72 neue verpackung> 04.2006 management> Kommunikation Im Dialog mit den Kunden Weblogs – Chancen und Risiken für das Online-Tagebücher im Internet, so genannte Weblogs, sind zum viel diskutierten Stoff für Marketingspezialisten avanciert. Sie werden von einigen als zukunftsweisendes Kommunikationsmedium beschrieben, das von Unternehmen genutzt werden sollte. Auch wenn es in der aktuellen Euphorie zu Übertreibungen kommt – Weblogs bieten in der Tat gerade einer Branche wie der Verpackungsindustrie, deren Marketing in Business-to-Business-Kontakten Fachleute und Spezialisten zu überzeugen hat, bemerkenswerte Ansatzpunkte für die OnlineKommunikation. > Ausgangspunkt des Trends waren die USA, wo 1999 die erste kostenlose Software für private Weblogs erschien. Seitdem haben weltweit Millionen Menschen die Möglichkeit genutzt, schnell und ohne HTML-Kenntnisse eine Seite aufzubauen, auf der sie regelmäßig ihre privaten Ansichten veröffentlichen: Einige berichten Belangloses aus ihrem Alltag, andere „Blogger“ sehen ihre Aufgabe darin, das gesellschaftliche und politische Tagesgeschehen zu kommentieren. Auch positive oder negative Konsumerfahrungen und das Geschäftsgebaren von Unternehmen sind häufig Thema. Nachrichten können sich sehr schnell über Weblogs verbreiten Dass eine so veröffentlichte Einzelmeinung in kurzer Zeit weit gestreut werden kann, hängt mit der Struktur der Weblogs zusammen. Sie sind als Dialog angelegt. Jeder Leser ist eingeladen, di- rekt unter die chronologisch fortlaufenden Einträge einen Kommentar zu notieren. Darüber hinaus können alle, die selbst als Autor an einem Blog schreiben, mit einem so genannten Trackback von dem Eintrag der besuchten Seite einen Link auf einen passenden Eintrag ihrer eigenen Seite setzen. Über das Netz aktiver Weblogs, das so entsteht, kann sich eine These, wenn sie genügend Menschen interessiert, sehr schnell verbreiten und zur Nachricht werden, die von etablierten Medien aufgegriffen wird – Journalisten gehören zu den aktivsten Nutzern von Weblogs. Das Netz der Weblogs, die „BlogSphäre“, ist also eine Öffentlichkeit, in der Diskussionen angestoßen werden und sich Trends ablesen lassen. Dass zu gegebener Zeit Verpackungsthemen in der Blog-Sphäre auftauchen, ist leicht vorstellbar, schließlich ist diese Industrie unter anderem Zulieferer für verbraucherpolitisch sensible Bereiche wie Lebensmittel und Pharma. Blogs als neues Medium der Online-Kommunikation wahrzunehmen, macht also Sinn. Für eine umfassende, kontinuierliche Beobachtung besteht in der Verpackungsbranche zur Zeit keine Notwendigkeit, dazu ist die Blog-Szene in Deutschland noch nicht ausgereift genug. Statt die Blog-Sphäre nur zu beobachten, haben Unternehmen in den USA Weblogs frühzeitig selbst als Medium genutzt. Bei diesen so genannten „Corporate Blogs“ treten unter anderem Geschäftsführer, Mitglieder des Managements oder Führungspersönlichkeiten aus der Entwicklungsabteilung als Autoren auf. Diese nutzen die Plattform in der Regel für persönliche und sachkompetente Kommentare zu Neuigkeiten der Branche und zu Markttrends. Daran anknüpfend erläutern sie häufig, wie Produktlösungen bzw. Entwicklungen aus dem eigenen Haus den aktuellen Er- neue verpackung> 04.2006 Kommunikation <management Online-Marketing fordernissen gerecht werden, bzw. wie sie neue Akzente setzten. In Deutschland sind Corporate-Blogs noch selten, wenn auch prominente Namen darunter sind, wie SAP oder, als Vorreiter im Food-Bereich, Frosta. Chance für die Verpackungsindustrie: Kunden für den Fachdialog gewinnen Die besondere Chance des Weblogs für eine Branche wie die Verpackungsindustrie besteht darin, die Kunden für einen Fachdialog zu gewinnen. Das Unternehmen kann unmittelbarer und umfassender als mit anderen Instrumente der Marketing-Kommunikation die eigene Kompetenzführerschaft unter Beweis stellen. Im Idealfall