Zwei neue Regulatoren des PCP-Signalwegs

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Goosecoid und Calponin:
Zwei neue Regulatoren des PCP-Signalwegs
Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades
der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.)
Fakultät Naturwissenschaften
Universität Hohenheim
Institut für Zoologie
vorgelegt von
Bärbel Maria Ulmer
aus Tuttlingen
2012
Dekan: Prof. Dr. Heinz Breer
1. berichtende Person: Prof. Dr. Martin Blum
2. berichtende Person: Prof. Dr. Heinz Breer
Eingereicht am: 09.07.2012
Mündliche Prüfung am: 06.09.2012
Die vorliegende Arbeit wurde am 30.08.2012 von der Fakultät Naturwissenschaften der
Universität
Hohenheim
als
„Dissertation
Naturwissenschaften“ angenommen.
zur
Erlangung
des
Doktorgrades
der
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Bei der Embryonalentwicklung von Wirbeltieren spielen insbesondere morphogenetische
Umgestaltungen wie Zellmigration oder konvergente Extension (CE), bei der sich ein
Gewebe streckt, eine wichtige Rolle. Der planare Zellpolaritäts-Signalweg (PCP; „planar
cell polarity“), ein nicht-kanonischer Wnt-Signalweg, gewährleistet die intrazelluläre
Polarität der Zellen entlang der Embryonalachsen. Dieser führt über die polarisierte
Lokalisierung von Proteinen wie Dishevelled, Vangl2 und Prickle an die Zellmembran zur
Aktivierung von kleinen GTPasen wie Rho und Rac und damit zur Ausrichtung des
Zytoskeletts. Diese Polarität der Zellen wird für CE, bei der bipolare Zellen interkalieren,
während der Gastrulation und während der Neurulation benötigt. CE führt dabei zur
Elongation der Chorda und der Neuralplatte, was den Neuralrohrschluss ermöglicht. In
Vorarbeiten
wurde
Transkriptionsfaktors
beschrieben,
Goosecoid
Neuralrohrschlussdefekten
führt.
dass
(Gsc)
In
die
in
der
der
dorsale
Maus
vorliegenden
Überexpression
und
Arbeit
im
des
Frosch
wurde
zu
durch
Funktionsgewinnexperimente in vivo und ex vivo eine Inhibition konvergenter Extension
durch Gsc gezeigt. Der Funktionsgewinn von Gsc verhinderte die Membranlokalisierung
von Dishevelled in animalen Polkappenexplantaten, was eine Störung des PCPSignalwegs anzeigt. Gsc-induzierte Fehlbildungen konnten durch Co-Injektion von
Kernkomponenten des PCP-Signalwegs wie Vangl2 oder Prickle kompensiert werden.
Auch die Überexpression der kleinen GTPase RhoA und des Liganden Wnt11 verhinderte
den Effekt des Gsc-Funktionsgewinns. Brachyury, ein transkriptioneller Aktivator von
Wnt11 und bekanntes Zielgen von Gsc, konnte die Wirkung von Gsc ebenso partiell
umkehren. Diese Experimente legten eine neue Rolle von Gsc als Repressor PCPinduzierter CE nahe. Durch Funktionsverlustexperimente wurde im Frosch die endogene
Funktion von Gsc untersucht. Aufgrund der konservierten und lokalisierten Expression von
Gsc im Spemann-Organisator und der Induktion von Doppelachsen war eine Funktion von
Gsc bei der Spezifizierung dorsaler Gewebe vorhergesagt worden. Die fehlenden Defekte
in der Gsc Knock-out Maus standen allerdings dazu im Widerspruch. Die hier
beschriebene Repression des PCP-Signalwegs durch Gsc deutete auf eine Funktion bei
der Regulierung von Zellbewegungen hin. Dazu passt die Expression von Gsc in den
Zellen des frühen Organisators, die während der Gastrulation zuerst einwandern und das
Zusammenfassung
prächordale Mesoderm bilden. In den nachfolgenden Zellen der Chorda findet dagegen
CE statt. Gsc-Funktionsverlust reduzierte die Prächordalplatte und, als Konsequenz
daraus, den Augenabstand. Die Activin-induzierte CE in animalen Polkappenexplantaten
wurde durch Gsc-Funktionsverlust zusätzlich verstärkt. Damit konnte gezeigt werden, dass
das Organisatorgen Gsc durch Repression des PCP-Signalwegs Zellbewegungen
während der frühen Gastrulation reguliert.
PCP steuert neben CE auch die gerichtete Wanderung von Neuralleistenzellen.
Vorarbeiten zeigten eine Expression von Calponin2 in Neuralleistenzellen. Auch wurde
eine
Inhibition
von
Calponin1
durch
die
Rho-Kinase
beschrieben.
Ein
Myc-
Fusionskonstrukt des Aktin-Bindeproteins Calponin2 war in Xenopus in Zellfortsätzen und
migrierenden
Neuralleistenzellen
lokalisiert.
Der
Funktionsverlust
von
Calponin2
verhinderte die gerichtete Bildung von Zellfortsätzen in Neuralleistenzellexplantaten und
damit die Wanderung der Neuralleistenzellen. Dabei bildeten sich zusätzliche Stressfasern
im zentralen Zellbereich auf Kosten des peripheren Aktin-Zytoskeletts. Der PCPSignalweg aktiviert auf der der Wanderungsrichtung entgegengesetzten Seite RhoA und
inhibiert Rac, was zur gerichteten Wanderung der Neuralleistenzellen führt. Dies
implizierte
eine
Interaktion
Neuralleistenzellmigration,
die
des
PCP-Signalwegs
durch
und
Epistasisexperimente
Calponin2
in
vivo
bei
und
der
in
Neuralleistenzellexplantaten untersucht wurde. Der Funktionsverlust von Calponin2 konnte
dabei den Funktionsverlust von nicht-kanonischem Wnt oder der Rho-Kinase retten. Damit
gewährleistet das Aktinbindeprotein Calponin2 als Effektor des PCP-Signalwegs die
Polarisierung
des
Aktin-Zytoskeletts
in
migrierenden
Neuralleistenzellen.
Zusammenfassend wurden in der vorliegenden Arbeit mit Calponin2 und Gsc zwei neue
Regulatoren von PCP und Zellwanderung beschrieben. Daraus ergeben sich neue
Ansätze zur Untersuchung der transkriptionellen Kontrolle des Zellwanderungsverhaltens
(Gsc) und der nachgeschalteten Modulation des Zytoskeletts (Calponin2).
Abstract
Abstract
Vertebrate embryogenesis relies on morphogenetic movements such as cell migration and
convergent extension (CE). The planar cell polarity (PCP) branch of non-canonical Wnt
signaling governs the orientation of cells along embryonic axes. PCP-signaling leads to
intracellular polarization of proteins such as Dishevelled, Prickle and Vangl2, resulting in
activation of small GTPases such as Rho and Rac, and consequently oriented alignment
of the cytoskeleton. This polarity is required for CE, namely for the intercalation of bipolar
cells, during gastrulation and neurulation. CE promotes elongation of the notochord and
the neural plate, which is a prerequisite of neural tube closure. Previous work had shown
that misexpression of the transcription factor Goosecoid (Gsc) in the primitive streak of the
mouse and in the dorsal marginal zone of the frog led to neural tube closure defects. The
present work demonstrates that misexpression of Gsc inhibits CE in vivo and ex vivo. Gsc
gain-of-function (Gsc-GOF) prevented the membrane localization of Dishevelled in the frog
animal cap assay, suggesting a disturbance of the PCP pathway. The Gsc-induced
phenotypes could be rescued by co-injection of core components of the PCP pathway,
Vangl2 and Prickle. Overexpression of RhoA and the non-canonical Wnt11, rescued the
effect of Gsc-GOF. Brachyury, a transcriptional activator of Wnt11 and known target of
Gsc, was also able to rescue the effect of Gsc-GOF. Gsc thus acted as a repressor of
PCP-mediated CE. Furthermore, loss of function experiments in Xenopus were conducted
to reveal the endogenous function of Gsc. Due to the conserved and distinct expression of
Gsc in Spemann's organizer and the induction of double axes upon injection of Gsc into
the ventral marginal zone in Xenopus, a function of Gsc in the specification of dorsal tissue
was predicted. The lack of gastrulation defects in the Gsc knock-out mouse, however,
questioned an early role of Gsc. The repression of the PCP pathway by Gsc-GOF
suggested a novel role of Gsc in the regulation of cell movements. Interestingly, Gsc is
expressed in a distinct population of cells in the early organizer, which migrate out of the
organizer during early gastrulation to form the prechordal mesoderm. In contrast, the
subsequent involuting cells of the notochord undergo CE. Gsc knock-down in the frog
reduced the prechordal plate resulting in a narrowing of eye distance. Furthermore, activininduced CE in animal cap explants was enhanced by Gsc loss-of-function. These findings
are consistent with a novel function of the organizer gene Gsc in the regulation of cell
Abstract
movements during early gastrulation, namely the repression of PCP-mediated CE as a
prerequisite of active migration of the prechordal mesoderm.
The directed migration of neural crest cells represents another embryological process
which depends on PCP-signaling. Previous work showed expression of Calponin2 in
neural crest cells. Moreover, inhibition of Calponin1 by the Rho-Kinase has been
described. In Xenopus, Calponin2 localized to cell protrusion of delaminating and
migrating neural crest cells. Loss of function of Calponin2 prevented the polarized
outgrowth of cell extensions in neural crest explants and thus migration of neural crest
cells. Moreover, additional stress fibers were formed in the central area of neural crest
cells at the expense of the peripheral, cortical actin cytoskeleton. The PCP pathway directs
migration via the activation of RhoA and inhibition of Rac in the cell compartment opposed
to the leading edge. This suggested an interaction of PCP-signaling and Calponin2 during
the migration of neural crest cells, which was examined by rescue experiments in vivo and
in neural crest explants. Calponin2 knock-down rescued Wnt11 and Rho-Kinase loss-offunction, strongly suggesting that the actin-binding protein Calponin2 acts as an effector of
the PCP pathway and directs the polarization of the actin cytoskeleton in migrating neural
crest cells. In summary the present work involved two novel regulators of PCP-mediated
CE, Gsc at the transcriptional level and Calponin2 as an effector of the actin cytoskeleton.
Inhaltsangabe
Inhaltsangabe
Einleitung
Gastrulation: Die Historie der Experimentalembryologie und der SpemannOrganisator
1
Gastrulation in der Maus
3
Zellbewegungen während der Gastrulation
5
Die molekulare Natur des Spemann-Mangold-Organisators:
die Entdeckung von Goosecoid
9
Die Determinierung des Organisators: Activin und Polkappenexperimente
11
Embryonale Achsenspezifizierung im kartesischen System:
Überblick über primäre, sekundäre und Links-Rechts-Achsenentwicklung
12
Die Bildung des Neuralrohrs während der Neurulation
13
Die Neuralleiste
14
Planare Zellpolarität
15
Wnt-Signalwege: Wnt-Liganden, Rezeptoren und Dishevelled
16
Der kanonische β-Catenin-abhängige Wnt-Signalweg
17
Der PCP-Signalweg, ein nicht-kanonischer Wnt-Signalweg
18
Einsatzorte des PCP-Signalwegs:
Gastrulation, Neurulation und Wanderung von Neuralleistenzellen
19
Das Aktinbindeprotein Calponin – Ein Effektor des PCP-Signalwegs?
21
Arbeitshypothese Calponin: Calponin2 als Bindeglied zwischen planarer
Zellpolarität und dem Aktin-Zytoskelett
22
Das Homeoboxgen Goosecoid: Ein Organisator-Gen ohne Funktion?
23
Arbeitshypothese Goosecoid:
Gsc als Repressor PCP-vermittelter konvergenter Extension
25
Inhaltsangabe
Ergebnisse
Ergebnisse 1. Teil: Eine neue Rolle für das Organisator-Gen Goosecoid:
Repression PCP-abhängiger konvergenter Extension
Ektope Gsc Expression induziert Neuralrohrund Blastoporusschlussdefekte
26
Injektion von Gsc verhindert zellautonom die CE der Neuralplatte
29
Fehlexpression von Gsc reduziert die Elongation des axialen Mesoderms 30
Der Effekt von Gsc beruht auf einer Repression des PCP-Signalwegs
32
Brachyury und Wnt11 retten Gsc-induzierte NTDs und BPDs
34
Gsc verhindert die PCP-abhängige Lokalisierung von Dvl2GFP in
animalen Polkappenexplantaten
37
Funktionsverlust von Gsc beeinträchtigt die Prächordalplattenentwicklung 40
und führt zu reduziertem Augenabstand sowie Knorpeldefekten
GscASMO induziert Gsc-Transkription und hat dosisabhängig
widersprüchliche Effekte
42
Gsc-Funktionsverlust induziert CE im Polkappentest
44
Ergebnisse 2. Teil:
Planare Zellpolarität steuert den linksgerichteten Flüssigkeitsstrom
Lateralitätsdefekte durch Funktionsgewinn von Goosecoid korrelieren
zeitlich mit Störungen der konvergenten Extension
47
Das Brachyury-Zielgen Noto wirkt über Foxj1 auf Ciliogenese und
Cilienmotilität und zusätzlich auf die Positionierung der Cilien
51
Das Schilddrüsenmedikament Propylthiouracil und seine Wirkung
auf die Links-Rechts-Achsenentwicklung in Xenopus
55
Ergebnisse 3. Teil: Das Aktin-bindende Protein Calponin:
Ein zellulärer Effektor des PCP-Signalwegs
Gewebespezifischer Einfluss des Funktionsverlustes von
Calponin3 auf die konvergente Extension des Neuroektoderms
63
Die Rolle von Calponin2 bei der Neuralleistenzellmigration
65
Inhaltsangabe
Untersuchung der subzellulären Lokalisierung
von Calponin2 in Neuralleistenzellen
65
Zygotischer Funktionsverlust von Cnn2 stört
die Wanderung der Neuralleistenzellen
71
Calponin2-Funktionsverlust verändert das Aktin-Zytoskelett
und die Polarität der Zellfortsätze von Neuralleistenzellen in Xenopus
71
Die Rolle von Calponin2 bei der Neuralleistenzellmigration
im Hühnerembryo
74
Calponin2 und die planare Zellpolarität:
Interaktion von Wnt11 und Calponin2 in Neuralleistenzellen
78
Calponin2 interagiert genetisch mit dem PCP-Effektor RhoA
79
Diskussion
Diskussion 1. Teil: Die Rolle von Goosecoid im Organisator:
Regulation von Gastrulationsbewegungen durch Inhibition des PCPSignalwegs
Gsc-positive Zellen migrieren, während sich Brachyury-positives Gewebe 84
über konvergente Extensionsbewegungen verlängert
Der Regelkreis von Gsc und Brachyury während der Gastrulation grenzt
die Population der Prächordalzellen von den chordalen Zellen ab
84
Die zeit- und kontext-abhängige Wirkung von Gsc auf
PCP-abhängige CE
87
Konservierung der Rolle von Gsc in Vertebraten und in Invertebraten
88
Der Funktionsverlust von Gsc und die Aufrechterhaltung
des prächordalen Mesoderms
90
Die zellautonome Störung der planaren Polarität im Neuroektoderm
92
durch Gsc-Funktionsgewinn: Brachyury-unabhängige Wirkungen von Gsc
Möglichkeiten der Entstehung von Doppelachsen
durch Gsc-Injektion auf der ventralen Seite
94
Potentielle Phänotypen im Funktionsverlust von Gsc:
Feinabstimmung der CE
95
Inhaltsangabe
Diskussion 2. Teil:
Der Einfluss der Planaren Zellpolarität auf die Etablierung der Lateralität
Die Überexpression von Goosecoid beeinflusst die Entstehung der
Links-Rechts-Asymmetrie
97
Noto steuert die Ciliogenese über Foxj1
und die Cilienpolarisierung unabhängig von Foxj1
98
Das Schilddrüsen-Medikament Propylthiouracil stört die
Cilienpolarisierung und damit die Links-Rechts-Achsenasymmetrie
100
Diskussion 3. Teil:
Calponin2 wirkt als Effektor des PCP-Signalwegs auf das Aktin-Zytoskelett
Calponin steuert planare Zellpolarität und gerichtete Migration in
Neuralleistenzellen durch Kontaktinhibition
104
RhoA-vermittelte Phosphorylierung durch ROCK deaktiviert Calponin2
105
Der Funktionsgewinn von Calponin2 beeinflusst die
Wanderung der Neuralleistenzellen nicht
107
Distinkte subzelluläre Kompartimente von Calponin2 und RhoA
108
Calponin2 als Regulator des Aktin-Zytoskeletts
109
Modell der Rolle von Calponin2 bei der PCP-vermittelten
gerichteten Wanderung der Neuralleistenzellen
110
Caldesmon und Gelisolin als potentielle Interaktionspartner
von Calponin2 in Neuralleistenzellen
111
Material und Methoden
114
Literaturverzeichnis
126
Lebenslauf
143
Danksagung
145
Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1
Transplantationsexperimente zeigten das Induktionspotential des Spemann-
2
Mangold- Organisators in Frosch und Maus
Abb. 2
Gastrulation in Frosch- und Mausembryo im Vergleich
Abb. 3
Morphogenese
des
Gewebes
und
Zellbewegungen
4
während
der
7
Gastrulation
Abb. 4
Vereinfachte Darstellung der Wnt-Signalwege
18
Abb. 5
Gsc-Überexpression auf der Ventralseite induziert partielle Doppelachsen
27
und inhibiert dorsal CE
Abb. 6
Überexpression von GscGR verhindert zellautonom die bipolare Elongation
29
und Interkalation der Zellen in der Neuralplatte
Abb. 7
Gsc-Überexpression im axialen Mesoderm inhibiert konvergente Extension
31
Abb. 8
„Core“-PCP-Komponenten kompensieren Gsc-Funktionsgewinn
33
Abb. 9
Gsc interagiert mit Brachyury und Wnt11
35
Abb. 10 GscGR inhibiert die Rekrutierung von Dvl2GFP an die Membran
38
und reprimiert Xbra sowie Wnt11
Abb. 11 Reduzierter Augenabstand und fehlende Prächordalplatte
40
nach Gsc-Funktionsverlust
Abb. 12 Rundere Knorpelzellen nach Gsc-„Knock-down“
42
Abb. 13 Funktionsgewinn von Gsc bei Injektion niedriger Dosen von GscASMO
43
Abb. 14 Induktion von Gsc-Transkription durch hohe Activin-Dosen und durch
45
Gsc-Funktionsverlust in animalen Kappenexplantaten
Abb. 15 In animalen Kappenexplantaten mit mesodermalem Schicksal verstärkt
46
Gsc-Funktionsverlust die Achsenelongation
Abb. 16 Zeitliche Korrelation von CE-Phänotypen (A) und Pitx2c-Expression (B)
bei Aktivierung von GscGR während der Gastrulation
48
Abbildungsverzeichnis
Abb. 17 Verlängerung, jedoch weiterhin fehlerhafte Polarisierung der Cilien
52
nach Wiederherstellung der Foxj1-Expression in Noto Knock-out Mäusen
Abb. 18 Trotz Wiederherstellung der Cilienmotilität in NotoFoxj1/Foxj1-Mausembryonen
53
ist der linksgerichtete Flüssigkeitsstrom gestört
Abb. 19 PTU stört die linksseitige Induktion von Pitx2c und die
56
Repression des Nodal-Inhibitors Coco
Abb. 20 Nach PTU-Inkubation veränderter linksgerichteter Flüssigkeitsstrom
59
Abb. 21 PTU verringert den Anteil posterior lokalisierter Monocilien auf der GRP
60
Abb. 22 Gastrulation und Musterbildung des superfiziellen Mesoderms sind nach
62
Inkubation mit PTU unverändert
Abb. 23 Die Activin-induzierte Elongation von animalen Kappenexplantaten ist durch
64
Calponin3-Funktionsverlust nicht beeinflusst
Abb. 24 Partielle Co-Lokalisation von Xcnn2-Myc und F-Aktin im Neuroektoderm
66
Abb. 25 Kultivierte Explantate des Neuroektoderms exprimieren Xtwist
68
Abb. 26 Lokalisierung von Xcnn2-Myc in delaminierenden und
69
migrierenden Neuralleistenzellen in Explantatkultur
Abb. 27 Der Funktionsverlust von Calponin2 induziert die Bildung von zentralen
72
Stressfasern und verhindert die polarisierte Ausbildung von Zellfortsätzen
Abb. 28 Hohe Konservierung von Calponin2 in Huhn und Frosch
74
Abb. 29 Calponin2-Funktionsverlust verhindert die
75
Wanderung von Neuralleistenzellen im Hühnerembryo
Abb. 30 Keine Beeinflussung der Neuralleistenzellmigration durch Fehlexpression
77
von Xcnn2-Myc und Mutationskonstrukten im Hühnerembryo
Abb. 31 Co-Injektion von Xcnn2SplMo revertiert den Effekt von dnWnt11 partiell
78
Abb. 32 Co-Injektion von Xcnn2Mo und dominant-negativem bzw.
80
konstitutiv-aktivem RhoA
Abbildungsverzeichnis
Abb. 33 Xcnn2SplMo antagonisiert die durch ROCK-Inhibition
81
verstärkte Neuralleistenzellwanderung
Abb. 34 Modell der Rolle von Gsc im Organisator als Repressor
85
PCP-abhängiger konvergenter Extension und Antagonist von Brachyury
Abb. 35 Eine negative Rückkopplungsschleife führt bei einem Verlust an Gsc-Protein
91
zur ektopischen Transkription von Gsc und
zur Regeneration der Prächordalplatte
Abb. 36 Gsc inhibiert Brachyury-abhängig und -unabhängig CE
93
Abb. 37 Interaktionsdomänen und Phosphorylierungsstellen von Calponin1 und 2
106
Abb. 38 Modell der Wirkung von Calponin2 als Effektorprotein des PCP-Signalwegs
111
bei der Wanderung von Neuralleistenzellen
Tab. 1
Durch Funktionsgewinn von GscGR induzierte NTDs und BPDs
können durch den gleichzeitigen Funktionsgewinn von
Komponenten des PCP-Signalwegs gerettet werden
37
Einleitung
Einleitung
Die Entstehung eines mehrzelligen Organismus mit einer oft unglaublichen Vielfalt an
Zellen und Geweben aus einer einzelnen Zygote fasziniert Embryologen schon seit vielen
Generationen. In der Embryonalentwicklung folgt auf schnelle Zellteilungen und die
Bildung der einschichtigen Blastula die Gastrulation, bei der sich die Blastula einstülpt
(Invagination). Dabei differenzieren die Keimblätter Mesoderm, Ektoderm und Entoderm,
die schon 1817 von Pander in Hühnerembryonen entdeckt wurden, von ihm noch als
seröses Blatt, Gefäßblatt und Schleimblatt bezeichnet. Diese Keimblätter sind, trotz aller
Unterschiede im Ablauf der Gastrulation, bei allen Bilateria vorhanden (von Baer, 1828).
Bei Wirbeltieren entstehen aus dem Entoderm innere Organe wie der Gastrointestinaltrakt
oder das respiratorische System, das Mesoderm bildet als mittleres Keimblatt im Embryo
unter anderem das axiale Mesoderm (Chorda dorsalis/Notochord und prächordales
Mesoderm), das paraxiale Mesoderm (Somiten) und das Seitenplattenmesoderm, aus
denen sich unter anderem Knochen, Skelettmuskulatur und Nieren entwickeln. Das
Ektoderm differenziert zur Epidermis und zum Neuroektoderm, aus dem das zentrale
Nervensystem entsteht. Dabei verdickt sich die Neuralplatte über dem Notochord. Durch
apikale Konstriktion der Zellen bilden sich Neuralfalten. Diese nähern sich durch
konvergente Extension des Gewebes und schließen sich zum Neuralrohr. Darüber
befindet sich die Epidermis. Zellen an der Grenze zwischen Neuralrohr und Epidermis
verlassen den epithelialen Zellverband und wandern als Neuralleistenzellen auf
festgelegten Wegen durch den Embryo, um so verschiedene Zelltypen wie Melanozyten
und das enterische Nervensystem zu bilden. Nach der frühen Embryonalentwicklung, die
in dieser Arbeit untersucht wird, erfolgt die Organogenese, bei der Organe und Gewebe
differenzieren (Gilbert, 2006).
Gastrulation:
Die Historie der Experimentalembryologie und der Spemann-Organisator
Das Jahr 1887 gilt als Beginn des Zeitalters der Experimentalembryologie, die sich aus der
anatomischen, beschreibenden Embryologie und der eher auf evolutionäre Aspekte
1
Einleitung
Abbildung 1: Transplantationsexperimente zeigten das Induktionspotential des Spemann-MangoldOrganisators in Frosch und Maus
(A) Transplantationsexperimente von Spemann und Mangold: Schematische Darstellung der heterologen
Transplantation der dorsalen Urmundlippe (rot) auf die ventrale Seite eines Wirtsembryos (Embryo und
Transversalschnitt aus Spemann und Mangold, 1824).
(B) Transplantation des anterioren Teils des Primitivstreifens eines transgenen Mausembryos (blau durch
lacZ) auf die proximal-posteriore Seite eines Wirtsembryos induzierte die Bildung einer sekundären Achse
mit Chorda, Neuralrohr und Somiten (Embryo und Schnitt aus Beddington, 1994 mit Erlaubnis).
(C) „Einsteck“ der distalen Spitze des gastrulierenden Mausembryos in die ventrale Seite des Blastocoels
einer Froschblastula induzierte im Froschembryo die Bildung einer sekundären Achse (Embryo aus Blum et
al., 1992 mit Erlaubnis). Dies demonstriert die Konservierung der vom Organisator ausgehenden
molekularen Signale in Frosch und Maus. Schematische Zeichnungen angefertigt von Bernd Schmid,
Hohenheim.
ausgerichteten, vergleichenden Embryologie entwickelte. In diesem Jahr publizierte Roux
seine Experimente an Froschlarven, bei denen er durch Abtöten einer der beiden
Tochterzellen des Froschkeimes Hemi-Embryonen erzeugte (Roux, 1887). Eine der
2
Einleitung
zentralen Fragen war, inwieweit ein Gewebe von Anfang an determiniert ist oder erst von
seiner Umgebung induziert wird, ob es sich also bei Transplantationen herkunftsgemäß
oder ortsgemäß verhält. Amphibien waren dabei wegen ihrer Größe, Manipulierbarkeit und
vergleichbar einfachen Kultivierbarkeit neben Seeigeln beliebte Modellorganismen
(Gilbert, 2006). Das bis heute berühmteste Experiment ist die von Hilde Mangold in ihrer
Dissertation durchgeführte heterologe Transplantation eines Stücks der dorsalen
Urmundlippe von hell pigmentierten Triturus christatus Embryonen auf die ventrale Seite
dunkel pigmentierter Triturus taeniatus Embryonen (Abb. 1A). Die dorsale Urmundlippe ist
der Ort der ersten Invagination von Zellen während der Gastrulation (Abb. 1A, rote Zellen).
Durch die Transplantation bildete sich eine sekundäre Körperachse mit dorsalen
Strukturen, die eine Chimäre aus Zellen beider Molchembryonen war (Abb. 1A). Die hell
pigmentierten Zellen der Urmundlippe waren vorwiegend in der Chorda dorsalis zu finden
und induzierten somitisches Gewebe und ein Neuralrohr im Wirtsembryo. Auf Grund
seiner Potenz, eine zweite Achse zu organisieren, und nach seinen Entdeckern Hilde
Mangold und deren Doktorvater und Ideengeber Hans Spemann wird das Gewebe der
dorsalen Urmundlippe als Spemann-Mangold-Organisator bezeichnet. Dabei werden
durch den Organisator auch eine zweite Invagination und damit Gastrulationsbewegungen
ausgelöst. Der Organisator ist entscheidend für die Bildung der anterior-posterioren und
der dorsal-ventralen Achse, die nach Abschluss der Gastrulation festgelegt sind.
In späteren Transplantationsexperimenten konnte das induktive Potential des Organisators
zeitlich präzise analysiert werden: Während die Transplantation von Organisatoren der
beginnenden Gastrulae noch zu Doppelachsen mit Kopf führte, konnten spätere
„Rumpforganisatoren“ nur noch einen weiteren Rumpf ohne Kopf induzieren (Spemann,
1930).
Gastrulation in der Maus
Schon bald wurde nach dem Äquivalent des Organisators in anderen Wirbeltieren
gesucht. Im Huhn- und Kaninchenembryo war dabei der Hensensche Knoten, eine
Verdickung am anterioren Ende des Primitivstreifens, ein möglicher Kandidat (Hensen,
1876). Und tatsächlich führte die heterologe Transplantation dieses Gewebes von Ente-
3
Einleitung
Abbildung 2: Gastrulation in Frosch- und Mausembryo im Vergleich
(A,B) Gastrulation im Froschembryo. (A) Die Gastrulation beginnt mit der apikalen Konstriktion der
Flaschenhalszellen (hellgrün). Die mesodermalen Zellen (rosa) der Randzone (MZ von „marginal zone“)
invaginieren zunächst dorsal in das Blastocoel (bc), dann rund um den Blastoporus, so dass dieser sich
schließt. Die entodermalen Zellen (gelb) sind größer und dotterreich. Das Gewebe des animalen Pols (blau)
breitet sich durch Epibolie aus und wird als Ektoderm den gesamten Embryo umschließen. Brachets Spalte
(bs) separiert Mesoderm und Entoderm.
(B) Die Prächordalplatte (pp, rot) bildet sich aus den anteriorsten mesodermalen Zellen, die als erste den
Organisator verlassen. Das Notochord (no, grün) elongiert durch konvergente Extension (CE). Das
Entoderm (gelb) umschließt das Archenteron (ac), vom Blastocoel bleiben nur noch Reste (bc-r). Am
Archenterondach bildet sich die Archenterondachplatte (GRP von „gastrocoel roof plate“) aus superfiziellem
Mesoderm.
(C,D) Gastrulation im Mausembryo. (C) Die Zellen des Epiblasten (blau) migrieren durch den Primitivstreifen
4
Einleitung
(PS, violett und rosalila) nach distal. Das viszerale oder extraembryonale Entoderm / Hypoblast (vis. Ent,
hellgelb) wird durch embryonales Entoderm ersetzt (Ent, gelb) und es entsteht Mesoderm (rot). Die ersten
Zellen, die anterior migrieren, sind die Zellen des prächordalen Mesoderms (pp, rot). Extraembryonale Zellen
sind ungefärbt dargestellt; die hier durch den Primitivstreifen migrierenden Zellen bilden das
extraembryonale Mesoderm (em).
(D) Während im Primitivstreifen auf voller Länge Gastrulation stattfindet, migriert das prächordale Mesoderm
(pp, rot) nach anterior und das Notochord (no, grün) elongiert durch konvergente Extension. Das posteriore
Notochord (PNC) entsteht. Die Allantois (al) bildet später die Nabelschnur.
Rote Kreise markieren den Organisator (o); a, anterior; an, animal; d, dorsal; p, posterior; prox, proximal;
veg, vegetal; v, ventral. Zeichnungen von Bernd Schmidt, Hohenheim.
respektive Hühnerembryo zu der Bildung einer sekundären Körperachse (Waddington und
Schmidt, 1932). In der Maus ist die Analyse der Gastrulation, die am Tag 6.5 beginnt,
etwas erschwert, da der Mausembryo zum einen sehr viel kleiner ist und zum anderen als
Eizylinder vorliegt. Dabei liegt der Epiblast innen und wird vom Hypoblast, dem viszeralen
oder extraembryonalen Entoderm, umhüllt. Während der Gastrulation migrieren die Zellen
dann durch den Primitivstreifen von medial nach lateral (näher erläutert in Abb. 2C). Diese
Inversion, bei der die dorsale Seite innen liegt, wird am Tag 8.5 durch die Drehung des
gesamten Embryos umgekehrt. Doch auch im sehr kleinen Mausembryo sind sekundäre
Strukturen durch Transplantationen induzierbar: Transplantation von transgenem oder DiIgefärbtem Gewebe des anterioren Primitivstreifens (und des posteriorsten Anteils des
Notochords) in eine posterior-laterale Position induzierte eine sekundäre Achse (Abb. 1B;
Beddington, 1994). Schon zwei Jahre früher wurde die speziesübergreifende Potenz des
Organisators gezeigt, wobei die distale Hälfte des Mausembryos in sogenannten
Einsteckexperimenten in Froschblastulae sekundäre Achsen induzierte (Blum et al., 1992).
Der Organisator der Maus und damit die dem Hensenschen Knoten und dem SpemannMangold-Organisator homologe Struktur ist am anterioren Ende des Primitivstreifens
lokalisiert (Blum et al., 2007).
Zellbewegungen während der Gastrulation
Während der Gastrulation ändern Zellen grundlegend ihre Form, verlassen zum Teil ihren
bisherigen Gewebeverband und wandern an ihre vorgesehenen Orte. Die damit
5
Einleitung
einhergehenden dramatischen Gestaltsänderungen des Embryos durch Zellbewegungen
studierte schon der deutsche Naturforscher Ernst Häckel, hauptsächlich an verschiedenen
Invertebraten. Dem Stadium der Hohlkugel gab er den Namen Gastrula (von griechisch
„gaster“ = Magen), da dabei der sogenannte Urdarm, das Archenteron, gebildet wird
(Häckel, 1875).
Allen Bewegungen liegen dieselben zellulären Mechanismen zu Grunde: Das Zytoskelett
bewirkt durch seine dynamische Restrukturierung eine Veränderung der Zellform, die
wieder Grundlage für die Veränderung des Gewebes und damit der Morphogenese des
Embryos ist. Die Bestandteile des Zytoskeletts sind die hauptsächlich apikal lokalisierten
Aktinfilamente,
die
Mikrotubuli
aus
Tubulin
und
die
Intermediärfilamente
aus
verschiedenen Proteinfamilien (Alberts et al., 2001).
Involution und Ingression bewirken eine Einfaltung des Gewebes
In Amphibien beginnt die Gastrulation mit der Bildung von Flaschenhalszellen. Durch
Kontraktion des Aktin-Myosin-Zytoskeletts entsteht eine deutlich kleinere apikale
Oberfläche im Vergleich zum basalen Zellkörper. Dadurch bildet sich als Invagination die
Urmundlippe. An der Urmundlippe falten sich Entoderm und Mesoderm und gelangen
durch Involution als geschlossener Gewebeverband nach innen (Abb. 3D,E). Die
Einwanderung von Entoderm und Mesoderm weitet sich rund um den Embryo auf das
ventrale Mesoderm aus, so dass der ringförmige Blastoporus entsteht. In Huhn und Maus
gelangen die Zellen dagegen durch Ingression individuell durch den Primitivstreifen, dem
Äquivalent zum Blastoporus (Abb. 3E). Sie verlassen ihren Gewebeverband in einem
Vorgang, der als epithelial-mesenchymale Transition (EMT) bezeichnet wird. Epitheliale
Zellen zeichnen sich durch eine klare apikal-basale Polarisierung und eine aus
extrazellulärem Gewebe bestehende Basallamina aus. Sie besitzen durch eine Vielzahl
von Adhäsionsmolekülen, wie zum Beispiel Tight Junctions, starke Zell-Zell-Verbindungen
zum Versiegeln des Zellverbandes, Gap Junctions zum Austausch zwischen den Zellen
und Desmosomen als „Schweißpunkt“ der Intermediärfilamente (Alberts et al., 2001). Im
Gegensatz zu epithelialen Zellen können sich mesenchymale Zellen unabhängig von ihren
6
Einleitung
Nachbarzellen bewegen. Der epithelial-mesenchymale Übergang bedeutet die Loslösung
einzelner Zellen aus dem Epithel und ist mit einer Vielzahl von Änderungen in der
Expression von Transkriptionsfaktoren und spezifischen Cadherinen (Adhäsionsmoleküle)
verbunden. Dies ist auch bei der Bildung der Neuralleistenzellen wichtig (Acloque et al.,
2009).
