5 ZWEITER HAUPTSATZ DER THERMODYNAMIK 5.1 Carnotscher

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5
ZWEITER HAUPTSATZ DER THERMODYNAMIK
5.1
Carnotscher Kreisprozeß
5.1.1 Eine ideale Wärmekraftmaschine
Carnot1 behandelte Kreisprozesse, da er an Wärmekraftmaschinen (WKMs) interessiert war. Er erkannte 1824, dass eine Maschine nur arbeiten kann, wenn eine Temperaturdifferenz zwischen einem Reservoir hoher Temperatur Th und einer niedrigen
Temperatur Tn besteht. Als einfaches Modellsystem wird oft ein Zylinder gewählt. Der
Zylinder ist an einer Seite fest, an der anderen Seite durch einen verschiebbaren Kolben verschlossen. Die Füllung besteht aus idealem Gas.
F
P, V, n
Mit dieser WKM behandelte er den in der folgenden Abbildung dargestellten reversibel
geführten Kreisprozeß.
T
Th
1
Tn
P
2
4
1
2
4
3
V
3
V
1→2: Zunächst lässt man das Volumen bei einer hohen Temperatur isotherm expandieren. Dazu befinde sich die WKM in einem Wärmebad. Die WKM verrichtet Arbeit
und nimmt dafür Wärme aus der Umgebung auf:
W12 = −nRTh ⋅ ln
V2
<0,
V1
Q12 = −W12
da ΔU = 0 da isotherm.
2→3: Danach nimmt man die WKM aus dem Wärmebad und isoliert sie gegen Wärmefluß. Es folgt die adiabatische Expansion. Dabei verrichtet die WKM Arbeit. Sowohl
das Herausnehmen aus dem heißen Wärmebad als auch das Legen in die Wärmeisolierung kann man im Prinzip so gestalten, dass keine Arbeit verrichtet wird.
W23 = − ncV ⋅ (Th − Tn ) <0,
Q12 = 0
da adiabatisch
3→4: Jetzt legt man die WKM in ein kaltes Wärmebad und komprimiert das Volumen
isotherm. An der WKM wird Arbeit verrichtet, dafür gibt sie Wärme ab.
W34 = − nRTn ⋅ ln
1
V4
>0,
V3
Q34 = −W34
Nicolas Leonard Sadi Carnot, 1796-1832, Franz. Naturforscher.
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4→1: Schließlich isoliert man die WKM und komprimiert adiabatisch bis der Ausgangszustand wieder erreicht ist. Dabei wird wieder an der WKM Arbeit verrichtet.
W41 = ncV ⋅ (Th − Tn ) >0,
Q41 = 0
Wie groß ist die insgesamt verrichtete Arbeit W und welche Wärme Q fließt?
W = W12 + W23 + W34 + W41 = −nRTh ⋅ ln
V
V2
− nRTn ⋅ ln 4 = −Q
V3
V1
Das lässt sich vereinfachen. Da
Th ⎛ V3 ⎞
=⎜ ⎟
Tn ⎝V2 ⎠
1c
⎛ V4 ⎞
=⎜ ⎟
⎝ V1 ⎠
1c
⇒
V4 V3
V3 V2
=
⇔
=
V1 V2
V4 V1
folgt
W = − nRTh ⋅ ln
V
V2
V
+ nRTn ⋅ ln 3 = − nR ⋅ (Th − Tn ) ⋅ ln 2
V1
V4
V1
W<0, d.h. der Kolben verrichtet Arbeit. Dabei fließt zunächst vom heißen Wärmebad
Wärme in den Kolben. Dann gibt der Kolben Wärme an das kalte Wärmebad ab. Insgesamt fließt also Wärme vom heißen zum kalten Wärmebad.
Heißes Wärmebad
Qh
W
WKM
Qn
Kaltes Wärmebad
Man könnte den Kreisprozeß auch anders herum durchlaufen. Man müsste dann Arbeit
hineinstecken und würde Wärme vom kalten zum heißen Wärmebad transportieren.
Dies geschieht beim Kühlschrank bzw. bei der Wärmepumpe.
5.1.2 Wirkungsgrad
Eine sinnvolle Definition des Wirkungsgrades einer Wärmekraftmaschine ist
η ≡
−W
Qh
W ist die insgesamt verrichtete Arbeit und Qh die im heißen Wärmebad entnommene
Wärmemenge.
Der Wirkungsgrad der Carnot-Maschine ist
nR ⋅ ( Th − Tn ) ⋅ ln
ηC =
nRTh ⋅ ln
V2
V1
V2
V1
also
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ηC =
Th − Tn
Th
Der Wirkungsgrad ist umso größer, je größer der relative Temperaturunterschied ist.
