zu dem von Karl
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geschätzten Papst Hadrian eine Gruppierung, die am fränkischen Hof vermutlich wohlgelitten war. In der Tat erschienen
im Frühsommer fränkische Abgesandte in der Ewigen Stadt.
Freilich gestaltete sich das weitere Geschehen nicht so, wie
es sich die Verschwörer erhofft hatten. Es kam vermutlich zu
Spannungen zwischen ihnen und den Vertretern Karls. Zudem
hatte deren Anwesenheit, möglicherweise sogar ihr Eingreifen,
Leos Befreiung ermöglicht. Die Situation war derart kompliziert geworden, daß nur Karl selbst die Angelegenheit
entscheiden konnte. Der Papst und möglicherweise auch eine
Abordnung seiner Gegner wurden daher nach Norden
geleitet, um ihre Standpunkte am fränkischen Hof zu verteidigen.
König Karl hatte trotz der Nachricht vom Umsturz seinen
für 799 anstehenden Zug nach Sachsen nicht aufgegeben, obwohl er zeitweise geplant hatte, in Rom zu erscheinen. Stattdessen überquerte er von Aachen aus den Rhein und verbrachte
den Sommer in der Pfalz Paderborn, während sein Sohn Karl
weiter zur Elbe zog und die aufständischen Sachsen bekriegte.
Solange der Papst und seine Feinde unterwegs waren, wurde
am fränkischen Hof über das weitere Vorgehen intensiv beraten, wie wir aus den Briefen Alkuins, des Leiters der Hofschule
Karls, erfahren. Alkuin machte sich einen Rechtssatz der berüchtigten „Symmachianischen Fälschungen“ aus dem Anfang
des 6. Jahrhunderts zu eigen: Prima sedes a nemine iudicatur,
„der erste Sitz (gemeint ist der Papst) wird von niemandem gerichtet“. Am Königshof standen dagegen zeitweise Leo selbst
und seine Stellung als Papst zur Debatte. Ankläger – wohl Abgesandte der römischen Verschwörer – traten auf, die Leo Ehebruch und Meineid vorwarfen. Die Vorwürfe waren derart
gravierend und brisant, daß Alkuin einen Brief darüber verbrannte, „damit nicht etwa durch eine Nachlässigkeit des
Briefbewahrers ein Ärgernis entstehen könne“. Doch schließlich setzten sich die ‚Verteidiger‘ des Papstes durch. Zudem
wird man davon ausgehen können, daß Leo auf jede erdenkliche Weise versuchte, Karl auf seine Seite zu ziehen. Zu bieten
hatte er – das Kaisertum.
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Am Ende des 8. Jahrhunderts war in der päpstlichen Kanzlei
das Constitutum Constantini entstanden, die sogenannte Konstantinische Schenkung. Der römische Kaiser Konstantin der
Große (306–337) soll einst der Legende nach aus Dankbarkeit
für seine Heilung vom Aussatz dem römischen Bischof Silvester folgende Zugeständnisse gemacht haben: Er erkannte den
Vorrang Roms über alle Kirchen an, verlieh dem römischen
Oberhirten die kaiserlichen Abzeichen, schenkte ihm den Lateranpalast und außerdem die Stadt Rom sowie Italien und die
abendländischen Provinzen. Anschließend habe sich der Kaiser
in die nach ihm benannte Stadt am Bosporus zurückgezogen
und sich mit der Herrschaft über den Osten begnügt. Wenn der
Papst tatsächlich diese Vorstellungen teilte, dann war es nicht
weit zu dem Gedanken, daß ihm bei der Vergabe des Kaisertums ein gewichtiges Mitspracherecht einzuräumen sei. Auch
Karl muß dies nicht von vornherein abgelehnt haben, hatte sich
doch bereits sein Vater Pippin an Rom gewandt, als er seinen
merowingischen Vorgänger stürzen wollte, um selbst die Königswürde zu erwerben. Mochten auch Pippin und Karl dem
Willen des Papstes nur dann folgen, wenn es ihnen politisch
opportun schien, und ansonsten selbstherrlich ihr Reich und
dessen Kirchen regieren – zur Legitimierung neuer Würden
war ihnen der Nachfolger des hl. Petrus stets willkommen.