Abbildung 3: Morphogenese des Gewebes und Zellbewegungen während der Gastrulation
(A-C) Vergrößerung der Gewebeoberfläche durch Epibolie. Diese kann entweder auf radialer Interkalation
mehrschichtiger Gewebe (B) oder auf Migration von Zellen (A) beruhen. (D-F) Aus dem Gewebe wird durch
Einfaltung und Involution oder durch Ingression nach epithial-mesenchymaler Transition (EMT) ein
mehrschichtiges Gewebe. (G,H) Verjüngung und Verlängerung des Gewebes durch konvergente Extension.
Dabei interkalieren die lateralen Zellen in dessen Mitte. Abgewandelt mit Erlaubnis aus Solnica-Krezel et al.,
2005. A, anterior; ML, medio-lateral; P, posterior.
7
Einleitung
Konvergente Extension durch Interkalation polarisierter Zellen
Durch genaue Beobachtungen gelang es Keller und Mitarbeitern, Änderungen der Zellform
und Zellmotilität während der Gastrulation von Xenopus zu beschreiben (Shih und Keller,
1992). Dabei wandeln sich Zellen von anfangs unpolarisierten, runden Zellen in
charakteristisch elongierte, bipolare und parallel zur mediolateralen Achse angeordnete
Zellen (besonders eindrucksvoll gezeigt in Abb. 3D in Shih und Keller, 1992).
Oberflächenexpansion durch Epibolie
Die Epibolie startet, bevor die Bildung der Keimblätter beginnt. Die Vergrößerung der
Oberfläche wird dabei in einschichtigen Blastulae wie in der Maus bei konstanter Dicke
durch Zellteilung und durch eine Vergrößerung der Zelloberfläche erreicht (Solnica-Krezel,
2005). In Xenopus dagegen findet radiale Interkalation statt, so dass Zellen
unterschiedlicher Schichten ineinander greifen und so ein größeres und dünneres Gewebe
entsteht (Keller, 1980). Diese Ausrichtung ermöglicht konvergente Extension („convergent
extension“ CE, Abb. 3G), ein Typ von Zellbewegungen, bei dem ein Gewebe durch die
Interkalation bipolarer Zellen länger und schmaler wird (Abb. 3H). Keller und seine
Kollegen beschrieben 2002 die dabei wirkenden Kräfte sinngemäß auf folgende Weise:
Die bei multipolaren Zellen in alle Richtungen zeigenden Lamellipodien werden
mediolateral ausgerichtet, heften sich an benachbarte Zellen an und üben eine Zugkraft
aus. Entlang der dadurch verlängerten anterior-posterioren Zelloberfläche bilden sich
fädige Filopodien, die den Zellen erlauben, sich zwischeneinander zu schieben. Durch
diese Interkalation verlängert sich das Gewebe in anterior-posteriorer Richtung (Davidson
et al., 2002). CE ist während der Gastrulation des Frosches entscheidend für den Schluss
des Blastoporus (Shih und Keller, 1992; Keller et al., 2008). Allgemein wichtig ist die CE
unter anderem auch für die Elongation der Chorda und später in der Neurulation. Im
Zebrabärbling dagegen migrieren die Zellen von lateral nach medial und interkalieren auf
diese Weise (Solnica-Krezel et al., 2005).
8
Einleitung
Zellmigration einzelner Zellen und zusammenhängender Zellverbände
Die Migration des Mesoderms entlang der äußeren Zellschicht ist ein weiterer
konservierter Mechanismus bei der Gastrulation der Wirbeltiere (Winklbauer, 2004).
Während bei Amnioten die Zellen nach der EMT als Einzelzellen migrieren, bleiben die
Zellen in Xenopus jedoch vorwiegend im Zellverband und das axiale (notochordale) und
paraxiale (somitische) Gewebe des Mesoderms verlängert sich durch CE. Das
prächordale Mesoderm, teilweise auch als Kopfmesoderm bezeichnet, wandert bei der
Gastrulation zuerst in den Embryo ein. Die Zellen wandern hier als kohärente Zellschicht
entlang des Blastocoeldachs in anteriorer Richtung. Dabei ist die Migration abhängig von
der extrazellulären Matrix, insbesondere von Fibronectin, das die Richtung vorgibt. Die
Zellen bewegen sich mit Hilfe von Lamellipodien fort, die an die extrazelluläre Matrix
anheften und die Zelle so nach vorne ziehen (Winklbauer et al., 1990; Winklbauer et al.,
1996).
Die molekulare Natur des Spemann-Mangold-Organisators: die Entdeckung von
Goosecoid
Mit den Fortschritten in der Molekularbiologie entwickelte sich aus der klassischen
Embryologie die Entwicklungsbiologie, die vor allem die genetische Kontrolle von
Zellwachstum, Zelldifferenzierung und Zellmotilität untersucht (Gilbert, 2006). Dabei geht
in der Embryonalentwicklung aus einer Zelle ein Klon vieler Zellen hervor, die dasselbe
Genom besitzen. Die unterschiedliche Spezialisierung dieser Zellen entsteht dadurch,
dass jeder Zelltyp eine eigene, spezifische Gruppe an Genen exprimiert. Die Zellen
schalten die Produktion, also Transkription und Translation, immer neuer Proteine an und
aus. Die Zellkommunikation verläuft dabei über molekulare Signale, wie zum Beispiel den
Wnt-
und
den
BMP-
Signalweg.
Dabei
werden
extrazelluläre
Stimuli,
meist
Wachstumsfaktoren, rezeptiert. Nach intrazellulären Signaltransduktionskaskaden werden
Effektoren aktiviert, die eine spezifische zelluläre Antwort auslösen, zum Beispiel eine
Änderung der Transkription bestimmter Gene. Diese molekularen Grundlagen gelten
natürlich nicht nur im Embryo, sondern spielen auch im adulten Organismus und in
9
Einleitung
pathologischen Situationen wie bei der Entstehung von Krebs eine wichtige Rolle.
Insbesondere die Untersuchung der strikten zeit- und ortspezifischen Regulation der
Genexpression während der Embryonalentwicklung führte dabei zur Entdeckung vieler
genereller Mechanismen (Gilbert, 2006; Alberts et al., 2001).
In Drosophila-Embryonen wurde zum Beispiel entdeckt, dass für die Kontrolle der frühen
embryonalen Musterbildung Homeobox-Transkriptionsfaktoren wie bicoid entscheidend
sind. Bicoid bezeichnet eine Mutation, bei der die Fliegenlarve zwei Schwanzteile, aber
keinen Kopf hat. Durch einen Gradienten der bicoid-mRNA, dessen Konzentration anterior
am höchsten ist, wird über eine Genkaskade die anterior-posteriore Achse festgelegt
(Driever und Nüsslein-Volhard, 1988).
Es stellte sich nun die Frage, ob auch der Organisator der Vertebraten mit einem
vergleichbaren Mechanismus die Morphogenese steuert. Auf Grund dessen wurde unter
Leitung von Eddy de Robertis in einer cDNA-Bibliothek aus dem Organisatorgewebe,
welche
die
Gesamtheit
aller
exprimierten
Gene
darstellt,
nach
Homeobox-
Transkriptionsfaktoren gesucht (Blumberg et al., 1991).
Dabei wurde der Homeobox-Transkriptionsfaktor Goosecoid entdeckt, der nach der
molekularen Ähnlichkeit seiner DNA-bindenden Homeobox zu Gooseberry und bicoid
benannt wurde. Der transkriptionelle Repressor Goosecoid (Gsc) ist ein oft genutzter
Marker für den frühen Spemann-Mangold-Organisator, da er stark und spezifisch
exprimiert wird. Homologe von Gsc in allen anderen Wirbeltier-Modellorganismen wie
Huhn, Zebrabärbling und Maus zeigen eine hoch konservierte Expression im OrganisatorGewebe (Blum et al., 1992; Izpisua-Belmonte et al., 1993; Stachel et al., 1993). Daneben
sind Gsc-homologe Gene auch bei evolutionär weit entfernten Tierarten von Seeigel über
Drosophila bis zu Hydra identifiziert worden (Angerer et al., 2001; Broun et al., 1999;
Goriely et al., 1996; Hahn und Jackle, 1996). Bei ventraler Injektion von Xgsc oder
murinem Gsc konnte eine sekundäre Achse induziert werden, ein weiterer Hinweis auf
eine Funktion von Gsc während der Gastrulation der Wirbeltiere (Cho et al., 1991; Sander
et al., 1997). Allerdings entstehen durch den Knock-out von Gsc in der Maus keine
Gastrulationsdefekte (Yamada et al., 1995; Rivera-Perez et al., 1995). Auch wenn deshalb
die Rolle von Gsc weiter fraglich blieb, spielte es doch als Markergen eine wichtige Rolle
bei der Erforschung des Spemann-Mangold-Organisators.
10
Einleitung
Heute ist bekannt, dass die molekulare Natur des Rumpf-Organisators auf der Repression
des BMP-Signalwegs beruht (de Robertis et al., 2001; Niehrs, 2004). Das induktive
Potential des Kopforganisators dagegen ist, stark vereinfacht, auf die simultane
Repression des Wnt- und des BMP-Signalwegs zurückzuführen (Glinka et al., 1997;
Niehrs et al., 2001). Dies geschieht durch sekretierte BMP-Antagonisten wie Chordin,
Noggin und Follistatin sowie durch die sekretierten Wnt-Antagonisten Dickkopf und Frzb
(Niehrs, 1999; Nishita et al., 2000; de Robertis et al., 2001).
Die Determinierung des Organisators: Activin und Polkappenexperimente
Die Induktion des Organisators verläuft über das Nieuwkoop-Zentrum in den dorsalen
vegetalen Zellen durch die dorsale Akkumulation von β-Catenin (Gilbert, 2006). Die
Konzentration von β-Catenin auf der dorsalen Seite beruht wiederum auf einer
Translokation von Dishevelled infolge der corticalen Rotation in der Zygote, die durch den
Spermieneintritt ausgelöst wird (Vincent und Gerhart, 1987; Gerhart et al., 1989).
Vegetal abgelegte Faktoren wie VegT induzieren die Expression von Wachstumsfaktoren
der TGF-β-Familie wie zum Beispiel Nodal-related (Xnr) in den entodermalen Zellen. Xnr
wird dabei β-Catenin-abhängig unterschiedlich entlang der dorso-ventralen Achse
exprimiert. Die Sekretion von Nodal führt in den äquatoriellen Zellen der Randzone (auch
Marginalzone) zur Bildung von Mesoderm. Dabei induziert Nodal bei hoher Konzentration
dorsales Mesoderm und bei niedrigerer Konzentration ventrales Mesoderm (Wolpert et al.,
2007). Als Folge werden direkt nach Eintreten in die Midblastula-Transition (Beginn der
zygotischen Gentranskription) die dorsalen Transkriptionsfaktoren siamois und twin im
Organisator
exprimiert,
die
wiederum
Goosecoid
und
andere
Organisatorgene
transkriptionell aktivieren (Brannon und Kimelman, 1996; Carnac et al., 1996; Laurent et
al., 1997).
Wichtige Hinweise auf die Induktion des dorsalen Mesoderms lieferten Experimente mit
Blastula-Explantaten. Explantate der animalen Polkappe bilden atypische, cilierte
Epidermis, wenn sie ohne Zugabe von Wachstumsfaktoren kultiviert werden. Kombiniert
man jedoch ein animales Explantat mit einem vegetalen Explantat, so entstehen aus
11
Einleitung
diesem statt ektodermaler Epidermis mesodermale Zellen. Dies zeigte, dass vegetale
Signale in
Polkappenexplantaten Mesoderm induzieren können (Nieuwkoop, 1963;
Nieuwkoop, 1973; Harland und Gerhart, 1997). Als molekulare Grundlage dieser Aktivität
wurde der TGF-β-Wachstumsfaktor Activin isoliert (Green und Smith, 1990). Activin
induziert
in
animalen
panmesodermale
Gen
Polkappenexplantaten
Brachyury
und
bei
bei
niedriger
höherer
Konzentration
Konzentration
das
Goosecoid.
Entsprechend werden auch verschiedene Zelltypen wie axiales oder paraxiales Mesoderm
induziert, die dann über konvergente Extension elongieren (Smith et al., 1991; Gurdon et
al., 1994; Green und Smith, 1990). Auch wenn Activin endogen keine Rolle bei der
Gastrulation spielt, stellt es im System der animalen Polkappe die Wirkmechanismen von
Wachstumsfaktoren und ihre morphologischen Konsequenzen dar (Wolpert, 2007).
Embryonale Achsenspezifizierung im kartesischen System:
Überblick über primäre, sekundäre und Links-Rechts-Achsenentwicklung
Wie oben erklärt, spezifizieren Gradienten von Wachstumsfaktoren den Embryo. In
Vertebraten wird zunächst über einen Gradienten von Nodal und Wnt der Organisator
spezifiziert, im Frosch über das Nieuwkoopzentrum, in der Maus durch das anteriore
viscerale Entoderm (AVE). Der Organisator sekretiert zunächst Wnt- und BMP-Inhibitoren,
was den dorsal-anterioren Punkt festlegt. Der Rumpforganisator sekretiert dann nur noch
BMP-Antagonisten. Über den entstehenden Wnt-Gradienten mit einer posterior hohen
Wnt-Aktivität ist damit die primäre, anterior-posteriore Achse festgelegt. Die Repression
des BMP-Signalwegs durch sekretierte BMP-Inhibitoren vom Organisator induziert in
Vertebraten also ein dorsales Schicksal. Mit diesen beiden primären Achsen kann wie in
einem kartesischen Koordinatensystem jeder Punkt spezifiziert werden (Niehrs, 2010).
Wie in jedem kartesischen System ist theoretisch nach der Definition von zwei Achsen,
also der primären, anterior-posterioren und der sekundären, dorso-ventralen Achse die
dritte Dimension, die Links-Rechts-Achse, vorgegeben.
Die
Umsetzung
dieser
Wirbeltiermodellorganismen
Information
mit
erfolgt
Ausnahme
des
in
allen
bisher
Hühnerembryos
untersuchten
durch
einen
linksgerichteten Flüssigkeitsstrom (Blum et al., 2009). Dieser findet auf dem posterioren
12
Einleitung
Notochord (PNC) der Maus bzw. der Archenterondachplatte (GRP von engl. „gastrocoel
Roof Plate“) des Frosches statt, die eine Insel aus superfiziellem Mesoderm im Entoderm
des Archenteron bildet. Hier rotieren posterior lokalisierte Cilien im Uhrzeigersinn und
lösen damit auf der linken Seite eine Signalkaskade aus: Zunächst wird die
paranotochordale
Expression
des
sekretierten
Nodal-Inhibitors
Coco
reprimiert
(Schweickert et al., 2010). Später wird der Wachstumsfaktor Nodal im linken
Seitenplattenmesoderm angeschaltet und induziert dort die Expression von Pitx2c, das als
Transkriptionsfaktor die asymmetrische Organogenese ermöglicht. Zusätzlich löst Nodal
über die Induktion seines eigenen Repressors Lefty eine negative Rückkopplungsschleife
aus, so dass die Expression von Nodal selbst nur kurz andauert. Mit der Entstehung der
Links-Rechts-Asymmetrie
durch
den
linksgerichteten
Flüssigkeitsstrom
ist
die
Achsenentwicklung komplett.
Die Bildung des Neuralrohrs während der Neurulation
Bei der Neurulation entsteht aus dem Ektoderm das Neuralrohr. Dieses ist der embryonale
Vorläufer von zentralem Nervensystem und Rückenmark. Ausgelöst durch BMP- und FGFSignale im dorsalen Mesoderm verdickt sich das darüber liegende Ektoderm zur
Neuralplatte (Stern, 2006). Diese verjüngt sich in der Folge durch konvergente
Ausdehnung
und
gerichtete
Zellteilung
in
anterior-posteriorer
Richtung.
An
Scharnierpunkten krümmt sich gleichzeitig das Neuralrohr über apikale Konstriktion der
Neuroepithelzellen. Es bilden sich die Neuralfalten, die sich annähern und zum Neuralrohr
schließen (Colas und Schoenwolf, 2001). Aus dem Grenzbereich zwischen Neuralrohr und
der sich über dem Neuralrohr schließenden Epidermis entstehen eine Verdickung oder
Leiste und damit die Neuralleistenzellen. Während diese Prozesse für die Neurulation in
Amphibien und die primäre Neurulation der Amnioren gilt, finden in Amnioten posterior
weiterhin Gastrulationsbewegungen im Primitivstreifen oder der Schwanzknospe statt
(Gont et al., 1993). Dementsprechend wurde hier eine sekundäre Neurulation
beschrieben, die zur Bildung des posterioren Neuralrohrs führt. Dabei verdichtet sich eine
mesenchymale Zellmasse in der Mitte und über eine mesenchymal-epitheliale Transition
bildet sich ein Rohr mit Lumen (Harrington et al., 2009).
13
Einleitung
Die Neuralleiste
Schon 1886 beschrieb Wilhelm His eine „Leiste“ längs des Neuralrohrs im Hühnerembryo,
die wir heute noch Neuralleiste nennen (His, 1886). Diese entsteht während der
Neurulation aus den Randzellen von Neuroektoderm und Epidermis. Das Verfolgen der
Zellen durch Markierung mit radioaktiven Isotopen oder Farbstoffen in Huhn-, Frosch- und
später auch in Mausembryonen sowie heterologe Transplantationen zwischen Wachtel
und Huhn zeigten, dass sich diese Zellen zu sehr verschiedenen Zelltypen entwickeln (Le
Lievre und Le Douarin, 1975; Weston, 1963; Chibon, 1967; Bronner-Fraser und Fraser,
1988; Osumi-Yamashita et al., 1997). So bilden Derivate der Neuralleistenzellen unter
anderem Strukturen des Kopfskeletts, endokrine Organe wie die Thymusdrüse,
sympathische und parasympathische Ganglien, die Aortenbögen sowie Melanozyten.
Neuralleistenzellen werden hauptsächlich durch Gradienten des BMP-Signalwegs sowie
durch kanonische Wnt-Signale induziert (Sela-Donenfeld und Kalcheim, 1999; Marchant et
al., 1998; Garcia-Castro et al., 2002; Steventon et al., 2009). Epithelial-mesenchymale
Transition (EMT) führt daraufhin zur Ablösung der Zellen. Dabei werden Zellkontakte
gelöst, die Zellen werden runder und bilden Membranausbuchtungen (engl. „blebbing“),
die erst sekundär durch Aktin ausgefüllt werden. Dann verlassen die Neuralleistenzellen
das Neuralrohr, während sie aktin-gestützt Filopodien und Lamellipodien ausbilden (Berndt
et al., 2008; Clay und Halloran, 2010). Um sich einen Weg durch die extrazelluläre Matrix
zu bahnen, werden Moleküle wie Metalloproteinasen und ADAM13 sekretiert (Loring et
al., 1982; Wei et al., 2010; Monsonego-Ornan et al., 2012). Die schnelle Migration in
verschiedene Gewebe ähnelt dabei der Metastasierung bei Krebs. Viele bei der Migration
der Neuralleistenzellen essentielle Gene tragen bei fehlgesteuerter Aktivierung im adulten
Gewebe zur Entstehung bösartiger Tumore bei. So sind beispielsweise Metalloproteinasen
und insbesondere ADAM-Metalloproteinasen in metastasierenden Tumoren fehlexpremiert
(Murphy, 2008; Hua et al., 2011). Erst durch die Metalloproteinasen wird die
Neuralleistenzellmigration durch Modulierung der extrazellulären Matrix ermöglicht. Auch
die als Neuralleistenzellmarker verwendeten Transkriptionsfaktoren Snail, Twist und Slug
sind unter anderem an der Metastasierung von Brustkrebs und Darmkrebs beteiligt (Martin
et al., 2005; Rosivatz et al., 2002). Damit können Neuralleistenzellen als Modell für
14
Einleitung
invasives Zellverhalten dienen (Tucker, 2004).
Eine fehlerhafte Neuralleistenzellmigration kann zu angeborenen Erkrankungen beim
Menschen führen. Ein Beispiel ist das DiGeorge-Syndrom, welches so unterschiedliche
Symptome wie Herzfehler, Gesichtsfehlbildungen, Gaumenspalte oder Unterentwicklung
der Thymusdrüse hervorruft. Heute weiß man, dass die Störungen beim DiGeorgeSyndrom im Menschen auf eine fehlerhafte Neuralleistenzellmigration, bedingt durch den
Funktionsverlust des TBX1-Gens, zurückzuführen sind. Dies konnte über transgene
Mäuse bestätigt werden (Baldini, 2004; Van Mierop und Kutsche, 1986).
Planare Zellpolarität
Ein wichtiger Signalweg für Zellwanderung und Zellausrichtung von Epithelien und
mesenchymalem Gewebe ist der planare Zellpolaritäts-Signalweg (PCP von englisch
„planar cell polarity“). Planar polarisierte Zellen sind zusätzlich zur apikal-basalen Achse
anterior-posterior ausgerichtet. Bei der apikal-basalen Ausrichtung der Zellen in Epithelien
steht die basale Seite in Kontakt zur Basallamina. Die lateralen Membranen der Zellen
sind durch Zell-Zell-Interaktion miteinander verbunden. Die apikale Seite ist häufig mit
Cilien besetzt, welche in einen flüssigkeitsgefüllten Raum ragen. Auch diverse Proteine
sind apikal, basal oder lateral angereichert und stellen so die apikal-basale Polarität auf
molekularer Ebene dar. Zellen besitzen daneben aber auch eine Ausrichtung der
sogenannten planaren Zellpolarität, entsprechend den Hauptachsen des Organismus.
Dies ist von außen nur in einigen Zelltypen klar zu sehen, beispielsweise anhand der
Ausrichtung der Haarsinneszellen im Cortischen Organ in der Cochlea des Innenohres
oder beim Haarkleid der Säuger, ist aber in mesenchymalen Zellen ebenfalls vorhanden
(Dabdoub et al., 2003; Devenport und Fuchs, 2008; Curtin et al., 2003). Die planare
Zellpolarität wird unter anderem durch den PCP-Signalweg gesteuert, der durch die
Lokalisierung seiner Komponenten nachgewiesen werden kann (Wallingford, 2011).
15
Einleitung
Der PCP-Signalweg während der Embryonalentwicklung
Vor 30 Jahren begann die Forschung an der molekularen Grundlage des PCP-Signalwegs
in Drosophila (Gubb et al., 1982). Dort ist die planare Polarität unter anderem für die
Ausrichtung der Sinnesborsten auf den Flügeln wichtig. In Mutanten wirken diese Haare
wie von Van Gogh mit einem groben Pinselstrich in verschiedene Richtungen gestrichen,
daher wurden Gene beispielsweise Vang in Drosophila oder Vang-like in Vertebraten
genannt (Taylor et al., 1998). In Vertebraten ist PCP-vermittelte konvergente Extension
unter anderem für den Schluss des Neuralrohrs mitverantwortlich (Copp et al., 2003).
Neuralrohrschlussdefekte („neural tube closure defect“ NTD) gehören mit einer Prävalenz
von 0,1 bis 0,2% zu den häufigsten kongenitalen Missbildungen beim Menschen (Kibar et
al., 2007). Heute arbeiten viele Forschergruppen mit allen Wirbeltier-Modellorganismen an
CE und dem PCP-Signalweg (Simons und Mlodzik, 2008).
Wnt-Signalwege: Wnt-Liganden, Rezeptoren und Dishevelled
Der PCP-Signalweg stellt einen Teil des molekularen Netzwerks der Wnt-Signalwege dar.
Diese können in den kanonischen β-Catenin-abhängigen sowie in die nicht-kanonischen
Wnt-Signalwege unterteilt werden. Namensgebend für diese Signalwege ist ihr Ligand Wnt
(von Wingless und int), ein sekretiertes Glykoprotein. In Vertebraten können die WntProteine in zwei Klassen eingeteilt werden: Die Wnt1-Klasse (mit Wnt3a und Wnt8a)
induziert bei ventraler Injektion Doppelachsen, bewirkt also über β-Catenin die Entstehung
eines neuen Organisators. Die Wnt5a-Klasse (beispielsweise Wnt5a oder Wnt11) kann
keine Doppelachsen induzieren und wird den nicht-kanonischen Signalwegen zugeordnet
(Torres et al., 1996; Du et al., 1995). Durch die Kombination von verschiedenen Liganden
wird die Wirkung zusätzlich moduliert; so können Wnt5a und Wnt11 zusammen kanonisch
wirken (Cha et al., 2008). Die Wnt-Liganden binden an Transmembran-Rezeptoren der
Frizzled-Klasse (Abb. 4). Die Wirkung und Spezifität der Interaktion wird dabei
insbesondere durch Korezeptoren beeinflusst. So aktiviert beispielsweise der Korezeptor
Lrp6 kanonisches Wnt, indem Wnt-aktivierte Rezeptoren in Signalosomen internalisiert
werden und intrazellulär wirken (Bilic et al., 2007). Die Transmembranproteine PAPC,
16
Einleitung
RTK7, Syndecan und Ror spielen vor allem in nicht-kanonischen Wnt-Signalkaskaden
eine Rolle (Medina et al., 2004; Van Wijk et al., 2009; Matthews et al., 2008).
Interessanterweise ist Wingless (Wnt) in Drosophila auf den kanonischen Wnt-Signalweg
beschränkt und die nicht-kanonischen Wnt-Signaltransduktionskaskaden werden nur über
die Lokalisierung und Interaktion von Transmembranproteinen reguliert. In Vertebraten
läuft ein Teil der nicht-kanonischen Wnt-Signalwege auch ohne Frizzled-Beteiligung ab,
beispielsweise über den Rezeptor-Tyrosin-Kinase-ähnlichen-Rezeptor Ror2 (Hikasa et al.,
2002). Über Frizzled wird dann Dishevelled (Dsh oder Dvl1-3) phosphoryliert, das den
Verzweigungspunkt der Wnt-Signalwege darstellt (Gao und Chen, 2010). Es integriert
viele Signale und bietet eine Plattform für die Bildung der verschiedenen Proteinkomplexe,
über die die verschiedenen Signalkaskaden intrazellulär weiter ablaufen. Dazu dienen
auch die verschiedenen Proteininteraktionsdomänen: die DIX-Domäne ist essentiell für
den kanonischen Signalweg, die DEP-Domäne für die nicht-kanonischen Signalwege und
die PDZ-Domäne für beide (Wallingford und Habas, 2005; Park et al., 2005; Wang und
Nathans, 2007).
Der kanonische β-Catenin-abhängige Wnt-Signalweg
Beim kanonischen Signalweg bindet Dishevelled über die DIX(dvl/axin)-Domäne Axin und
reprimiert so die GSKβ-Synthase. Diese phosphoryliert β-Catenin, so dass es entweder in
seiner Funktion als Teil des Zytoskeletts an Cadherine gebunden oder in einem Komplex
mit APC vorliegt, wobei es in letzterem degradiert wird (Abb. 4). Bei aktiviertem WntSignalweg und reprimierter GSKβ-Synthase gelangt β-Catenin in den Kern und aktiviert
dort als Co-Faktor zusammen mit Transkriptionsfaktoren wie TCF und LEF die
Transkription von Zielgenen (Gilbert, 2006). Viele der Faktoren im kanonischen WntSignalweg sind nach Tumoren benannt. APC (Adenomatous Polyposis Coli, Abb. 4) ist
beispielsweise ein Dickdarmkrebs, da eine Mutation von APC zu hyperaktivem Wnt-Signal
führt, was einer der Schritte zur Entstehung aggressiver Tumore ist (Moon und Miller,
1997). Dies führte zu intensiver Forschung an β-Catenin, so dass heute hunderte
Interaktionen bekannt sind (eine Übersicht bietet Macdonald et al., 2007).
17
Einleitung
Abbildung 4: Vereinfachte Darstellung der Wnt-Signalwege
Linke Seite: Kanonischer, β-Catenin-abhängiger Wnt-Signalweg. Im Ruhezustand wird β-Catenin in einem
Komplex durch die Glycogen-Synthase-Kinase (GKS3β) phosphoryliert und abgebaut. Nach Aktivierung
durch kanonische Liganden hemmt Dishevelled (dvl) diesen Abbau und β-Catenin (β-Cat) kann in den
Zellkern gelangen. Dort bewirkt β-Catenin als Co-Faktor mit TCF die Transkription verschiedener Zielgene.
Rechte Seite: Ausschnitte aus nicht-kanonischen Wnt-Signaltransduktionskaskaden: Im PCP-Signalweg wird
über die antagonistische Lokalisierung von RhoA und Rac das Aktin-Zytoskelett organisiert, im Calciumabhängigen Signalweg läuft dies über cdc42. Quellen und nähere Bezeichnung sind im Haupttext
verzeichnet.
Der PCP-Signalweg, ein nicht-kanonischer Wnt-Signalweg
Die nicht-kanonischen Signalwege werden je nach Autor in bis zu fünf verschiedene Wege
mit vielen verschiedenen Komponenten unterteilt, deren Hierarchie und Interaktion nur
teilweise bekannt sind (Lawrence et al., 2007; Semenov et al., 2007; Kinoshita et al.,
2003).
Neben dem PCP-Signalweg wird meist als zweiter nicht-kanonischer Signalweg die Ca2+18
Einleitung
Signaltransduktionskaskade genannt, bei der die Protein Kinase C (PKC) und die
Ca2+/Calmodulin-abhängige Protein Kinase 2 (CamKII) abhängig von der CalciumKonzentration reguliert werden (Abb. 4; Kinoshita et al., 2003; Slusarski und Pelegri,
2007). Beide Signalwege wirken über sogenannte kleine GTPasen wie RhoA, Rac und
cdc42 auf das Zytoskelett (Munoz-Descalzo et al., 2007). Die intrazelluläre Polarisierung
von „Core“-PCP-Proteinen entlang der anterior-posterioren oder proximal-distalen Achse
wird als zentraler und konservierter Kern (engl. „Core“) des PCP-Signalwegs betrachtet.
Diese wird wesentlich durch die „Core“-PCP-Proteine Vangl2 und Prickle gewährleistet,
wobei das Transmembranprotein Vangl2 für eine Annäherung des im Zytoplasma
lokalisierten Prickles an die Membran sorgt. Infolgedessen wird Dishevelled an der
entgegengesetzten Membran lokalisiert (Carreira-Barbosa et al., 2003; Phillips et al.,
2005).
Diese
Lokalisierung
ist
in
Drosophila
abhängig
von
weiteren
Transmembranproteinen wie Dachsous und Flamingo (Matakatsu und Blair, 2004). In
Vertebraten ist zusätzlich noch die Wnt-induzierte Phosphorylierung von Vangl2 notwendig
(Gao et al., 2011). Sowohl der Funktionsgewinn als auch der Funktionsverlust von
Komponenten des PCP-Signalwegs wie Vangl2, Prickle oder Rack führen zu einer
fehlerhaften Lokalisierung von Dvl und zu Entwicklungsstörungen (Carreira-Barbosa et al.,
2003; Park und Moon, 2002; Wehner et al., 2011).
Einsatzorte des PCP-Signalwegs: Gastrulation, Neurulation und Wanderung von
Neuralleistenzellen
Seit der Entdeckung des PCP-Signalwegs konnte dieser als regulativer Bestandteil in viele
Prozesse der Embryonalentwicklung eingeordnet werden (Wansleeben und Meijlink,
2011). Einige für diese Arbeit relevante Beispiele werden im Folgenden näher vorgestellt.
Der PCP-Signalweg während der Gastrulation
Während der Gastrulation und der Neurulation gewährleistet der PCP-Signalweg die
planare
Polarisierung
der
Zellen,
die
eine
Vorbedingung
für
konvergente
19
Einleitung
Extensionsbewegungen ist. In der Maus, die über Ingression gastruliert, wandern die
Zellen zwar über den Primitivstreifen, die Chorda und der gesamte Mausembryo bleiben
aber in Mutanten des PCP-Signalwegs wie Vangl2 kürzer und breiter. Auch die Elongation
der Zellen nach Verlassen des Primitivstreifens ist PCP-abhängig (Ybot-Gonzalez et al.,
2007; Yen et al., 2009). Beim Frosch ist für den Blastoporusschluss die PCP-vermittelte
CE des paraxialen und axialen Mesoderms wichtig, wie auch für die spätere Elongation
des gesamten Froschembryos (Wallingford und Harland, 2001; Ewald et al., 2004).
Planare Zellpolarität während der Neurulation
PCP-abhängige konvergente Extension der Neuralplatte ist bei der Neuralentwicklung von
Mäusen und Fröschen essentiell (Keller et al., 1992). Dabei kommt es bei Mutanten des
PCP-Signalwegs zu einer Verbreiterung der Neuralrinne, wodurch die Neuralfalten nicht
schließen können (Wallingford und Harland, 2001; Wansleeben und Meijlink, 2011). Dies
führt zu Spina bifida und Exencephalie bis hin zur Craniorachischisis, bei der das
Neuralrohr vom Mittelhirn bis zum Schwanz offen bleibt. Praktisch alle bekannten
Mausmutanten mit diesem Phänotyp konnten Mutationen der Komponenten des PCPSignalwegs zugeordnet werden. Beispiele hierfür sind Vangl2 (Looptail; Kibar et al., 2001;
Murdoch, 2001), Celsr1 (Curtin et al., 2003) oder die Tyrosin-Kinase PTK7 (Lu et al.,
2004). Andere Gene im Netzwerk des Wnt-Signalwegs zeigen als Doppelmutanten, wie
beispielsweise Dvl1-/-/Dvl2-/-, oder bei zusätzlichem Verlust von einem Vangl2-Allel, wie
beispielsweise
Vangl2+/-/Wnt5a-/-,
einen
signifikanten
Anteil
von
Embryonen
mit
Craniorachischisis. Viele dieser Gene sind mit dem Auftreten von NTDs beim Menschen
assoziiert (Wu et al., 2011; Carter et al., 2011).
Der PCP-Signalweg ist wichtig für die gerichtete Migration von Neuralleistenzellen
In der ersten Phase nach der Delamination müssen Neuralleistenzellen zunächst in
ventraler Richtung das Neuralrohr verlassen, bevor eine Aufteilung in mehrere Ströme und
Wege durch positive und negative Leitmoleküle, beispielsweise Ephrine, erfolgt
20
Einleitung
(Wilkinson, 2000). Die erste gerichtete Migration erfolgt durch die Ausrichtung der
Zellfortsätze über die sogenannte Kontaktinhibition (Carmona-Fontaine et al., 2008). Das
bedeutet, dass sich Neuralleistenzellen gegenseitig abstoßen und ihre Zellfortsätze auf
der Kontaktseite, also proximal, zurückbilden. Diese Ausrichtung des Zytoskeletts während
der Migration der Neuralleistenzellen wird über den PCP-Signalweg gesteuert. Durch
Syndecan4-, PTK7- und Wnt11-induzierte planare Zellpolarität wird proximal die GTPase
RhoA aktiviert, die wiederum Rac reprimiert. Damit polarisiert Rac das Aktin-Zytoskelett
nur distal und in den freien Raum. Durch die gerichtete Bildung von Zellfortsätzen entsteht
so eine direktionale Migration aus dem Neuralrohr von proximal nach distal (Matthews et
al., 2008; Carmona-Fontaine et al., 2008; Shnitsar und Borchers, 2008).
Das Aktinbindeprotein Calponin – Ein Effektor des PCP-Signalwegs?