Arbeit kann nicht verrichtet werden, wenn keine Temperaturdifferenz besteht.
Bemerkung: Den Wirkungsgrad einer Carnot-Maschine kann man schreiben als
ηC =
Q + Q34
Q
Q
Q
−W
=
= 12
= 1 + 34 = 1 + n
Q12 Q12
Q12
Q12
Qh
Beachte: Q34=Qn ist negativ. Außerdem gilt η C = 1 − Tn Th . Gleichsetzen führt zu
Qn
T
Q
Q
=− n ⇒ n + h =0
Qh
Th
Tn Th
Dies ist ein wesentliches Ergebnis, denn es legt nahe, dass Q/T eine Zustandsfunktion
ist, obwohl Q selbst keine Zustandsfunktion ist!
5.2
Formulierung des zweiten Hauptsatzes
5.2.1 Ein Perpetuum Mobile 2. Art kann nicht konstruiert werden
Es gibt verschiedene Formulierungen des zweiten Hauptsatzes. Eine, angelehnt an
eine Präsentation von Thomson 1851, lautet:2
Es gibt keinen zyklischen Prozeß, der nichts weiter tut, als Wärme in Arbeit umzuwandeln, ohne dass gleichzeitig Wärme von einem heißen zu einem kalten
Reservoir fließt.
Dies lässt sich auch leicht umformulieren: Es ist nicht möglich, eine periodisch arbeitende Maschine zu konstruieren, bei welcher nach einem Umlauf die einzige Änderung
in der Umgebung darin besteht, dass Arbeit geleistet wurde und nur ein Wärmereservoir abgekühlt wurde.
Eine äquivalente Aussage stammt von Clausius:3 Es gibt keinen zyklischen Prozeß der
Wärme von einem kalten in ein warmes Reservoir schafft, ohne gleichzeitig Arbeit zu
leisten.
Bemerkungen:
• Der zweite Hauptsatz nimmt nicht auf spezielle Naturphänomene Bezug sondern gilt
allgemein.
• Der zweite Hauptsatz ist wie der erste Hauptsatz ein fundamentales, empirisches
Naturgesetz. Er lässt sich nicht aus anderen Gesetzen ableiten.
• Wichtig ist die Betonung des „periodischen“ Prozeßes. Einzelne Zustandsänderungen können sehr wohl Wärme direkt in Arbeit umwandeln. Beispiel: Wärme
fließt in einen Kolben, der sich ausdehnt.
• Der zweite Hauptsatz geht weiter als der erste. Der erste Hauptsatz würde eine
direkte Umwandlung von Wärme in Arbeit zulassen.
2
Thomson beschränkte sich auf nicht lebendige Dinge. Er ließ die Möglichkeit offen, dass das Gesetz für
lebende Organismen nicht gilt.
3
Rudolf Julius Emmanuel Clausius, 1822-1888, deut. Physiker, Prof. in Zürich, Würzburg und Bonn.
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Verständnisproblem: Der zweite Hauptsatz enthält, im Gegensatz zum ersten Hauptsatz, keine quantitative Aussage. Die Aussage, dass bei jeder Arbeitsverrichtung auch
Wärme Q fließen muss, ist nur qualitativ. Wieviel Wärme muss fließen? Kann man die
Wärme verschwindend gering machen? Dieses Problem wird durch die Verallgemeinerung des Wirkungsgrades der Carnot-Maschine gelöst.
5.2.2 Wirkungsgrad von Wärmekraftmaschinen
Wir haben ausführlich den Carnotschen Kreisprozeß behandelt. Das war ein ganz spezieller Prozeß. Daher ist die Frage berechtigt, wie relevant der errechnete Wirkungsgrad ist. Haben andere WKMs evtl. einen anderen Wirkungsgrad?
Alle zwischen zwei Temperaturreservoirs reversibel arbeitenden Wärmekraftmaschinen haben den gleichen Wirkungsgrad wie die Carnot-Maschine. Alle
irreversibel arbeitenden Maschinen haben einen kleineren Wirkungsgrad.
Dies ist eine äquivalente Formulierung des zweiten Hauptsatzes.
Der Beweis ist einfach: Angenommen, jemand hat eine WKM erfunden, deren Wirkungsgrad höher ist als der, der Carnot-Maschine. Diese Maschine (WKM1) entnimmt
einem heißen Wärmereservoir die Wärmemenge Qh und gibt Qn1 an das kalte Wärmereservoir.4 Dabei verrichtet sie die Arbeit W1 = Qh − Qn1 .
