Helicobacter Weltweit ist Magenkrebs immer noch die zweithäufigste Karzinom-bedingte Todesursache. Neben der klassischen Eradikationstherapie sollte man heute bei allen Rheumapatienten vor Gabe eines NSAR Helicobacter eradizieren. Von Günter J. Krejs* 26 S österreichische ärztezeitung Å 8 Å 25. april 2006 © Contrast DFP - Literaturstudium pylori I m Jahr 1910 prägte Karl Schwarz in Laibach (damals österreichische Monarchie) das berühmte Diktum „Ohne Säure kein Ulkus.“ Die Therapie richtete sich folglich gegen die Säure, was einerseits medikamentös vorangetrieben wurde und andererseits durch die Billroth'schen Operationen erreicht wurde. Medikamentös wurden Atropin und neuere Anticholinergika wie Pirenzepin, Speisesoda und „richtige“ Antazida, dann in den 1970iger Jahren die H2-Rezeptoren-Blocker und seit den 1980iger Jahren die Protonenpumpenhemmer zur Anwendung gebracht. Letztere, die durch die direkte Hemmung des Enzyms, der H+/K+-ATPase an der Parietalzelle wirken, werden für lange Zeit der Goldstandard der antisekretorischen Therapie im Magen sein. Bis zur Entwicklung der H2-Blocker und Protonenpumpenhemmer wurde auch sehr häufig operiert, man wusste genau, dass beispielsweise durch eine Billroth I oder Billroth II-Operation durch Ausschalten der gastralen Phase die stimulierte Magensekretion auf etwa 50 Prozent reduziert werden konnte. Besonders Patienten nach einer Ulcus-Blutung wurden häufig operiert, was heute angesichts der therapeutischen Endoskopie und der Protonenpumpenhemmer bereits als Geschichte der Medizin anmutet. Ein anderer Aspekt der Ulcusbehandlung, der sehr interessant war, war das von André Robert konzipierte Prinzip der Zytoprotektion, wobei zytoprotektive Medikamente oft auch eine antisekretorische Komponente haben. Dazu gehören die Prostaglandin-Analoga, Sulfalcrat und Wismut. Der schnelle Vormarsch der Protonenpumpenhemmer hat jedoch die zytoprotektiven Medikamente bei der Behandlung des Magen- und Zwölffingerdarmgeschwürs in den Schatten gestellt. S österreichische ärztezeitung Å 8 Å 25. april 2006 27 Krejs © Abb. 1. Helicobacter pylori: Spiralige Bakterien mit Geißeln Während die Säurehemmung die Ulcera gut zum Abheilen brachte, war ein bekanntes klinisches Phänomen die häufige Rezidivrate. 70 bis 80 Prozent der Ulcus duodeni-Patienten wiesen innerhalb eines Jahres ein Rezidiv auf. Wie wir heute wissen, ist für das Rezidiv die Infektion der Magenschleimhaut mit Helicobacter pylori verantwortlich, da in dieser resistenzgeminderten Schleimhaut es eher zur Ausbildung eines Ulcus kommt. Helicobacter pylori Der Keim ist ein mikroaerophiles Bakterium von spiraliger Konfiguration (Abb. 2), das mit Geißeln ausgestattet ist. Helicobacter pylori hat als besonderes biochemisches Armamentarium eine Urease. Diese erlaubt es, vom Blut in den Magensaft diffundierten Harnstoff zu spalten, den dadurch gebildeten Ammoniak in der Verbindung mit Wasserstoff zu einem alkalischen Ammoniumion werden zu lassen. Das wiederum bereitet ein Mikromilieu für den Helicobacter, das die Säure in seiner unmittelbaren Umgebung neutralisiert („Ammoniak-Wolke“). Daneben hat er eine Alkoholdehydrogenase, Phospholipase und Katalase zum Schutz gegen freie Radikale. Das Genom des Helicobacters wurde bereits 1997 sequenziert. Es besteht aus 1,7 Millionen Nukleotiden und ist damit „nicht überaus groß". Helicobacter kann gewisse Virulenzmerkmale tragen, wie zum Beispiel CagA oder VacA, die besondere Bedeutung bei der Ulcerogenese oder auch bei der Karzinomentstehung haben. 