Obwohl der PCP-Signalweg in vielen embryonalen Prozessen eine Rolle spielt, sind in
diesem erst in jüngster Zeit erforschten Signalweg erhebliche Erkenntnislücken zu füllen.
So ist zwar der „Kern“ des Signalwegs, nämlich die subzelluläre, asymmetrische
Lokalisierung der „Core“-Proteine wie Vangl2 und Prickle beschrieben. Diese intrazelluläre
Polarität führt zur Ausrichtung des Aktin-Zytoskeletts durch kleine GTPasen wie RhoA und
Rac. Durch welchen Mechanismus die GTPasen das Aktin-Zytoskelett modulieren, ist
jedoch unbekannt. In dieser Arbeit wurde daher ein aktin-modulierendes Protein gesucht,
das durch die kleinen GTPasen reguliert werden kann. Die aktin-bindenden Proteine
Calponin2 und 3 könnten geeignete Kandidaten für die Verbindung von PCP-Signalweg
und Aktin-Zytoskelett darstellen.
Calponin ist eine Familie von drei aktinbindenden Proteinen (Takahashi et al., 1988).
Calponin1
und
3
besitzen
zwei
Aktinbindestellen
(ABS),
mit
denen
sie
im
unphosphorylierten Zustand an F-Aktin binden und die aktin-aktivierte ATPase von
MyosinII deaktivieren. Dies soll zu einer Entspannung der glatten Muskelzellen beitragen
(Abe et al., 1990; Winder und Walsh, 1990). Calponin2 hat dagegen nur eine ABS, die aus
drei Wiederholungen der sogenannten Clik-Domäne besteht (Gimona und Winder, 1998;
Stradal et al., 1998). Diese schwache ABS soll Aktin in Zellfortsätzen stabilisieren (Gimona
21
Einleitung
et al., 2003). Während Calponin1 an die Aktin-Stressfasern in der Zellmitte lokalisiert, ist
Calponin2 am Ende der Aktinstressfasern in Lamellipodien zu finden (Danninger und
Gimona, 2000). Damit ist Calponin ein Aktinprotein, das eine intrazelluläre Lokalisierung
aufweist und so das Aktin-Zytoskelett ausrichten könnte. Eine Regulation durch die kleine
GTPase Rho ist ebenfalls gegeben: Phosphorylierung über die Rho-Kinase verhindert in
vitro die Bindung von Calponin1 an F-Aktin (Kaneko et al., 2000; Abouzaglou et al., 2004).
Die Erkennungssequenzen der Rho-Kinase sind auch in Calponin2 und 3 konserviert (Wu
und Jin, 2008).
Arbeitshypothese Calponin:
Calponin2 als Bindeglied zwischen planarer Zellpolarität und Aktin-Zytoskelett
In Xenopus brachten Vorarbeiten unseres Labors Calponin2 und 3 in Zusammenhang mit
konvergenter Extension (Loges, 2008; Schmalholz, 2008). Calponin2 ist im Notochord und
in der Bodenplatte des Neuralrohrs, Calponin3 dagegen im gesamten Neuralrohr
exprimiert. Damit korreliert die Expression von Calponin2 und 3 mit Geweben, die über
konvergente
Extension
elongieren
(Schmalholz,
2008).
Darüber
hinaus
führten
Funktionsverlustexperimente von Calponin2 und 3 in Xenopus zu NTDs und BPTs (Loges,
2008).
Dies
suggerierte
eine
Störung
PCP-vermittelter
konvergenter
Extensionsbewegungen. Damit kam das aktinbindende Protein Calponin als Komponente
des PCP-Signalwegs in Betracht. Folglich wurde eine Arbeitshypothese aufgestellt, nach
der Calponin über kleine GTPasen durch den PCP-Signalweg reguliert wird und selbst das
Aktin-Zytoskelett moduliert. In dieser Arbeit sollte daher die Verbindung zwischen dem
PCP-Signalweg und Calponin in vivo analysiert und so die endogene Funktion von
Calponin während der Embryonalentwicklung untersucht werden.
Im Mittelpunkt der Untersuchungen stand eine mögliche PCP-abhängige Rolle von
Calponin2
bei
der
Wanderung
der
Neuralleistenzellen.
Die
Migration
der
Neuralleistenzellen benötigt, wie beschrieben, eine schnelle Veränderung des Zytoskeletts
und wird ebenfalls durch nicht-kanonische Wnt-Signalwege gesteuert. Damit ist dies ein
idealer Prozess, um die Interaktion von PCP und Aktin-Zytoskelett auf zellulärer Ebene zu
22
Einleitung
analysieren (De Calisto et al., 2005; Matthews et al., 2008). Calponin2 war in den
Neuralleistenzellen exprimiert und ein Deletionskonstrukt von Calponin, das nur aus der
Clik-Aktinbindestelle bestand, störte die Wanderung von Neuralleistenzellen aus
Rhombomer 5 (Schmalholz, 2008). Die Expression von Calponin2 in den wandernden
Neuralleistenzellen im Hühnerembryo wies auf eine evolutionäre Konservierung des
Prozesses hin (Lee Roth, mündliche Mitteilung). Damit war das Ziel dieser Arbeit, eine
eventuelle Verknüpfung zwischen der planaren Zellpolarität und dem Aktin-Zytoskelett
über Calponin2 zu erforschen.
Das Homeoboxgen Goosecoid: Ein Organisator-Gen ohne Funktion?
Eine weitere ungeklärte Frage im PCP-Signalweg ist die Ausrichtung der planaren
Polarität entlang der anterior-posterioren Achse. Im Gegensatz zu Drosophila spielen in
Vertebraten nicht-kanonische Wnt-Liganden eine Rolle. Winklbauer und Kollegen
veröffentlichten interessante Ergebnisse zur Verknüpfung konvergenter Extension und der
anterior-posterioren Achsenidentität. So konnten sie zeigen, dass CE in animalen
Kappenexplantaten präferentiell stattfindet, wenn im Gewebe ein Gradient von anterior
und posterior differenzierten Zellen vorliegt. Wie und ob dieser Gradient mit dem PCPSignalweg zusammenhängt, blieb jedoch offen (Ninomiya et al., 2004). In dieser
Promotionsarbeit wurde untersucht, inwiefern das Organisatorgen Goosecoid die anteriorposteriore Achsenspezifizierung mit PCP-abhängiger CE verknüpfen könnte.
Aufgrund der prominenten Expression von Gsc im Organisator wurde bei der Entdeckung
von Gsc ein Einfluss auf die Gastrulation, insbesondere auf die Spezifizierung der
Keimblätter, angenommen. Auch die Induktion von sekundären Achsen bei ventraler
Injektion in Xenopus deutete auf eine solche Organisatorfunktion hin (Cho et al., 1991).
Der Funktionsverlust in der Maus (Knock-out) führte jedoch zu einem unerwarteten
Phänotyp: Defekte in der Rippenentwicklung, in der Extremitätenentwicklung oder bei den
Gesichts- und Mittelohrknochen (Rivera-Perez et al., 1995; Yamada et al., 1995, Yamada
et al., 1997; Rivera-Perez et al., 1999). Der Funktionsverlust in Frosch und Zebrabärbling
mithilfe
von
Antisinn-Morpholinooligonukleotiden
führte
zu
Kopfdefekten,
die
23
Einleitung
Achsenspezifizierung war jedoch nicht betroffen (Steinbeisser et al., 1995; Ferreiro et al.,
1998; Sander et al., 2007; Fox et al., 2009). Der Funktionsverlust von Gsc in Maus, Frosch
oder Zebrabärbling bewirkte also keine Fehlspezifizierung von Ektoderm, Entoderm und
Mesoderm, was bei einer klassischen induktiven Organisator-Funktion zu erwarten
gewesen wäre.
Die Phänotypen des Funktionsverlusts in Maus und Frosch und des Funktionsgewinns in
Frosch ließen sich nicht zu einem einheitlichen Bild der Wirkung von Gsc verknüpfen. Um
der Funktion von Gsc näher zu kommen wurden Funktionsgewinnexperimente in der Maus
unternommen. So wurde in der Maus Goosecoid unter Kontrolle des PrimitivstreifenEnhancers von Brachyury (T) fehlexpremiert (Clements et al., 1996; Deissler, 2002).
Hierfür wurde ein Cre-induzierbares Konstrukt gewählt, bei dem unter Kontrolle des TPrimitivstreifenpromotor Gsc konditional im gesamten Primitivstreifen exprimiert wurde
(Lewandoski et al, 2001; Deissler, 2002). Dies induzierte überraschenderweise
Neuralrohrschlussdefekte (NTDs) anstatt der erwarteten Achsendefekte (Deissler, 2002).
Die Spezifität dieser Defekte wurde durch chimäre Mäuse aus wildtypischen und Gscüberexprimierenden Zellen nachgewiesen, die NTDs bis hin zur Craniorachischisis zeigten
(Deissler, 2002). Die Wahl des Primitivstreifenpromotors von T erfolgte jedoch, bevor
bekannt war, dass der Repressor Gsc die Transkription von Brachyury inhibiert (Artinger
et al., 1997; Latinkic et al., 1999; Boucher et al., 2000). Deshalb führte dieses Konstrukt
nur zu einer transienten und schwachen Überexpression von Gsc, da sich das Konstrukt
selbst inhibierte (Deissler, 2002). Folgerichtig wurde eine weitere transgene Maus
hergestellt, die eine mutierte Gsc-Erkennungssequenz im T-Primitivstreifenpromotor
aufwies (Boucher et al., 2000). In dieser Mauslinie traten massive Defekte bei der
Embryonalentwicklung und eine hohe Letalität um Tag 8.5 auf. Die Embryonen waren
gedrungen
und
die
Elongation
der
Chorda
fehlte
völlig.
Trotzdem
war
überraschenderweise die Spezifizierung der Keimblätter nicht gestört (Andre, 2004).
24
Einleitung
Arbeitshypothese Goosecoid:
Gsc als Repressor PCP-vermittelter konvergenter Extension
Vorarbeiten zeigten, dass die dorsale Überexpression von Gsc in Xenopus laevis zu NTDs
und BPDs führte, vergleichbar mit Defekten bei der Überexpression in der Maus (Ulmer,
2008). CE ist sowohl in der Maus als auch im Frosch für den Neuralrohrschluss, die
Elongation des Notochords und des gesamten Embryos wichtig (Keller et al., 1992; YbotGonzalez et al., 2005; García-García et al., 2008; Keller et al., 2008). Diese CE benötigt
planare Zellpolariät, die über den nicht-kanonischen Wnt-Signalweg reguliert wird. Für die
Erforschung konvergenter Extensionsbewegungen und seiner genetischen Regulation
über den PCP-Signalweg ist Xenopus ein vielgenutzter Modellorganismus (Wallingford et
al., 2002; Wallingford und Mitchell, 2011). Deshalb wurde in dieser Promotion die Rolle
von Gsc bei der CE in Xenopus analysiert. Dafür wurden Funktionsgewinn- und
Funktionsverlustexperimente in vivo im axialen mesodermalen Gewebe der Chorda und
der Prächordalplatte sowie im Neuroektoderm durchgeführt, sowie ex vivo in Explantaten
und auf zellulärer Ebene. Dabei war das Ziel, eine eventuelle funktionelle Rolle des
Transkriptionsfaktors Goosecoid als Inhibitor PCP-abhängiger CE zu erforschen. So sollte
der Zusammenhang zwischen anterior-posteriorer Identität, Gastrulations-Bewegungen
und PCP-Signalweg untersucht werden.
25
Ergebnisse 1. Teil
Ergebnisse 1. Teil:
Eine weitere Rolle des Organisator-Gens Goosecoid:
Repression PCP-abhängiger konvergenter Extension
Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit lag in der Untersuchung der Funktion des
Homeobox-Transkriptionsfaktors Gsc während der frühen Embryogenese von Xenopus
laevis. Dabei wurde die Hypothese untersucht, ob Gsc PCP-abhängige konvergente
Extensionsbewegungen (CE) reguliert.
Ektope Gsc Expression induziert Neuralrohr- und Blastoporusschlussdefekte
Um die Funktion von Gsc während den aufeinanderfolgenden Entwicklungsstufen der
Gastrulation und Neurulation zu analysieren, wurden Funktionsgewinnexperimente mit
einer punktgenauen zeitlichen Aktivierung durchgeführt. Dafür wurde ein Fusionskonstrukt
genutzt, bei dem die codierende Sequenz von Gsc mit der Ligandenbindedomäne des
Glucocorticoidrezeptors (GR) verbunden ist (Shapira et al., 1999). Diese Domäne wird von
„HeatShock“-Proteinen gebunden, die einen Transport des Proteins in den Nucleus
verhindern. Nach Injektion der Gsc-mRNA wird GscGR-Protein zwar im Cytoplasma
angereichert, der Transkriptionsfaktor Gsc kann aber nicht in den Zellkern gelangen, um
dort seine repressive Wirkung auszuüben. Erst nachdem das synthetische Steroidhormon
Dexamethason (Dex) ins Kulturmedium gegeben wird, gelangt GscGR in den Zellkern
(Shapira et al., 1999). Damit sind injizierte Embryonen ohne Zugabe von Dex eine ideale
Kontrolle, um Injektionsartefakte auszuschließen. Folgerichtig gab es auch keinen
signifikanten Unterschied zwischen GscGR-mRNA-injizierten Embryonen ohne DexZugabe (-Dex, 92% Wildtyp, n=199, Abb. 5) und uninjizierten Kontrollembryonen (Ko, 93%
Wildtyp, n=287, Abb. 5). Die Inkubation mit Dex (10µg/ml) bewirkte ebenfalls keine
Veränderung der uninjizierten Kontrollembryonen (nicht gezeigt). Nur der Funktionsgewinn
von
GscGR
nach
Dex-Zugabe
ließ
Abweichungen
von
einer
wildtypischen
Embryonalentwicklung erkennen. Dabei führte eine ventrale Injektion der Gsc-mRNA wie
in der Literatur beschrieben zur Induktion von Doppelachsen (Abb. 5; Cho et al., 1991).
Bei einem dorsalen Injektionsschema bewirkte GscGR dagegen NTDs und BPDs in einem
klar umrissenen Zeitfenster (Abb. 5; Zahlen und Signifikanzen aller Experimente mit
26
Ergebnisse 1. Teil
Abbildung 5: Gsc-Überexpression auf der Ventralseite induziert partielle Doppelachsen und inhibiert
dorsal CE
GscGR-mRNA wurde ventral (A) oder dorsal (C) injiziert und durch Zugabe von Dex aktiviert. (A,B) Ein
ventrales Injektionsschema bewirkte die Entstehung partieller Doppelachsen. Bei einer Überexpression von
Gsc in der dorsalen Randzone (dmz Inj., C) und dorsal-animal (do-an Inj, C) entstehen Neuralrohr- (NTDs;
grün; E,G) und Blastoporusschlussdefekte (BPD; rot; F,G). Das Chorda ist rot umrandet, das Neuralrohr ist
schwarz markiert. (G) Zusammenstellung der Ergebnisse. Man beachte, dass GscGR CE-Phänotypen
bewirkt, wenn es vor oder während der Gastrulation aktiviert wird. (D,E,F) Dorsale Ansichten exemplarischer
Phänotypen, anterior ist links. (D',E',F') Transversale Schnitte der in (D,E,F) dargestellten Embryonen.
(D'',E'',F'') Vergrößerung der Transversalschnitte (D',E',F').
an, animal; d, dorsal; l, links; r, rechts; v, ventral; veg, vegetal.
GscGR in Tabelle 1; Ulmer, 2008). Die GscGR-Injektion in die dorsale Rand- oder
Marginalzone (dmz) führte nach Zugabe von Dex vor der Gastrulation (Stadium 6 bis 9) zu
27
Ergebnisse 1. Teil
BPDs (37%) und NTDs (25%, n=175, Abb. 5). Die Aktivierung von GscGR während der
Gastrulation (Stadium 11) induzierte vorwiegend NTDs (42%) und weniger BPDs (10%,
n=67, Abb. 5, Tabelle 1).
Die Aktivierung von GscGR direkt nach dem Schluss des Blastoporus im Stadium 12.5
übte dagegen keinen signifikanten Effekt auf Neuralrohr- und Blastoporusschluss aus
(98% Wildtyp, n=46, p>0.05, Abb. 5). Damit induzierte Gsc im axialen Mesoderm vor der
Gastrulation BPD (p<0.001) und während der Gastrulation NTD (p<0.001). Bei dorsalanimaler Injektion und Aktivierung von GscGR vor der Gastrulation induzierte die
Fehlexpression von GscGR vorwiegend NTDs (31%), zu einem gewissen Anteil aber auch
BPDs (18%, n=91, Abb. 5). Bei BPDs war die Gastrulation gestört (Abb. 5F) und
Dotterzellen waren von außen sichtbar. In Schnitten war notochordales Gewebe (rot in
Abb. 5F'') und neurales Gewebe (schwarz in Abb. 5F'') teils auf einer Seite, teils auf beiden
Seiten erkennbar, also aufgetrennt.
Der Blastoporusschluss ist abhängig von CE im einwandernden Gewebe, die unter
Kontrolle des PCP-Signalwegs steht (Ewald et al., 2004). Bei NTDs waren die Neuralfalten
weit voneinander entfernt (gestrichelte schwarze Linie in Abb. 5E), während in
Kontrollembryonen (Abb. 5D) des gleichen Geleges die Neuralfalten direkt benachbart
waren. In Schnitten war zusätzlich erkennen, dass dies auf einer verbreiterten Bodenplatte
beruhte (schwarz in Abb. 5E''). Der Neuralrohrschluss beruht ebenfalls auf CE der
Neuralplatte und insbesondere der Bodenplatte (Wallingford, 2002; Ueno und Greene,
2003). Die Chorda von Embryonen mit NTD war breiter (rot) und das Archenteron
kollabierte (Abb. 5E''). Auch diese Prozesse sind abhängig von CE (Ewald et al., 2004).
Die Phänotypen nach Gsc-Fehlexpression wiesen also auf eine gestörte CE hin. Dabei
war sowohl das axiale Mesoderm als auch das Neuroektoderm betroffen. Inwieweit dabei
GscGR auf zellulärer Ebene und in Gewebeexplantaten direkt auf CE wirkt, wurde in den
folgenden Experimenten analysiert.
28
Ergebnisse 1. Teil
Injektion von Gsc verhindert zellautonom die CE der Neuralplatte
Abbildung
GscGR
6:
Überexpression
verhindert
von
zellautonom
die
bipolare Elongation und Interkalation
der Zellen in der Neuralplatte
Co-Injektion von GscGR und RhodaminDextran
(rot
fluoreszierend)
in
eine
dorsale Blastomere eines 8-Zell-Embryos
und Kultur bis St. 16 mit (+dex) oder ohne
Aktivierung
(-dex).
Phalloidin
(grün)
markierte die Zellform in einem zentralen
Bereich der Neuralplatte (Kasten). (A)
Interkalation
der
Zellen
(-dex):
Durchmischung von rot fluoreszierenden
und
nicht
fluoreszierenden
Zellen
(Sternchen in A''). (B) Klare Abgrenzung
der
Bereiche
sowie
Änderung
der
Zellform nach Aktivierung von GscGR
(+dex).
(C-E)
Streckungsgrades
Auswertung
der
des
Zellen
(Breite
durch Länge). Der Farbgradient von
hellgelb (rund, 1) bis dunkelrot (länglich,
0) verdeutlicht die Änderung der Zellform
von
elongierten
Zellen
auf
der
uninjizierten Seite (C) zu eher rundlichen
Zellen nach Aktivierung von GscGR (D).
(E) Signifikant weniger elongierte Zellen
(Streckungsgrad<0,5)
nach
Fehlexpression
Vergleich
im
GscGRzur
uninjizierten Seite. a, anterior; l, links; p,
posterior; r, rechts. Zeichnungen der
Embryonen mit Erlaubnis abgewandelt
aus Nieuwkoop und Faber, 1994
Die CE der Neuralplatte beruht auf der Interkalation bipolar elongierter Zellen (Davidson
und Keller, 1999). Inwieweit diese durch den Funktionsgewinn von Gsc beeinflusst wird,
wurde durch unilaterale Injektion untersucht. Dadurch konnte die uninjizierte Seite als
29
Ergebnisse 1. Teil
interne Kontrolle dienen. Bei unilateraler Co-Injektion von Rhodamin-Dextran und GscGR
im 8-Zell-Embryo fluoreszierte im Stadium 16 die injizierte Seite der Neuralplatte rot. In
GscGR-injizierten Embryonen ohne Zugabe von Dex war eine Durchmischung von
fluoreszierenden und nicht fluoreszierenden Zellen zu sehen (Sternchen in Abb. 6A''). Dies
lässt auf eine Interkalation der Zellen schließen. Nach Aktivierung von GscGR gab es
dagegen
keine
Durchmischung
zwischen
den
rot
fluoreszierenden
und
nicht
fluoreszierenden Zellen. Dies wies auf eine Störung der Interkalation hin (Abb. 6B''). Die
Neuralplattenzellen, deren Kontur durch Phalloidin visualisiert wurde, waren zudem
weniger stark elongiert (Abb. 6B). Ein Farbgradient visualisiert den Streckungsgrad der
Zellen von hellgelb (runde Zellen, Seitenverhältnis 1) bis dunkelrot (elongierte Zellen,
Seitenverhältnis nähert sich 0, nach Beyer et al., 2011). In der in Abbildung 6D gezeigten
Neuralplatte verringerte sich nach Überexpression von GscGR der Anteil an elongierten
Zellen mit einem Seitenverhältnis unter 0,5 von 32% (n=173) signifikant (p=0,001) auf 15%
(n=105; Abb. 6D). Dieser Effekt war zellautonom, betraf also nur die anhand der
Fluoreszenz unterscheidbaren injizierten Zellen und nicht die benachbarten uninjizierten
Kontrollzellen derselben Neuralplatte.
Fehlexpression von Gsc reduziert die Elongation des axialen Mesoderms
Die
Chorda
verlängert
sich
während
der
Gastrulation
durch
konvergente
Extensionsbewegungen. Direkter als im ganzen Embryo lässt sich dieser Prozess ex vivo
in sogenannten Keller „open face“ Explantaten nachvollziehen (Keller et al., 1992a). Bei
diesen Explantaten wird zu Beginn der Gastrulation im Stadium 10.0 bis 10.5 ein 120°
großes Fragment, das Mesodem und Ektoderm enthält, aus dem Embryo präpariert und
kultiviert, bis unbehandelte Embryonen aus demselben Gelege Stadium 22 erreichen
(schematische Darstellung in Abb. 7A). Das mesodermale, chordale Gewebe elongiert in
diesem Zeitraum in vivo und im Explantat durch konvergente Extensionsbewegungen. Zur
qualitativen Bewertung wurde auf das von Kühl und Kollegen 2001 publizierte Schema
zurückgegriffen: Explantate ohne Elongation gehören zur Klasse 0, Explantate mit
Elongation zur Klasse 1 und Explantate, die neben einer Elongation auch eine Konstriktion
vorwiesen, zur Klasse 2 (Abb. 7B). Ohne Dex-Behandlung, das heißt ohne GscAktivierung elongierten die Explantate gut, so dass die Mehrheit der Exemplare unter die
30
Ergebnisse 1. Teil
Klasse 2 fiel (36 von 51, entspricht 71%). Dex-behandelte Explantate waren dagegen in
Elongation und Konstriktion schwer beeinträchtigt und die Anzahl der Klasse 2-Explantate
war auf etwa ein Viertel (19 von 75) signifikant (p<0.01) reduziert. Dagegen war bei einer
Aktivierung von Gsc die Klasse 1 am häufigsten vertreten (36 von 75, 48%; Abb. 7C).
Abbildung 7: Gsc-Überexpression im axialen Mesoderm inhibiert konvergente Extension
(A) Keller „open face“-Explantate elongierten signifikant weniger nach Aktivierung von GscGR (+dex). (B)
Elongierte Explantate mit Konstriktion wurden dabei als Klasse 2 (blau) bezeichnet, bei einer Elongation
ohne Konstriktion als Klasse 1 (grün) und ohne Elongation als Klasse 0 (rot). (D-G) Xbra-Expression in den
Neurulastadien 14 und 19 zeigte eine breitere und kürzere Domäne (Pfeilspitzen) in dex-behandelten
Embryonen (E,G) im Vergleich zu unbehandelten Embryonen (D,F). an, animal; d, dorsal; l, links; r, rechts; v,
ventral; veg, vegetal. (D-G) dorsale Ansicht, anterior oben. Schemazeichnungen Bernd Schmid, Hohenheim.
31
Ergebnisse 1. Teil
Um die Elongation der embryonalen Mittellinie in Neurulastadien zu verfolgen, wurde die
notochordale Expression von Xbra durch in situ-Hybridisierung (ISH) mit Xbra-AntisinnSonde im Ganzpräparat untersucht. In Embryonen ohne Aktivierung von GscGR war die
Chorda in Neurulaembryonen in anterior-posteriorer Richtung elongiert, was durch eine
verlängerte und schmale Xbra-Expressionsdomäne gezeigt wurde (Abb. 7D,F). Dexbehandelte Embryonen aus demselben Gelege wiesen dagegen eine kürzere und breitere
Xbra-Domäne auf, übereinstimmend mit einer unzulänglichen Prolongation der Mittellinie
bzw. der Chorda (Abb. 7E,G). Damit konnte sowohl in Explantaten als auch im
Ganzpräparat von Xenopus gezeigt werden, dass der Gsc-Funktionsgewinn konvergente
Extensionsbewegungen des axialen Mesoderms inhibiert. Zusammenfassend konnte also
gezeigt
werden,
dass
die Aktivierung
von
GscGR
konvergente
Extension
im
Neuroektoderm und in der Chorda inhibiert.
Der Effekt von Gsc beruht auf einer Repression des PCP-Signalwegs
Eine wichtige Voraussetzung für den Prozess der konvergenten Extension ist die
Polarisierung der Zellen, die wiederum durch den PCP-Signalweg gewährleistet wird.
Falls der Homeobox-Transkriptionsfaktor Gsc direkt oder indirekt reprimierend auf den
PCP-Signalweg wirken würde, sollte eine Co-Injektion mit aktiven Komponenten dieses
Signalweges zu einer Abmilderung des Phänotyps führen. Für diese Versuche wurde unter
anderem RhoA ausgewählt, das zu den sogenannten Effektoren des PCP-Signalwegs
gezählt wird und während der CE das Aktin-Zytoskelett reorganisiert (Tahinci und Symes,
2003). Des weiteren wurden Co-Injektionen mit Prickle und Vangl2 vorgenommen, die zu
den „Core“-Komponenten (engl. für Kern) des PCP-Signalwegs gehören und unter
anderem für die korrekte Lokalisierung von Dvl notwendig sind (Jones und Chen, 2007).
Während das konstitutiv-aktive Konstrukt RhoAV14 (Paterson et al., 1990) in 26% der
Fälle einen Effekt hatte, bewirkte GscGR (+Dex) bei 78% der Embryonen NTDs oder
BPDs (Abb. 8A). Die Co-Injektion verminderte die Missbildungsrate signifikant auf 52%
(Zahlen und Signifikanzen in Tabelle 1). Zusätzlich war auch der relative Anteil
schwerwiegender BPDs reduziert. Des weiteren wurde untersucht, ob ein dominantnegativ wirkendes Konstrukt (RhoAN19; Paterson et al., 1990) den Effekt von GscGR
32
Ergebnisse 1. Teil
Abbildung 8: „Core“-PCP-Komponenten kompensieren Gsc-Funktionsgewinn
GscGR und konstitutiv-aktive (ca) RhoA (A), dominant-negative (dn) RhoA (B), Prickle (C) bzw. Vangl2 (D)
wurden jeweils einzeln oder in Kombination in die dorsale Marginalzone injiziert und unter Zugabe von Dex
kultiviert. Uninjizierte Kontrollen dienten als Vergleich. In die Auswertung (A'',B'',C'',D'') floss neben dem
Anteil an Wildtypembryos (blau) die Anzahl der NTDs (grün) und BPDs (rot) ein. Schwarz gestrichelte Linien
markieren das Neuralrohr, rot gestrichelte Linien die Chorda dorsalis in transversalen Schnitten durch
Embryonen, die einen NTD (A',D') oder BPD (B',C') aufwiesen.
33
Ergebnisse 1. Teil
dementsprechend verstärkt. Aufgrund erhöhter Letalität bei Co-Injektion wurde die
Konzentration des GscGR-Konstruktes 2.5-fach auf 160 pg reduziert. Dadurch reduzierte
sich die BPD/NTD-Rate auf 41% (Abb. 8). Bei einer gleichzeitigen Injektion mit dominantnegativem RhoA stieg dieser Prozentsatz auf 78%, ein signifikanter Unterschied zur
alleinigen Injektion von RhoA N19. Eine partielle Reversion des GscGR-induzierten
Phänotyps gelang auch durch Co-Injektion von Prickle sehr hoch signifikant (Abb. 8C,
Tabelle 1). Auch durch die gleichzeitige Fehlexpression von Vangl2 reduzierte sich die
Anzahl an Embryonen mit NTDs und BPDs signifikant von 63% auf 44% (Abb. 8D). In
allen Versuchen hatte auch die Überaktivierung des PCP-Signalwegs Auswirkungen auf
Neuralrohrschluss oder Blastoporusschluss, was für diesen Signalweg charakteristisch ist.
Ein Funktionsgewinn stört dabei die Zellform auf die gleiche Weise wie ein
Funktionsverlust
und
bewirkt
damit
die
hier
beschriebenen
BPD
und
NTD.
Transversalschnitte durch Embryonen, die durch Injektion von Vangl2 (Abb. 8D,D') und
konstitutiv-aktiver RhoA (Abb. 8A,A') einen NTD aufwiesen, ähnelten dem durch GscGR
induzierten Phänotyp mit einer verbreiterten Bodenplatte und einer vergrößerten Chorda.
Auch die BPD, hier beispielhaft durch Überexpression von dominant-negativem RhoA
(Abb. 8B) oder Prickle (Abb. 8C) entstanden, waren mit Phänotypen durch GscFehlexpression vergleichbar. Sie wiesen neurales Gewebe auf beiden Seiten auf.
Interessanterweise gab es hier ebenfalls Beispiele mit beidseitig notochordalem Gewebe
(Abb. 8B). Der Gsc-Funktionsgewinn ließ sich also durch gleichzeitige Fehlexpression von
Komponenten des PCP-Signalwegs kompensieren, was auf eine Inhibition dieses
Signalwegs durch Gsc schließen lässt. Als Homeobox-Transkriptionsfaktor könnte Gsc
dabei die Expression verschiedener Zielgene, die eine Rolle im PCP-Signalweg spielen,
reprimieren.
Brachyury und Wnt11 retten Gsc-induzierte NTDs und BPDs
Brachyury, ein direktes Zielgen von Gsc, induziert die Transkription von Wnt11 während
der Gastrulation und reguliert damit CE in Xenopus (Tada und Smith, 2000). Diese
Funktion nimmt GscGR auch in der ektopen Situation wahr: ohne Zugabe von Dex wurde
Xbra ringförmig um den Blastoporus exprimiert (94%, n=51). Bei Aktivierung von GscGR
war die Expression an der Injektionstelle (rot markiert mit Hilfe einer Co-Injektion von β34
Ergebnisse 1. Teil
Galaktosidase) in 47% der Embryonen unterbrochen (Abb. 9B,C; n=74, p<0.001). Die
genetische Interaktion von Gsc, Brachyury und Wnt11 bei der Regulation konvergenter
Extension zeigte sich durch Co-Injektion der Komponenten: die simultane Überexpression
von Brachyury aus der Maus (T) reduzierte den Anteil an Embryonen mit NTDs und BPDs
von 79% (Abb. 9A, n=129) auf 65% (Abb. 9A, n=150, p<0.01). Auch die Co-Injektion von
Wnt11 verhinderte das durch Gsc-Injektion hervorgerufene Entstehen von CEPhänotypen, so dass sich die Anzahl an wildtypischen Embryonen von 11% (n=73) auf
33% (n=93) verdreifachte (Abb. 9A, p<0.01).
Abbildung 9: Gsc interagiert mit Brachyury und Wnt11
(A) Der Anteil an GscGR-induzierten NTDs (grün) und BPDs (rot) sank durch Co-Injektion von Brachyury (T)
und Wnt11 signifikant. (B,C) Bei Aktivierung von GscGR wurde an der injizierten Stelle (Pfeilspitzen) die
Expressionsdomäne von Brachyury rund um den Blastoporus unterbrochen.
35
Ergebnisse 1. Teil
wt
GscGR, 10 Experimente
n
uninjizierte Kontrolle mit/ohne dex 267
GscGR ohne dex
183
GscGR + dex St 6-8
67
GscGR + dex St 11
32
GscGR + dex St 12,5
46
RhoAca, 4 Experimente
uninjizierte Kontrolle mit/ohne dex 95
GscGR ohne dex
20
GscGR und RhoAca ohne dex
51
GscGR mit dex
20
Rescue (GscGR und RhoAca mit
60
dex)
RhoAdn, 4 Experimente
uninjizierte Kontrolle mit dex
149
GscGR 160 pg ohne dex
85
GscGR 160 pg mit dex
65
GscGR und RhoAdn ohne dex
55
Rescue (GscGR und RhoAdn mit
22
dex)
Prickle, 4 Experimente
uninjizierte Kontrolle ohne dex
137
GscGR ohne dex
70
GscGR und Prickle ohne dex
70
GscGR mit dex
18
Rescue (GscGR und Prickle mit
43
dex)
Vangl2, 6 Experimente
uninjizierte Kontrolle ohne dex
115
GscGR ohne dex
55
GscGR und Vangl2 ohne dex
90
GscGR mit dex
38
Rescue (GscGR und Vangl2 mit
70
dex)
T, 6 Experimente
uninjizierte Kontrolle ohne dex
131
GscGR ohne dex
37
GscGR und T ohne dex
82
GscGR mit dex
27
Rescue (GscGR und T mit dex)
53
Wnt11, 3 Experimente
uninjizierte Kontrolle
45
GscGR ohne dex
20
BPD
% n %
93,0 3 1,0
92,0 6 3,0
38,3 64 36,6
47,8 7 10,4
97,9 1 2,1
NTD
n %
17 5,9
10 5,0
44 25,1
28 41,8
0,0
n
95,0 5
80,0 1
73,9 4
22,2 61
0
4
14
9
100
25
69
90
5,0
4,0
5,8
67,8
0,0
16,0
20,3
10,0
n Defekte p wt~Defekte
Chi-Square
287 20
199 16
175 108
<10-4
67 35
<10-4
47 1
80
5
5
18
70
48,0 24 19,2 41 32,8 125 65
96,1 3
88,5 4
58,6 20
47,4 37
1,9
4,2
18,0
31,9
3
7
26
24
1,9
7,3
23,4
20,7
155
96
111
116
6
11
46
61
21,8 61 60,4 18 17,8 101 79
95,8 2
93,3 5
82,4 9
22,0 49
1,4
6,7
10,6
59,8
4
0
6
15
2,8
0,0
7,1
18,3
143
75
85
82
45
95,8 0
94,8 2
72,0 10
37,3 48
5
3
35
64
5
1
25
16
4,2
1,7
20,0
15,7
120
58
125
102
<10-4
6
5
15
64
48,9 35 39,8 10 11,4 88
0,0
3,4
8,0
47,1
<10-4
<10-4
55,6 40 31,7 16 12,7 126 56
6
94,9 2
90,2 2
79,6 8
20,9 82
35,3 44
0,008
1,4
4,9
7,8
63,6
29,3
5
2
13
20
53
3,6
4,9
12,6
15,5
35,3
138
41
103
129
150
90,0 1 2,0 4 8,0 50
80,0 4 16,0 1 4,0 25
7
4
21
102
97
5
5
36
Ergebnisse 1. Teil
GscGR und Wnt11 ohne dex
GscGR mit dex
Rescue (GscGR und Wnt11) mit
dex
23 69,7 3 9,1 7 21,2 33
8 11,0 54 74,0 11 15,1 73
10
65
31 33,3 38 40,9 24 25,8 93
62
Tabelle 1: Durch Funktionsgewinn von GscGR induzierte NTDs und BPDs können durch den
gleichzeitigen Funktionsgewinn von Komponenten des PCP-Signalwegs gerettet werden
Zusammenfassende
Darstellung
aller
Funktionsgewinnexperimente
unter
Einschluss
statistischer
Signifikanzen (p-Werte). wt, Wildtyp; NTD, Neuralrohrschlussdefekt; BPD, Blastoporusschlussdefekt.