Jetzt kopple ich die neue Maschine mit einer Carnot-Maschine (WKM2), die als Wärmepumpe geschaltet ist (siehe Abbildung). Die Carnot-Maschine gibt bei hoher Temperatur Qh ab, entnimmt bei tiefer Temperatur Qn2 und benötigt dazu die Arbeit
W2 = Qh − Qn2 . Insgesamt wird die Arbeit
W = W1 − W2 = Qn2 − Qn1
verrichtet. Ist der Wirkungsgrad von WKM1 grösser als der von WKM2, dann ist
W1 > W2 und Qn2 > Qn1. Es würde dem kalten Reservoir Wärme entnommen und in Arbeit umgewandelt wird. Dies ist nach dem zweiten Hauptsatz verboten.
Heißes Wärmebad
Qh
WKM1
Qh
W1
W2
Qn1
WKM2
Qn2
Kaltes Wärmebad
Arbeitet WKM2 reversibel, dann darf sie auch keinen kleineren Wirkungsgrad als die
Carnot-Maschine haben. Hätte sie dies, könnte ich beide Maschinen umkehren und
wieder ein Perpetuum Mobile 2. Art konstruieren. D.h. alle reversibel zwischen zwei
Wärmebädern arbeitenden Maschinen müssen den Wirkungsgrad der CarnotMaschine (Th − Tn ) / Th haben.
4
In diesem und im nächsten Unterkapitel stellt das Symbol Q den Betrag der Wärme dar. Danach wird
wieder das Vorzeichen berücksichtigt.
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Bemerkung: Bei der Ableitung wurde Bezug genommen auf die Eigenschaften des
idealen Gases, da die Carnot-Maschine mit idealem Gas arbeitet. Im Grunde wurde
also neben dem zweiten Hauptsatz die Existenz des idealen Gases vorausgesetzt.
5.2.3 Die allgemeine Carnot-Maschine und die Definition der absolute
Temperatur
"Gegen die obigen Überlegungen lässt sich - und mit Recht - der Einwand erheben,
daß das dabei immer wieder benutzte ideale Gas in Wirklichkeit gar nicht existiert. Es
ist eine mißliche Sache, als Grundllage einer ganzen Disziplin erst die Temperatur
mittels einer nicht existierenden Substanz zu definieren und alsdann den Wirkungsgrad
einer mit eben dieser Substanz betriebenen Maschine zum Ausgangspunkt aller weiteren Schlüsse zu machen. Diese Lücke soll jetzt geschlossen werden." (aus R. Becker
"Theorie der Wärme“)
Angenommen, mit irgendeiner Art von Thermometer wäre eine Temperatur ϑ definiert.
Die einzige Bedingung, die wir an diese Temperatur stellen, ist, dass sie einem heißen
Körper eine höheres ϑ zuordnet als einem kalten.
Weiterhin nehmen wir an, es existiere eine reversible arbeitende Maschine, die zwischen zwei Wärmereservoiren arbeitet. Die Temperatur der Reservoire betrage ϑ1 und
ϑ2, wobei ϑ1>ϑ2 . Die Maschine entziehe dem heißen Reservoir Q1 und führe dem kalten Reservoir Q2 zu. Dabei wird die Arbeit
W = Q1 − Q2
verrichtet.
Genau wie oben kann man jetzt schließen: Gäbe es eine zweite reversibel arbeitende
WKM mit gleichem Q1 aber einem von Q2 abweichendem Q2' (und damit anderer Arbeitsleistung W'), so kann man die zwei Maschinen wieder geschickt koppeln, und ein
Perpetuum Mobile 2. Art bauen. Der Quotient Q2/Q1 muss also von der speziellen Art
der Maschine unabhängig sein. Er darf nur eine Funktion von den beiden Temperaturen ϑ1 und ϑ2 sein:
Q2
= f (ϑ1 ,ϑ2 )
Q1
Der Wirkungsgrad
η 12 = 1 − f (ϑ 1 ,ϑ 2 )
ist also der Wirkungsgrad aller zwischen ϑ1 und ϑ2 reversibel arbeitenden Maschinen.
Um mehr über die Funktion f zu erfahren, betrachten wir jetzt zwei hintereinander geschaltete WKMs.