Schließlich war der Papst weitgehend auf sein großes geistliches Ansehen beschränkt und von daher keine Gefahr für die
reale Macht der Karolinger.
Seine Hinwendung zu den Franken machte Leo III. in Rom
selbst symbolisch deutlich. Das Triclinium des Lateran und
damit den wichtigsten päpstlichen Repräsentationssaal ließ er
wohl gerade in dieser Zeit mit bemerkenswerten Mosaiken
schmücken. In der Apsis war die Aussendung der Apostel durch
Christus zu sehen. Die Stirnwand links daneben zeigte vermutlich den thronenden Christus, der dem aus seiner Sicht rechts
neben ihm knienden hl. Petrus als Zeichen seiner Würde das
Pallium (eine Stola) und dem links neben ihm knienden Kaiser
Konstantin dem Großen das Labarum (die Kaiserstandarte)
verlieh. Entsprechend war auf der rechten Seite der Apsis der
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thronende hl. Petrus abgebildet, der dem Papst Leo das Pallium, dem König Karl ein vexillum, eine Fahnenlanze, überreichte. Die Inschrift darunter lautete: „Heiliger Petrus gib
Papst Leo das Leben und König Karl den Sieg.“ Peter Classen
hat die Mosaiken folgendermaßen gedeutet: „Hier stellte man
wie den Papst zum heiligen Petrus, so den Frankenkönig mit
Krone und Schwert in Parallele zu Konstantin, dem Begründer
des christlichen Kaisertums, man ließ ihn das Zeichen des
weltlichen Schutzes vom heiligen Petrus empfangen. Das war
kein Ausdruck staatsrechtlicher Hoheit, wohl aber eine Proklamation, daß der Schutz – d. h. der unmittelbare, von Gott
und dem heiligen Petrus herrührende Schutz für die Römische
Kirche, den Papst und die Stadt Rom selbst nicht den Nachfolgern Konstantins im Osten, sondern dem König der Franken
aufgegeben war … Rom brachte mit diesem Bild in aller Deutlichkeit zum Ausdruck, daß es sich von Konstantinopel ab- und
den Franken zugewandt hatte, daß Karl an die Stelle Konstantins getreten war.“
Dagegen zeigt der weitere Fortgang der Ereignisse, wie es um
die realen Machtverhältnisse bestellt war. Karl bereinigte die
Vorwürfe gegen den Papst nicht sofort, sondern behandelte sie
gleichsam als Faustpfand. Zwar begleiteten in seinem Auftrag
zahlreiche fränkische Bischöfe den Papst noch im Herbst 799
nach Rom und führten dort auch eine Untersuchung durch –
bezeichnenderweise im Triclinium des Lateran –, doch das Ergebnis war aus Sicht des Papstes enttäuschend: Die Verschwörer wurden lediglich ins fränkische Exil geschickt und die Vorwürfe gegen ihn nicht endgültig ausgeräumt. Nach wie vor war
Leo von der Sympathie und der Hilfe Karls abhängig.
Karl selbst war von Paderborn nach Aachen zurückgekehrt.
Anfang des Jahres 800 entließ er eine Gesandtschaft des Patriarchen von Jerusalem, die ihm Reliquien vom hl. Grab überbracht hatte. Als Begleitung gab er ihr den Priester Zacharias
mit, der kurz vor der Kaiserkrönung in Rom erschien und seinem König Bericht erstattete. Zacharias hat also möglicherweise schon bei Antritt seiner Reise gewußt, daß sich Karl am Ende
des Jahres in Rom aufhalten würde. Auch Karls Aktivitäten
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