Gsc verhindert die PCP-abhängige Lokalisierung von Dvl2GFP in animalen
Polkappenexplantaten
Die Co-Injektionsexperimente zeigten, dass GscGR-induzierte Phänotypen durch
Komponenten des PCP-Signalwegs gerettet werden konnten, was nahelegte, dass Gsc
den PCP-Signalweg reprimiert. Im PCP-Signalweg ist die subzelluläre Lokalisierung
einzelner Proteine besonders wichtig. Viele Komponenten werden durch eine Rekrutierung
an die Zellmembran aktiviert. Die Zellpolarisierung wird durch eine polare Verteilung der
Proteine auf molekularer Ebene erreicht. Eine direkte Visualisierung im lebenden Embryo
mithilfe von Zeitraffer-Videoaufnahmen scheiterte an der hohen Sterblichkeit der
Explantate in der Langzeitkultur (nicht gezeigt). Alternativ bot sich ein in Xenopus gut
etabliertes System an, um den PCP-Signalweg zu visualisieren: Der DishevelledLokalisierungsassay in animalen Polkappenexplanten. Dabei wird ein Fusionskonstrukt,
bestehend aus GFP und einem Teil von Dishevelled, injiziert. Durch Co-Injektion des WntSignalweg-Rezeptors frizzled7 (fz7) wird das Fusionskonstrukt durch die DishevelledSequenz an die Membran lokalisiert und kann durch GFP visualisiert werden (vgl. Abb.
10A,B; Rothbächer et al., 2000). Diese Membranlokalisierung von Dvl2 zeigt einen aktiven
PCP-Signalweg an (Wallingford et al., 2000; Park et al., 2005) und wird in
Funktionsgewinn- oder Funktionsverlustexperimenten zum Beispiel von Vangl2, Prickle1
und RACK1 verhindert (Carreira-Barbosa et al., 2003; Wehner et al., 2011; Park und
Moon, 2002). Falls Gsc diese Lokalisierung ebenfalls stören würde, könnte man dadurch
den Einfluss von Gsc auf die zelluläre Ebene des PCP-Signalwegs aufzeigen. Diese
Nachweismethode wurde in animalen Kappenexplantaten, die aus undifferenziertem
37
Ergebnisse 1. Teil
Abbildung 10: GscGR inhibiert die Rekrutierung von Dvl2GFP an die Membran und reprimiert Xbra
sowie Wnt11
Dvl2GFP wurde in die animale Region aller Blastomere im 4 bis 8 Zell-Stadium injiziert. Im Stadium 9
wurden animale Kappenexplantate isoliert und kultiviert, bis Kontrollembryonen Stadium 10 erreichten. Coinjiziert wurde Fgf8 (D-F), GscGR (C,F) oder Fz7 (B,C,E,F). Die Fz7-induzierte Rekrutierung von Dvl2GFP
an die Membran (vgl. B,E mit A,D) wurde durch die Aktivierung von Gsc in Fgf8-injizierten animalen
Kappenexplantaten inhibiert (C versus F). (G) Quantifikation. (H-J) RT-PCR-basierte Analyse der GscGR38
Ergebnisse 1. Teil
injizierten animalen Polkappen mit oder ohne Co-Injektion von Fgf8. Xbra und Wnt11 wurden durch Fgf8
stark induziert, diese Induktion wurde durch die Aktivierung von GscGR inhibiert (H). Weder Ncam als
neuraler Marker (I) noch Sox17 als endodermales Gen (J) wurden bei dieser Fgf8-Dosis induziert. Der
Elongationsfaktor1α (EF1α) diente als Ladekontrolle. an, animal; d, dorsal; l, links; r, rechts; RT, reverse
Transkriptase; v, ventral; veg, vegetal.
ektodermalem Gewebe bestehen, durchgeführt (schematisch dargestellt in Abb. 10A, rot).
In diesem Kontext änderte GscGR die Dvl2GFP-Lokalisierung nicht (vgl. Abb. 10B mit
C).Da Gsc in Embryonen hauptsächlich in mesodermalem Gewebe exprimiert ist, wurde
nun der Wachstumsfaktor Fgf8 als mRNA co-injiziert. Dabei wurde die Fgf8b-Spleißform
genutzt, die mesodermales Gewebe induziert und nicht die Fgf8a-Spleißvariante, die
neurales Gewebe induziert (Fletcher et al., 2006). Ein mesodermales Schicksal der
animalen Explantate konnte durch die Induktion von Xbra- und Wnt11-Transkription in RTPCR-Experimenten gezeigt werden (Abb. 10H). Da die animalen Kappen kein Signal für
embryonal neural exprimiertes Ncam hatten, konnte ein neurales Zellschicksal
ausgeschlossen werden (Abb. 10I). Auch entodermal exprimiertes Sox17 wurde nicht
transkribiert, so dass keine entodermale Differenzierung vorlag (Abb. 10J). In diesen
animalen Kappenexplantaten, die durch Fgf8-Injektion zu Mesoderm spezifiziert wurden,
beeinträchtigte die Aktivierung von GscGR die Rekrutierung von Dvl2GFP an die Membran
(vgl. Abb. 10D mit F). So reduzierte sich der Anteil an Kappenexplantaten mit guter
Membranlokalisierung (blau, Abb. 10G) hoch signifikant (p=0.002) von 57% in Dvl2GFPund fz7-injizierten Explantaten auf 16% bei gleichzeitiger Aktivierung von GscGR (blau,
Abb. 10G). Dagegen war Dvl in der Mehrzahl der Explantate (57%, grün, Abb. 10F)
lokalisiert, wobei nur eine partielle Membranlokalisierung zu sehen war (Abb. 10D, rot).
Diese Lokalisierung unterschied sich deutlich von einer „guten Lokalisierung“ (Abb. 10E).
Die RT-PCR-Analyse zeigte zusätzlich, dass eine Aktivierung von GscGR die Induktion
von Xbra und Wnt11 in Fgf8-injizierten Kappen verhinderte (Abb. 10H).
Diese Experimente machten deutlich, dass Gsc nicht direkt oder nur mit einem Co-Faktor
auf den PCP-Signalweg wirkte. Sie unterstrichen jedoch eine endogene Funktion von Gsc
auf den PCP-Signalweg. Diese war kontext-abhängig, also nur nach Injektion von Fgf8 zu
beobachten.
Damit zeigten die Funktionsgewinnexperimente, dass Gsc PCP-abhängig konvergente
Extension reprimierte.
39
Ergebnisse 1. Teil
Funktionsverlust von Gsc beeinträchtigt die Prächordalplattenentwicklung und führt
zu reduziertem Augenabstand sowie Knorpeldefekten
Um zu klären, ob die Regulation des PCP-Signalwegs und der CE eine endogene
Funktion von Gsc ist, wurden Funktionsverlustexperimente durchgeführt. Dafür wurde ein
bereits publiziertes Gsc-Antisinn-Morpholinooligonukleotid (GscASMO) genutzt (Sander et
al., 2007).
Abbildung 11: Reduzierter Augenabstand und
fehlende
Prächordalplatte
nach
Gsc-
Funktionsverlust
(A,B)
Expression
von
Shh-mRNA
in
Kontrollembryonen (A) und nach der Injektion von
GscASMO
(B)
in
der
Chorda
und
in
der
Prächordalplatte (Pfeilspitzen). Starke Reduktion der
Expression
von
Shh
in
der
Prächordalplatte
(Pfeilspitze in B). (C,D) Expression von Frizzled8
(fz8) in der Prächordalplatte von Embryonen im
Stadium 19/20 war nach Injektion von GscASMO (D)
ebenfalls stark reduziert im Vergleich zur Kontrolle
(C). Nach Funktionsverlust von Gsc
war der
Augenabstand reduziert (rote Linie in E und F). (G)
Quantifizierung der Ergebnisse: Das arithmetische
Mittel der Kontrollen wurde auf 1 gesetzt. Durch CoInjektion eines Gsc-Konstruktes aus der Maus wurde
der Phänotyp signifikant gerettet.
ba, Branchialbögen; Ch, Ceratohyale; Ko, Kontrolle;
MC, Meckelscher Knorpel.
40
Ergebnisse 1. Teil
Da Gsc in den wandernden Zellen der Prächordalplatte exprimiert ist, könnten diese Zellen
durch einen Funktionsverlust von Gsc beeinflusst sein. Sonic hedgehog (Shh) wurde
sowohl in der Chorda als auch in der Prächordalplatte (schwarze Pfeilspitzen in Abb.
11A,B) exprimiert. Im Vergleich zu Kontrollembryonen zeigte die Shh-Expressionsanalyse
in GscASMO-injizierten Embryonen im Bereich der Prächordalplatte eine reduzierte oder
fehlende Transkription (Abb. 11A,B). Auch die Expression von frizzled8, die im Stadium
19/20 die Prächordalplatte markiert, war nach Funktionsverlust von Gsc stark reduziert
(Abb. 11C,D). Da ein Verlust der Prächordalplatte zu Embryonen mit fusioniertem
Augenfeld (Zyklopen) führt, wurden die Kaulquappen im Stadium 45 analysiert. Obwohl
der Augenabstand im Vergleich zu Kontrollkaulquappen (Abb. 11E,G, n=103) signifikant
reduziert war, wurden durch GscASMO-Injektion keine Zyklopen induziert (Abb. 11F,G,
n=83). Bei der Co-Injektion eines DNA-Konstruktes mit der kodierenden Sequenz von Gsc
aus der Maus (mGsc) war der Augenabstand wieder signifikant vergrößert (Abb. 11G,
n=76, p<0.001). In der gewählten Konzentration induzierte die mGsc-DNA allein keinen
Unterschied zur Kontrolle (Augenabstand 1.01; Kontrolle als 1 gesetzt, n=18, nicht
gezeigt). Gsc aus der Maus wurde gewählt, da dieses zwar funktionell konserviert ist,
jedoch die Bindestelle des GscASMO in der mRNA nicht vorhanden ist. Dadurch ersetzt
das mGsc-Protein den Verlust an endogenem Xgsc-Protein. Dies verifizierte die
Spezifizität des GscASMO-induzierten Phänotyps.
Eine Knorpelfärbung mit Alcian-Blau verdeutlichte eine Änderung der Morphologie in allen
analysierten Knorpelgeweben (Abb. 12A,B). An exemplarischen Schnitten durch den
Ceratohyale wurde dieser Phänotyp analysiert (Abb. 12C,D). So war die Zellzahl reduziert
und die Knorpelzellen waren weniger elongiert im Vergleich zur Kontrolle. Die
Quantifizierung erfolgte über den Streckungsgrad, also dem Seitenverhältnis der längsten
möglichen Längsachse und der dazu senkrecht stehenden Höhe. Dieser Streckungsgrad
der Knorpelzellen wurde durch einen Farbgradienten visualisiert, der von einem Tiefrot bei
stark elongierten Zellen zu einem Hellgelb bei runden Zellen reichte. In dieser
Farbdarstellung war bei einem Verlust von Gsc auf Proteinebene die Anzahl der rot
markierten Zellen deutlich verringert und damit die Zellform hin zu runderen Zellen
verändert.
41
Ergebnisse 1. Teil
Abbildung
12:
Knorpelzellen
Rundere
nach
Gsc-
„Knock-down“
(A-D)
Mit
Alcian-Blau
wurde
Knorpelgewebe in wildtypischen
und
GscASMO-injizierten
Kaulquappen
Zellform
angefärbt.
wurde
in
Die
frontalen
Vibratomschnitten von Embryonen
im Stadium 45 analysiert. (C,D)
Zeigt
einen
Schnitt
der
exemplarischen
Ceratohyale.
Die
Zellkonturen wurden in ImageJ
nachgezeichnet
(C',D'),
das
Seitenverhältnis wurde berechnet
(C'',D''). Dabei wurde die Zellform
anhand eines Farbgradienten von
gelb nach rot verdeutlicht, bei dem
runde
Zellen
in
hellgelb
und
bipolar elongierte Zellen in tiefrot
dargestellt wurden. Nach einer
Injektion
war
der
Anteil
an
elongierten (roten) Zellen geringer.
GscASMO induziert Gsc-Transkription und hat dosisabhängig widersprüchliche
Effekte
Nach Injektion eines Gsc-Antisinn-Konstrukts war die Chorda anterior elongiert
(Steinbeisser et al., 1995). In Übereinstimmung mit der hier verfolgten Hypothese, dass
Gsc CE inhibiert, könnte im Funktionsverlust eine verstärkte Elongation der Chorda
vorliegen. Dies könnte wiederum die Entwicklung der Prächordalplatte beeinträchtigen.
Daher wurde im nächsten Schritt die Chorda durch die Expression von Xbra in
Neurulaembryonen über ISH im Ganzpräparat analysiert. Überraschenderweise war die
notochordale Expressionsdomäne von Xbra breiter und kürzer (Abb. 13D, n=37,
Seitenverhältnis 0.61) als bei Kontrollembryonen (Abb. 13C, n=34, Seitenverhältnis als 1
42
Ergebnisse 1. Teil
Abbildung 13: Funktionsgewinn von Gsc bei Injektion niedriger Dosen von GscASMO
(A,B) Die Expression von Gsc-mRNA in GscASMO-injizierten Embryonen (B) war deutlich stärker als in
Kontrollembryonen (A) und reichte weiter nach posterior, deutlich näher an den Blastoporus (Pfeilspitze)
heran. (C-E) Bei einer Injektion mit 3pMol GscASMO war das Seitenverhältnis der Xbra-Expressionsdomäne
(Verhältnis von Länge zu Breite, Mittelwert der Kontrollen entspricht 1) signifikant kleiner. (F,G) Die Injektion
sehr hoher Dosen (10pMol) GscASM0 bewirkte dagegen eine tendenzielle, aber nicht signifikante
Verlängerung der Chorda, verglichen mit Kontrollen und mit mGsc co-injizierten Embryonen. Embryonen in
dorsaler Ansicht, anterior links. a, anterior; d, dorsal; Ko, Kontrolle; KoMO, Kontrollmorpholino; n.s., nicht
signifikant; p, posterior; v, ventral.
gesetzt, Quantifikation in Abb. 13E), ähnlich wie bei Gsc-Funktionsgewinn. GscTranskription selbst wurde als Marker der Prächordalplatte benutzt, da AntisinnMorpholinooligonukleotide primär die Translation beeinträchtigen, nicht jedoch die
Transkription. Damit beeinflusst der Funktionsverlust nur die Menge des Proteins, jedoch
nicht die Menge an mRNA. Im Vergleich zu den Kontrollembryonen (Abb. 13A) war die
Expressionsdomäne von Gsc nicht nur deutlich stärker, sondern auch weiter nach
43
Ergebnisse 1. Teil
posterior ausgebreitet, so dass sie fast den Blastoporus erreichte (Pfeilspitzen, Abb. 13B).
Die Induktion der Transkription von Gsc bei einer Inhibition der Translation kann durch die
bekannte negative Autoregulation von Gsc erklärt werden (Danilov et al., 1998). Die
Rückkopplungsschleife wird dabei durch das GscASM0 unterbrochen. Die beobachtete
Verstärkung des Signals sowie die ektope Ausprägung (Abb. 13B) ließen einen partiellen
Gsc-Funktionsgewinn vermuten.
Deshalb wurde die Konzentration des GscASMO erhöht, um die zusätzliche Menge an
mRNA zu kompensieren. In dieser höheren Konzentration war die Länge der Chorda
durch Injektion von GscASMO (n=29, relative Länge 1.14, Kontrollen als 1 gesetzt, Abb.
13H) nicht signifikant verändert (p>0.05). Allerdings gab es eine Tendenz zu einer
verlängerten Chorda. Diese leichte Längenzunahme reduzierte sich wieder bei CoInjektion von Goosecoid aus der Maus (mGsc, 1.07, n=29, Abb. 13H).
Gsc-Funktionsverlust induziert CE im Polkappentest
Die Elongation der Chorda dorsalis kann in animalen Kappenexplantaten analysiert
werden, bei denen durch Zugabe von Activin-Protein ins Kulturmedium Mesoderm
induziert wird (Green und Smith, 1990; Green, 1999). Dabei wird in niedrigen Dosen nur
Brachyury induziert, während in höheren Dosen neben Brachyury auch Gsc induziert wird
(Gurdon et al., 1994).
Es wurden zwei Konzentrationen von Activin gewählt, die beide konvergente
Extensionsbewegungen induzierten. In drei unabhängigen Experimenten wurde RNA aus
Kontrollmorpholino- und GscASMO-injizierten Kappenexplantaten isoliert, die zuvor mit
einer Dosis von 25ng/µl oder 125ng/µl Activin inkubiert wurden. Nach semiquantitativer
RT-PCR wurde die Expression von Goosecoid und Brachyury ins Verhältnis zur
Expression des Elongationsfaktors EF1α gesetzt und quantifiziert. In allen Teilgruppen
wurde durch die Inkubation mit hohen und niedrigen Dosen von Activin BrachyuryExpression induziert, sie variierte jedoch erheblich (nicht gezeigt). In Kontrollmorpholinoinjizierten Explantaten war Gsc bei niedrigee Activin-Dosis nicht exprimiert. Hohe ActivinDosis induzierte Gsc in Kontroll-Morpholino-injizierten animalen Kappenexplantaten (Abb.
14). Wie durch ISH im Ganzpräparat nach GscASMO-Injektion beobachtet werden konnte
(Abb. 13), führte die Inhibition der Translation von Gsc somit auch in animalen
44
Ergebnisse 1. Teil
Kappenexplantaten zu einer verstärkten Gsc-Transkription (Abb. 14).
Abbildung 14: Induktion von Gsc-Transkription durch hohe Activin-Dosen und durch GscFunktionsverlust in animalen Kappenexplantaten
Herstellung von cDNA mittels reverser Transkriptase (RT) aus animalen Kappenexplantaten. Quantifizierung
der relativen Expressionsstärke von Gsc im Vergleich zu EF1α nach semiquantitativer RT-PCR. Im Mittelwert
von 3 vorläufigen Experimenten war trotz einer großen Streuung der Werte die Induktion von GscExpression nach Kultivierung in einer hohen Konzentration von Activin (125 ng/µl) zu sehen. Während bei
der niedrigen Activin-Dosis in Kontrollmorpholino(KoMo)-injizierten animalen Kappenexplantaten keine GscExpression vorlag, induzierte die Injektion von GscASMO in animalen Kappenexplantaten auch bei niedriger
Activin-Konzentration Gsc-Expression.
Trotz des vorläufigen und schwankenden Charakters der Experimente ist festzuhalten,
dass bei den gewählten Acitivin-Konzentrationen Goosecoid nur in hoher Dosis exprimiert
wurde. Die ektopische Transkription der GscASMO-induzierten Gsc-mRNA sollte dagegen
durch die Inhibition der Translation mittels einer erhöhten Dosis von GscASMO
kompensiert werden. Damit konnte der Funktionsverlust von Gsc nach Injektion von
GscASMO in alle 4 Blastomere im 4-Zell-Embryo in Kappenexplantaten nach Kultur über
Nacht phänotypisch ausgewertet werden. Bei einer niedrigen Dosis von Activin hatte der
Gsc-Funktionverlust keinen Einfluss auf die CE (Abb. 15). Diese niedrige ActivinKonzentration konnte aber die Expression von Gsc ebenfalls nicht induzieren (Abb. 14).
Bei einer hohen Konzentration von Activin erhöhte sich dagegen der Anteil an elongierten
Kappenexplantaten im Gsc-Funktionsverlust signifikant (p<0.01, Abb. 15). Damit konnte
gezeigt werden, dass der Funktionsverlust von Gsc positiv auf PCP-abhängige CE wirkt,
wenn auch ex vivo im animalen Polkappentest.
45
Ergebnisse 1. Teil
Zusammengefasst
induzierte
der
Funktionsverlust
von
Goosecoid
CE,
der
Funktionsgewinn dagegen inhibierte CE. Dies führte im Funktionsverlust zu einer Störung
der Entwicklung des prächordalen Mesoderms, und im Funktionsgewinn zu BPDs und
NTDs. Diese konnten über den PCP-Signalweg gerettet werden.
Abbildung 15: In animalen Kappenexplantaten mit mesodermalem Schicksal verstärkt GscFunktionsverlust die Achsenelongation
Aus GscASMO-injizierten Embryonen wurden animale Kappenexplantate präpariert und mit verschiedenen
Activin-Dosen behandelt. Nur bei animalen Kappenexplantaten, die mit hohen Dosen von Activin behandelt
worden waren, verstärkte der Funktionsverlust von Gsc die Elongation. Eingeteilt wurden die Explantate
dabei als nicht elongiert (rot), teilweise elongiert (grün) und elongiert (blau).
an, animal; d, dorsal; l, links; n.s., nicht signifikant; r, rechts; v, ventral; veg, vegetal.
46
Ergebnisse 2.Teil
Ergebnisse 2. Teil:
Planare Zellpolarität steuert den linksgerichteten Flüssigkeitsstrom
Bei der Entstehung der Links-Rechts-Achse wird die Information der beiden bestehenden
Achsen (dorsal-ventral und anterior-posterior) für die posteriore Lokalisierung des Ciliums
an der apikalen Membran der GRP-Zellen respektive der PNC-Zellen genutzt. Alle Cilien
schlagen (aus ventraler Sicht) im Uhrzeigersinn und produzieren so den symmetriebrechenden linksgerichteten Flüssigkeitsstrom. Ohne Flüssigkeitsstrom kommt es zu
keiner Induktion der Nodalkaskade im linken Seitenplattenmesoderm (Okada et al., 1999;
Hirokawa et al., 2006; Schweickert et al., 2007). Der PCP-Signalweg steuert dabei die
Lokalisierung der Cilien durch die Ausrichtung der Basalkörper, aus denen die Cilien
auswachsen (Hashimoto und Hamada, 2010). Dabei ist der Basalkörper erst mittig
orientiert und wandert dann parallel zur Verlängerung der Cilien und dem Entstehen des
Flüssigkeitsstroms an den posterioren Pol der Zelle (Blum et al., 2009). Diese Orientierung
wird in der Haut des Froschembryos oder in den ependymalen Cilien des Maushirns über
eine positive Rückkopplungsschleife mit dem Flüssigkeitsstrom reguliert (Guirao et al.,
2010; Marshall, 2010). In vielen Mutanten des PCP-Signalwegs funktioniert die posteriore
Lokalisierung der Cilien nicht mehr, wodurch der linksgerichtete Flüssigkeitsstrom gestört
wird. Beispiele dafür sind der Funktionsverlust von BicC oder Vangl1/2 in Maus und
Xenopus (Maisonneuve et al., 2009; Song et al., 2010; Antic et al., 2010).
Lateralitätsdefekte durch Funktionsgewinn von Goosecoid korrelieren zeitlich mit
Störungen der konvergenten Extension
Der in dieser Arbeit gezeigte Einfluss von Goosecoid auf den PCP-Signalweg könnte
damit auch auf die Lateralität wirken. Die durch Überexpression von Gsc induzierten NTDs
und BPDs sowie die Störung der CE erschwerten jedoch die Analyse: eine korrekte
anterior-posteriore Achseninduktion ist Voraussetzung für eine korrekte Entstehung der
Links-Rechts-Achse, Defekte in dieser Achse führen sekundär stets zu Problemen bei der
Entstehung
der
Links-Rechts-Asymmetrie.
Deshalb
werden
normalerweise
alle
Embryonen, die nicht einen dorsal-anterior Index (DAI) von 5 aufweisen, von der Analyse
ausgeschlossen. Embryonen mit einem DAI von 5 sind wildtypisch, also weder ventralisiert
47
Ergebnisse 2.Teil
noch dorsalisiert oder verkürzt (Kao und Elinson, 1988).
Abbildung 16: Zeitliche Korrelation von CE-Phänotypen (A) und Pitx2c-Expression (B) bei
Aktivierung von GscGR während der Gastrulation
In die dorsale Randzone injiziertes GscGR wurde zu definierten Zeitpunkten durch Zugabe von
Dexamethason (Dex) aktiviert. (A) Phänotypische Auswertung der Embryonen im Stadium 30. Kategorien:
Wildtyp
(blau),
Blastoporusschlussdefekt
(BPD,
rot)
oder
andere
CE-Phänotypen
wie
Neuralrohrschlussdefekte (NTD, grün). Zugabe von Dex bis zum Stadium 12 führte zu einem signifikanten
Anteil an missgebildeten Embryonen. Nach der Gastrulation (St.13) hatte der Funktionsgewinn von Gsc
keine Auswirkung mehr. (B) Analyse derselben Embryonen nach ISH im Ganzpräparat mit Pitx2c-AntisinnSonde. Aktivierung von GscGR vor und während der Gastrulation führte zu einem signifikanten Anteil an
Embryonen mit fehlender linksseitiger Expression (rot) von Pitx2c. Die kürzeren Balken zeigen
maßstabsgerecht eine signifikante Veränderung der Pitx2c-Expression auch in morphologisch wildtypischen
Embryonen (DAI 5) nach Aktivierung von GscGR in der späten Gastrulation. Signifikante Defekte bei der
Links-Rechts-Achsenentwicklung und bei der CE entstehen somit unabhängig voneinander während des
gleichen Zeitfensters.
Wenn Gsc also direkt auf die Links-Rechts-Achse wirkt, eventuell über den PCP48
Ergebnisse 2.Teil
Signalweg, sollte die Links-Rechts-Achsenentwicklung auch in Embryonen mit einem DAI
von 5 gestört sein. Es könnte damit einen Zeitpunkt für die Aktivierung von GscGR geben,
bei dem die Embryonen gleichzeitig einen DAI von 5 und eine Störung der Links-RechtsAchsenentstehung aufweisen. Um diese Hypothese zu testen wurden alle Embryonen mit
GscGR in die dorsale Randzone injiziert und bis Stadium 45 unter Zugabe von
Dexamethason (Dex) zu verschiedenen Zeitpunkten inkubiert. Als Kontrolle dienten
uninjizierte Embryonen und GscGR-injizierte Embryonen ohne Zugabe von Dex. Bei einer
Aktivierung von GscGR bis zum Stadium 12.5 starben alle Embryonen vor dem Erreichen
von Stadium 45. Bei einer Zugabe von Dex zwischen Stadium 12.5 und 13, also direkt
nach der Gastrulation, überlebten die Embryonen und konnten als Kaulquappen auf ihren
Organsitus hin untersucht werden. Beim wildtypischen Situs solitus liegt die Gallenblase
auf der rechten Seite, die Herzschleife zeigt nach links und der Darm ist entgegen dem
Uhrzeigersinn aufgewickelt. Beim Situs inversus sind alle Organe spiegelbildlich
angeordnet, bei Heterotaxien ist ein Teil der Organe falsch ausgerichtet. Bei GscGRinjizierten Kaulquappen ohne Aktivierung durch Dex war nur ein Embryo heterotaxisch (dex, n=38, nicht gezeigt), ähnlich wie bei der uninjizierten Kontrolle (0%, n=92, nicht
gezeigt). Die Aktivierung von GscGR zwischen Stadium 12.5 und 13 führte zu einem
höheren Anteil an Kaulquappen mit Situs inversus oder Heterotaxien (13%, n=85, nicht
gezeigt), jedoch waren die Unterschiede zur -Dex-Kontrolle nicht signifikant (p=0.176).
Aufgrund der hohen Letalitätsrate der injizierten Embryonen sollte die Links-RechtsAchsenentwicklung bereits im Stadium 28 bis 30 anhand einer Expressionsanalyse des
Transkriptionsfaktors Pitx2c nach ISH im Ganzpräparat ausgewertet werden. Das in die
dorsale Randzone injizierte GscGR-Konstrukt wurde in verschiedenen Embryonalstadien
durch Zugabe von Dex aktiviert. Wie schon in früheren Versuchen gezeigt (Abb. 16), führte
die Aktivierung von GscGR vor und während der Gastrulation zu einem signifikanten Anteil
an BPDs (Abb. 16A, rot) und anderen CE-Phänotypen (Abb. 16A, grün, p<0.001), die auch
zu erhöhter Letalität vor dem Stadium 30 führten (nicht gezeigt). Die Schwere und der
Anteil der Defekte nahm mit Fortschreiten der Gastrulation ab. Nach der Gastrulation
bewirkte die Zugabe von Dex in GscGR-injizierten Embryonen keine CE-Phänotypen mehr
(Abb. 16A, +dex Stadium 13).
Die zuvor auf ihren CE-Phänotyp ausgewerteten Embryonen wurden nun nach einer ISH
49
Ergebnisse 2.Teil
mit Pitx2c-Antisinn-Sonde im Ganzpräparat auf ihre Links-Rechts-Achsenentwicklung
untersucht. Pitx2c wurde bei 95% der uninjizierten Kontrollembryonen im linken
Seitenplattenmesoderm transkribiert (Abb. 16B, grün, n=44). Zugabe von Dex im 32Zellstadium führte bei 77% der Embryonen zu einem Verlust der linksseitigen Pitx2cExpression, im Stadium 10.5 zu 48%, im Stadium 11 zu 60% und im Stadium 12 zu 36%
an Embryonen mit Problemen bei der Links-Rechts-Achsenentwicklung (Abb.16B,
p<0.001). Nach der Gastrulation konnte dagegen kein signifikanter Anteil an Embryonen
mit Lateralitätsdefekten identifiziert werden (Abb. 16B, 10% Defekte, +dex Stadium 13,
p>0.05). Das Zeitfenster für eine Störung der Links-Rechts-Achsenentwicklung lag damit
vor und während der Gastrulation. Es korrelierte also mit dem Zeitfenster der Störung der
CE.
Nun wurden in den entsprechenden Stadien nur die Embryonen ohne schwere
Beeinträchtigung der CE betrachtet (Abb. 16B, nur DAI 5, in kürzeren Balken
maßstabsgerecht zur Gesamtanzahl der Embryonen dargestellt). Bei einer Aktivierung von
GscGR während der späten Gastrulation fehlte auch in dieser äußerlich wildtypischen
Auswahl bei einem signifikanten Anteil (p<0,001) von Embryonen die linksseitige
Expression von Pitx2c (Abb. 16B, 9 von 23 im Stadium 11.5, 8 von 23 im Stadium 12). Auf
individueller Ebene korrelierte die Störung der Lateralität also nicht mit schweren Defekten
bei der CE der primären Achse (Abb. 16B).
Zusammengefasst kann die Überexpression des PCP-Inhibitors Goosecoid also die LinksRechts-Achsenentwicklung stören. Dies geschieht zeitlich parallel zu einer Störung der CE
der primären Achsen, aber auch in Embryonen mit DAI 5. Dagegen hatte der
Funktionsverlust von Goosecoid durch Antisinn-Morpholinooligonukleotide keinen Effekt
auf Links-Rechts-Achsenentwicklung (nicht gezeigt). In der Folge wurden im Verlauf dieser
Promotionsarbeit für eine genauere Analyse des Einflusses des PCP-Signalwegs auf den
Symmetriebruch
das
Homeoboxgen
Noto
und
das
Medikament
Propylthiouracil
untersucht.
50
Ergebnisse 2.Teil
Das Brachyury-Zielgen Noto wirkt über Foxj1 auf Ciliogenese und Cilienmotilität
und zusätzlich auf die Positionierung der Cilien
Der Transkriptionsfaktor Noto ist ein Zielgen von Brachyury, das wiederum von Gsc
reprimiert wird (Melby et al., 1996; Saka et al., 2000). Noto in der Maus beziehungsweise
die homologen Gene wie Gnot im Huhn sind stets im posterioren Teil der Chorda
exprimiert (Knezevic et al., 1995). So ist Noto im PNC der Maus, Znot (floating head) im
Kupffer'schen Vesikel des Zebrabärblings und Not im posterioren Notochord sowie dem
superfiziellen Vorläufergewebe der GRP bei Xenopus transkribiert (Von Dassow et al.,
1993; Talbot et al., 1995; Abdelkhalek et al., 2004; Stein und Kessel, 1995).
Bei Funktionsverlust von Noto ist die PNC-Morphologie und die Entstehung der LinksRechts-Achse gestört (Beckers et al., 2007). Die Anzahl der Cilien und ihre Länge ist
verringert, die Struktur des Axonems ist irregulär. Foxj1 wurde als Zielgen von Noto
identifiziert (Beckers et al., 2007).
Der Transkriptionsfaktor Foxj1 dient als Masterkontrollgen bei der Entwicklung motiler
Cilien und aktiviert Gene, die für deren Entstehung notwendig sind. Bei Funktionsverlust
von Foxj1 in Xenopus und Zebrabärbling sind nur noch stark verkürzte Cilien in der GRP
beziehungsweise im Kupffer'schen Vesikel vorhanden, was Defekte in der Links-RechtsAchsenentwicklung verursacht (Yu et al., 2008; Stubbs et al., 2008). In der Maus wurden
dagegen
nach
Funktionsverlust
von
Foxj1
Lateralitätsdefekte,
jedoch
überraschenderweise normale PNC-Cilien beschrieben (Brody et al., 2000). In einem
neuen Projekt wurde untersucht, welche Defekte nach Noto-Funktionsverlust Foxj1abhängig waren. Dafür wurde eine transgene Mauslinie erstellt, bei der anstelle der Notocodierenden Sequenz die codierende Sequenz von Foxj1 ins Genom eingebracht wurde
(Alten et al., 2012). Homozygote Mäuse transkribierten also kein Noto, exprimierten dafür
aber Foxj1 unter Kontrolle des Noto-Promotors. Die Expression von Foxj1 (nicht gezeigt)
und seiner Zielgene wie Tektin2 wurde dadurch wiederhergestellt (Abb. 17I-L; Alten et al.,
2012). Cilienlänge und die posteriore Positionierung der Cilien waren im Noto Knock-out
(NotoGFP/GFP) beeinträchtigt (vgl. Abb. 17A,E mit Abb. 17B,F; Beckers et al., 2007; Alten et
al., 2012). Auch der Funktionsverlust von Foxj1 (Foxj1LacZ/LacZ) führte zu unpolarisierten
kurzen Cilien (Abb. 17D,H). Die Wiederherstellung der Foxj1-Expression in der
NotoFoxj1/Foxj1 Knock-in Maus führte zu einer Verlängerung der Cilien im PNC (Abb. 17G),
51
Ergebnisse 2.Teil
Abbildung
17:
Verlängerung,
jedoch
weiterhin
fehlerhafte
Polarisierung
der
Cilien
nach
Wiederherstellung der Foxj1-Expression in Noto Knock-out Mäusen
Analyse der GRP-Morphologie in der Noto Knock-out Maus (NotoGFP/GFP; B,F,J) und in Mäusen, die Foxj1
unter Kontrolle des Noto-Promotors (NotoFoxj1/Foxj1; C,G,K) bei gleichzeitigem Funktionsverlust von Noto
exprimierten. Damit verglichen wurde die Foxj1 Knock-out Maus (Foxj1-/-; D,H,L). Die in der Kontrolle (A)
posteriore Lokalisierung der Cilien war ohne Noto (B) oder Foxj1 (D) gestört. Foxj1 konnte die Polarisierung
der Cilien in NotoFoxj1/Foxj1-Embryonen nicht wiederherstellen (C). Deutlich kürzere Cilien in NotoGFP/GFP-Mäusen
(F) und Foxj1-/--Mäusen (H) waren wieder wildtypisch in NotoFoxj1/Foxj1-Embryonen (G). Die Expression des
Foxj1-Zielgens Tektin2 im PNC (I) war deutlich schwächer in NotoGFP/GFP-Mausembryonen (J) und fehlte völlig
in Foxj1-/--Mäusen (L). Wildtypische Transkription in NotoFoxj1/Foxj1 -Embryonen (K).