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Q1
ϑ1
W
Q2
ϑ2
W'
Q3
ϑ3
Es gilt:
W = Q1 ⋅ (1 − f (ϑ1 , ϑ 2 ) )
W ' = Q2 ⋅ (1 − f (ϑ 2 , ϑ3 ) ) = Q1 ⋅ f (ϑ1 , ϑ 2 ) ⋅ (1 − f (ϑ 2 , ϑ3 ) )
W und W‘ sind die von den Maschinen verrichteten Arbeiten. Man kann sich auch eine
dritte Maschine vorstellen, die direkt dem heißen Reservoir die Wärme Q1 entnimmt, Q3
in das kalte Reservoir abgibt und dabei die Arbeit
W + W ' = Q1 ⋅ (1 − f (ϑ1 , ϑ3 ) )
verrichtet. Es folgt:
W + W ' = Q1 ⋅ (1 − f (ϑ1 , ϑ 2 ) ) + Q1 ⋅ f (ϑ1 , ϑ 2 ) ⋅ (1 − f (ϑ 2 , ϑ3 ) ) = Q1 ⋅ (1 − f (ϑ1 , ϑ3 ) )
⇒ 1 − f (ϑ1 , ϑ 2 ) + f (ϑ1 , ϑ 2 ) ⋅ (1 − f (ϑ 2 , ϑ3 ) ) = 1 − f (ϑ1 , ϑ3 )
⇒ f (ϑ1 , ϑ 2 ) ⋅ f (ϑ 2 , ϑ3 ) = f (ϑ1 , ϑ3 )
Logarithmieren ergibt
ln[ f (ϑ1 ,ϑ2 ) ⋅ f (ϑ2 ,ϑ3 )] = ln[ f (ϑ1 ,ϑ2 )] + ln[ f (ϑ2 ,ϑ3 )] = ln[ f (ϑ1 ,ϑ3 )]
Differenzieren nach ϑ1
∂ ln[ f (ϑ 1 ,ϑ 2 )] ∂ ln[ f (ϑ 1 ,ϑ 3 )]
=
∂ϑ 1
∂ϑ 1
Das ist nur dann erfüllbar, wenn sich der Logarithmus als Summe aus zwei Funktionen
schreiben lässt, die jeweils nur von einer Variablen abhängen, d.h.
ln[ f (ϑ1 ,ϑ2 )] = A(ϑ1 ) + B(ϑ2 )
und entsprechend ln[ f (ϑ1 ,ϑ3 )] = A(ϑ1 ) + B(ϑ3 ) . Daraus folgt für f selbst, dass es sich
als Produkt aus zwei Funktionen schreiben lässt:
f (ϑ 1 ,ϑ 2 ) = exp[ A(ϑ 1 ) + B(ϑ 2 )] = exp[ A(ϑ 1 )] ⋅ exp[ B(ϑ 2 )] ≡ a (ϑ 1 ) ⋅ b(ϑ 2 )
Mit dieser Erkenntnis kann man f (ϑ1 ,ϑ2 ) ⋅ f (ϑ2 ,ϑ3 ) = f (ϑ1 ,ϑ3 ) umschreiben in:
a(ϑ1 ) ⋅ b(ϑ2 ) ⋅ a (ϑ2 ) ⋅ b(ϑ3 ) = a(ϑ1 ) ⋅ b(ϑ3 )
⇒ b(ϑ2 ) ⋅ a (ϑ2 ) = 1
⇒ a(ϑ2 ) =
1
b(ϑ2 )
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Das muss für alle Temperaturen ϑ gelten. Damit gilt
f (ϑ1 ,ϑ2 ) =
b(ϑ2 )
b(ϑ1 )
und
η12 = 1 −
b(ϑ2 ) b(ϑ1 ) − b(ϑ2 )
=
b(ϑ1 )
b(ϑ1 )
Die bisher unbestimmt Fuktion b, von der wir nur annahmen, dass sie auschließlich von
ϑ abhängt, kann man über den Wirkungsgrad (d.h. durch Messung von Wärme bzw.
Arbeit) messen. Damit haben wir ein Thermometer, welches unabhängig von einer
bestimmten Substanz ist. Man braucht nur den Wert von b für ein bestimmtes Wärmereservoir festlegen. Wir nennen dann T1 = b(ϑ1 ) die Temperatur des Wärmereservoirs.
Diese thermodynamische Definition der Temperatur wurde 1848 von Thomson vorgeschlagen. Dazu setze T1=273,16 K (Gefrierpunkt von Wasser). Die Temperatur eines
Reservoirs bestimmt man durch Messung des Wirkungsgrades einer reversibel zwischen dem Reservoir und einem Eis-Wasser-Gemisch arbeitenden Maschine:
η =1−
273,16
273,16
⇒T =
T
1−η
Man kann es als Zufall ansehen, dass die thermodynamisch definierte Temperaturskala gerade mit der Skala, die über das Gasthermometer definiert wurde, übereinstimmt.