wird der Weblog von bestehenden und potentiellen Kunden als nützliche Online-Fachseite aufgesucht und dient so als Instrument der Kundenbindung und -akquise. Durch die Dialogstruktur erhält die Firma gleichzeitig wertvolle Einsichten über die Bedürfnisse ihrer Zielgruppen. Diese Informationen lassen sich sowohl für die Produktentwicklung als auch für die sonstige Kommunikationsarbeit auswerten. Wird die Seite durch Trackbacks mit anderen Weblogs verbunden, verbessert sich automatisch die Trefferquote des Unternehmens bei Google. Die Anforderungen für das professionelle Betreiben eines Corporate-Blogs sind allerdings nicht gering. Die gewünschten Gesprächspartner sind zeitlich engagierte Fachleute mit konkretem Informationsbedürfnis. Die Blog-Autoren müssen diesem Anspruch mit ihren Einträgen inhaltlich gerecht werden. Die Texte müssen „gerade heraus“ sein, authentisch wirken und einen persönlichen Stil haben, nur dann fühlt sich der Leser persönlich angesprochen. Der Ton einer Pressemitteilung ist zu distanziert und neutral, um als Einladung zum Ge- spräch zu funktionieren. Eine Kommunikationsagentur sollte im Schreiben Ungeübte unterstützen, ohne beim Redigieren diese persönliche Note herauszunehmen. Die Einträge müssen aktuell und regelmäßig sein. Für Führungskräfte mit knappem Zeitbudget ist dies kaum zu verwirklichen. An vielen Corporate-Blogs sind daher mehrere Autoren beteiligt, um den Aufwand zu verteilen. Kritische Kommentare, die für alle Internetnutzer nachzulesen sind, wird es unweigerlich geben. Genauso öffentlich ist aber auch die qualifizierte Antwort des Autors, der den Standpunkt des Unternehmens darstellen kann. Kritische Kommentare wird es unweigerlich geben Das Unternehmen kann zeigen, dass es souverän handelt – entweder, weil es die besseren Argumente hat oder weil es in der Lage ist, Anregungen positiv aufzunehmen. Tritt wirklich eine Krise ein, bietet ein Weblog die Chance, Statements unmittelbar und ohne Umweg über die Medien an die Zielgruppe abzugeben. Kommentare zu löschen ist übrigens nach der Weblog-Etikette gestattet, wenn sich die Einträge im Ton vergreifen. Auf der einen Seite kann das Unternehmen mit einem Weblog also ein online Dialog-Instrument gewinnen, mit dem es seine eigenen Themen setzten kann. Da es zu den meisten Fachbereichen noch kein Weblog gibt, wird es von seiner Rolle als Pionier profitieren. Weblogs sind auf der anderen Seite als professionelles Kommunikationsmittel noch Neuland und als Medium anspruchsvoll. Eine praktikable Möglichkeit den Aufwand zu beschränken und Erfahrungen zu sammeln, ist es, ein Weblog für ein zeitlich begrenztes Projekt einzusetzen, zum Beispiel im Umfeld einer Messe. >| Definition Weblog Der Begriff Weblog leitet sich von „web“ und „Logbuch“ ab. Die Kurzform ist „Blogs“. Die Autoren werden „Blogger“ genannt. > Zahlen Es gibt noch keine gesicherten Daten darüber, wie viele aktive Weblogs es gibt, die Angaben differieren erheblich. Das Marktforschungsunternehmen Perseus schätzt, dass es bis Ende 2005 weltweit 50 Millionen Weblogs gibt. Für Deutschland schwanken die Schätzungen zwischen 60.000 und 280.000. > Geschichte Ausgangspunkt des Trends waren die USA, wo 1999 die erste kostenlose Software für private Weblogs erschien. Ereignisse wie der Terroranschlag 2001 oder der Irakkrieg wirkten als Katalysator für diese Form der Netz-Kommunikation. > Beispiele Corporate Blogs Frosta: www.blog-frosta.de SAP: www.sap.com/community/pub/ blogs.epx General Motors (u.a. Bob Lutz, Vice Chairman): http://fastlane.gmblogs.com Sun Microsystems, CEO Jonathan Schwartz: http://blogs.sun.com/jonathan (Kommentarfunktion wird unterdrückt) Boeing, Marketing-Chef Randy Baseler: www.boeing.com/randy/ > Über Blogging Liste Corporate-Blogs im deutschsprachigem raum: www. top100-business-blogs.de www.pr-blogger.de www.corporateblogging.info 73