Abbildungen mit Erlaubnis abgewandelt aus Alten et al., 2012; Experimente durchgeführt von Leonie Alten in
Hannover im Rahmen eines Kooperationsprojektes.
nicht jedoch zu deren posterioren Polarisierung (Abb. 17C). Auch war weiterhin die LinksRechts-Achsenentwicklung gestört (Experimente durchgeführt von Leonie Alten; Alten et
al., 2012). Damit lag die Vermutung nahe, dass der cilienabhängige Flüssigkeitsstrom
gestört sein könnte. Daher wurden die Funktionalität und Motilität der Cilien sowie der
linksgerichtete Flüssigkeitsstrom untersucht. Um die Cilienmotilität zu analysieren, wurde
52
Ergebnisse 2.Teil
Abbildung 18: Trotz Wiederherstellung der Cilienmotilität in NotoFoxj1/Foxj1-Mausembryonen ist der
linksgerichtete Flüssigkeitsstrom gestört
(A-D) Motile Cilien in NotoFoxj1/Foxj1-Mäusen. In Stacks von Pixelunterschieden der einzelnen Bilder eines Films
(Filme 1 bis 4 auf CD) werden schlagende Cilien in hellen Kreisen sichtbar. In Foxj1-/--Mausembryonen gibt
es keine motilen Cilien, in NotoGFP/GFP-Embryonen nur vereinzelt wackelnde Cilien. (E-H) Spur der
fluoreszierenden Kügelchen auf dem PNC, dargestellt über einen Zeitraum von 2 Sekunden als GTT von
grün nach rot. Die Maßstabsleiste hat eine Länge von 25 µm. Nur in der Kontrolle (E) war ein gerichteter
Flüssigkeitsstrom vorhanden (Film 9). (I,J) Direktionalität des linksgerichteten Flüssigkeitsstroms anhand der
Spuren der GTTs in 8 Segmenten je 45°: Linksseitige r Transport der Partikel in Kontrollembryonen (I;
Zusammenfassung aus 6 Filmen mit 739 Partikeln). Keine Direktionalität dagegen bei Funktionsverlust von
Noto (J; 8 Filme mit 470 Partikeln), Foxj1 (L; 8 Filme mit 462 Partikeln) und auch in NotoFoxj1/Foxj1Mausembryonen (K; 5 Filme mit 384 Partikeln). Die Prozentzahlen zeigen den höchsten Prozentsatz an
Spuren in einem Segment an. (E-L) sind publiziert in Alten et al., 2012. Als Grundlage von (B) diente ein Film
von Philipp Andre, publiziert in Beckers et al., 2007. Die Filme 1 bis 9 dienten als Grundlage von (A-H) und
sind auf CD der Arbeit beigelegt. a, anterior; l. links; p, posterior; r, rechts.
53
Ergebnisse 2.Teil
im
Mausembryo
der
Cilienschlag
bei
630-facher
Vergrößerung
mittels
Differentialinterferenzkontrast direkt betrachtet und mit einer Hochgeschwindigkeitskamera
aufgenommen. In Kontrollembryonen schlugen die PNC-Cilien im 2 Somiten-Stadium im
Uhrzeigersinn (Film 1, in 0.25-facher Geschwindigkeit auf CD). Fügt man nun die
Unterschiede der Helligkeit einzelner Pixel der Bilder eines Films als Pixelkontrastbild
zusammen, so erkennt man direkt das Bewegungsprofil des Ciliums. Dessen Spuren
gruppieren sich um einen Mittelpunkt und ergeben so einen Kreis (Abb. 18A). Bei
Funktionsverlust von Noto bewegten sich nur einzelne Cilien langsam (Film 2; Beckers et
al., 2007). Im Pixelkontrastbild waren dadurch weniger und kleinere Kreise zu sehen (Abb.
18B; Beckers et al., 2007). Die Cilien auf dem PNC von NotoFoxj1/Foxj1-Mausembryonen im 2
Somiten-Stadium
schlugen
dagegen
wieder
im
Uhrzeigersinn,
vergleichbar
mit
Kontrollembryonen (Film 3). So waren auch kreisförmige Cilienspuren im Pixelkontrastbild
zu erkennen (Abb. 18C). In Foxj1 Knock-out Mäusen waren keine schlagenden Cilien zu
sehen (Film 4), also auch keine Kreise im Pixelkontrastbild (Abb. 18D). Somit war gezeigt,
dass der Verlust von motilen Cilien in der NotoGFP/GFP-Maus durch den Verlust von Foxj1Expression bedingt war und durch den Knock-in von Foxj1 unter Kontrolle des NotoPromotors in der NotoFoxj1/Foxj1-Maus wiederhergestellt werden konnte. Die motilen Cilien in
der NotoFoxj1/Foxj1-Maus reichten jedoch nicht aus, um die Links-Rechts-Achsenentwicklung
wiederherzustellen. Die Lateralität blieb weiterhin gestört.
Offen blieb, in wieweit sich die fehlende Polarisierung der wieder motilen Cilien und die
gestörte GRP-Morphologie auf den linksgerichteten Flüssigkeitsstrom auswirkten. Um ihn
zu verfolgen, wurden fluoreszierende Mikroperlen (Durchmesser 0,5µm) in das Medium
von kultivierten Embryonen im 2-4 Somiten-Stadium gegeben. Im Bereich des PNC
werden diese Kügelchen vom Flüssigkeitsstrom transportiert, was bei 200-facher
Vergrößerung aufgenommen wurde. In einem Originalfilm eines Kontrollembryos kann
man den gerichteten Transport der Partikel nach links beobachten (Film 5, ventrale
Ansicht, anterior ist oben). Weder in NotoGFP/GFP-Embryonen (Film 6) noch auf dem PNC
von Foxj1LacZ/LacZ-Mausembryonen (Film 8) oder in NotoFoxj1/Foxj1-Mäusen (Film 7) war ein
Transport der Kügelchen nach links zu beobachten. Statt dessen bewegten sich die
Partikel in alle Richtungen. Die fluoreszierenden Partikel wurden mit dem „Particle tracer“Werkzeug in ImageJ verfolgt und in R weiterverarbeitet (Thumberger, 2011). Ungerichtete
Partikel
(rho<0.6)
wurden
nicht
berücksichtigt,
um
die
Brownsche
Bewegung
54
Ergebnisse 2.Teil
herauszufiltern. So entstanden Spuren der einzelnen fluoreszierenden Partikel, die ihren
Weg im Zeitraum von zwei Sekunden darstellen (GTT von engl. „gradient time trail“).
Dabei änderte sich die Farbe in einem Gradienten von grün nach rot. Die Partikel
bewegten sich in Zeitraffer-Filmen von Kontrollembryonen schnell nach links, während bei
allen anderen Genotypen eine eher langsame Bewegung in alle Richtungen zu sehen war
(Film 9). Standbilder aus diesen Filmen zeigten folglich linksgerichtete GTTs in einer
exemplarischen Kontrolle (Abb. 18E), während die deutlich kürzeren Spuren der Partikel in
Filmen aller anderen Genotypen nicht gerichtet waren (Abb. 18F,G). Projiziert man die
Richtung der Vektoren aller Partikel aller Filme in Windrosendiagrammen, so zeigten diese
Vektoren in den Kontrollen hauptsächlich nach links, wobei 34% der Partikel auf das
flächenmäßig größte Segment entfielen (Abb. 18I). Gen Knock-out von Noto oder Foxj1
senkte diese Direktionalität auf maximal 16% respektive 15% an Partikeln in einem
Segment (Abb. 18J,L). Auch in NotoFoxj1/Foxj1-Mausembryonen war die Direktionaliät mit
19% an Partikeln in einer Richtung nicht wiederhergestellt, obwohl die Cilienmotiliät wieder
vorhanden war. Damit erklärte der Verlust der Foxj1-Expression nur einen Teil der Defekte,
die durch den Verlust von Noto hervorgerufen werden. Der Transkriptionsfaktor Noto
beeinflusst also die Lateralität zum einen über Foxj1, zum anderen aber auch unabhängig
von Foxj1 über einen noch nicht bekannten Mechanismus. Dabei spielte die Polarisierung
der Cilien und die Morphologie des PNC eine entscheidende Wirkung.
Das Schilddrüsenmedikament Propylthiouracil und seine Wirkung auf die LinksRechts- Achsenentwicklung in Xenopus
Das Medikament Propylthiouracil (PTU) bot einen weiteren Ansatzpunkt, um den
Zusammenhang zwischen planarer Polarität und Links-Rechts-Achsenentwicklung zu
analysieren.
PTU
wird
während
der
Schwangerschaft
zur
Behandlung
von
Schilddrüsenüberfunktion verwendet und verringert die Menge des Schilddrüsenhormons,
besonders seiner aktiven Form T3. Vor kurzem wurde eine Studie veröffentlicht, die bei
einer medikamentösen Behandlung der Schilddrüsenüberfunktion mit PTU im ersten
Trimester der Schwangerschaft eine signifikante Häufung von Situs inversus, Herz- und
Nierenproblemen feststellte (Clementi et al., 2010). Eine Schilddrüsenüberfunktion, meist
ausgelöst durch die Autoimmunerkrankung Morbus Basedow, tritt vor allem bei jungen
55
Ergebnisse 2.Teil
Abbildung 19: PTU stört die linksseitige Induktion von Pitx2c und Repression des Nodal-Inhibitors
Coco
Embryonen wurden ab Stadium 8 in 1mM PTU inkubiert und im Stadium 28-30 beziehungsweise im Stadium
17/18 und 19/20 für eine ISH im Ganzpräparat mit Antisinn-Sonde gegen Pitx2c (A) respektive Coco (B)
fixiert.
(A)
PTU
inhibierte
die
linksseitige
Expression
des
Transkriptionsfaktors
Pitx2c
im
Seitenplattenmesoderm signifikant. Durch unilateral-linke Injektion von Coco-Antisinn-Mo in die dorsale
Randzone (Coco Mo, 1pM) wurde die Pitx2c-Transkription wiederhergestellt. Etliche Embryonen zeigten
dabei bilaterale Pitx2c-Domänen. (B) Die Expression von Coco war während des Flüssigkeitsstroms (St.17)
in Kontrolle und nach PTU-Behandlung gleich. Als direkte Folge des Flüssigkeitsstroms wurde Coco auf der
linken Seite reprimiert, so dass die meisten Kontrollembryonen im Stadium 19/20 eine rechts stärkere
Expressionsdomäne aufwiesen. In PTU-behandelten Embryonen wurde Coco auf der linken Seite nicht
reprimiert.
56
Ergebnisse 2.Teil
Frauen zwischen 20 und 40 Jahren auf. Bei einer Schwangerschaft kann es durch eine
starke Schilddrüsenüberfunktion zu Komplikationen wie Früh- und Totgeburten kommen,
so dass eine Behandlung trotz eventueller Folgeschäden erfolgen muss.
Inkubationsexperimente in Xenopus tropicalis bewirkten eine Störung des Situs von
Kaulquappen im Stadium 45 (Scott Rivkees und Nicole van Veenendaal, persönliche
Mitteilung). Nach späterer Inkubation waren die Embryonen verkürzt, was auf eine
Beeinflussung der konvergenten Extension hinweisen könnte. Offen blieb, wann und über
welchen Mechanismus PTU auf die Links-Rechts-Achsenentwicklung wirkt. In allen
folgenden Experimenten wurde 1mM PTU in Stadium 8 zum Medium zugegeben, also vor
der Gastrulation. Zunächst wurde die Expression des asymmetrisch exprimierten
Transkriptionsfaktors Pitx2c mit Hilfe einer ISH im Ganzpräparat analysiert. Pitx2c war in
91% der Kontrollen im linken Seitenplattenmesoderm exprimiert (n=284). Durch PTUInkubation war der Anteil an Embryonen mit linker Transkription von Pitx2c im
Seitenplattenmesoderm signifikant reduziert (Abb. 19A, p<0.001). Bei 60% der Embryonen
fehlte Pitx2 nach PTU-Inkubation, der Anteil an bilateralem oder invers transkribiertem
Pitx2c nahm aber ebenfalls zu auf je 9% (n=259, Abb. 19A). Als nächstes wurde die
Expression des Nodal-Inhibitors Coco untersucht. Während des linksgerichteten
Flüssigkeitsstroms (Stadium 17, Abb. 19B) war Coco im Vergleich zur Kontrolle nicht
verändert (p>0.05). Als Folge des linksgerichteten Flüssigkeitsstroms wurde Coco in der
Kontrolle links schwächer, so dass fast 80% der Kontrollen eine rechts stärkere Domäne
von Coco aufwiesen (Stadium 19-20, Abb. 19B, n=23). Diese Reduktion von Coco auf der
linken Seite ist eine unmittelbare Folge des linksgerichteten Flüssigkeitsstroms, stellt die
erste asymmetrische Genexpression dar und ist für die Induktion der Genkaskade auf der
linken Seite unabdingbar (Schweickert et al., 2010). Durch PTU unterbleibt die Repression
von Coco auf der linken Seite: So gibt es einen signifikanten Anteil von 32% der
Embryonen mit links stärkerer oder 35% der Embryonen mit auf beiden Seiten gleich
starker Transkription von Coco (p<0.01, Abb. 19B, n=19).
Der
Transfer
der
linken
Information
von
der
Archenterondachplatte
in
das
Seitenplattenmesoderm ist ein weiterer essentieller Schritt bei der Entwicklung der LinksRechts-Achse. Um eine Wirkung auf den Transfer auszuschließen, wurden Coco-AntisinnMorpholinooligonukleotide (Coco Mo) unilateral links in die dorsale Randzone injiziert und
57
Ergebnisse 2.Teil
die Pitx2c-Expression analysiert (Abb. 19A). Die Injektion von Coco Mo führte zu einem
Funktionsverlust von Coco auf der linken Seite, ähnlich wie die endogene Repression der
Expression von Coco auf der linken Seite durch den linksgerichteten Flüssigkeitsstrom.
Dadurch
konnte
auch
ohne
Flüssigkeitsstrom
die
Genkaskade
im
linken
Seitenplattenmesoderm aktiviert werden (Schweickert et al., 2010). In PTU-inkubierten
Embryonen wurde die fehlende Pitx2c-Expression im linken Seitenplattenmesoderm bei
etwa 80% der Embryonen wiederhergestellt. Davon zeigten aber viele eine ektope
Expression auf der rechten Seite, waren also bilateral (Abb. 19B, n=59, 3 unabhängige
Versuche). Damit konnte die Injektion von CocoMo die fehlende Repression von Coco auf
der linken Seite ausgleichen, was auf einen funktionellen Transfer hinweist. Die fehlende
Repression von Coco nach PTU-Inkubation deutet zudem auf eine Störung des
linksgerichteten Füssigkeitsstroms hin, der Coco reprimiert.
Zur Untersuchung des linksgerichteten Flüssigkeitsstroms wurden dorsale Explantate von
Embryonen im Stadium 17 angefertigt (Schweickert et al., 2007; Blum et al., 2009). Nun
wurden fluoreszierende Kügelchen dem Kulturmedium beigemischt und der Transport der
Partikel in Zeitraffer-Filmen verfolgt (Film 9, Abb. 20A). Die Spuren der Partikel wurden
ebenfalls als GTTs dargestellt. Da der Flüssigkeitsstrom in Froschembryonen deutlich
langsamer ist als in Mausembryonen, hatten die GTTs einen Zeitrahmen von 25 Sekunden
(statt 2 Sekunden in Mausembryonen). In PTU-inkubierten dorsalen Explantaten gab es
zwar noch Bewegung, ein mit der Kontrolle vergleichbarer, gerichteter Flüssigkeitsstrom
war jedoch nicht erkennbar (Film 9, Abb. 20B). Die Partikel waren im Schnitt 45%
langsamer als bei der Kontrolle, deren Mittelwert auf den relativen Wert 1 gesetzt wurde
(Abb. 20C). Die Richtung der Vektoren der GTTs aller 9 Kontrollfilme zeigte mehrheitlich
nach links (Abb. 20D). In PTU-behandelten Embryonen gab es sowohl Fälle, bei denen die
Partikel prinzipiell nach links transportiert wurden (Abb. 20B), aber auch solche, bei denen
die GTTs nach rechts oder posterior deuteten (nicht gezeigt). In der Summe aller
Experimente war in PTU-inkubierten Embryonen die Direktionalität des Flüssigkeitsstroms
verloren. Dies konnte mit der dimensionslosen Zahl Rho quantifiziert werden. Diese nimmt
einen Wert von 1 an, wenn alle Partikel in dieselbe Richtung zeigen. Rho ist null bei einer
kompletten Zufallsverteilung. Nach Behandlung mit PTU war Rho signifikant kleiner (Abb.
20F). Zusammenfassend konnte gezeigt werden, dass PTU den Bruch der Symmetrie
durch den linksgerichteten Flüssigkeitsstrom beeinträchtigt.
58
Ergebnisse 2.Teil
Abbildung 20: Nach PTU-Inkubation veränderter linksgerichteter Flüssigkeitsstrom
Der linksgerichtete Flüssigkeitsstrom in Kontrollen (A) fehlte in PTU-behandelten dorsalen Explantaten (B),
dargestellt als GTTs von 25 Sekunden Länge. (C) Die relative Geschwindigkeit der Partikel war nach
Inkubation mit PTU um 45% geringer (Mittelwert der Kontrollen als 1 gesetzt). (D) Die Vektoren der Spur der
Mehrzahl der Partikel in der Summe von 9 Kontrollfilmen weist nach links. (E) In der Summe der Partikel aus
14 Filmen von PTU-behandelten Embryonen ist keine Direktionalität nach links zu erkennen. (F)
Quantifizierung der Direktionalität anhand der dimensionslosen Zahl Rho (ρ). Wenn alle Partikelspuren in
dieselbe Richtung zeigen ist Rho 1, bei einer reinen Zufallsverteilung ist Rho 0. Die Direktionalität sank
signifikant nach Inkubation mit PTU.
Dies kann entweder durch eine generelles Problem mit der Entstehung der GRP, durch
einen Ciliogenesedefekt oder durch eine Beeinträchtigung der posterioren Lokalisierung
der Cilien hervorgerufen werden (Okada et al., 1999; Maisonneuve et al., 2009; Beyer et
al., 2011; Walentek et al., 2012). Um dies zu analysieren, wurden Zellmorphologie und
Ciliogenese der GRP untersucht. Dabei wurden die Zellgrenzen mittels Phalloidinfärbung
des Aktin-Zytoskelettes markiert und die Cilien durch eine Immunhistochemie (IHC) mit
einem Antikörper gegen acetyliertes ɑ-Tubulin sichtbar gemacht. Anschließend wurde die
Verteilung der Zellen mit posterior lokalisiertem Monocilium, die Cilierungsrate, die Länge
59
Ergebnisse 2.Teil
Abbildung 21: PTU verringert den Anteil posterior lokalisierter Monocilien auf der GRP
(A,B) Visualisierung der Zellgrenzen durch Färbung des Aktin-Zytoskeletts mit Phalloidin (grün) und der
Cilien mittels IHC von acetyliertem ɑ-Tubulin (acTubulin, rot). Im Gegensatz zu meist posterior lokalisierten
Cilien in der Kontrolle (Ko, A) waren nach Inkubation mit PTU (B) signifikant weniger monocilierte Zellen mit
posterior lokalisiertem Cilium vorhanden (Quantifikation in C). Die relative Cilienlänge (D) und die Größe der
GRP-Zellen (E) blieb dagegen unverändert. Die Expression des Foxj1-Zielgens Tektin2 war schwächer in
PTU-behandelten Embryonen im Stadium 17 (vgl. G mit F). Expl., Explantate.
60
Ergebnisse 2.Teil
der Cilien und die Zellgröße berechnet (Maissonneuve et al., 2009; Beyer, 2011;
Thumberger, 2011). Cilienlänge (Mittelwert der Kontrollen als 1 gesetzt, Abb. 21D) sowie
Cilierungsrate (96% in Kontrollen und in PTU-inkubierten Embryonen, nicht gezeigt) waren
nicht verändert. Bei gestört wirkender Anordnung der Zellen war die Varianz der Zellfläche
größer. Trotzdem war die durchschnittliche Fläche der Zellen nach PTU-Behandlung im
Vergleich zur Kontrolle nicht verändert (Abb. 21E, p>0.5). Bei Kontrollexplantaten hatten
im Durchschnitt 86% der Zellen ein posterior lokalisiertes Cilium. Dieser Anteil verringerte
sich signifikant auf 65% nach Inkubation mit PTU. Neben mehr mittig lokalisierten Cilien
gab es auch 5% an Zellen, die zwei Cilien besaßen, was in Kontrollembryonen nicht zu
beobachten war (p<0.001, Abb. 21B). Die Expression von Tektin2, einem Zielgen von
Foxj1, war in 74% der Embryonen nach PTU-Inkubation reduziert (n=28, Abb. 21F) im
Gegensatz zu 39% der Kontrollembryonen mit reduzierter Expression (Abb. 21G) in der
unbehandelten Kontrolle (n=18). Dies entsprach einer signifikanten Reduktion der
Expression durch PTU (p<0.05). Damit zeigte sich, dass die GRP in Hinblick auf die
Expression von Tektin2 und dem Anteil an posterior lokalisierten Monocilien gestört war.
Die GRP wird bereits zu Beginn der Gastrulation spezifiziert, das heißt zu einem Zeitpunkt,
zu dem die Zellen, die später den Urdarm auskleiden, sich noch auf der Oberfläche des
Keims im dorsalen Deckepithel befinden (Shook et al., 2004). Diese superfiziellen Zellen
sind insofern besonders, als sie im späten Neurulaembryo ihr endgültiges Zellschicksal im
Mesoderm finden, nämlich in der Chorda dorsalis, im Hypochord und in den Somiten. Sie
sind somit die einzigen mesodermalen Zellen, die einen superfiziellen Urspung haben
(superfizielles Mesoderm; SM). Das SM invaginiert im Verlauf der Gastrulation und bildet
später den dorso-medialen Teil des Archenterondachs. An diesem Epithel findet während
der Neurulation der linksgerichtete Flüssigkeitsstrom statt. Zur Überprüfung der
Spezifizierung des superfiziellen Mesoderms wurde zunächst die Expression des
Transkriptionsfaktors
Foxj1
durch
ISH
im
Ganzpräparat
analysiert.
Bei
50
Kontrollembryonen hatten 78% eine starke Expression von Foxj1 (Abb. 22). Nach PTUBehandlung transkribierten 81% der Embryonen (n=48) Foxj1 wildtypisch. Die Embryonen
stammten dabei aus 3 Experimenten, bei denen die Wirkung von PTU durch eine parallele
ISH mit Pitx2c bestätigt werden konnte.
Im Stadium 9 wird bereits Xnr3, ein direktes Zielgen des Wnt-Signalwegs, im superfiziellen
61
Ergebnisse 2.Teil
Mesoderm exprimiert (McKendry et al., 2007). Die Stärke der Expression von Xnr3 blieb
im Vergleich zu der unbehandelten Kontrolle nach Inkubation mit PTU unverändert (Abb.
22). Damit war die Entwicklung des superfiziellen Mesoderms durch die PTU-Behandlung
nicht gestört. Zusätzlich war nach einer Inkubation der Embryonen in PTU der Ablauf der
Gastrulation morphologisch weder verändert noch verzögert und es gab auch keine
höhere Sterblichkeit im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle (nicht gezeigt). Eine
korrekte Spezifizierung der primären Achse konnte durch die Expressionsanalyse von
Brachyury
und
Goosecoid
nachgewiesen
werden.
Die
inkubierten
Embryonen
transkribierten sowohl Brachyury (n=15) als auch Goosecoid (n=18) wildtypisch.
Abbildung 22: Gastrulation und Musterbildung des superfiziellen Mesoderms sind nach Inkubation
mit PTU unverändert
Wildtypische Expression des Masterregulator-Gens für motile Ciliogenese, Foxj1, und von Xnr3 im
superfiziellen Mesoderm in PTU-behandelten Embryonen. Auch Gsc und Brachyury wurden wie in der
Kontrolle transkribiert.
Die zeitliche Wirkung von PTU ließ sich somit eingrenzen: Der linksgerichtete
Flüssigkeitsstrom während der Neurulation war durch eine Fehlpolarisierung der Cilien
gestört, während die Spezifizierung des superfiziellen Mesoderms während der
Gastrulation nicht beeinträchtigt war.
62
Ergebnisse 3. Teil
Ergebnisse 3. Teil:
Das Aktin-bindende Protein Calponin: Ein zellulärer Effektor des PCP-Signalwegs
Das aktinassoziierte Protein Calponin wurde in dieser Arbeit als potentielles Bindeglied
zwischen dem PCP-Signalweg und dem Zytoskelett analysiert.
Zunächst wurde dafür eine gewebespezifische Funktion von Calponin2 und 3 im Prozess
der CE untersucht. Calponin wurde sowohl in Funktionsgewinn- als auch in
Funktionsverlustexperimenten mit CE in Verbindung gebracht (Morgan et al., 1999; Loges,
2008).
Gewebespezifischer Einfluss des Funktionsverlustes von Calponin3 auf die
konvergente Extension des Neuroektoderms
Calponin3-mRNA lwird während der Neurulation im Neuralrohr und im dorsalen Endoderm
exprimiert (Schmalholz, 2008). Die fehlende Expression von Calponin3 in der Chorda und
den Somiten suggerierte, dass Calponin3 gewebespezifisch eine Rolle bei der CE des
Neuroektoderms spielen könnte. Der Funktionsverlust von Calponin3 nach Injektion von
Calponin3-Antisinn-Morpholinooligonukleotiden (Xcnn3Mo) in die dorsale Randzone führte
neben NTDs auch zu BPDs und einer Verkürzung des gesamten Embryos (Loges, 2008).
Deshalb wurde die Funktion von Calponin3 in animalen Polkappen überprüft. Nach
Zugabe von 0,06ng/µl Activin ins Kulturmedium elongierten die Explantate, da axiales
Mesoderm induziert wurde (Abb. 23). Xcnn3Mo wurde in einer Konzentration von 1,5 pMol
animal injiziert. Parallel dazu wurde Rhodamin-Dextran als Leuchtindikator injiziert, um
den Injektionsort zu markieren und während der Kultur verfolgen zu können. Zur Kontrolle
der Effektivität des Morpholinos wurde ein Teil der injizierten Embryonen bis Stadium 22
kultiviert. Dabei wiesen Kontrollembryonen keine NTDs oder BPDs auf (n=40, nicht
gezeigt). Die animale Injektion von Xcnn3Mo in beide Blastomeren von 2-Zellern führte bei
58% der Embryonen zu Defekten (10 NTDs, 1 BPD, 8 wt, p<0.001 im Vergleich zur
uninjizierten Kontrolle, nicht gezeigt). Bei animaler Injektion in alle 4 Blastomeren von 8Zell-Embryonen hatten 93% der Embryonen NTDs oder BPDs (13 NTDs, 1 BPD, 1 wt,
p<0.001, nicht gezeigt). Damit konnte die Störung des Neuralrohrschlusses durch
Funktionsverlust von Calponin3 reproduziert werden (Loges, 2008).
63
Ergebnisse 3. Teil
Abbildung 23: Die Activin-induzierte Elongation von animalen Kappenexplantaten ist durch
Calponin3-Funktionsverlust nicht beeinflusst
Oberer Teil der Abbildung: Schematische Darstellung des Aufbaus des Experiments: Animale Injektion von
1,5pMol Cnn3-Antisinn-Morpholinooligonukleotiden (Cnn3Mo) respektive Kontrollmorpholino (KoMO).
Präparation der animalen Kappen und Kultivierung unter Zugabe von 0,06ng/µl Activin ins Kulturmedium.
Unterer Teil der Abbildung: Quantifizierung des Anteils der elongierten (blau) und nicht elongierten (rot)
animalen Kappenexplantate. Activin bewirkte eine Elongation des induzierten axialen Mesoderms, auf die
der Funktionsverlust von Calponin3 keinen signifikanten Einfluss hatte.
an, animal; d, dorsal; l, links; r, rechts; v, ventral; veg, vegetal.
Für die animalen Kappenexplantate wurde Xcnn3Mo in jede Blastomere von Embryonen
im 4-8 Zell-Stadium injiziert, so dass von einem hoch-effektiven Funktionsverlust
ausgegangen werden konnte. Animale Kappenexplantate ohne Activin entwickelten sich
64
Ergebnisse 3. Teil
zu atypischer Epidermis und zeigten kaum Elongation (Abb. 23, 2 Kappen mit Elongation
bei
53
Kappen,
n.s.).
90%
Kontrollmorpholino(KoMo)-injizierten
der
uninjizierten
animalen
beziehungsweise
Polkappenexplantate
83%
der
elongierten.
Calponin3-Funktionsverlust veränderte den Anteil an elongierten Polkappen nicht (Abb.
23, 82%, n=51, n.s.).
Damit konnte gezeigt werden, dass für die CE des Mesoderms Calponin3 nicht benötigt
wird.
Calponin2, jedoch nicht Calponin3, wird im elongierten Mesoderm von animalen
Explantaten exprimiert (Hagenlocher, 2010). Durch Injektion von Calponin2-AntisinnMorpholinooligonukleotiden
ergab
sich
eine
tendenzielle,
aber
nicht
signifikante
Verringerung des Anteils an Explantaten mit sehr langer Elongation von 50% (n=13) auf
30% (n=9, n.s.; aus Hagenlocher, 2010). Calponin2 hat also im Gegensatz zu Calponin3
eine Auswirkung auf die Elongation von Polkappenexplantaten.
Die Rolle von Calponin2 bei der Neuralleistenzellmigration
Calponin2 (Xcnn2) hat eine starke und lokalisierte Expressionsdomäne in den cranialen
und den Rumpfneuralleistenzellen (Schmalholz, 2008). Für die gerichtete Wanderung von
Neuralleistenzellen ist der PCP-Signalweg essentiell und es wird eine stetige
Reorganisation des Aktin-Zytoskeletts benötigt. Dies führte zur Arbeitshypothese, dass
Calponin2 bei der Wanderung der Neuralleistenzellen als Effektor des PCP-Signalwegs
fungieren könnte. Dafür wurde zunächst die Proteinexpression von Calponin2 in
Neuralleistenzellen analysiert.
Untersuchung der subzellulären Lokalisierung von Calponin2 in Neuralleistenzellen
Die Proteinlokalisierung von Calponin2 wurde bereits in Fibroblasten-Zellkultur mit einem
GFP-Fusionskonstrukt untersucht (Danninger und Gimona, 2000). Dabei wurde eine
Lokalisierung vor allem am Ende der Aktinstressfasern festgestellt, im Gegensatz zu
Calponin1 und 3, die an die zentralen Stressfasern des Aktin-Zytoskeletts lokalisieren.
Durch eine Deletion einer C-terminalen Regulationsdomäne konnte allerdings eine starke
65
Ergebnisse 3. Teil
Abbildung 24: Partielle Co-Lokalisation von Xcnn2-Myc und F-Aktin im Neuroektoderm
Analyse von 4 mal animal in 8-Zeller injiziertem Xcnn2-Myc (A-D, 0,8ng/Embryo) durch IHC mit ɑ-Myc
(MouseCy3, rot, rechte Spalte) im Vergleich zu F-Aktin (Phalloidin, grün, mittlere Spalte). (A-C,E)
66
Ergebnisse 3. Teil
Transversale Schnitte durch Neurulaembryonen St.21-23, dorsal oben, (B) stellt Vergrößerung von (A) dar
(eingezeichnet). In Hautzellen ist Xcnn2-Myc nur in einem Teil der Zellen vorhanden, dort jedoch mit einer
gleichmäßig zytoplasmatischen Lokalisierung (* in B'',C''). Im Neuralrohr (Nr) lokalisiert Xcnn2-Myc-Protein
vor allem am distalen Rand und im dorsalen Bereich (Pfeilspitzen in B,C). (E) Nicht injizierte
Negativkontrolle, kein lokalisiertes Signal durch ɑ-Myc (MouseCy3, rot). (D) Longitudinal aufgeschnittener
Embryo, Rand des Nr liegt links, Mitte des Nr rechts (D, Schnittebene exemplarisch in C angedeutet). Klare
Co-Lokalisierung von Xcnn2-Myc mit F-Aktin (Pfeilspitze in D). Nc, Notochord; S, Somit.
Bindung von Cnn2 an das Aktin-Zytoskelett bewirkt werden, so dass von einer
kontextabhängigen Regulierung der Lokalisation ausgegangen werden muss (Danninger
und Gimona, 2000). Um die Lokalisierung des Proteins im Kontext migrierender
Neuralleistenzellen zu untersuchen, wurde ein Konstrukt genutzt, bei welchem die
codierende Sequenz von Xcnn2 N-terminal mit einem Myc-Epitop fusioniert wurde
(Schmalholz, 2008). Xcnn2-Myc-mRNA wurde vier mal animal in 4- und 8-Zeller injiziert,
so dass das gesamte Ektoderm inklusive der Neuralleistenzellen Xcnn2-Myc-mRNApositiv sein sollte. Es wurde eine Konzentration von 0,8ng/Embryo gewählt, die keinen
Effekt
auf
die
Expression
des
Neuralleistenzellmarkers
Xtwist
und
damit
die
Neuralleistenzellmigration hatte (nicht gezeigt; Kurz, 2012). Das Myc-Epitop kann über
Immunhistochemie (IHC) nachgewiesen werden und bildet damit indirekt die subzelluläre
Lokalisation von Calponin2 ab (ɑ-Myc, rot). Zusätzlich wurde das Aktin-Zytoskelett mit
Hilfe von Alexa488-konjugiertem Phalloidin angefärbt (grün, mittlere Spalte, Abb. 24 ).
Nach der IHC im Ganzpräparat von Embryonen gegen Ende der Neurulation (Stadium 21
bis 23) wurde die Lokalisation von Xcnn2-Myc-Fusionsprotein im konfokalen LaserScanning-Mikroskop analysiert (Abb. 24). In der Epidermis lag in transversalen Schnitten
eine starke, gleichmäßig verteilte Färbung in einzelnen Zellen vor, die sich mit Zellen ohne
Xcnn2-Myc-Protein abwechselten (Sternchen in Abb. 24B,B''). Das Neuralrohr war
dagegen generell weniger stark gefärbt. Am dorsalen Rand des Neuralrohrs war jedoch in
allen untersuchten Schnitten Xcnn2-Myc zu sehen (Pfeilspitzen in Abb. 24 B,C). Auch an
den distalen Rändern des Neuralrohrs war Xcnn2-Myc präferentiell lokalisiert (Pfeilspitzen
in Abb. 24B,C). Bei einem longitudinal aufpräparierten Embryo wurde das Säulenepithel in
der Mitte des Neuralrohrs in Aufsicht untersucht (Abb. 24D). Hier zeigte sich eine klare CoLokalisierung
des
Xcnn2-Myc-Proteins
mit
F-Aktin.