28 Ein Problem für Barry Marshall, die medizinische Welt von der Wichtigkeit des Helicobacter zu überzeugen, bestand darin, dass auch sehr viele asymptomatische Personen den Keim im Magen haben. In zivilisierten Ländern wie Österreich beträgt die Chance dafür, positiv zu sein: etwa Alter des Patienten minus zehn. Also haben 50jährige eine 40prozentige Chance positiv zu sein. Grazer Medizinstudenten sind im Alter von 24 Jahren zu zwölf Prozent Helicobacter positiv (Atemtest). In Entwicklungsländern mit schlechten hygienischen Verhältnissen wie etwa in Peru haben 30jährige bereits zu 70 Prozent eine Infektion. Die Ansteckung erfolgt wohl hauptsächlich in der Kindheit, entweder durch Erbrochenes oder durch die fäkoorale Übertragung. Helicobacter pylori kann nur im Magen des Menschen gut leben. Sobald er in den Dünndarm abwandert, wird er im Stuhl ausgeschieden und lauert darauf, wieder in den Magen eines anderen Menschen zu kommen. Dennoch ist die Infektiosität nicht sehr hoch, in Ländern wie Österreich beträgt die Reinfektionsrate nach erfolgreicher Behandlung heute etwa ein Prozent pro Jahr. Pathophysiologie Die Patienten, die Helicobacter im Magen haben, haben diesen jedoch nicht als Kommensalen, sondern er löst immer eine Gastritis aus, auch wenn die betroffenen Personen das oft nicht wissen oder spüren. Ins Gewebe dringt Helicobacter nicht ein, aber er bringt die tight junctions (Kittleisten) zwischen den Epithelzellen und die Oberfläche der Schleimhaut durcheinander. In der Schleimhaut erfolgt eine deutliche entzündliche Infiltration. So hat sich heraus gestellt, dass Helicobacter in mehr als 90 Prozent der Fälle für die Antrumgastritis verantwortlich ist. Bei Ulcus duodeni-Patienten besteht eine Hp-positive Rate, die früher 80 bis 90 Prozent betrug, jetzt aber gesunken ist, da die Helicobacter-Eradikation langsam greift und auch nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) für einen beträchtlichen Teil der Ulcera verantwortlich sind. Bei einem Magengeschwür sind etwa 70 Prozent der Fälle positiv und selbst bei der Non-Ulcer-Dyspepsie oder dem Reizmagen finden sich 60 Prozent der Patienten mit Infektion. Es hat sich gezeigt, dass es bei einem peptischen Geschwür unbedingt notwendig ist, Helicobacter pylori durch zwei Antibiotika (bevorzugt Amoxicillin plus Clarithromycin) zusammen mit einem Protonenpumpenhemmer zu geben. Der Protonenpumpenhemmer schafft im Magen einen neutralen pHWert, das Milieu des Wirkungsoptimums der Antibiotika. Mit einer solchen Dreierkombination ist in 80 bis 90 Prozent mit einer einwöchigen Behandlung eine Eradikation zu erwarten. Dabei ist auch zu bedenken, dass von Region zu Region unterschiedliche Resistenzen bestehen, zum Beispiel für Metronidazol in Österreich etwa 25 Prozent, in Entwicklungsländern 70 Prozent, für Clarithromycin in Österreich derzeit etwa acht Prozent Resistenz und für Amoxicillin gibt es praktisch noch keine Resistenz. Durch die Gegenwart von Helicobacter im Magen kommt es nicht S österreichische ärztezeitung Å 8 Å 25. april 2006 Magenbiopsie vor H.p.-Eradikation (1994). Abb. 2: li.: In der H.E.-Färbung sieht man ein „Nest von Helicobacter-Bakterien“ nahe der Epitheloberfläche. Abb. 3: re.: Giemsa-Färbung: Ein Lymphfollikel ist auf der rechten Bildseite erkennbar Histologische Präparate: Prof. Martin Klimpfinger nur zur Gastritis, sondern es folgt auch eine Immunantwort. Das Ausmaß dieser Gastritis ist für die klinischen Folgen entscheidend: Bei Antrumgastritis kommt es eher zum Ulcus duodeni, eine atrophische Pangastritis führt eher zum Magenkarzinom. Die Immunantwort ist von sowohl zellulärer als auch humoraler Natur. In der Magenschleimhaut kommt es zur Ansammlung von Lymphozyten und bei chronischer Infektion bilden sich auch Lymphfollikel aus (Abb. 3), die sonst in der Magenschleimhaut nicht vorhanden sind, sondern vorwiegend im Dünndarm angetroffen werden. Falls dieses lymphatische Gewebe zu proliferieren beginnt, kommt es in seltenen Fällen zu dem, was man früher Pseudolymphom nannte und jetzt als MALTLymphom klassifiziert. Es gibt auch eine humorale Antwort, die im Serum diagnostisch genutzt werden kann, um IgA- und IgG-Antikörper gegen Helicobacter zu bestimmen. Trotz dieser zellulären und humoralen Immunantwort ist die Helicobacter pyloriInfektion eine derjenigen Infektionen, die der Körper nicht eliminieren