5.3
Entropie als Zustandsfunktion
Der zweite Hauptsatz macht Aussagen über die Richtung von Prozessen. Ob ein Prozeß spontan abläuft oder nicht, wird durch den zweiten Hauptsatz bestimmt. Der erste
Hauptsatz bildet den Rahmen innerhalb dessen Prozesse stattfinden dürfen.
Beispiel: Ein Paddel in einem Wasserbad wird durch ein fallendes Gewicht angetrieben. Dabei wird die Gravitationsenergie des Gewichts in Wärme des Wassers umgewandelt. Der umgekehrte Prozeß wird nie beobachtet, obwohl der erste Hauptsatz dies
zulassen würde.
Motivation: Es wäre schön, eine Zustandsfunktion zu haben, die eine Aussage darüber
erlaubt, ob der Übergang von einem Zustand in einen anderen spontan erfolgt oder
nicht.
Diese Zustandsfunktion ist die Entropie S. Bei der Behandlung der Carnot-Maschine
hatten wir gesehen, dass die Summe aller Q/T im Kreisprozeß Null ist. Dies gilt allgemein und Q/T ist eine Zustandsfunktion, solange der Prozeß reversibel geführt wird.
Der zweite Hauptsatz kann wie folgt formuliert werden:
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Die durch
dS ≡
δQrev
T
definierte Funktion S, die Entropie, ist eine Zustandsfunktion. Für irreversible
Prozesse gilt
dS >
δQir
T
Der Begriff „Entropie“ stammt von Clausius. In einer Veröffentlichung von 1865 schlug
er vor, die Größe S nach dem griechischen Wort „trope“ für „Verwandlung“ zu benennen. Dass das Wort „Entropie“ ähnlich wie „Energie“ klingt, war gewollt.
Auf den ersten Blick sehen die beiden Formulierungen des zweiten Hauptsatzes völlig
unterschiedlich aus. Man kann aber die eine Form aus der anderen herleiten.
Beispiel: S ist Zustandsfunktion → Wirkungsgrad einer reversible arbeitenden Maschine ist (Th − Tn ) / Th .
Eine reversibel arbeitende Maschine entziehe dem heißen Reservoir die Wärme Qh bei
der Temperatur Th. Dabei verringert sich seine Entropie um ΔS h = Qh Th . Dem kalten
Reservoir fließt die Wärme Qn bei Tn zu. Dabei steigt seine Entropie um ΔS n = Qn Tn .
Insgesamt ändert sich die Entropie des Systems also um
ΔS =
Qn
Tn
−
Qh
Th
⇒ Qn = ΔS ⋅ Tn +
Qh ⋅ Tn
Th
Dabei wird die Arbeit
⎛ ΔS ⋅ Tn Tn ⎞
− ⎟
W = Qh − Qn = Qh ⋅ ⎜1 −
⎜
Q
Th ⎟⎠
h
⎝
verrichtet. Der Prozeß läuft spontan ab, wenn ΔS ≥ 0. Die maximale Arbeit kann bei
ΔS = 0 gewonnen werden. Dort erhält man gerade den Wirkungsgrad der CarnotMaschine.
Die Tatsache, dass Prozesse, für die ΔS ≥ 0 gilt, spontan ablaufen, kann auch prägnanter formuliert werden: Ein abgeschlossenes System strebt den Zustand maximaler Entropie an.
5.3.1 Entropiedifferenz zwischen zwei Zuständen
Wie berechne oder messe ich die Entropiedifferenz zwischen zwei Zuständen? Da die
Entropie eine Zustandsfunktion ist, brauche ich nur irgendeinen reversiblen Prozeß zu
finden, der die beiden Zustände verbindet. Die Entropiedifferenz zwischen den Zuständen 1 und 2 erhält man aus
2
ΔS =
∫
1
δQrev
T
2
⇔ S 2 = S1 +
∫
1
δQrev
T
Beispiel: Isotherme Entspannung von 1 mol eines idealen Gases auf sein 10 faches
Volumen. Da T konstant ist gilt
2
ΔS =
∫
1
δQrev
T
2
=
Q
1
δQrev = 12
T
T
∫
1
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Q12 = W12 = nRT ⋅ ln
V2
V
⇒ ΔS = nR ⋅ ln 2 = 8,314 J ⋅ ln 10 = 19,1J
V1
V1
Man kann die Entropie aus der Wärmekapazität berechnen. Führt man einen isobaren,
reversiblen Prozeß durch, so gilt
T2
S (T2 ) = S (T1 ) +
∫
T1
CP
⋅ dT
T
da δQ = C P dT . Bei isochoren, reversiblen Zustandsänderungen gilt entsprechend
T2
S (T2 ) = S (T1 ) +
∫
T1
CV
⋅ dT
T
Man kann also aus einer Messung der Wärmekapazität die Entropie bestimmen.