Diese
Aktinfilamente
sind
hauptsächlich am äußeren Rand des hochprismatischen Epithels polarisiert, in Richtung
der Lamina limitans externa, die sich aus der Basalmembran des Ektoderms entwickelt. In
67
Ergebnisse 3. Teil
uninjizierten Embryonen gab es kaum Signale von ɑ-Myc/MouseCy3. So konnte eine
unspezifische Bindung des primären und sekundären Antikörpers ausgeschlossen werden
(Abb. 24E,E'').
Um eine bessere Auflösung der subzellulären Lokalisierung von Xcnn2-Myc zu erhalten,
wurden im Stadium 14 bis 15 Neuralleistenzellexplantate angefertigt. Zur Kontrolle der
Explantate wurde eine in situ Hybridisierung mit dem Neuralleistenzellmarker Xtwist auf
kultivierte, jedoch
nicht
angeheftete
Neuralleistenzellexplantate durchgeführt.
Die
Mehrzahl der Zellen im Transplantat wies Transkription von Xtwist auf (Abb. 25A',
Schnittebene in 25A eingezeichnet). Damit konnte bestätigt werden, dass die Explantate
hauptsächlich aus Neuralleistenzellen bestanden.
Abbildung 25: Kultivierte Explantate des Neuroektoderms exprimieren Xtwist
In situ Hybridisierung mit Antisinn-Sonde gegen Xtwist: Im Ganzpräparat (A) und im Schnitt (A'; Schnittebene
in A eingezeichnet) transkribierten die meisten Zellen der Explantate den Neuralleistenzellmarker Xtwist und
waren damit als Neuralleistenzellen spezifiziert.
Als nächstes wurden die Neuralleistenzellexplantate genutzt, um die Lokalisierung von
Calponin2 zu analysieren. Dafür wurden 8-Zell-Embryonen mit Xcnn2-Myc injiziert und die
Neuralleistenzellexplantate auf Fibronectin-beschichteten Deckgläschen kultiviert. Dabei
bildeten die Neuralleistenzellen erst eine epitheliale Schicht außerhalb des verbleibenden
Explantates, delaminierten dann aus dieser Schicht und wanderten individuell weiter (Abb.
33). Die Proteinlokalisierung von Xcnn2-Myc wurde wieder über Immunhistochemie
68
Ergebnisse 3. Teil
Abbildung
26:
Lokalisierung
von
Xcnn2-Myc
in
delaminierenden
und
migrierenden
Neuralleistenzellen in Explantatkultur
69
Ergebnisse 3. Teil
IHC mit ɑ-Myc (MouseCy3, rot, A''-F''), Gegenfärbung des Aktin-Zytoskeletts (488-Phallodin, grün, A'-F') und
der DNA (Hoechst33342, blau, A'''-E'''). (A,B) In epithelialen Neuralleistenzellen vor der Delamination war
Xcnn2-Myc vorwiegend in Zellfortsätzen zu finden, die seitlich oder nach oben auswuchsen (Pfeilspitze in B).
(C) In migrierenden Neuralleistenzellen war Xcnn2-Myc stark exprimiert. (D) In der dunkleren Vergrößerung
von (C) war eine Auslassung der Zellmembran mit Zellkontakt zu sehen. (E) Keine unspezifischen Signale in
der uninjizierten Negativkontrolle. (F) Mit Xcnn2-Myc co-injiziertes blaues Dextran befand sich auch im
Inneren des NCC-Explantates, Xcnn2-Myc konnte jedoch nur am Rand der epithelialen Schicht
nachgewiesen werden.
untersucht (rot, Abb. 26, dritte Spalte von links). Die Zellkerne wurden mit Hoechst33342
gegen gefärbt (blau, Abb. 26, rechte Spalte). Das Aktin-Zytoskelett wurde durch Alexa488Phalloidin visualisiert (grün, Abb. 26, zweite Spalte von links). Bei Neuralleistenzellen, die
im epithelialen Verband verblieben waren, fand sich Xcnn2-Myc in Zellfortsätzen am Rand
lokalisiert (Abb. 26A,B). Damit war Xcnn2-Myc vorwiegend an den Zellpolen, die distal
vom Explantat weg zeigten, zu finden (Abb. 26B, Pfeilspitze).
In
frei
migrierenden
Neuralleistenzellen
war
Xcnn2-Myc
meist
gleichmäßig
zytoplasmatisch und weniger in Zellfortsätzen verteilt (Abb. 26C). Bei einer dunkleren und
kontrastreicheren Einstellung der Fluoreszenzaufnahme zeigte sich dagegen teilweise
eine polarisierte Lokalisierung, die die Membran zur Nachbarzelle hin ausschloss (Abb.
26D). In der uninjizierten Kontrolle war keine Färbung festzustellen, so dass von einer
spezifischen IHC ausgegangen werden konnte.
Um zu prüfen, ob die fehlende Lokalisierung von Xcnn2-Myc im Inneren des Explantates
durch eine unzureichende Injektion bedingt war, wurde blau fluoreszierendes Dextran mit
Xcnn2-Myc-mRNA co-injiziert. Das blaue Dextran war jedoch auch deutlich im Inneren des
Explantates zu finden, Xcnn2-Myc aber weiterhin distal am Rand und in den migrierenden
Neuralleistenzellen exprimiert. Dies deutete darauf hin, dass die Lokalisierung von Xcnn2Myc keinen Injektionsartefakt darstellt, sondern durch endogene Kontroll- oder
Lokalisationsmechanismen
bewirkt
werden
könnte.
Damit
war
Xcnn2
in
Neuralleistenzellen in vivo und im Explantat polarisiert. Es war dabei vorwiegend in
Neuralleistenzellen kurz vor und nach der Delamination zu finden und teilweise mit dem
corticalen Aktinnetzwerk assoziiert.
70
Ergebnisse 3. Teil
Zygotischer Funktionsverlust von Cnn2 stört die Wanderung der Neuralleistenzellen
Die polarisierte Lokalisierung von Xcnn2-Myc unterstützte die Arbeitshypothese einer
Funktion von Calponin2 bei der durch planare Polarität ausgerichteten Wanderung von
Neuralleistenzellen. Diese Hypothese sollte durch Funktionsverlustexperimente untersucht
werden. Der Funktionsverlust von Calponin2 durch eine Inhibition der Translation führte
jedoch zu NTDs und BPDs während der frühen Embryonalentwicklung, die meist von
maternaler
mRNA
abhängig
sind
(Loges,
2008).
Zur
Analyse
der
Neuralleistenzellmigration wurden daher Intron-Exon-Grenzen von Calponin2 kloniert und
ein Spleißmorpholino hergestellt (siehe Material und Methoden). Die Bindestelle des
Spleißmorpholinos (Xcnn2SplMo) liegt im ersten Drittel des Proteins vor den funktionellen
Clik-Bindestellen (siehe Material und Methoden). Die unilaterale Injektion des Calponin2Spleißmorpholinos (Xcnn2SplMo) wurde im Rahmen einer Diplomarbeit durchgeführt
(Kurz, 2012). Der Verlust zygotischer Genaktivität hatte keinen signifikanten Einfluss auf
Gastrulation und Neurulation und führte phänotypisch allein zu einer Verkürzung der
anterior-posterioren Achse (Abb.14 in Kurz, 2012). Über eine ISH im Ganzpräparat mit
einer Sonde gegen den Neuralleistenzellmarker Twist konnte eine signifikante Störung der
Wanderung der Neuralleistenzellen gezeigt werden (Abb. 17 in Kurz, 2012). Diese war
nicht auf eine fehlerhafte Spezifizierung der Neuralleiste zurückzuführen, da der
Neuralleistenzellmarker Slug im Stadium 17, also vor der Neuralleistenzelldelamination,
nicht verändert war (Abb. 18 in Kurz, 2012). Auch ein Effekt auf die Knorpelbildung war
nach einer Alcian-Blau-Färbung zu sehen (Abb. 16 in Kurz, 2012).
Calponin2-Funktionsverlust verändert das Aktin-Zytoskelett und die Polarität der
Zellfortsätze von Neuralleistenzellen in Xenopus
Nachdem
eine
Funktion
von
Calponin2
bei
der
Neuralleistenzellmigration
im
Froschembryo gezeigt worden war, wurde die Wirkung des Funktionsverlusts durch
Injektion von Xcnn2SplMo auf zellulärer Ebene analysiert. Dafür wurden Explantate von
Neuralleistenzellen angefertigt, die sich auf mit Fibronectin beschichteten Deckgläschen
zunächst kollektiv als epitheliale Schicht ausbreiteten, dann delaminierten und individuell
migrierten (Abb. 33).
71
Ergebnisse 3. Teil
72
Ergebnisse 3. Teil
Abbildung 27: Der Funktionsverlust von Calponin2 induziert die Bildung von zentralen Stressfasern
und verhindert die polarisierte Ausbildung von Zellfortsätzen
Analyse des Aktin-Zytoskeletts in Neuralleistenzellexplantaten nach Anfärbung mit Alexa488-Phalloidin und
mit Hoechst33342 zur Visualisierung des Zellkerns. (B) Anhäufung von F-Aktin und Stressfasern im
Zellinneren nach Injektion von Xcnn2SplMo (Pfeilspitze), während in Kontrollzellen F-Aktin ein corticales
Netz unterhalb der Zellmembran bildet (A). Die Zellfortsätze von Kontrollzellen zeigten meist weg von der
Nachbarzelle, hatten also Vektoren in proximal(p)-distaler(d) Richtung (C). Quantifizierung aller
Kontrollzellen in E). Xcnn2SplMo-Injektion bewirkte dagegen eine Zufallsverteilung der Vektoren der
Zellfortsätze (D, Quantifizierung in F).
In Morphanten war dabei zu beobachten, dass deutlich mehr Stressfasern im Inneren der
Zellen vorlagen (repräsentatives Bild in Abb. 27B), während in Kontrollexplantaten Aktin
vorwiegend polarisiert am Rand der Zelle vorlag (Abb. 27A). Der Funktionsverlust von
Calponin2 bewirkte also eine Verschiebung des F-Aktin von der Bildung eines peripheren,
corticalen
Netzes
unterhalb
der
Zellmembran
hin
zur
Bildung
von
zentralen
Aktinstressfasern.
Daneben wirkten die Zellfortsätze im Verhältnis zur Ausdehnung der Zelle elongiert.
Zudem erschien das Geflecht der Zellfortsätze der Neuralleistenzellen ungeordnet: In
migrierenden Neuralleistenzellen von uninjizierten oder Kontrollmorpholino-injizierten
Explantaten wuchsen Zellfortsätze meist nicht über die Nachbarzelle, sondern zeigten von
der benachbarten Zelle weg. In Morphanten dagegen zeigten die Zellfortsätze unter
anderem in Richtung der benachbarten Neuralleistenzellen und über diese hinweg. Dies
wurde quantifiziert, indem zunächst alle Zellen entlang ihrer proximal-distalen Achse
ausgerichtet wurden und das Ende der Zellfortsätze markiert wurde (Abb. 27C). Auf dieser
Basis wurden von der Mitte des Zellkerns ausgehend Vektoren eingezeichnet, die als
Windrosendiagramme dargestellt sind (Abb. 27C''). In der Zusammenfassung aller
Vektoren (n=540) der Kontrollzellen (n=28) zeigte sich eine klare Tendenz weg von der
benachbarten Zelle (Abb. 27E). Die Zellfortsätze (521 aus 22 Neuralleistenzellen) von
Xcnn2SplMo-injizierten Explantaten deuteten dagegen in einer Zufallsverteilung in alle
Richtungen ohne Berücksichtigung der proximal-distalen Achse. Zusammenfassend
konnte mit diesen Versuchen gezeigt werden, dass Calponin2 in Xenopus für die
Aufrechterhaltung des corticalen Aktinnetzwerkes und die Polarisierung der Zellfortsätze
notwendig ist und damit für die Wanderung der Neuralleistenzellen.
73
Ergebnisse 3. Teil
Die Rolle von Calponin2 bei der Neuralleistenzellmigration im Hühnerembryo
Hühnerembryonen sind ideal für die Analyse der Neuralleistenzellen, da sie durch
Elektroporation zeitlich und räumlich gezielt manipuliert werden können und so frühe
Effekte von Calponin2 umgangen werden können. Calponin2 ist zwischen Huhn und
Frosch hoch konserviert, sowohl in der Aminosäuresequenz als auch in der Expression
(Abb. 28; Schmalholz, 2008; Lee Roth, mündliche Mitteilung). Im Rahmen eines
Kooperationsprojektes mit der Hebrew-University in Rehovot / Israel ergab sich die
Möglichkeit, mit dem Modellorganismus Huhn zu arbeiten und so eine mögliche
evolutionär konservierte Funktion von Calponin2 zu untersuchen.
Abbildung 28: Hohe Konservierung von Calponin2 in Huhn und Frosch
Der Sequenzvergleich der Proteine zeigte eine große Ähnlichkeit zwischen Calponin2 in Frosch
(XenopusCnn2) und Huhn (GallusCnn2). Rot dargestellt sind gleiche oder funktionell gleichartige
Aminosäuren (! = I oder V, $ = LM, % = FY, # = NDQEBZ). Blaue (für Consensus verwendet) oder schwarze
Aminosäuren stimmen nicht überein. Sequenzen: Xenopus leavis Calponin2 (Copy A, ABG49504.1), Gallus
gallus Calponin2 (NP_001135728.1), Sequenzvergleich nach Corpet, 1988.
Ein die Translation hemmendes Antisinn-Morpholino (Gcnn2Mo) wurde vor dem Beginn
der Neuralleistenzellwanderung ins Neuralrohr injiziert. Das Gcnn2Mo war am 3'-Ende mit
dem Fluoreszenzfarbstoff Carboxyfluorescin fusioniert, der im grünen Frequenzbereich
74
Ergebnisse 3. Teil
Abbildung 29: Calponin2-Funktionsverlust verhindert die Wanderung von Neuralleistenzellen im
Hühnerembryo
Craniale Neuralleistenzellen (immunhistochemisch markiert durch HNK1-Antikörper, rot, A,B) migrierten nach
unilateralem Einbringen eines Kontrollmorpholinos (A', grün, KoMo) symmetrisch aus dem Neuralrohr. Bei
einseitigem
Funktionsverlust
durch
Elektroporation
von Antisinn-Morpholinooligonukleotiden
gegen
Calponin2 aus dem Huhn (Gcnn2Mo) war die Wanderung an der injizierten Seite (grün fluoreszierend, B',C')
sowohl im Kopfbereich (B) als auch im Rumpfbereich (C) gestört. Alle Bilder in dorsaler Ansicht, anterior ist
oben.
(517nm) emittiert. Durch Elektroporation wurde der Gcnn2Mo unilateral in die Zellen des
Neuralrohrs gebracht, wodurch die andere Hälfte des Embryos als interne Kontrolle dienen
75
Ergebnisse 3. Teil
konnte. Nach weiterer Kultur wurden die Neuralleistenzellen immunhistochemisch über
HNK1-Antikörper nachgewiesen (Abb. 29, rot). Der monoklonale HNK1-Antikörper bindet
ein Carbohydrat-Epitop, das in verschiedenen Glykoproteinen und Glyocolipiden in
migrierenden Neuralleisten vorkommt (Tucker et al., 1988).
Kontrollembryonen (n=7) oder Kontrollmorpholino-elektroporierte Embryonen (n=3) wiesen
dabei eine symmetrische Wanderung der Neuralleistenzellen auf (Abb. 29A). Bei
unilateralem Funktionsverlust durch Gcnn2Mo war in 60% (n=10) der Embryonen die
Wanderung der Neuralleistenzellen asymmetrisch auf der elektroporierten Seite
beeinträchtigt (p=0.035, Abb. 29B,C). Dabei war die craniale Neuralleistenzellmigration bei
4 von 8 Embryonen gestört (Abb. 29B). Eine Beeinflussung der Rumpfneuralleistenzellen
konnte in einem ersten vorläufigen Experiment bei einem Embryo ebenfalls beobachtet
werden (Abb. 29C).
Interessanterweise war auf der elektroporierten Seite die Proteinexpression des
Neuralleistenzellmarkers HNK1 schwächer (Abb. 29B). Im Froschembryo war dagegen die
Transkription des Neuralleistenzellmarkers Xtwist zwar näher am Neuralrohr, aber gleich
stark ausgeprägt (Kurz, 2012; Abb. 31). Diese auf den ersten Blick widersprüchlichen
Beobachtungen
können
jedoch
durch
die
unterschiedlichen
Populationen
von
Neuralleistenzellen erklärt werden, die durch diese beiden Marker erkannt werden:
Während der Transkriptionsfaktor Xtwist in allen Neuralleistenzellen exprimiert wird,
werden Neuralleistenzellen erst positiv für HNK1, wenn sie das Neuralrohr verlassen
haben und ein Stück weit migriert sind (Del Barrio und Nieto, 2004). Damit spielt auch im
Hühnerembyo Calponin2 eine Rolle bei der Neuralleistenzellmigration. Die Effekte des
Funktionsverlusts von Calponin2 im Hühnerembryo könnten ebenfalls auf eine reduzierte
Wanderungsfähigkeit der Neuralleistenzellen zurückgeführt werden.
Zusätzlich wurden auch heterologe Fehlexpressions-Experimente im Hühnerembryo mit
DNA-Konstrukten, die für Xenopus Calponin2 codierten, unternommen. Diese Konstrukte
waren in einen CS2+-Vektor kloniert, der einen konstitutiv aktiven, viralen Promotor enthält.
Dadurch wurde eine spezies- und zellunabhängige, starke Transkription bewirkt. Zunächst
wurde die erfolgreiche Translation der Xenopus-Konstrukte mit einer IHC mit Antikörpern
gegen
das
Xcnn2-Myc-Fusionsprotein
überprüft.
Xcnn2-Myc-Fusionsprotein
war
76
Ergebnisse 3. Teil
vorhanden,
bewirkte
aber
keine
Änderung
im
Wanderungsverhalten
der
Neuralleistenzellen im Hühnerembryo (n=3, Abb. 30A). Als nächstes wurde ein Konstrukt
verwendet, das nur die aus den Clik-Wiederholungen bestehende Aktinbindedomäne von
Calponin2 enthielt. Dieses Konstrukt inhibierte in Xenopus die Wanderung der branchialen
Neuralleistenzellen der Rhombomere 5 (Abb. 19 in Schmalholz, 2008). In neun
elektroporierten Hühnerembryonen gab es jedoch keine Asymmetrie der HNK1Expressionsdomänen und damit keine gestörte Neuralleistenzellwanderung (nicht
gezeigt). Zusätzlich wurde ein Xcnn2-Mut-Konstrukt injiziert, das eine Mutation des Serin
175 enthält (Loges, 2008) und das im wesentlichen CalponinH3 entspricht (Morgan et al.,
1999). Dieses wurde in verschiedenen Arbeiten als konstitutiv-aktiv oder auch dominantnegativ diskutiert (Loges, 2008; Hagenlocher, 2010). Auch bei diesem Konstrukt war kein
Effekt auf die Neuralleistenzellwanderung festzustellen (Abb. 30B, n=5).
Abbildung 30: Keine Beeinflussung der Neuralleistenzellmigration durch Fehlexpression von Xcnn2Myc und Mutationskonstrukten im Hühnerembryo
(A) IHC mit ɑ-Myc zeigte die erfolgreiche Elektroporation und Translation von Xcnn2-Myc-Fusionsprotein im
Kopf eines Hühnerembryos (dorsale Ansicht, anterior ist oben). (B) Die Fehlexpression von Xcnn2-Mut hatte
keinen Einfluss auf die Neuralleistenzellmigration, wie auch Xcnn2-Myc und Xcnn2-Clik-Konstrukte (nicht
gezeigt).(B') Co-Injektion von RedFluoreszentProtein-DNA (RFP).
Zusammenfassend war der Funktionsgewinn von Calponin2 in Frosch und Huhn ohne
Auswirkung,
während
der
Funktionsverlust
von
Calponin2
die
Wanderung
der
Neuralleistenzellen in Frosch und Huhn beeinträchtigte.
77
Ergebnisse 3. Teil
Calponin2 und die planare Zellpolarität:
Interaktion von Wnt11 und Calponin2 in Neuralleistenzellen
Die gerichtete Wanderung der Neuralleistenzellen und die Polarität des Zytoskeletts steht
unter PCP-Kontrolle. Aufgrund der fehlenden Direktionalität der Zellfortsätze und der
intrazelluläre Polarisierung könnte aktinassoziiertes Calponin2 als Bindeglied zwischen
dem nicht-kanonischen Wnt-Signalweg und dem Aktin-Zytoskelett fungieren.
Abbildung
31:
Co-Injektion
von
Xcnn2SplMo revertiert den Effekt von
dnWnt11 partiell
Analyse des Neuralleistenzellmarker Xtwist
nach ISH im Ganzpärarat in St.25/26 nach
unilateral
rechter
Injektion
Xcnn2SplMo.
Die
von
Xtwist-
Expressionsdomäne war auf beiden Seiten
symmetrisch in Kontrollembryonen (A) und
war
nach
Injektion
von
dominant-
negativem Wnt11 (dnWnt11) schwächer (B)
oder dorsal verschoben (C). Bei CoInjektion von dnWnt11 und Xcnn2SplMo
wurde
die
Neuralleistenzellen
Wanderung
signifikant
der
gerettet.
Xtwist war wieder symmetrisch oder dorsal
verschoben,
was
der
Injektion
von
Xcnn2SplMo allein entsprach.
78
Ergebnisse 3. Teil
Wnt11, ein Ligand des nicht-kanonischen Wnt-Signalwegs, ist in Neuralleistenzellen
sowohl
für
die
Spezifizierung
als
auch
für
die
gerichtete
Wanderung
der
Neuralleistenzellen verantwortlich (De Calisto et al., 2005; Ossipova und Sokol, 2011).
Injektion von DNA eines dominant-negativen Konstrukts von Wnt11 (Tada und Smith,
2000) beeinträchtigte bei etwa 70% der Embryonen die Neuralleistenzellwanderung (n=78,
Abb. 31E). Die Xtwist-Domäne war dorsal verschoben und schwächer im Vergleich zur
internen Kontrolle auf der uninjizierten Seite (Abb. 31). Durch Co-Injektion von
Xcnn2SplMo und dnWnt11 wurde dieser Anteil signifikant auf 40% reduziert (Abb. 31C,
n=89, p<0.001). Zusätzlich war die Xtwist-Expressionsdomäne zwar gleich stark, aber
dorsal verschoben und damit ähnlich dem Phänotyp nach Injektion von Xcnn2SplMo.
Durch Xcnn2SplMo-Injektion wurde in 48% der Embryonen (n=91) eine gestörte
Neuralleistenzellmigration beobachtet, was keinen signifikanten Unterschied zur CoInjektion darstellt (p=0.298). Damit ist Calponin2 epistatisch zu Wnt11, rettet dessen Effekt
partiell und kommt als Komponente des nicht-kanonischen Wnt-Signalwegs in Betracht.
Calponin2 interagiert genetisch mit dem PCP-Effektor RhoA
Während Wnt11 als Ligand im nicht-kanonischen Wnt-Signalweg wirkt, modulieren kleine
GTPasen wie Rac und RhoA als Effektoren des PCP-Signalwegs das Aktin-Zytoskelett.
RhoA wirkt über die Aktivierung der Rho-Kinase (ROCK). Da ROCK Calponin1 durch
Phosphorylierung deaktiviert (Kaneko et al., 2000), wurde die Interaktion von Calponin2
und
RhoA/ROCK
in
Neuralleistenzellen
untersucht.
Zunächst
wurden
Co-
Injektionsexperimente von Xcnn2SplMo und konstitutiv-aktivem RhoA (caRhoA) sowie
dominant-negativem RhoA (dnRhoA) unternommen. Alle Injektionen hatten gegenüber der
Kontrolle eine signifikant erhöhte Häufigkeit gestörter Neuralleistenzellmigration, gezeigt
durch ISH mit Xtwist im Vergleich zu der uninjizierten Seite (Abb. 32). Die Co-Injektion der
Konstrukte bewirkte jedoch keine signifikanten Unterschiede im Vergleich zur Injektion von
Xcnn2SplMo allein. Die Co-Injektion von dnRho zeigte eine Tendenz zur Verringerung des
Anteils an asymmetrischer Xtwist-Expression, wohingegen bei Co-Injektion von caRhoA
tendenziell mehr Embryonen eine gestörte Neuralleistenzellmigration aufwiesen.
79
Ergebnisse 3. Teil
Abbildung 32: Co-Injektion von Xcnn2Mo und dominant-negativem (dn) bzw. konstitutiv-aktivem (ca)
RhoA
Quantitative Auswertung der Wanderung der Neuralleistenzellen nach ISH im Ganzpräparat mit Xtwist.
Unilateral linke Injektion mit Xcnn2SplMo und/oder dominant-negativer RhoA (dnRhoA) sowie konstitutivaktiver RhoA (caRhoA). Der prozentuale Anteil an Embryonen mit beeinträchtigter Wanderung der
Neuralleistenzellen zeigte keine signifikanten Unterschiede der verschiedenen Injektionsansätze, jedoch
jeweils zur Kontrolle (p<0.001). Tendenziell verringerte die Co-Injektion von dnRhoA die Häufigkeit gestörter
Neuralleistenzellwanderung.
Da RhoA jedoch auch früher in der Embryonalentwicklung Gastrulations- und
Neurulationsdefekte verursachte und deshalb nicht in höheren Konzentrationen eingesetzt
werden konnte, wurde ein Versuchsansatz in Neuralleistenzellexplantaten gewählt. In
Neuralrohrexplantaten im Huhn wurde gezeigt, dass die Inhibition der RhoKinase durch
Y27623 zu einer verstärkten Migration der Neuralleistenzellen führt (Groysman et al.,
2008). Embryonen wurden injiziert, Neuralleistenzellexplantate im Stadium 13 bis 15
präpariert und auf mit Fibronectin beschichteten Deckgläschen in DFA kultiviert. Der in
DMSO gelöste ROCK-Inhibitor Y27632 wurde mit einer Konzentration von 15pM
eingesetzt (Groysmann, 2008), das Lösungsmittel wurde in äquivalenter Konzentration
dem Medium der Kontrollexplantate zugesetzt. Nach 12 bis 18 Stunden wurde die Fläche
der auswandernden Zellen bestimmt. Die Neuralleistenzellen verließen das Explantat
zunächst als epitheliale Schicht, delaminierten dann und migrierten als Einzelzellen (Abb.
33A). Für die Quantifizierung wurde die Gesamtfläche, die von migrierenden
Neuralleistenzellen (mN) bedeckt war, ins Verhältnis zur Größe des verbliebenen
Explantates (Ex) gesetzt (Abb. 33A). Bei den unbehandelten Explantaten war kein
80
Ergebnisse 3. Teil
Abbildung
33:
Xcnn2SplMo
antagonisiert
die
durch
ROCK-Inhibition
verstärkte
Neuralleistenzellwanderung
(A) In Neuralleistenzellexplantaten wurde nach Kultur unter Zugabe von DMSO (obere Reihe) oder 15pM
ROCK-Inhibitor (untere Reihe) die gesamte mit migrierenden Neuralleistenzellen (mN) bedeckte Fläche und
die Fläche des verbleibenden Explantates (Ex) nachgezeichnet und die Wanderungsrate anhand des
Verhältnisses von mN/Ex bestimmt (B). Keine signifikanten Unterschiede durch Injektion von Xcnn2SplMo
oder Xcnn2-Myc in DMSO-kultivierten Explantaten (obere Reihe in A; B). Die Inhibition von ROCK bewirkte
eine deutliche Zunahme der Wanderungsrate (untere Reihe in A; B). Xcnn2SplMo-injizierte Explantate von
Neuralleistenzellen hatten im Vergleich zur nicht injizierten Kontrolle und zum Funktionsgewinn durch
Xcnn2-Myc eine signifikant reduzierte Migrationsrate. Damit kompensierte der Funktionsverlust von
Calponin2 teilweise den Effekt des Funktionsverlustes von ROCK.
81
Ergebnisse 3. Teil
signifikanter Unterschied zwischen Xcnn2SplMo, Myc oder uninjizierten Kontrollen zu
sehen (Abb. 33A, erste Reihe; Quantifizierung in 33B, p>0.05). Allerdings wiesen
Xcnn2SplMo-injizierte Explantate eine tendenziell verringerte Migration auf. Die Inhibition
von ROCK bewirkte bei allen Ansätzen eine signifikant erhöhte Migration (Abb. 33A,
zweite Reihe, Abb. 33B, p<0.01). Bei gleichzeitigem Funktionsverlust von Calponin2
bewirkte die Inhibition von ROCK jedoch signifikant weniger zusätzliche Wanderung im
Vergleich zu uninjizierten Kontrollexplantaten und Xcnn2Myc-injizierten Explantaten
(p<0.05). Damit wurde gezeigt, dass die negative Regulation von Xcnn2 eine der
Funktionen der ROCK in Neuralleistenzellen ist. Insbesondere interagieren Xcnn2 und
ROCK genetisch.
Calponin2 ist damit ein Effektor des PCP-Signalwegs in Neuralleistenzellen, und reguliert
das Aktinzytoskelett. Dies erklärt die Störung der Neuralleistenzellwanderung nach
Funktionsverlust von Calponin2 in Huhn und Frosch.
82
Diskussion 1. Teil
Diskussion 1. Teil:
Die Rolle von Goosecoid im Organisator:
Regulation von Gastrulationsbewegungen durch Inhibition des PCP-Signalwegs
Die Klonierung von Goosecoid aus einer cDNA-Bibliothek des Spemann-OrganisatorGewebes
stand
am Anfang
der Aufklärung
der
molekularen
Grundlagen
der
Achseninduktion (Blumberg et al., 1991). Gsc diente in vielen Studien diverser WirbeltierModellorganismen als Marker für das Organisatorgewebe (Izpisua-Belmonte et al., 1993;
Blum et al., 1992; Schulte-Merker et al., 1994).
Dem Spemann-Organisator wurden von Spemann und Mangold folgende Fähigkeiten
zugeschrieben:
(1)
sich
selbst
in
dorsales
Mesoderm
(Chorda
dorsalis
und
Prächordalplattenmesoderm) zu differenzieren, (2) angrenzendes laterales Mesoderm zu
dorsalisieren (Somiten) und im angrenzenden Ektoderm neurales Gewebe zu induzieren
sowie (3) Gastrulationsbewegungen zu initiieren (Spemann und Mangold, 1924). Der
Funktionsverlust des Organisatorgens Gsc hatte jedoch weder in der Maus noch im
Frosch Auswirkungen auf die Differenzierung und Induktion der primären Körperachse,
was eine Rolle von Gsc im Organisator in Frage stellte (Rivera-Perez et al., 1995;
Yamada et al., 1995; Sander et al., 2007). Zunächst wurde noch von einer Kompensation
durch ein redundantes Gen, Gsc-like oder Gsc2 genannt, ausgegangen. Aber auch der
Funktionsverlust von Gsc-like bewirkte keine Gastrulationdefekte (Saint-Jore et al., 1998).
Allerdings besitzt der Organisator neben seinem Induktionspotential auch die Fähigkeit,
Gastrulationsbewegungen zu initiieren (Spemann und Mangold, 1924). Da der
Funktionsgewinn von Gsc CE inhibierte, kann hier eine neue Rolle des Organisatorgens
Gsc diskutiert werden, nämlich die PCP-abhängige Inhibition konvergenter Extension.
Nach diesem Verständnis wäre die Funktion von Gsc im Organisator nicht in der
Spezifizierung
der
Gewebe
zu
sehen,
sondern
in
der
Regulation
von
Gastrulationsbewegungen.
83
Diskussion 1. Teil
Gsc-positive Zellen migrieren, während sich Brachyury-positives Gewebe über
konvergente Extensionsbewegungen verlängert
Zunächst mag es etwas widersprüchlich erscheinen, dass ein Organisatorgen CE inhibiert.
Die Derivate des Organisators, Prächordalplatte und Chorda dorsalis, unterscheiden sich
allerdings in Morphologie und Zellbewegungen. Gsc ist in den Zellen des Kopforganisators
exprimiert, die als erstes während der Gastrulation invaginieren (Cho et al., 1991). Diese
Gsc-positiven und cranial der Chorda liegenden Zellen des prächordalen Mesoderms
unterscheiden sich mit ihrer mesenchymalen Struktur in ihrer Morphologie klar vom
Säulenepithel der Chorda dorsalis (Adelmann, 1922; Vogt, 1929). Die Chorda wird aus
den Zellen des Rumpforganisators gebildet und exprimiert Brachyury (Wilkinson et al.,
1990; Smith et al., 1991).
Prächordalplatte und Chorda dorsalis unterscheiden sich außer in ihrer Morphologie auch
in ihren Zellbewegungen: Durch Zellmarkierungsexperimente konnte die starke Elongation
der Chorda dorsalis durch CE im Verlauf der Embryonalentwicklung von Amphibien
gezeigt werden. Die anterior-posteriore Ausdehnung des prächordalen Mesoderms bleibt
dagegen gleich (Vogt, 1929; Keller et al., 1992). Die Chorda dorsalis elongiert also parallel
zur Invagination durch CE, während das prächordale Mesoderm durch gerichtete
Migration involutiert (Gerhart und Keller, 1986; Winklbauer, 1990; Keller und Winklbauer,
1992; Winklbauer und Selchow, 1992). Damit migrieren Gsc-positive Zellen, so dass Gsc
CE anterior limitieren könnte.
Der Regelkreis von Gsc und Brachyury während der Gastrulation grenzt die
Population der Prächordalzellen von den chordalen Zellen ab
Vor der Invagination zeigen dagegen alle mesodermalen Zellen der Randzone, also auf
der Blastoporuslippe, konvergente Extensionbewegungen (Keller und Danilchik, 1988). Bei
der Involution ändern die Zellen des prächordalen Mesoderms allerdings ihr Verhalten und
bewegen sich dann durch gerichtete Migration fort (Winklbauer, 1990). Die Expression von
Brachyury und Gsc folgt dabei exakt dem Muster der Zellbewegungen (Abb. 34): Während
der frühen Gastrulation ist Brachyury rund um die Lippe und im gesamten Primitivstreifen
84
Diskussion 1. Teil
Abbildung 34: Modell der Rolle von Gsc im Organisator als Repressor PCP-abhängiger konvergenter
Extension und Antagonist von Brachyury
(A,D) Gsc und Brachyury sind zu Beginn der Gastrulation überlappend exprimiert. (B,C,D) Die Repression
von Brachyury durch Gsc bewirkt die Trennung der Expressionsdomänen und damit die verschiedenen
Zellbewegungen: Brachyury-positive Zellen (Chorda, grün) zeigen CE, während die Gsc-positiven Zellen
(prächordales Mesoderm, rot) migrieren.
(A-C) Maus: Schematische Zeichnung nach Sagittalschnitten einer ISH mit Gsc-Antisinn-Sonde, mit
freundlicher Genehmigung aus Philipp Andre, 2008. (D,E) Xenopus Gastrulae, gezeichnet von Bernd Schmid
(nach Haussen, 1991). ac, Archenteron; al, Allantois; bc, Blastocoel; bc-r, Blastocoel-Reste; MZ, Marginalbzw. Randzone; no, Notochord/Chorda dorsalis; o, Organisator; pm, prächordales Mesoderm; PNC,
posteriores Notochord; pp, Prächordalplatte; PS, Primitivstreifen (blau).
exprimiert (Smith et al., 1991, Abb. 34D). Sowohl für den Blastoporusschluss als auch für
die Entstehung des Primitivstreifens ist CE nötig (Voiculescu et al., 2007).
85
Diskussion 1. Teil
Die Expression von Brachyury überlappt während der frühen Gastrulation im Bereich des
Organisators mit der Expression von Goosecoid (Artinger et al. 1997, Abb. 34D).