kann, ähnlich wie in manchen Fällen von Tuberkulose oder Herpes simplex-Infektionen oder wahrscheinlich auch bei Infektionen durch das Hepatitis-B-Virus. Diagnostik Zur Diagnostik des Helicobacters stehen erstens die Serum-Antikörper zur Verfügung (diese sind zur Erstdia- 30 gnostik, aber nicht zur Beurteilung eines Therapieerfolges geeignet), zweitens der 13CO2-Atemtest, der das Prinzip der Urease verwendet, um das aus dem Harnstoff abgespaltete 13CO2 in der Atemluft zu messen, falls nach Einnahme eines entsprechenden Probetrunks dieser auf Helicobacter im Magen trifft. Drittens gibt es die Stuhlantigenbestimmung, die heute auch eine sehr verlässliche Methode ist und viertens die konventionelle Histologie. Man kann auch einen GewebeSchnelltest durchführen: Eine Biopsie wird eingebettet in Harnstoff mit Indikator, falls Urease vorhanden ist, ergibt sich eine Rotfärbung. Wenn die zelluläre Immunantwort überschießt und autonom wird, führt dies zum MALT-Lymphom, das ein BZell-Lymphom der Magenwand ist. Dabei ist von großem Interesse, dass hier eine Infektion zu einem Malignom führt und in einer niedrigmalignen Form durch Antibiotika-Therapie und Helicobacter-Eradikation in etwa 75 Prozent der Fälle Reversibilität besteht. Bei der hochmalignen Form ist die klassische Lymphombehandlung mit Operation und Chemotherapie notwendig. 1994 hat die WHO Helicobacter pylori bereits als Klasse-I-Karzinogen eingestuft. Dies beruhte auf epidemiologischen Studien, die zeigten, dass bei Patienten mit Magenkarzinom Serum, das im Durchschnitt 13 Jahre früher abgenommen wurde, in mehr als 90 Prozent auf Helicobacter-Antikörper positiv war. Bei einer entsprechenden Kontrollbevölkerung mit ähnlichem Alter wiesen aber nur 70 Prozent Serumantikörper auf. Dieser hochsignifikante Unterschied ergab ein erhöhtes Risiko bei lebenslanger Helicobacter-Infektion, das etwa vier- bis sechsfach über jenem von Helicobacter pylori-negativen Personen liegt. Da das Magenkarzinom jedoch eine rückläufige Tendenz zeigt und man zur Karzinomprophylaxe etwa ein Drittel unserer Population behandeln müsste, ist das Thema Helicobacter-Eradikation zur Magenkrebsprophylaxe ein sehr aktuelles und eignet sich besonders gut für Streitgespräche bei Kongressen („debates“ mit Pro- und Kontra-Reden). Wenn man jedoch weiß, dass jemand Helicobacter-positiv ist, dann empfiehlt sich unbedingt die Eradikation. Schließlich gibt es kein Karzinom bei dem durch eine einwöchige Behandlung, die etwa 70 Euro kostet, das Risiko um einen Faktor vier bis sechs reduziert werden kann. Magenkrebs NSAR und Helicobacter Weltweit ist Magenkrebs immer noch die zweithäufigste Karzinom-bedingte Todesursache. Wahrscheinlich sind 95 Prozent aller Magenkarzinome durch Helicobacter pylori bedingt. Lange hat man gedacht, dass NSAR und Helicobacter pylori getrennte und unabhängige Risikofaktoren zur Entwicklung eines Ulcus darstellen. Es ist jedoch zumindest so, dass es bei MALT-Lymphome S österreichische ärztezeitung Å 8 Å 25. april 2006 DFP - Literaturstudium Hp-Eradikation Aufgrund des Maastricht Consensus-Reports ist eine H.p.-Eradikation unbedingt erforderlich bei: Ulcus duodeni/ulcus ventriculi (aktuell oder anamnestisch) Niedrig malignem Magenlymphom vom MALT-Typ Gastritis mit hochgradigen morphologischen Veränderungen Zustand nach Magen-Teilresektion Positiver Familienanamnese in Bezug auf Magenkrebs • • • • • Weiters wird bei folgenden Indikationen eine H.p.-Eradikation empfohlen, obwohl die wissenschaftliche Evidenz schwächer ist: Refluxösophagitis unter Dauertherapie mit PPI Magenkarzinom-Prophylaxe Reizmagen Konventionelle NSAR-Therapie bei Risikofaktoren Tab. 1 • • • • helicobacterpositiven NSAR-Ulcera eher zu einer Blutung kommt und dass sich doch Synergismen zeigen lassen. Es ist ein Punkt der Kontroverse, ob man heute bei allen Rheumapatienten vor Gabe eines NSAR Helicobacter eradizieren soll – auch dieses Thema eignet sich ausgezeichnet für debates. Ich selbst neige hier zum Spruch „nur ein toter Helicobacter ist ein guter.