Die beiden Beziehungen enthalten noch eine wichtige Information: Da die Wärmekapazität positiv ist, steigt die Entropie eines Systems stetig mit der Temperatur an.
Beispiel: Temperaturausgleich. Angenommen man bringt zwei gleich große Körper,
die aus dem gleichen Material bestehen, z.B. zwei Metallklötze, mit unterschiedlichen
Temperaturen T1>T2 in Kontakt. Es wird Wärme vom heißen zum kalten Körper fliessen, bis beide die gleiche Temperatur T0 = (T1 + T2 ) 2 haben. Zwei Voraussetzungen
sollen gelten: Eine Ausdehnung (und damit verbundene Volumenarbeit) sei vernachlässigbar; die Wärmekapazität sei konstant. Wie ändert sich die Entropie?
T0
ΔS1 =
Körper 1:
C
T0
C
T0
∫ T ⋅ dT = C ⋅ ln T1
T1
T0
ΔS 2 =
Körper 2:
∫ T ⋅ dT = C ⋅ ln T2
T2
Änderung der Gesamtentropie:
⎛ T
T
ΔS = ΔS1 + ΔS 2 = C ⋅ ⎜⎜ ln 0 + ln 0
T2
⎝ T1
⎞
⎟⎟
⎠
Mit der Abkürzung ΔT = T1 − T0 = T0 − T2 kann man schreiben
⎛ T + ΔT
⎛ T
T − ΔT ⎞
T ⎞
⎟
ΔS = −C ⋅ ⎜⎜ ln 1 + ln 2 ⎟⎟ = −C ⋅ ⎜⎜ ln 0
+ ln 0
T0
T0 ⎟⎠
T0 ⎠
⎝
⎝ T0
⎡ ⎛ ΔT ⎞ 2 ⎤
⎡⎛
ΔT ⎞ ⎛ ΔT ⎞⎤
⎟ ⎥
⎟⎟⎥ = −C ⋅ ln ⎢1 − ⎜⎜
⎟⎟ ⋅ ⎜⎜1 −
= −C ⋅ ln ⎢⎜⎜1 +
T0 ⎠ ⎝
T0 ⎠⎥⎦
⎢ ⎝ T0 ⎟⎠ ⎥
⎣⎢⎝
⎣
⎦
D.h. die Entropiedifferenz nimmt mit steigender relativer Temperaturdifferenz ΔT/T0 zu.
Frage: Bringe ich zwei unterschiedlich heiße Körper zusammen, ist der Temperaturausgleich ein irreversibler Prozeß. Warum darf ich dann Gleichungen verwenden, die
für reversible Prozesse gelten? Ich kann den Temperaturausgleich auch quasi reversibel gestalten, indem ich die Körper getrennt langsam erwärme bzw. abkühle.
5.3.2 Kombination des ersten und zweiten Hauptsatzes
Der ersten Hauptsatz der Thermodynamik lautet dU = δQ + δW . Ist nur Volumenarbeit
zugelassen, gilt für die mechanische Arbeit δW = − PdV . Für reversible Prozesse kann
man δQ = TdS setzen und erhält
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dU = TdS − PdV
U ist eine Zustandsfunktion. Daher ist es egal, ob der neue Zustand reversibel oder irreversibel erreicht wird. Deshalb gilt die Gleichung auch für irreversible Prozesse.
Für irreversible Prozesse ist die Aussage zunächst verblüffend. Dort ist δQ < TdS . Beispiel: Gay-Lussacscher Versuch. Dabei erhöht sich die Entropie, die innere Energie
bleibt aber konstant. Ist das nicht ein Widerspruch? Nein. Im irreversiblen Fall kann
man die Volumenarbeit nicht mehr mit − PdV identifizieren und es gilt PdV > δW .
5.3.3 Statistische Interpretation der Entropie
Für das Weitere ist es hilfreich, ein molekulares Bild der Entropie vor Augen zu haben.
Deshalb möchte ich jetzt schon kurz und unvollständig die statistische Interpretation
der Entropie erwähnen.
Entropie ist ein Maß für die Unordnung eines Systems. Genauer lautet die statistische
Definition:
S ≡ k B ⋅ ln Ω
Achtung: Ω ist hier die Anzahl möglicher molekularer Anordnungen, die ein System bei
einer festen Gesamtenergie einnehmen kann.