Goosecoid reprimiert dann die Transkription von Brachyury (Artinger et al., 1997; Boucher
et al., 2000; Latinkic und Smith, 1999; Abb. 34D,E). Die nun Brachyury-negativen und
Gsc-positiven Zellen des prächordalen Mesoderms migrieren in den Embryo, während
sich die Chorda dorsalis mit Brachyury-positiven Zellen durch CE verlängert (Abb. 34E).
Damit korreliert die Expression von Brachyury mit CE, während Gsc-Expression
wandernde Zellen anzeigt. Die Repression konvergenter Extension im Funktionsgewinn
von Gsc könnte damit eine direkte Folge der Repression von Brachyury sein (Abb. 34).
Passenderweise wurde in Xenopus gezeigt, dass Brachyury CE über die Induktion von
Wnt11 induziert (Conlon und Smith, 1999; Tada und Smith, 2000). Zusätzlich wurde auch
gezeigt, dass der Funktionsgewinn von Brachyury die Migration des prächordalen
Mesoderms inhibiert (Kwan und Kirschner, 2003). Wnt11 wiederum induziert den PCPSignalweg in Xenopus und Zebrabärbling (Heisenberg et al., 2000; Tada und Smith, 2000).
Dass Gsc Brachyury reprimiert, war bereits bekannt (Artinger et al., 1997; Boucher et al.,
2000; Latinkic und Smith, 1999). In dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass auch
ektopisches Gsc im Organisatorgewebe Brachyury reprimiert. Außerdem konnte durch die
Überexpression von Brachyury und Wnt11 die Entstehung von Gsc-induzierten CEPhänotypen verhindert werden. Dies galt ebenso für weitere Komponenten des PCPSignalwegs. Damit lassen sich die BPDs und NTDs nach Funktionsgewinn von Gsc über
eine Inhibition des PCP-Signalwegs erklären (Abb. 36). Dabei reprimiert Gsc den
Transkriptionsfaktor Brachyury. Dieser aktiviert während der Gastrulation die Transkription
von Wnt11, welches als Ligand PCP-abhängig CE induziert. Während die Inhibition der
konvergenten Extension durch Gsc in dieser Arbeit in vivo und ex vivo gezeigt werden
konnte, war die Induktion der Migration bereits bekannt: So induzierte GscFunktionsgewinn Zellmigration im Embryo und in metastasierenden Krebszellen (Niehrs et
al., 1993; Hartwell et al., 2006).
Damit wird die Annahme weiter untermauert, dass Gsc Migration durch Inhibition des
PCP-Signalwegs induziert (Abb. 34). Allerdings sind prächordale Zellen während der
Wanderung ebenfalls planar polarisiert und richten ihre Zellfortsätze gezielt nach anterior
aus (Winklbauer und Selchow, 1992). Viele Migrationsprozesse im Embryo, wie die
86
Diskussion 1. Teil
Migration der Neuralleistenzellen, benötigen für ihre Ausrichtung ebenfalls den PCPSignalweg. Passend zur Repression des PCP-Signalwegs durch Gsc hängt die
Morphogenese des prächordalen Mesoderms jedoch nicht vom PCP-Signalweg ab. Denn
obwohl die Inhibition des PCP-Signalwegs Defekte bei der CE der Chorda und beim
Blastoporusschluss bewirkt, wird die Invagination des prächordalen Mesoderms und die
Kopfentwicklung dadurch nicht gestört (Ewald et al., 2004; Sokol, 1996). Die Migration des
prächordalen Mesoderms ist dagegen abhängig von der Polarisierung der extrazellulären
Matrix und vom PDGFA-Signalweg, also unabhängig von nicht-kanonischem Wnt (Nagel
et al., 2004). Die durch Brachyury-Funktionsgewinn gestörte Migration kann sogar durch
gleichzeitige Inhibition des PCP-Signalwegs wiederhergestellt werden (Kwan und
Kirschner, 2003). Damit zeigt sich, dass die Polarität des prächordalen Mesoderms
unabhängig von PCP-Signaltransduktion reguliert wird. Die Inhibition des PCP-Signalwegs
durch Gsc im prächordalen Mesoderm induziert damit Migration, antagonistisch zur
Brachyury-abhängigen CE der Chorda (Abb. 34).
Die zeit- und kontext-abhängige Wirkung von Gsc auf PCP-abhängige CE
Goosecoid führte nur bei Aktivierung während der Gastrulation zu NTDs und BPDs,
obwohl die CE der Chorda und des Neuralrohrs noch andauert. Diese zeitliche
Komponente könnte ebenfalls durch die Regulierung der Transkription von Brachyury
durch Gsc im Organisator erklärt werden. Während die Brachyury-Transkription um den
Blastoporus herum vom Primitivstreifen-Enhancer abhängig ist, wird die Expression in der
Chorda dorsalis unabhängig davon durch einen Chorda-Enhancer gesteuert (Clements et
al., 1996; Yamaguchi et al., 1999). Die Bindestellen von Gsc liegen allein im
Primitivstreifen-Enhancer, so dass die Expression von Brachyury in der Chorda dorsalis
unabhängig von Gsc ist. Dies zeigte auch die Analyse der chordalen BrachyuryExpressionsdomäne nach Gsc-Funktionsgewinn in Neurulaembryonen: Obwohl sie breiter
und kürzer war, bedingt durch fehlerhafte CE, war die Expressionsstärke von Brachyury
nicht beeinflusst. Dagegen zeigte sich während der Gastrulation rund um den Blastoporus
eine Lücke in der ringförmigen Expressionsdomäne von Brachyury, die sich genau mit der
Injektion von Gsc deckte. Damit ist die Repression von Brachyury auf die Gastrulation
beschränkt.
87
Diskussion 1. Teil
Konservierung der Rolle von Gsc in Vertebraten und in Invertebraten
Der im Froschembryo beschriebene Regelkreis von Brachyury und Gsc lässt sich auf
andere Wirbeltierspezies wie Maus- und Zebrabärbling ausweiten: Die Zellbewegungen
während der Gastrulation, insbesondere die Migration des prächordalen Mesoderms, sind
zwischen den verschiedenen Vertebraten hoch konserviert (Winklbauer, 1994). Auch die
Expressionsmuster von Brachyury und Gsc sind in den entsprechenden Geweben
konserviert (Blum et al., 1992; Wilkinson et al., 1990; Schulte-Merker et al., 1994). So ist
Gsc in der Maus zunächst mit Brachyury im anterioren Bereich des Primitivstreifens, also
dem Organisator, überlappend exprimiert. Später findet sich Gsc-Transkription in den
wanderenden Zellen des prächordalen Mesoderms. Brachyury ist dagegen neben dem
Primitivstreifen in den Zellen der Chorda dorsalis exprimiert, welche auch in der Maus über
CE prolongiert (Wilkinson et al., 1990; Ybot-Gonzales et al., 2007). Während die Rolle von
Brachyury bei der CE in Xenopus schon gut verstanden ist, hinkt die Analyse in der Maus
hinterher. Evolutionäre Überlegungen legen das in Abbildung 34A-C vorgeschlagene
Modell nahe. Demnach nehmen Goosecoid und Brachyury in der Maus dieselbe Funktion
als Inhibitor respektive Aktivator PCP-vermittelter konvergenter Extensionsbewegungen
wahr wie in Xenopus.
In Amnioten ist auch die Rolle des nicht-kanonischen Wnt-Liganden noch nicht geklärt.
Eventuell übernimmt hier Wnt5 die Rolle von Wnt11 im Frosch. Wnt11 wird in Maus und
Huhn in den entsprechenden Stadien nicht exprimiert (Hardy et al., 2008; Yamaguchi et
al., 1999). Trotzdem deutet die übereinstimmende Repression konvergenter Extension in
der Maus auf eine konservierte Funktion von Gsc hin (Deissler, 2002; Andre, 2004). Für
eine generelle Rolle als Regulator von CE spricht weiter die konservierte Funktion im
Zebrabärbling,
wo
ebenfalls
eine Verkürzung
der
Chorda
dorsalis
nach
Gsc-
Funktionsgewinn beschrieben wurde (Fox et al., 2009).
Gsc könnte auch jenseits der Vertebraten eine Funktion als Repressor des PCPSignalwegs haben und so CE entlang der anterior-posterioren Achse regulieren. So wird
Gsc in etlichen weiteren Bilateriern in anterioren Regionen exprimiert (Matus et al., 2006):
Im Seeigel akkumuliert SpGsc im Vorläufergewebe des oralen Ektoderms und wird für
Gastrulationsbewegungen benötigt (Angerer, 2006). Auch in Protostomiern wie Patella
88
Diskussion 1. Teil
vulgata wird Gsc am anterioren Pol exprimiert (Lartillot, 2002).
Eine Ausnahme könnte Drosophila Gsc (Dgsc) darstellen: Die Dgsc-Expression beginnt
erst deutlich nach der Gastrulation und ist nicht einfach mit der Regulation PCPvermittelter konvergenter Extension in Übereinstimmung zu bringen (Goriely et al., 1996).
Bei heterologer, dorsaler Fehl-Expression induzierte Dgsc in Xenopus keine NTDs und
BPDs (Ulmer, 2008). Ein besonders spannender Befund ist dagegen die Expression und
Funktion von Gsc in Hydra (Cngsc). So ist Cngsc auf der zukünftigen dorsalen Seite
exprimiert, seine heterologe Fehlexpression auf der ventralen Seite kann Doppelachsen
induzieren und die Transplantation des Cngsc-positiven Gewebes kann in Hydra eine
sekundäre Achse induzieren (Broun et al., 1999). Auch Gsc in Nemostella vectenis
(Nvgsc) ist im Hox-exprimierenden Pol der Larven transkribiert (Pang et al., 2004). Dies
alles deutet auf eine konservierte, ursprüngliche Funktion von Gsc in den primären
Organisatoren, das heißt im jeweiligen Äquivalent des Spemann-Organisators hin. CE
stellt einen generell wichtigen morphogenetischen Prozess dar, der evolutionär alt ist und
sehr wohl über konservierte Mechanismen reguliert werden könnte. Heterologe
Expression in Xenopus könnte eine solche Funktion leicht offenlegen: durch dorsale
Überexpression dieser Gene ließe sich der Grad der evolutionären Konservierung anhand
der Induktion von NTDs und BPDs abschätzen.
Der Funktionsverlust von Gsc und die Aufrechterhaltung des prächordalen
Mesoderms
Was bedeutet die in Funktionsgewinnexperimenten aufgedeckte Rolle von Gsc als
Repressor PCP-vermittelter konvergenter Extension nun für die Embryonalentwicklung?
Im Funktionsverlust von Gsc war das prächordale Mesoderm stark reduziert. Damit ließe
sich auch der verringerte Augenabstand (Abb. 11) erklären. Die Prächordalplatte fehlte
jedoch wohl nicht vollständig, sonst wären vermehrt zyklopische Embryonen beobachtet
worden. Gsc scheint daher eher zur Aufrechterhaltung des prächordalen Mesoderms
benötigt zu werden. Dieses prächordale Mesoderm liegt während der Neurulation mit
entodermalen Zellen als sogenannte Prächordalplatte unter dem sich entwickelnden
Vorderhirn, nur durch eine dünne Basalmembran von diesem getrennt (Adelmann, 1922;
89
Diskussion 1. Teil
Seifert, 1993). Zusätzlich induzierte eine Inhibition der Translation von Gsc durch
GscASMO eine starke Aktivierung der Transkription von Gsc (Abb. 13). Dies kann durch
die negative Wirkung von Gsc auf seine eigene Transkription erklärt werden (Danilov et
al., 1998). Die Induktion der Transkription war dabei nicht auf die Prächordalplatte selbst
beschränkt. Ektope Expression fand sich auch weiter posterior in der Chorda (Abb. 13)
und selbst in mesodermal induzierten Polkappenexplantaten (Abb. 15). Dies zeigte, dass
auch ektopisch in chordalem Gewebe Expression von Gsc durch Funktionsverlust
induziert werden kann. Die negative Autoregulation scheint also zu greifen, obwohl in
diesen Geweben mit unseren Methoden an sich kein Expressionssignal von Gsc zu
detektieren war und deutet auf eine nicht-zellautonome Funktion von Gsc hin. Das stark
erhöhte Level an Gsc-mRNA erforderte eine deutlich erhöhte GscASMO-Dosis für einen
vollständigen Funktionsverlust (Abb. 35A).
Damit bietet sich eine Erklärungsmöglichkeit für die widersprüchlichen Phänotypen nach
Injektion von GscASMO in niedrigen und hohen Dosen: Während bei niedriger Dosis die
Elongation der Chorda inhibiert wird, ist bei hohen Dosen die Chorda tendenziell länger.
Damit liegt die Vermutung nahe, dass bei der niedrigen Dosis die zusätzlich induzierte
Expression zu einem Funktionsgewinn von Gsc führt (Abb. 35A). So ähneln sich auch die
Phänotypen mit einer Verbreiterung der Chorda nach Aktivierung von GscGR und im
Funktionsverlust mit niedrigeren Dosen an GscASMO. Dies ist jedoch bei der
Untersuchung
des
PCP-Signalwegs
schwierig
zu
interpretieren,
da
in
dieser
Signaltransduktionskaskade bei Funktionsgewinn und -verlust oft ähnliche Defekte
hervorgerufen werden (Habas et al., 2003). Daher wurden zusätzlich Polkappenexplantate
analysiert, bei denen durch Activin die Expression von Brachyury und Gsc induziert war
(Abb. 13, 14). Diese wiesen signifikant mehr CE nach Injektion von Gsc auf (Abb. 14). Der
GscASMO-induzierte
verringerte
Augenabstand
war
durch
Funktionsgewinn
kompensierbar und damit ebenfalls sicher auf einen Funktionsverlust zurückzuführen
(Abb. 35A). Damit konnte gezeigt werden, dass Gsc-Funktionsverlust CE der Chorda
induziert und zum partiellen Verlust des prächordalen Mesoderms führt.
Wofür wird nun während der Embryonalentwicklung die Prächordalplatte benötigt? Die
bekannte Funktion von Chorda dorsalis und Prächordalplatte, beides transiente
embryonale Strukturen, ist die Spezifikation des neuralen Ektoderms. Dabei konnte in
90
Diskussion 1. Teil
Abbildung 35: Eine negative Rückkopplungsschleife führt bei einem Verlust an Gsc-Protein zur
ektopischen Transkription von Gsc und zur Regeneration der Prächordalplatte
Modell der paradoxen Wirkung von Gsc und seiner Funktion bei der Aufrechterhaltung der Prächordalplatte.
(A) Gsc reprimiert seine eigene Transkription sehr effizient. Die Inhibition der Translation durch Injektion von
GscASMO unterbricht diese negative Rückkopplungsschleife. Dadurch wird ektopische Gsc-Transkription
induziert, die stärker und nach posterior ausgebreitet ist. Diese zusätzliche Transkription könnte bei einem
unvollständigen Translationsblock durch GscASMO zum Funktionsgewinn von Gsc führen.
(B) In der Maus regenerierte nach Ablation der Prächordalplatte eine neue Gsc-exprimierende, partielle
Prächordalplatte. Dies unterbleibt in der Gsc Knock-out Maus (Camus et al., 2000). Im Frosch wird durch
GscASMO die Prächordalplattenentwicklung gestört. Bei einer ungenügenden Menge an GscASMO
induziert der Funktionsverlust ektopisch Gsc-Transkription, was die CE der Chorda inhibiert. Damit könnte
durch die negative Rückkopplungsschleife von Gsc immer eine prächordale Domäne ohne PCP-vermittelte
CE aufrecht erhalten werden.
91
Diskussion 1. Teil
Explantaten und heterologen Transplantationen gezeigt werden, dass die PrächordalChorda-Grenze eine anterior-posteriore Grenzlinie darstellt (Mangold, 1933; Yamada,
1950a; Nieuwkoop, 1952; Vainio et al., 1962; Wittler, 2002). Stark vereinfacht induziert
dabei die Prächordalplatte bei Transplantation durch die Sekretion von BMP- und WntInhibitoren ektopisch Vorderhirn, während die Chorda dorsalis das Neuroektoderm durch
Inhibiton des BMP-Signalwegs bei ansteigender Wnt-Konzentration graduell kaudalisiert
(Pera und Kessler, 1997; Niehrs, 1999).
Im Funktionsverlust von Gsc ist das Neuro-induktive Potential des Organisators reduziert
(Zhu et al., 1999). Interessanterweise hat der Verlust des prächordalen Mesoderms, zum
Beispiel durch Ablation, keine Auswirkung auf die anterior-posteriore Spezifikation des
zentralen Nervensystems. Dies wird zum einen mit einer Kompensation durch den
entodermalen Teils der Prächordalplatte erklärt und zum andern durch einen Regelkreis,
der zur Entstehung einer neuen Prächordalplatte führt (Niehrs, 1999; Talbot et al., 1995;
Grinblat et al., 1998). Dabei entsteht bei Ablation des anteriorsten Gewebes der dorsalen
embryonalen
Mittellinie,
also
der
Prächordalplatte,
weiter
posterior
eine
neue
Expressionsdomäne von Gsc und Shh. Diese kann als Prächordalplatte ebenfalls das
Vorderhirn induzieren. Bei Gsc-defizienten Mäusen unterbleibt jedoch diese Neubildung
(Abb. 35B; Camus et al., 2000). Im Hinblick auf die hier gezeigte starke Induktion von Gsc
nach Verlust von Gsc-Protein bietet sich die Erklärung an, dass über diese Funktion eine
Prächordalplatte aufrecht erhalten bleibt (Abb. 35). Dies könnte ebenfalls über die
Repression der PCP-abhängigen CE ablaufen.
Die zellautonome Störung der planaren Polarität im Neuroektoderm durch GscFunktionsgewinn: Brachyury-unabhängige Wirkungen von Gsc
Die Funktion von Gsc im Organisator kann durch den Regelkreis mit Brachyury erklärt
werden (Abb. 36). Dieser erklärt jedoch nicht die zellautonome Wirkung von Gsc auf die
CE des Neuroektoderms in Xenopus, da Brachyury dort nicht exprimiert ist (Wilkinson et
al., 1990). Auch die NTDs in den Gsc-Chimären bzw. in der T-Gsc/Cre-Mauslinie und der
starke CE-Phänotyp in der Überexpression bei der mT-Gsc/Cre-Mauslinie entsprechen
keineswegs einem Funktionsverlust von Brachyury. Die Letalität der Brachyury Knock-out
92
Diskussion 1. Teil
Maus resultierte aus dem Verlust posteriorer Strukturen und der Verkürzung der Achse.
Dies führte später und aufgrund anderer Probleme in der Embryonalentwicklung zur
Letalität wie der Funktionsgewinn von Gsc (Kavka und Green, 1997; Yamada et al., 2010;
Wilkinson et al., 1990). Damit ist klar, dass Gsc auch über einen Brachyury-unabhängigen
Mechanismus wirkt (Abb. 36).
Abbildung 36: Gsc inhibiert Brachyury-abhängig und -unabhängig CE
Gsc wirkt auf konvergente Extensionsbewegungen durch die transkriptionelle Repression von Brachyury,
das über Wnt11 den PCP-Signalweg und so CE induziert. Da Gsc aber auch im Neuroektoderm eine
zellautonome Wirkung hat, ist eine Brachyury-abhängige Regulation konvergenter Extensionsbewegungen
wahrscheinlich. Diese kann über den PCP-Signalweg erfolgen, aber auch davon unabhängig sein.
Ist der Einfluss des Gsc-Funktionsgewinnes auf den Neuralrohrschluss rein ektopisch oder
reflektiert er eine endogene Funktion von Gsc? Während Gsc zumeist mesodermal
exprimiert ist, wurde in der Maus gezeigt, dass Gsc auch in der Bodenplatte des
Vorderhirns transkribiert wird (Filosa et al., 1997). Auch im Frosch gibt es eine homologe
neurale Expression (nicht gezeigt). Interessanterweise ist die CE der Neuralplatte
ebenfalls auf den posterioren Teil des Neuralrohrs beschränkt, während die Neuralplatte
auf Höhe der Prächordalplatte keine konvergenten Extensionsbewegungen aufzeigt
(Keller et al., 1992). So bleibt auch in Mutanten des PCP-Signalwegs das Vorderhirn
geschlossen (Kibar et al., 2001; Wallingford und Harland, 2001; Curtin et al., 2003)
genauso wie in den chimären Gsc-überexprimierenden Embryonen (Deissler, 2002). Eine
93
Diskussion 1. Teil
attraktive Funktion von Gsc könnte die Unterstützung der Entwicklung des Vorderhirns
sein, indem es dort CE inhibiert und so den Neuralrohrschluss verlangsamt. Damit sollte
im Funktionsverlust von Gsc das Neuralrohr eher früher schließen.
Welche alternativen Zielgene könnte Gsc nun reprimieren? Zunächst ist eine
transkriptionelle Regulation von Zielgenen durch Gsc wahrscheinlich, da Konstrukte, in
denen die Homeodomäne deletiert war oder eine veränderte Bindespezifität aufwies, keine
NTDs und BPDs bewirkten (nicht gezeigt). Es wurden zwar in dieser Arbeit einige
bekannte Komponenten des PCP-Signalwegs erfolglos untersucht, allerdings werden
immer noch viele neue Kandidaten für diesen Signalweg gefunden (nicht gezeigt). Eine
weitere Möglichkeit wären mit Brachyury verwandte Transkriptionsfaktoren der T-boxFamilie (Smith, 1999). Dazu kommt auch die Möglichkeit, dass Gsc ein transkriptionelles
Ziel hat, das zwar CE, jedoch nicht den nicht-kanonischen Wnt-Signalweg beeinflusst.
Dafür spricht, dass die Phänotypen in den massiv Gsc-fehlexprimierenden mT-Gsc/CreMäusen mit einer kompletten Einschränkung der axialen Elongation deutlich stärker
beeinträchtigt sind als bei einer reinen Mutation im PCP-Signalweg (Deissler, 2002; Andre,
2004; Kibar et al., 2001). So kommen auch PCP-unabhängige Faktoren wie die
Transkriptionsfaktoren Chato und TRIM28, die CE regulieren, in Frage (Abb. 36; GarcíaGarcía et al., 2008; Shibata et al., 2011). Diese zeigen insbesondere ähnliche Effekte bei
der Morphogenese des Entoderms. Eine gezielte Suche nach Zielgenen scheint ein Erfolg
versprechender Ansatz zu sein.
Möglichkeiten der Entstehung von Doppelachsen durch Gsc-Injektion auf der
ventralen Seite
Die ursprünglichen Erwartungen für eine klassische Organisator-Funktion von Gsc waren
durch die Entstehung von Doppelachsen bei ventraler Injektion von Gsc entstanden (Cho
et al., 1991). Doppelachsen entstehen klassischerweise zum einen durch ein früh
aktiviertes kanonisches Wnt-Signal, das zur Bildung eines zweiten Organisators auf der
ventralen Seite führt (Sokol et al, 1991). Zum anderen imitiert die gleichzeitige Inhibiton
von BMP- und kanonischem Wnt-Signalweg die Funktion des Organisators selbst und
führt so zur
Entstehung von Doppelachsen. Dabei bewirkt die Repression des BMP94
Diskussion 1. Teil
Signalwegs die Entstehung eines Rumpforganisators und damit unvollständige Achsen.
Ventrale Injektion von GscGR führte auch in dieser Arbeit zu partiellen Doppelachsen.
Eine Erklärungsmöglichkeit wäre, dass dies durch die Inhibition des BMP-Signalwegs
entsteht, welche für Gsc beschrieben wurde (Fainsod et al., 1994; Steinbeisser et al.,
1995). Zusätzlich wurde auch eine Inhibtion des kanonischen Wnt-Signalwegs durch Gsc
beschrieben (Yao und Kessler, 2001; Yasuo und Lemaire, 2001). Die gleichzeitige
Inhibition von BMP- und Wnt-Signalweg führt allerdings zu Doppelachsen mit Köpfen, was
bei Gsc sehr selten beobachtet wurde.
Eine weitere Möglichkeit für die Entstehung von Doppelachsen liegt in der gegenseitigen
Repression von kanonischem und nicht-kanonischem Signalweg: Da diese beiden viele
Komponenten teilen, bewirkt die Repression des einen Signalwegs oft die Aktivierung des
anderen (Wallingford et al., 2000; Simons und Mlodzik, 2005). Damit könnte die
Repression des PCP-Signalwegs über die Induktion des kanonischen Wnt-Signalwegs
ebenfalls zur Bildung von Doppelachsen führen. Die Co-Injektion von Komponenten des
kanonischen und nicht-kanonischen Wnt- sowie des BMP-Signalwegs könnte gemeinsam
mit einer Expressionsanalyse der Signalwege zeigen, über welchen Signalweg Gsc
Doppelachsen induziert. Diese Funktion könnte im Zusammenhang mit der hier
vorgestellten, endogenen Rolle von Gsc als Repressor PCP-vermittelter konvergenter
Extension stehen. Wahrscheinlicher ist aber eine nicht endogene Funktion von Gsc,
vergleichbar zu Wnt8a: Dieses induziert zwar Doppelachsen, hat jedoch im Embryo eine
ventrale Funktion, unabhängig vom dorsalen Organisatorgewebe (Sokol et al., 1991;
Sokol, 1999). Entsprechend induziert Gsc über die Repression von Wnt- und BMPSignalweg ventral Doppelachsen, ist auf der dorsalen Seite jedoch für die endogene
Repression von Wnt und BMP überflüssig (Fainsod et al., 1994; Steinbeisser et al., 1995;
Yao und Kessler, 2001; Yasuo und Lemaire, 2001).
Potentielle Phänotypen im Funktionsverlust von Gsc: Feinabstimmung der CE
Die Funktion von Gsc im Organisator kann damit zusammengefasst werden, dass anhand
der anterior-posterioren Achse verschiedenen Gastrulationsbewegungen ausgerichtet
werden: Im anterioren, prächordalen Mesoderm wird Migration induziert, während in der
95
Diskussion 1. Teil
posterioren Chorda CE inhibiert wird. Winklbauer und Kollegen konnten zeigen, dass nur
Gewebe, das aus einer Mischung an anterior und posterior differenzierten Zellen besteht,
durch CE elongiert (Ninomiya et al., 2004). Damit könnte die Inhibition von Gsc auch einen
Gradienten konvergenter Extension erzeugen, der zur Ausrichtung der Achse benötigt
wird. Was bedeutet dies nun für andere, spätere Expressionsdomänen von Gsc? Die
Expression von Gsc ist oft direkt benachbart zu Geweben, die durch CE elongieren. So ist
Gsc am anterioren Rand der Extremitäten exprimiert (Gaunt et al., 1993; Ulmer, 2008). Die
Extremitäten entstehen aus einer flachen und kurzen Extremitätenknospe, die dann PCPabhängig proximal-distal elongiert (Gros et al., 2010; Barrow, 2011). Dabei treibt die
proximal-distale Polarisierung der Chondrozyten über phosphoryliertes Vangl2 die
Elongation voran (Gao et al., 2011). Die PCP-abhängige bipolare Elongation der
Chondrozyten wurde auch für den Meckelschen Knorpel im Frosch beschrieben (Park et
al., 2006). Im Funktionsverlust von Gsc war die Streckung der Zellen deutlich
eingeschränkt (Abb. 12). Auch in der Maus ist Gsc um den Meckelschen Knorpel herum
exprimiert, dieser ist in der Gsc Knock-out Maus beeinträchtigt (Belo et al., 1998).
Des weiteren ist Gsc in der Cochlea im Innenohr der Maus an der dem Cortischen Organ
gegenüberliegenden Seite exprimiert (Ulmer, 2008). Das Cortische Organ wird oft zur
Analyse von PCP-abhängigen Prozessen genutzt (Lewis et al., 2002). Eine weitere
inverse Korrelation besteht bei der Zunge. Hier ist Gsc ebenfalls anterior exprimiert, und
im Gsc Knock-out weist die Zunge bisher schlecht charakterisierte morphogenetische
Defekte auf. Die Elongation der Zunge ist ebenfalls abhängig von nicht-kanonischem
Wnt5a (Liu et al., 2012).
Damit sind nur einige Beispiele aufgeführt, bei denen Gsc über nicht-kanonisches Wnt CE
regulieren könnte. Diese sind sicher unabhängig von Brachyury, könnten jedoch über
andere Tbox- Transkriptionsfaktoren ablaufen (Smith, 1999). Ein Modell dafür wäre ein
konserviertes Modul von Gsc, T-box-Genen und nicht-kanonischem Wnt. Dieses könnte
sowohl in anderen Organismen bis hin zur Hydra, aber auch in anderen Geweben vom
Knorpel bis zum Innenohr konserviert sein. Eine genaue Analyse der Phänotypen könnte
zeigen, inwieweit Gsc dabei CE anterior begrenzt und so Zellbewegungen entlang von
anterior-posterioren oder proximal-distalen Achsen ausrichtet.
96
Diskussion 2. Teil
Diskussion 2. Teil:
Der Einfluss der planaren Zellpolarität auf die Etablierung der Lateralität
Der
Bruch
der
Links-Rechts-Achsensymmetrie
durch
den
linksgerichteten
Flüssigkeitsstrom benötigt posterior lokalisierte Cilien (Hashimoto und Hamada, 2010).
Diese planare Polarität der Cilien hängt vom PCP-Signalweg ab (Antic et al., 2010; Gao et
al., 2011).
Die Überexpression von Gsc beeinflusst die Entstehung der Links-RechtsAsymmetrie
Die Überexpression von Gsc könnte durch die Inhibition des PCP-Signalwegs die
Entwicklung der Links-Rechts-Achse direkt stören. Die Überexpression von Gsc führt aber
ebenfalls zu Defekten der CE und der Morphogenese der Chorda und könnte damit
indirekt die Lateralität beeinflussen. Es gelang keine zeitliche Trennung der Effekte. Es
gab aber auch Embryonen mit DAI 5 ohne linksseitige Expression von Pitx2c, was für eine
direkte Inhibition der Links-Rechts-Achsenentstehung sprechen könnte.
Dies könnte auf der bekannten Repression von Brachyury durch Gsc beruhen (Artinger et
al., 1997): Brachyury selber wirkt auf die Entstehung der Links-Rechts-Achsenentstehung
in Maus und Frosch, indem es die Morphogenese der GRP stört (Andre, 2009). Dabei
werden ihm zwei Funktionen zugeschrieben: So spielt Brachyury sowohl bei der
Entwicklung der lateralen, somitischen Zellen über Fgf8 als auch bei der Entstehung des
notochordalen Anteils der GRP bzw. des PNC über Not/Noto eine Rolle (Andre, 2009). Der
Funktionsverlust von Brachyury bewirkt unter anderem über eine Reduktion der
Expression direkter Zielgene wie Zic3 oder Noto Störungen der Links-Rechts-Achse
(Morley et al., 2009; Kitaguchi et al., 2002; King et al., 1998). Das Zeitfenster der Wirkung
von Gsc entspricht einer Repression des Primitivstreifen-Promotors von Brachyury
(Artinger et al., 1997; Boucher et al., 2000). Eine endogene Funktion von Goosecoid beim
Symmetriebruch liegt nicht vor, da der Funktionsverlust von Gsc die Links-RechtsAchsenentwicklung nicht beeinflusste (nicht gezeigt). Damit ist Gsc selbst nicht essentiell
für
die
Entstehung
der
Links-Rechts-Asymmetrie.
Trotzdem
könnte
über
97
Diskussion 2. Teil
Epistasisexperimente geklärt werden, in wieweit der Effekt des Gsc-Funktionsgewinns nur
über die Repression von Brachyury oder auch über andere Faktoren abläuft. Im Prozess
der Links-Rechts-Achsenentstehung könnte damit der Regelkreis von Brachyury, Gsc und
weiterer Partner zur Steuerung planarer Zellpolarität genauer untersucht werden.
Noto steuert die Ciliogenese über Foxj1 und die Cilienpolarisierung unabhängig von
Foxj1
Das Brachyury-Zielgen Noto ist ein Homeobox-Transkriptionsfaktor. In der Noto Knock-out
Maus waren nur noch immotile kurze Cilien vorhanden und die Morphologie des PNC war
gestört, was zum Verlust der Lateralität führte (Beckers et al., 2007). Als Zielgen wurde
unter anderem Foxj1 identifiziert. Foxj1 ist selbst ein Transkriptionsfaktor, der das
genetische Programm der Ciliogenese motiler Cilien in der GRP im Forsch oder im
Kupffer'schen Vesikel im Zebrabärling induziert (Stubbs et al., 2008; Yu et al., 2008).
Überraschenderweise wurde jedoch beschrieben, dass die Foxj1 Knock-out Maus zwar
Lateralitätsdefekte hat, aber die Ciliogenese nicht beeinflusst ist (Brody et al., 2000). Wir
analysierten dieselbe Mauslinie nochmals und kamen zu anderen Ergebnisse: In der
Foxj1 Knock-out Maus waren im PNC keine motilen Cilien und auch kein linksgerichteter
Flüssigkeitstrom mehr vorhanden. Damit ist auch im PNC der Maus Foxj1 für die
Ciliogenese essentiell, was im Foxj1 Knock-out zu Lateralitätsdefekten führt (Alten et al,
2012).
Foxj1 ist ein Zielgen von Noto (Beckers et al, 2007). Der Knock-in von Foxj1 in die Noto
Knock-out Maus führte zu einem partiellen Rescue: Die Expression von Foxj1 und seiner
Zielgene war wiederhergestellt, die Cilien länger und wieder motil. Dies führte jedoch nicht
zu einer Wiederherstellung des linksgerichteten Flüssigkeitsstroms und folgerichtig auch
nicht zu einer linken Nodalkaskade (Alten et al, 2012). Die Ursache dafür war ein Foxj1unabhängiger Lokalisierungsdefekt der Cilien und eine gestörte PNC-Morphologie. Nur
posterior lokalisierte Cilien können einen linksgerichteten Flüssigkeitsstrom bewirken: Die
Störung der Cilienlokalisierung führt zu Lateralitätsdefekten, vergleichbar mit dem
Funktionsverlust von BicC und Vangl2 in Frosch oder Maus (Maisonneuve et al., 2009;
Gao et al., 2011; Antic et al., 2010).
98
Diskussion 2. Teil
Insgesamt konnte gezeigt werden, dass Noto zum einen die Ciliogenese über Foxj1
steuert. Zum anderen hat Noto aber auch eine Funktion bei der Lokalisierung der Cilien an
den posterioren Zellpol. Die Lokalisierung des Basalkörpers und damit der Cilien ist
abhängig von Komponenten des PCP-Signalwegs. So sind Basalkörper und Cilien
zunächst zentral lokalisiert und wandern dann während der Bildung von PNC oder GRP
nach posterior (Schweickert et al., 2007; Hashimoto et al., 2010). Dabei ist im PNC der
Maus die posteriore Lokalisierung von Dvl1 und Dvl2 essentiell und geht der
Positionierung des Basalkörpers voraus (Hashimoto et al., 2010). Im PNC von
NotoFoxj1/Foxj1-Mausembryonen war die Lokalisation von Dvl2 an die apikale Zellgrenze
gestört, was einen Hinweis auf eine Störung des PCP-Signalwegs geben könnte (Alten et
al, 2012).