“ Gibt es auch positive Aspekte oder Vorteile einer Helicobacter pylori-Infektion? Meine Antwort darauf: nein. Die Diskussion über Vorteile einer Helicobacter pylori-Infektion hat mehrere Wurzeln. Falls noch keine irreversible Schleimhaut-Atrophie vorliegt, heilt die Gastritis nach Helicobacter pylori-Eradikation aus und es kann auch wieder mehr Säure produziert werden. Eine lang bestehende gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD) kann über die Barrett-Mucosa zu einem Adenokarzinom des Ösophagus führen, dessen Inzidenz im Zunehmen ist. Das Risiko, ein Magenkarzinom zu entwickeln, ist bei H.p.-Positivität jedoch mehr als zehnfach höher, als bei HelicobacterNegativität ein Adenokarzinom des Ösophagus zu bekommen! Während anfangs einzelne Studien mehr GERD nach Helicobacter-Eradikation zeigten, sagen die jetzigen systematischen Reviews zu diesem Thema, dass es keine signifikante Zunahme der gastroösophagealen Refluxkrankheit nach Helicobacter-Eradikation gibt. Ein weiterer Diskussionspunkt war die Vermehrung der Prostaglandine in der Schleimhaut durch HelicobacterInfektion, die als Schutzfaktor – etwa bei NSAR – fungieren könnten. Auch diese Argumentation hat sich zerschlagen. Helicobacter pylori und NSAR führen eher synergistisch zum Schleimhautschaden. Die von Helicobacter pylori befreite Magenschleimhaut produziert auch mehr vom Hormon Grehlin, das Appetit steigert. Gewisse Personen meinen daher, dass die Helicobacter pylori-Eradikation für die Übergewichtsepidemie in industrialisierten Staaten verantwortlich sein könnte! Ausblick Die Helicobacter-Eradikation lohnt sich, weil wir in Österreich nur eine einprozentige Reinfektionsrate pro Jahr haben. Bei Patienten, die eine Ulcusanamnese haben oder früher sogar eine Ulcusblutung, lohnt sich eine search and treat-Strategie. Das heißt: Man soll nach der Infektion mit Helicobacter suchen zum Beispiel durch nichtinvasive Methoden (Atemtests, Stuhlantigen, Serumantikörper) und dann ohne Endoskopie zur Zeit asymptomatische Patienten behandeln, um Ulcusrezidive oder Rezidivblutungen in der Zukunft zu vermeiden. Die Empfehlungen zur Eradikation wurden in drei Maastricht Konsensuskonferenzen formuliert und sind in Tab. 1 zusammengefasst. Da es wichtig ist, den Helicobacter los zu werden, soll der Therapieerfolg immer mit einem nichtinvasiven Test kontrolliert werden. Bei Therapieversagen folgt eine zweite medikamentöse Behandlung in modifizierter Form. S österreichische ärztezeitung Å 8 Å 25. april 2006 Die Entwicklung einer Impfung hat sich verzögert; dabei würde es sich um eine therapeutische Impfung bei Infizierten handeln. Dass dies ein schwieriges Unterfangen ist, ist nicht verwunderlich, da die eigene Immunantwort den Helicobacter nicht eliminieren kann. Die durch Impfung induzierten Antikörper, die zum Beispiel gegen Virulenzfaktoren wie CagA gerichtet sind, gelangen zu wenig in den Magensaft beziehungsweise Magenschleim, um dort Konzentrationen zu erreichen, die dem Helicobacter richtig anhaben können. Falls es eines Tages eine erfolgreiche therapeutische Impfung geben wird oder falls eine Monotherapie in der Zukunft zur Verfügung steht, wird man sicher die Indikation zur allgemeinen Helicobacter pylori-Eradikation mit Blick auf die Magenkarzinomprophylaxe viel liberaler stellen. *) Univ. Prof. Dr. Günter J.Krejs, Medizinische Universität Graz/Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie, Auenbruggerplatz 15, 8036 Graz; Tel.: 0316/385/43 88 Fax-DW 43 87 E-Mail: [email protected] Herausgeber: Gesellschaft für Innere Medizin an der Universität Graz Lecture board: Univ.Prof. Dr. Thomas Hinterleitner, Univ.Prof. Dr. Christoph Högenauer, Univ. Doz. Dr. Heimo Wenzl, Alle: Klinische Abteilung für Gastroenterologie/Medizinische Universitätsklinik Graz Diesen Artikel finden Sie auch im Web unter www.arztakademie.at/ls 31