Beispiel: Ein System bestehe aus 10 Molekülen die zwei energetisch gleichwertige Zustände up und down einnehmen können. Es gibt also
Ω = 2 ⋅ 2 ⋅ 2 ⋅ 2 ⋅ 2 ⋅ 2 ⋅ 2 ⋅ 2 ⋅ 2 ⋅ 2 = 210 = 1024
Möglichkeiten. Die Entropie des Systems beträgt 9,6×10-23 J.
5.4
Der dritte Hauptsatz und die Unerreichbarkeit des absoluten Nullpunkts
5.4.1 Erzeugung tiefer Temperaturen
Der dritte Hauptsatz besagt, dass T=0 nicht erreicht werden kann. Daher ist es sinnvoll,
zuerst Methoden zu besprechen, mit denen tiefe Temperaturen erzeugt werden.
Die erste Stufe besteht in einer umgekehrt laufenden Wärmekraftmaschine. Bis etwa 4
K kann man mit Hilfe des Joule-Thomson-Effekts kühlen. Dadurch werden Gase verflüssigt. 1 K erreicht man, indem das Objekt durch flüssiges Helium gekühlt wird. Das
Helium verdampft und der Dampf entzieht dem Objekt Wärme.
Noch tiefere Temperaturen können durch adiabatische Entmagnetisierung erzeugt
werden. Dazu verwendet man paramagnetische Materialien. Paramagnetische Stoffe
enthalten Moleküle mit ungepaarten Elektronen. Da ein Elektron mit seinem Spin einen
kleinen Magneten darstellt, haben diese Moleküle ein magnetisches Moment. Normalerweise sind die Spins ungeordnet, d.h. es zeigen etwa gleich viele in alle Richtungen.
Legt man ein äußeres Magnetfeld an, dann richten sie sich aus. Dabei sinkt die Entropie, da die Ordnung steigt.
Das kann man zur Kühlung ausnutzen. Die Abbildung zeigt ein S-T-Diagramm von
einer paramagnetischen Probe (z.B. d-Metall) im ausgerichteten und unmagnetisierten
Zustand. Die Entropie des ungeodneten, unmagnetisierten Zustands liegt bei gleicher
Temperatur höher. Kühlung:
• Isotherme Magnetisierung in Umgebung von verdampfendem flüssigen Helium, also
isotherm.
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• Behälter wird isoliert und das Magnetfeld wird abgeschaltet. Die Spins kehren in den
ungeordneten Zustand zurück. Da das System abgeschlossen ist (es fließt keine
Wärme δQ T = 0 ) und der Prozeß reversibel geführt wird ändert sich die Gesamtentropie nicht. Deshalb sinkt die Temperatur. Anschaulich gesprochen steigt die
Orientierungsentropie der Moleküle, dafür sinkt ihre thermische Bewegung.
S
Unmagnetisiert
Isotherme Magnetisierung
Adiabatische
Demagnetisierung
Magnetisiert
T
5.4.2 Formulierung des dritten Hauptsatzes
Der dritte Hauptsatz beschreibt eine Erfahrungstatsache:
Es ist unmöglich, den absoluten Nullpunkt T=0 zu erreichen.
Dies bedeutet zweierlei: Entropieänderungen zwischen Zuständen verschwinden,
wenn die Temperatur gegen Null geht: ΔS → 0 für ΔT → 0 . Oder:
Für jeden reinen, in idealer Ordnung kristallisierenden Stoff ist die Entropie am
absoluten Nullpunkt gleich; man gibt diesen Stoffen bei T=0 die Entropie Null.
Grund: Gäbe es Entropiedifferenzen am absoluten Nullpunkt, dann könnte man sich
einen reversiblen Prozeß vorstellen, der die Entropiedifferenz ausnutzt, um den absoluten Temperaturnullpunkt zu erreichen.
Beispiel: Bestünde eine Entropiedifferenz zwischen dem magnetisierten und unmagnetisierten Zustand bei T=0, dann könnte man durch eine endliche Zahl von Schritten
T=0 erreichen (links). Verschwindet die Entropiedifferenz bei T=0 dann bräuchte man
eine unendliche Anzahl von Schritten (rechts).
S
S
Unmagnetisiert
Unmagnetisiert
Magnetisiert
T
Magnetisiert
T
Die zweite Formulierung stammt 1911 von Planck5. Sie geht auf den Nernstschen6
Wärmesatz zurück, der besagt, dass bei chemischen Reaktionen Entropiedifferenzen
zwischen Ausgangs- und Endzustand bei T=0 verschwinden. Die Aussage ist beschränkt auf
5
6
Max Planck, 1858-1947.
Walther Nernst, 1864-1941, Prof. in Berlin und nach 1922 Präsident der Phys.-Techn. Reichsanstalt.
1920 NP für Chemie.
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-12-
•
perfekt kristalline Materialien. Sie gilt nicht für Stoffe, die nicht in ihrem absoluten
thermodynamischen Gleichgewicht sind. Dazu gehören beispielsweise Gläser.
•
reine Stoffe, da bei Gemischen die Mischentropie auftritt.
Bemerkung: Naturgesetz ist nur die Tatsache, dass die Entropien aller reinen, ideal
kristallisierender Stoffe bei T=0 gleich sind. In Anlehnung an die statistische Definition
der Entropie setzt man diesen Wert auf Null; das ist Definition.
5.4.3 Beispiel: Entropie von Argon
Aufgabe: Ermitteln geben Sie die molare Entropie Sm von Argon unter Standardbedingungen bei einer Temperatur von 300 K.
Dazu mißt man die Wärmekapazität cP von möglichst kleinen Temeperaturen bis 300 K
in einem Kalorimeter. Das macht man in einem Kalorimeter bei konstantem Druck von
101.300 Pa. Praktisch gibt man eine bestimmte Menge Argon n ins Kalorimeter und
kühlt so tief wie möglich. Dann erwärmt man das Argon und mißt die für eine bestimmte Temperaturerhöhung ΔT notwendige Wärme Q(T). Es gilt c P (T ) = Q(T ) nΔT . Mit
T2
S m (T2 ) = S m (T1 ) +
cP
∫T
⋅ dT
T1
kann dann die Entropie ermittelt werden. Argon ist eine reine Substanz die bei T→0
rein kristallisiert. Daher S m (T → 0) = 0 . Man könnte also von T=0 ab integrieren. Am
Schmelz- (Tm=83,85 K) und am Siedepunkt (Tb=87,29 K) muss mann die Schmelzbzw. Verdampfungswärme (Qm=1,18 kJ/mol und Qb=6,52 kJ/mol) berücksichtigen. Insgesamt erhalten wir:
Tm
S m (T ) =
∫
0
Q
cP
⋅ dT ' + m +
Tm
T'
Tb
∫
Tm
Q
cP
⋅ dT ' + b +
Tb
T'
T
cP
∫ T ' ⋅ dT '
Tb
Führt man die Rechnung durch, dann erhält man die molare Entropie bei 300 K:
Sm=154,2 JK-1mol-1.
Wie später gezeigt wird, erwartet man für ein ideales, einatomiges Gas eine Wärmekapazität c P = 5R 2 . Für Argon stimmt das sehr gut mit den gemessenen Werten überein.
PCIII-05.DOC MASKOS/BUTT 28.04.2009
-1
30
CP / JK mol
40
-1
-13-
20
-2
CP/T / JK mol
-1
10
0
0,5
0,4
0,3
0,2
-1
S / JK mol
-1
0,1
0,0
150
125
100
75
50
25
0
0
50
100
150
200
250
300
Temperatur / K
5.5
Fragen und Tabellen
Skizzieren Sie den Carnotschen Kreisprozeß.
Was bezeichnet man als Wirkungsgrad und wie groß ist er?
Wie lautet der zweite Hauptsatz?
Es gibt die Formulierung: Man kann Wärme nicht direkt in Arbeit umwandeln. Kann ich
dann nicht eine Maschine mit höherem Wirkungsgrad als der durch den 2. Hauptsatz
gegebenen bauen?
Wie lautet der dritte Hauptsatz? Wie hoch ist die Entropie von Stoffen am absoluten
Nullpunkt?
Wie bestimmt man die Entropie eines Stoffes?
PCIII-05.DOC MASKOS/BUTT 28.04.2009
-14-
Wärmekapazität und Wärmekapazität dividiert durch die Temperatur für Argon bei
101.300 Pa.
T (K)
CP (JK-1mol-1)
CP/T (JK-1mol-1)
0
0
→0
3. Hauptsatz
20
11,76
0,588
Fest
40
22,09
0,552
Fest
60
26,59
0,443
Fest
80
32,13
0,401
Fest
83,85
33,26
0,397
Fest
83,85
42,05
0,501
Flüssig
87,29
42,05
0,482
Flüssig
87,29
20,79
0,238
Gasf.
100
20,79
0,208
Gasf.
300
20,79
0,069
Gasf.
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