Bei einem Transkriptionsfaktor wie Noto ist eine Änderung der Expression von
Komponenten des PCP-Signalwegs ein möglicher Mechanismus. Es wurde jedoch keine
Beeinflussung der Expression von „Core“-Genen in einem Microarray nach NotoFunktionsverlust gefunden (nicht gezeigt). Allerdings war die Expression von Nephrocystin
3 (Nphp3, auch Nephronophthisis 3 genannt) beeinflusst und auch in NotoFoxj1/Foxj1Mausembryonen nicht wiederhergestellt. Damit ist Nphp3 ein Kandidat für ein Zielgen von
Noto, das für die PCP-abhängige posteriore Lokalisierung der Cilien benötigt wird. Für
eine Verbindung zwischen Nphp3,
nichtkanonischem Wnt und der Links-Rechts-
Achsenentstehung gibt es etliche Literaturbelege: So führt der Funktionsverlust von
Nphp3 zu Lateralitätsdefekten in der Maus und zu Störungen bei konvergenten
Extensionsbewegungen in Xenopus (Olbrich et al., 2003; Bergmann et al., 2008). Des
weiteren interagiert NPHP3-Protein mit Inversin (Inv, NPHP2) und führt gemeinsam mit Inv
zum Abbau von Dvl (Simons et al., 2005; Bergmann et al., 2008). Inv Knock-out Mäuse
haben ebenfalls Lateralitätsdefekte mit einer stets inversen Nodalkaskade im rechten
Seitenplattenmesoderm (Morgan et al., 1998). Ihr ciliengetriebener Flüssigkeitsstrom
wurde als turbulent beschrieben (Okada et al., 1999). Die korrekte Spezifizierung der
Links-Rechts-Achse kann nach Funktionsverlust von Inv über einen artifiziellen
linksgerichteten Flüssigkeitsstrom wiederhergestellt werden, was einen Einfluss von Inv
auf den Flüssigkeitsstrom nahelegt (Watanabe, 2003). Eine Funktion von Inv bei der
Ciliogenese wurde schon 2002 vermutet, da Inv mit dem Anaphase Promoting Complex
99
Diskussion 2. Teil
(Apc2) interagiert und mit diesem zusammen an Basalkörper lokalisiert (Morgan et al.,
2002). Apc2 reguliert in der Epidermis von Xenopus die polare Ausrichtung der Cilien
(Ganner et al., 2009). Zudem gilt Inv als Schalter zwischen dem kanonischem und
nonkanischen Wnt-Signalweg, indem es durch den Abbau von Dvl den kanonischen
Signalweg inhibiert (Simons et al., 2005). In animalen Kappenexplantaten unterbleibt
außerdem im Funktionsverlust von Inv die Frizzled8-abhängige Rekrutierung von Dvl an
die Membran (Lienkamp et al., 2010). Somit spricht einiges für eine Funktion von Inv im
PCP-Signalweg. Deshalb könnte Inv im PNC die posteriore Lokalisierung der Basalkörper
über die Rekrutierung von Dvl und Apc2 steuern (Lienkamp et al., 2012).
Trotzdem erklärt eine fehlerhafte polare Ausrichtung der Cilien nicht die stets inverse
Expression der Nodalkaskade in Inv-Mutanten (Morgan et al., 1998). Allerdings ist
inzwischen klar, dass dies nur für eine bestimmte Inzuchtlinie gilt und Inv bei Auskreuzung
eine Randomisierung der Nodalkaskade hervorruft (Oki et al., 2009). In der Noto Knockout Maus kann die Reduktion der Nphp3-Expression die fehlerhafte Polarisierung der
Cilien ebenfalls nicht vollständig erklären: Eine reduzierte Gendosis von Nphp3 sollte wie
in heterozygoten Nphp3+/--Mäusen für einen funktionellen Symmetriebruch genügen
(Bergmann et al., 2008). Auch ist noch unklar, was die gestörte PNC-Morphologie
bewirken könnte. Damit bleibt die Regulierung der planaren Polarität im PNC und deren
Steuerung durch Noto Gegenstand weiterer Untersuchungen. So wäre es zum Beispiel
interessant, ob ein zusätzlicher Nphp3 Knock-in in der NotoFoxj1/Foxj1-Maus auch die
Polarisierung der Cilien wiederherstellt.
Das Schilddrüsen-Medikament Propylthiouracil stört die Cilienpolarisierung und
damit die Links-Rechts-Achsenasymmetrie
Auch nach Inkubation von Froschembryonen mit Propylthiouracil (PTU), einem
Medikament gegen Schilddrüsenüberfunktion, war eine Fehlpolarisierung der Cilien und
damit eine Störung des linksgerichteten Flüssigkeitsstroms die Grundlage von
Lateralitätsdefekten. Daneben inhibierte PTU-Inkubation auch die Elongation der anteriorposterioren Achse. Das Zeitfenster der Wirkung von PTU auf die Lateralität von Stadium 8
100
Diskussion 2. Teil
bis 12 war dabei deutlich früher als die Wirkung auf die Elongation der Froschembryonen,
die auch bei einer Inkubation ab Stadium 20 gestört war. Was könnte nun der molekulare
Mechanismus von PTU sein?
Die eigentliche Wirkung des Schilddrüsenmedikaments PTU liegt in der Inhibition der
Thyroidperoxidase (TPO; Taurog, 1976). TPO wird auch durch Methimazol (MMI, auch
Thiamazol genannt) inhibiert, das als besser verträgliche Alternative zu PTU zur
Behandlung von Schilddrüsenüberfunktion eingesetzt wird. Die TPO bewirkt in der
Schilddrüse die Bildung von Thyroxin (T4) aus Tyrosin und Iodid (Davidson et al., 1978;
Taurog, 1976). T4 wird in den peripheren Zielgeweben durch Iodothyronine Deionidase
Typ II (D2) und zu einem geringeren Anteil durch die Deionidase Typ I (D1) in die aktive
Form T3 (Trijodthyronin) umgewandelt (Maia et al., 2011; Köhrle et al., 1996). Während D1
in Säugetieren und Vögeln von PTU inhibiert wird, ist D1 in Amphibien aufgrund einer
Mutation unempfindlich gegenüber PTU (Kuiper et al., 2006).
Damit ist die TPO das einzige spezifische Ziel von PTU, wie auch von MMI in Xenopus.
MMI führte, wie PTU, zu Defekten bei der Achsenelongation und einer „welligen“, nicht
geraden Chorda, allerdings erst in deutlich höheren Dosen wie PTU (Experimente von
Nicole van Veenendaal, nicht gezeigt, sowie Tindall et al., 2007). Abgesehen von einer
leichten maternalen Expression ist TPO allerdings erstmals im Chorda ab Stadium 22
zygotisch exprimiert (Tindall et al., 2007). Darüber hinaus schien T3 die Wirkung von PTU
auf die Achsenelongation zu verhindern, während es die Links-Rechts-Achsendefekte
nicht retten konnte (Nicole van Veenendaal, mündliche Mitteilung). Damit scheint die
Wirkung von PTU auf die Lateralität nicht auf einer Inhibition der TPO zu beruhen,
während die Störung der Elongation der anterior-posterioren Achse auf eine Inhibition der
TPO zurückzuführen ist.
Ob und welche Signalwege durch PTU beeinflusst werden ist noch völlig unklar. Der
signifikante Verlust an posterior lokalisierten Monocilien in der GRP deutet auf einen
Verlust der planaren Polarität nach Inkubation mit PTU hin. Hierbei muss aber klar
zwischen planarer Polarität und der PCP-Signaltransduktion, definiert als nichtkanonischer Wnt-Signalweg, der die „Core“-PCP-Proteine lokalisiert, unterschieden
werden (Wallingford und Mitchell, 2011). Es gibt sowohl Beispiele für planare Polarität in
101
Diskussion 2. Teil
Geweben, unabhängig von PCP-Signaltransduktion, als auch Beispiele für eine gestörte
planare Polarität von Cilien, obwohl die Komponenten des PCP-Signalwegs korrekt
lokalisiert sind (Zallen und Wieschaus, 2004; Mirzadeh et al., 2010; Jones et al., 2008).
Damit weist eine gestörte planare Zellpolarität nicht automatisch auf eine Störung des
PCP-Signalwegs hin, sondern kann auch durch viele andere Defekte zum Beispiel in der
Cilienmorphologie bewirkt werden (Wallingford und Mitchell, 2011).
Zusätzlich zu der gestörten Lokalisierung der Cilien nach PTU-Behandlung könnten auch
noch weitere Defekte wie eine Reduktion der Cilienschlagfrequenz oder Probleme bei der
Perzeption des linksgerichteten Flüssigkeitsstroms vorliegen, die in den Experimenten
nicht zu erkennen gewesen wären. Eine zusätzliche Inhibition der Transduktion des
Signals von der GRP zum linken Seitenplattenmesoderm durch PTU-Inkubation konnte
durch die Rettung der Expression von Pitx2c im linken Seitenplattenmesoderm durch
unilaterale Injektion von Coco Mo ausgeschlossen werden. Allerdings war zusätzliche
Pitx2c-Expression in der rechten Seitenplatte zu beobachten. Diese könnte auf einer
Störung der Mittellinie beruhen, in der normalerweise die Expression des Nodal-Inhibitors
Lefty (Antivin) das rechte Seitenplattenmesoderm abschirmt. Durch eine TPO-abhängige
Störung der Morphogenese des Notochords könnte die Barrierefunktion der Mittellinie
gestört sein. Durch eine Expressionsanalyse von Lefty (Antivin) könnte diese überprüft
werden.
Trotz des fehlenden molekularen Mechanismus der Wirkung von PTU können aus dieser
Arbeit
erste
Rückschlüsse
für
die
Behandlung
von
Schwangeren
mit
Schilddrüsenüberfunktion gezogen werden. Momentan ist MMI wegen der Hepatotoxität
von PTU für die Behandlung von Schilddrüsenüberfunktion das empfohlene Medikament
(Bahn et al., 2009; Rivkees und Mattison, 2009; Cooper und Rivkees, 2009). Im ersten
Trimester der Schwangerschaft wird allerdings die Einnahme von PTU aufgrund von
Berichten über die Teratogenität von MMI empfohlen, auch wenn dies kontrovers diskutiert
wird (Chattaway und Klepser, 2007; Clementi et al., 2010; Yoshihara et al., 2012;
Vissenberg et al., 2012). In Xenopus beeinflusst PTU in niedrigeren Dosen als MMI die
Embryonalentwicklung und induziert zudem noch Links-Rechts-Achsendefekte, die bei
MMI-Behandlung nicht beobachtet wurden.
102
Diskussion 2. Teil
Natürlich ist die Übertragung vom Froschdaten auf den Menschen problematisch.
Interessanterweise gibt es aber einen signifikanten Anstieg an Fällen mit Situs inversus in
Neugeborenen, die während der Schwangerschaft PTU ausgesetzt waren, während dies
bei Behandlung mit MMI nicht zu beobachten war (Clementi et al., 2010). Im Frosch wirkte
PTU auf die Links-Rechts-Achsenentwicklung zwischen Stadium 8 und 12, also während
der Gastrulation. Allerdings ist im Frosch die GRP durch ihre Lage im Archenteron nach
Ende der Gastrulation deutlich schwerer zugänglich. Eine Injektion von PTU ins
Archenteron könnte durchaus das Zeitfenster für die Beeinflussung der Lateralität
verlängern, wie zum Beispiel bei Heptanol beobachtet worden war (Beyer, 2011). In der
Maus wäre also das Zeitfenster von der Gastrulation (E5.5) bis hin zum linksgerichteten
Flüssigkeitsstrom (E8.0) interessant, was dem menschlichen Entwicklungsstand nach 13
bis 19 Tagen der Schwangerschaft entspricht (Carnegie Stage Comparison, 2012). Damit
sollte die Empfehlung einer Behandlung mit PTU im ersten Trimester kritisch hinterfragt
und eventuell revidiert werden.
103
Diskussion 3.Teil
Diskussion 3.Teil:
Calponin2 wirkt als Effektor des PCP-Signalwegs auf das Aktin-Zytoskelett
In der vorliegenden Dissertation wurde das aktinbindende Protein Calponin im Kontext der
Neuralleistenzellmigration
untersucht.
Planare
Zellpolarität
ist
für
die
gerichtete
Wanderung der Neuralleistenzellen in der ersten Phase nach Verlassen des Neuralrohrs in
Xenopus und Zebrabärbling essentiell.
Calponin steuert planare Zellpolarität und gerichtete Migration in Neuralleistenzellen
durch Kontaktinhibition
Bei Funktionsverlust von Komponenten des PCP-Signalwegs bleiben Neuralleistenzellen
zwar beweglich, die Wanderung ist jedoch nicht mehr gerichtet, damit gelangen die Zellen
nicht mehr an ihr Ziel (De Calisto et al., 2005). So führte der Funktionsverlust von
Syndecan4 oder die Injektion von Dsh-DEP zu ungerichtetem Auswachsen der
Zellfortsätze, da die PCP-aktivierte Kontaktinhibition durch Nachbarzellen fehlte (Matthews
et al., 2008; Carmona-Fontaine et al., 2008). Auch nach Funktionsverlust von Calponin2 in
Neuralleistenzellen war die Xtwist-Expression deutlich in dorsaler Richtung verschoben,
was für eine Störung der Wanderung der Neuralleistenzellen spricht. Die Zellfortsätze
waren in Calponin2-Morphanten nicht mehr polarisiert, teilweise schoben sich Zellfortsätze
über benachbarte Zellen. Dieser Befund legte eine Rolle von Calponin2 bei der PCPvermittelten Kontakt-Inhibition in Neuralleistenzellen nahe, die durch genetische
Interaktion von Calponin2 mit Wnt11 bestätigt werden konnte. Über den nicht-kanonischen
Liganden Wnt11 werden die Neuralleistenzellen zunächst planar polarisiert (De Calisto et
al., 2005). Während der Migration wird Wnt11 in einem kleinen Streifen im Neuroektoderm
dorsal der wandernden Neuralleistenzellen exprimiert. Durch Diffusion entsteht in
Wanderungsrichtung ein Wnt11-Gradient von dorsal nach ventral (De Calisto et al., 2005).
Dass der Effekt des Funktionsverlusts von Wnt11 durch gleichzeitigen Funktionsverlust
von Calponin2 kompensiert werden kann, spricht für eine Inhibition von Calponin2 durch
Wnt11. Diese Aussage muss allerdings durch den Hinweis eingeschränkt werden, dass
das verwendete dnWNT11-Konstrukt auch Wnt5a abfängt (Tada und Smith, 2000), für das
jedoch bisher keine Funktion bei der Neuralleistenzellwanderung beschrieben wurde.
104
Diskussion 3.Teil
Wnt11 wird zusätzlich auch für die Spezifizierung der Neuralleistenzellen benötigt
(Ossipova und Sokol, 2011). Der Funktionsverlust von Calponin2 hatte darauf jedoch
keinen Einfluss, sodass dieser Aspekt nicht weiter analysiert wurde (Kurz, 2012).
Calponin2 war damit epistatisch zu nicht-kanonischem Wnt, welches für die planare
Zellpolarität und die gerichtete Wanderung von Neuralleistenzellen wichtig ist.
RhoA-vermittelte Phosphorylierung durch ROCK deaktiviert Calponin2
Als potentieller Mechanismus der genetischen Interaktion von Calponin2 mit planarer
Zellpolarität in Neuralleistenzellen kommt eine Inhibiton durch RhoA in Frage. Die kleinen
GTPasen RhoA und Rac wirken in Neuralleistenzellen antagonistisch: RhoA wird vor der
Delamination und bei direktem Kontakt zu Nachbarzellen exprimiert und verhindert die
Entstehung von Zellfortsätzen durch Inhibition von Rac (Groysman et al., 2008). Rac
dagegen wird in migrierenden Neuralleistenzellen exprimiert und induziert Zellfortsätze
und Zellwanderung (Matthews et al., 2008; Shoval et al., 2012). GTP-gebundenes RhoA
aktiviert die Rho-Kinase (ROCK), welche Zielproteine phosphoryliert. Folglich führte die
Inhibition von ROCK zu einer verfrühten Delamination der Neuralleistenzellen aus
Neuralrohrexplantaten im Hühnerembryo (Groysman et al., 2008), was in dieser Arbeit in
Neuralleistenzellexplantaten von Xenopus verifiziert werden konnte. Durch gleichzeitigen
Funktionsverlust von Calponin2 konnte dieser Effekt partiell revertiert werden. Ein Teil der
Wirkung von RhoA könnte damit die Inhibition von Calponin2 durch Phosphorylierung über
ROCK darstellen. Interessanterweise ist Calponin1 aus dem Huhn in vitro ein Substrat von
ROCK (Kaneko et al., 2000). Die durch ROCK phosphorylierten Aminosäuren liegen in der
hochkonservierten ersten Clik-Domäne und sind alle auch in Calponin2 in Xenopus und
Gallus vorhanden (grüne Kästen in Abb. 37). So könnte Calponin2 ebenfalls durch ROCK
phosphoryliert werden. Calponin1 wird durch die Phosphorylierung deaktiviert und verliert
seine Bindungsfähigkeit an F-Aktin (Winder und Walsh, 1990; Winder et al., 1993).
Insbesondere bei ROCK-abhängiger Phosphorylierung des Serins an Position 175
(zweiter grüner Kasten in Abb. 37) ändert sich die Konformation von Calponin1 (Jin et al.,
2000). Auch wenn sich Calponin1 und 2 insbesondere in ihrer Aktin-Bindungsfähigkeit
unterscheiden, könnte demnach Calponin2 durch Phosphorylierung von ROCK in
Neuralleistenzellen deaktiviert werden. Für Rac1 dagegen wurde berichtet, dass es positiv
105
Diskussion 3.Teil
auf Calponin1 wirkt. So verringerte die Transfektion von VSMCs („vascular smooth muscle
cells“) mit siRNA gegen Rac die Proteinmenge von Calponin1 (Qu et al., 2008). Rac
könnte damit Calponin in Neuralleistenzellen positiv beeinflussen. Damit ließe sich
Calponin in das RhoA/Rac-Netzwerk in Neuralleistenzellen einordnen.
Abbildung 37: Interaktionsdomänen und Phosphorylierungsstellen von Calponin1 und 2
Pink: Aktinbindestelle, nicht funktionell in Calponin2. Gelb: Weitere Aktinbindestelle, bestehend aus Clik23Wiederholungen, funktionell in Calponin2. Grün: Konservierte Phosphorylierungsstellen der ROCK. Zweiter
grüner Kasten: Für die Struktur entscheidendes Serin 175, in vitro auch als Ziel von Protein Kinase C und
der Ca2+/Calmodulin-abhängigen Protein Kinase II identifiziert. Erste und zweite braune Domäne:
Interaktion mit Calmodulin und Tropomyosin. Zweite braune Domäne: Interaktion mit Myosin.
Weitere Mechanismen der Regulation von Calponin2 in Neuralleistenzellen sind denkbar.
So sind Threonin 184 und Serin 175 in Calponin1 Phosphorylierungsstellen der Protein
Kinase C (PKC), die eine Rolle in Neuralleistenzellen spielt (Nakamura et al., 1992; Naka
et al., 1990; Newgreen und Minichiello, 1995). PKC-Inhibitoren bewirken eine frühzeitige
Delamination, vergleichbar der Wirkung von ROCK Inhibitoren (Newgreen und Minichiello,
1995). Damit könnte PKC eine ähnliche inhibitorische Wirkung auf Calponin2 ausüben wie
ROCK. Über die beschriebene Aktivierung von PKC durch Calponin könnte es damit zu
einer negativen Rückkopplungsschleife kommen (Leinweber et al., 2000). Auch weitere
Kinasen
wie
die
Ca2+/Calmodulin-abhängige
Protein
Kinase
II
können
über
Phosphorylierung Calponin deaktivieren, wobei noch keine Hinweise auf eine endogene
Funktion vorliegen (Winder und Walsh, 1990).
106
Diskussion 3.Teil
Der
Funktionsgewinn
von
Calponin2
beeinflusst
die
Wanderung
der
Neuralleistenzellen nicht
Die strikte negative Regulierung der Calponin2-Aktivität könnte die fehlende Wirkung eines
Funktionsgewinns von Calponin2 in Neuralleistenzellen erklären. Neben der Deaktivierung
von Calponin durch Phosphorylierung ist auch eine negative Autoregulierung von
Calponin2 durch seine C-terminale Domäne beschrieben. Dabei nimmt Calponin eine
inhibitorische Konformation ein, bei der das C-terminale Ende über elektrostatische Kräfte
mit der Clik-Domäne interagiert und diese dadurch für F-Aktin unzugänglich macht
(Bartegi et al., 1999; Danninger und Gimona, 2000). Folglich war in Deletionskonstrukten
ohne die C-terminale Domäne die Aktin-Bindefähigkeit stark erhöht, was insbesondere in
Calponin2 sichtbar wurde, welches nur über die Clik-Domäne Aktin binden kann
(Danninger und Gimona, 2000). Dadurch hatten selbst große Mengen an ektopisch
appliziertem Calponin keinen Effekt. Die Überexpression zweier Calponin-Konstrukte
bewirkte jedoch Defekte bei der Embryonalentwicklung: Zum einen wurden Störungen der
CE in Xenopus nach Injektion eines als CalponinH3 bezeichneten Konstruktes berichtet
(Morgan et al., 1999). Dieses stimmt weitgehend mit der Aminosäuresequenz von
Calponin2 überein. Allerdings verursacht eine Punktmutation eine Veränderung an
Position 175 (S175PV), also an einer für die Regulierung durch ROCK, PKC und CamKinaseII essentiellen Stelle. CalponinH3 kommt endogen in Xenopus nicht vor und stellt
vermutlich einen Klonierartefakt dar (Loges, 2008). Ein weiteres Konstrukt, das nur aus
der Aktinbindedomäne Clik besteht und dem damit viele Möglichkeiten zur Regulation
fehlen, veränderte nach Injektion die Expression von Krox20, das einen Teil der
Neuralleistenzellen markiert (Schmalholz, 2008). Obwohl dies zu eingeschränkter Motilitat
metastasierender Krebszellen nach Überexpression von Clik-Konstrukten passte (Lener et
al., 2004), konnte in der vorliegenden Arbeit kein reproduzierbarer Effekt auf die
Expression des Neuralleistenzellmarkers Xtwist festgestellt werden (nicht gezeigt). Beide
Konstrukte könnten jedoch die negative Regulation von Calponin umgehen und damit
konstitutiv aktiv wirken. Eine genauere Untersuchung der phänotypischen Auswirkung der
Konstrukte wäre interessant, wobei insbesondere die subzelluläre Lokalisierung dieser
Konstrukte untersucht werden sollte. Eine fehlende Inaktivierung durch ROCK könnte zu
einer verstärkten und nicht polarisierten Proteinexpression führen.
107
Diskussion 3.Teil
Distinkte subzelluläre Kompartimente von Calponin2 und RhoA
Angesichts der starken Regulierung von Calponin2 stellt sich die Frage, inwiefern die
Lokalisation von Xcnn2-Myc überhaupt die endogene Polarisierung von Calponin2
abbildet. Tatsächlich entspricht das hier gefundene Muster den Erwartungen an ein durch
das RhoA/Rac-System lokalisiertes Aktinbindeprotein. Xcnn2-Myc war im Neuralrohr
partiell mit corticalem Aktin co-lokalisiert, das distal in Richtung Membrana limitans externa
und an den Zellgrenzen polarisiert war. In Neuralleistenzellen im epithelialen Teil des
Explantates war Calponin2 in den Zellfortsätzen vorhanden und korreliert damit invers zur
Lokalisation von RhoA (Groysman, 2008). RhoA war stark im epithelialen Verband von
Neuralleistenzellen exprimiert und verschwand während der Delamination (Groysman et
al., 2008). Genau wie Rac1 war Calponin2 deutlich stärker und meist gleichmäßig in
einzeln
migrierenden
Neuralleistenzellen
zu
sehen
(Shoval
et
al.,
2012).
Interessanterweise waren die Membranen, an die eine Nachbarzelle direkt angrenzt,
ausgespart. An diesen Membranen sollte durch Kontakt-Inhibition RhoA über den PCPSignalweg aktiviert werden und dort Calponin2 inhibieren. Diese Lokalisation von
Calponin2 deckt sich auch mit der Expression eines GFP-Fusionsproteins in Fibroblasten,
das in motilen Zellfortsätzen gefunden wurde und eher am Ende von Aktinfasern in
Regionen mit erhöhter Aktindynamik zu beobachten war (Danninger und Gimona, 2000).
Interessant wäre zur Untermauerung der Ergebnisse noch eine Färbung mit RhoA und
Rac, für die allerdings in Xenopus zunächst geeignete Antikörper oder Fusionskonstrukte
hergestellt werden müssten. Trotzdem fügt sich die zu RhoA inverse Lokalisierung von
Xcnn2-Myc gut in das Modell einer PCP-regulierten Wirkung dieses Aktinbindeproteins
ein. Die Unterschiede in der Intensität der Färbung sollten dabei keinen Injektionsartefakt
darstellen, da die gezielte Injektion über die Co-Injektion von Farbstoffen verifiziert wurde.
Vielmehr wies das Innere von Explantaten keine Färbung von Xcnn2-Myc auf, obwohl der
co-injizierte Farbstoff vorhanden war. Dies könnte auf einen Abbau von phosphoryliertem
Calponin hinweisen. Dieser Mechanismus würde auch das gepunktete Muster in der Haut
erklären, wo ebenfalls in einem Teil der Hautzellen Calponin2 abgebaut werden könnte.
108
Diskussion 3.Teil
Calponin2 als Regulator des Aktin-Zytoskeletts
Der Funktionsverlust von Calponin2 in Neuralleistenzellen führte zu einer auffälligen
Änderung in der Verteilung von F-Aktins: Statt eines vorwiegend in der Zellperipherie
angeordneten, corticalen Aktinnetzwerkes waren nun viele Stressfasern und eine erhöhte
Polarisierung von F-Aktin im Zentrum der Zelle zu erkennen. Der Funktionsverlust von
Calponin2 änderte also die Lokalisation von filamentösem Aktin. Diese Beobachtung deckt
sich mit der in vitro beschriebenen Rolle von Calponin2 als Stabilisator von Aktin speziell
in motilen Fortsätzen. So stabilisierte die Überexpression von Calponin1 und 3 in
Fibroblasten das gesamte Aktin-Zytoskelett inklusive der Stressfasern, während Calponin2
nicht zur Stabilisierung der Stressfasern beitrug (Danninger und Gimona, 2000). Dafür
stabilisierte Calponin2 selektiv das Aktinnetzwerk in Zellfortsätzen. Wie Gimona und
Kollegen 2003 durch verschiedene Mutationskonstukte nachwiesen, ist dabei die
Regulierung über das C-terminale Ende entscheidend. Entfernt man den C-Terminus, fand
sich Calponin2 ebenfalls an den Stressfasern wieder und konnte hier ebenfalls
Aktinstressfasern stabilisieren (Gimona et al., 2003). Damit liegt es nahe, dass die Rolle
von Calponin2 in der Regulation und insbesondere der Stabilisierung des peripheren
Aktinnetzwerkes
von
Neuralleistenzellen
liegt.
Für
RhoA/ROCK
ist
genau
die
gegensätzliche Wirkung bekannt, nämlich die Stabilisation von zentralen Stressfasern,
während das periphere Aktinnetzwerk durch ROCK nicht beeinflusst wird (Katoh et al.,
2011). Die Autoren gehen dabei von zwei unabhängigen, kontraktilen Aktin-MyosinNetzwerken in nicht muskulären Zellen aus. Das zentrale System der Stressfasern wird
dabei über RhoA nachhaltig zur Kontraktion geführt. Das periphere System steht für
schnelle, Ca2+-Calmodulin-abhängige Kontraktion. Beide Systeme funktionieren über die
Phosphorylierung der MyosinATPase. Auch in Neuralleistenzellen ist Myosin für
Zellfortsätze und Wanderung wichtig (Berndt et al., 2008; Hwang et al., 2009). Passend zu
dieser Hypothese inhibiert Calponin1 die MyosinATPase ebenfalls (Winder und Walsh,
1990). Die Interaktionsdomäne von Calponin1 mit Myosin ist zwar in Calponin2 nicht
auffällig konserviert (146-185 bp, braun, Abb. 37), was eher gegen eine Rolle von
Calponin2 als Inhibitor der MyosinATPase spricht (Szymanski und Tao, 1997). Trotzdem ist
es interessant, dass die Phosphorylierung von Serin 175 auch diese Funktion von
Calponin1 deaktiviert (Winder und Walsh, 1990). Dieser Befund bietet somit weitere
Erklärungsmöglichkeiten für die Funktion von Calponin2 in Neuralleistenzellen: So könnte
109
Diskussion 3.Teil
Calponin2 die Myosin-ATPase inhibieren und damit die periphere Vernetzung des
Zytoskeletts stabilisieren und so die Bildung von zentralen Stressfasern verhindern. Die
Untersuchung von Myosin nach Funktionsverlust von Calponin2 in Neuralleistenzellen
wäre ein logischer nächster Schritt.
Modell der Rolle von Calponin2 bei der PCP-vermittelten gerichteten Wanderung der
Neuralleistenzellen
Zusammenfassend ergibt sich das folgende Modell für die Wirkung von Calponin2 in
Neuralleistenzellen (Abb. 38): An der proximalen Seite der Neuralleistenzellen wird RhoA
aktiviert. Dies geschieht entweder über dorsal von den Neuralleistenzellen im
Neuroektoderm sekretiertes Wnt11 und Komponenten des PCP-Signalwegs oder über
Kontaktinhibition durch direkt angrenzende Neuralleistenzellen. RhoA inhibiert Rac, das
wiederum über eine negative Rückkopplungsschleife RhoA inhibiert. Zusätzlich führt die
Aktivierung von RhoA zur Phosphorylierung von Calponin2. Damit sind Rac und Calponin2
am distalen Ende der Zelle in Wanderungsrichtung lokalisiert. Hier stabilisiert Calponin2
das cortical-periphere Aktinnetzwerk. Gemeinsam mit durch Rac aktivierten Proteinen führt
dies zur bevorzugten Bildung respektive zum Nichtabbau der Zellfortsätze auf dieser Seite
und damit zur gerichteten Wanderung der Neuralleistenzellen in ventraler Richtung und
weg von anderen Neuralleistenzellen.
Im proximalen Teil der Neuralleistenzelle führt RhoA über die Phosphorylierung der Myosin
Light Chain (MLC) der MyosinATPase zur Kontraktion der Aktin-Stressfasern. Die
MyosinATPase könnte eventuell ebenfalls durch Calponin2 beeinflusst werden und so
weiter die Verschiebung des Aktin-Zytoskelletts in Wanderungsrichtung verstärken. Bei
Funktionsverlust von Calponin2 wird die gerichtete Wanderung der Neuralleistenzellen
gestört, da den Zellfortsätzen die Direktionalität fehlt. Ohne die Stabilisierung des
peripheren Aktin-Zytoskeletts durch Calponin2 kommt es zu einem erhöhten Anteil an
zentral in Stressfasern polarisiertem F-Aktin.
110
Diskussion 3.Teil
Abbildung 38: Modell der Wirkung von Calponin2 als Effektorprotein des PCP-Signalwegs bei der
Wanderung von Neuralleistenzellen
Linke Hälfte: Durch Kontaktinhibition über proximale (p) Nachbarzellen oder dorsal sekretiertes Wnt11 wird
RhoA PCP-abhängig aktiviert. Dies führt zur Inhibiton von Rac und zur Inhibition von Calponin2 durch
Phosphorylierung über ROCK. Rac könnte zusätzlich Calponin2 aktivieren und das System über eine
negative Rückkopplungsschleife mit RhoA stabilisieren. Die an der distalen (d) Seite lokalisierte Aktivität von
Calponin2 stabilisiert das periphere corticale Aktinnetzwerk in Wanderungsrichtung und führt gemeinsam mit
anderen durch Rac aktivierten Faktoren zur gerichteten Anreicherung von Zellfortsätzen. Im zentralen
Bereich führt RhoA über die Phosphorylierung der MyosinATPase (MLC; myosin light chain) zur Kontraktion
der Aktinstressfasern. MLC könnte eventuell ebenfalls durch Calponin2 inhibiert werden und so das
Aktinnetzwerk weiter in Migrationsrichtung verschieben.
Rechte Hälfte: Funktionsverlust von Calponin2. Dies bewirkt eine Zunahme der RhoA-abhängigen zentralen
Aktinstressfasern bei fehlender Ausrichtung des peripheren Aktinnetzwerkes und der Zellfortsätze.
Blau: Zellkern; Schwarz: Zellgrenzen; Grün: F-Aktin.
Caldesmon und Gelisolin als potentielle Interaktionspartner von Calponin2 in
Neuralleistenzellen
Die zentrale Rolle von Calponin2 bei der gerichteten Wanderung von Neuralleistenzellen
erfordert die Ausrichtung des Zytoskeletts. Dafür ist die Interaktion mit weiteren Proteinen
nötig, welche die verschiedenen Aspekte der Polarisierung des Zytoskeletts abdecken.
111
Diskussion 3.Teil
Für Calponin1, dem am besten untersuchten Protein der Calponinfamilie, ist die Bindung
an viele mit dem Aktin-Myosin-Zytoskelett assoziierte Proteine bekannt. Besonders viele
Studien befassen sich mit der Interaktion von Calponin1 und Caldesmon, die beide die
MyosinATPase inhibieren und ihrerseits durch Bindung von Calmodulin deaktiviert werden.
Caldesmon kann Aktin ebenfalls auf verschiedene Arten bündeln (Wang, 2008). In einer
vor kurzem erschienenen Publikation wurde eine Rolle von Caldesmon bei der
Neuralleistenzellwanderung
in
Xenopus
beschrieben
(Nie
et
al.,
2011).
Der
Funktionsverlust führte dabei zu einem generellen Verlust des Aktin-Zytoskellets und zu
einer abgerundeten Zellform ohne Zellfortsätze. Der Funktionsgewinn führte zu einer
dramatischen Ansammlung an polymerisiertem Aktin in fragmentierten Stressfasern und
Membranausstülpungen. Bei Deletion der Calmodulin-Interaktionsdomäne bewirkte der
Funktionsgewinn eine Anhäufung
an zentralen Stressfasern, sehr ähnlich zum
Funktionsverlust von Calponin2 (Nie et al., 2011). Diese Befunde lassen auf einen zu
Calponin
antagonistischen
Mechanismus
schließen.
Calponin1
und
Caldesmon
konkurrieren um die Bindung an F-Aktin: Caldesmon wird dabei durch Calponin1
verdrängt, Calponin1 jedoch nicht im gleichen Maße durch Caldesmon (Makuch et al.,
1991). In Neuralleistenzellen wäre damit ein Mechanismus vorstellbar, bei dem die
Aktinbündelung von Caldesmon durch Calponin fein reguliert und auf die planare
Zellpolarität ausgerichtet wird. Als weiteren möglichen Mechanismus der Stabilisation des
peripheren Aktinnetzwerkes kommt die für Calponin1 beschriebene Interaktion mit
Phospholipiden und dem Aktinbindeprotein Gelisolon in Frage (Fujii et al., 1995). Gelisolon
kann die Länge von Aktinfilamenten steuern, da es sowohl die Proteinbindung am PlusEnde verstärken und zur Aktinverkernung führen, als auch Aktinfilamente auftrennen kann.
Die direkte Interaktion mit Calponin1 führt zur Bildung eines Gelisolon/Calponin(GCC)Komplexes, der die Aktinverkernungsaktivität von Gelisolin inhibiert (Ferjani et al., 2006).
Dieser GCC-Komplex verhindert die Polymerisation von linearen Aktinfilamenten,
stattdessen entstehen verzweigte Filamente. Die Autoren wiesen darauf hin, dass dieser
Komplex in Verbindung mit Phospholipiden für das membranassoziierte Aktin-Zytoskelett
wichtig sein könnte (Ferjani et al., 2010). Damit könnte Calponin2 über diesen GCCKomplex das periphere Aktin-Zytoskelett stabilisieren.
Auch von Interesse könnte sein, dass Calponin1 ein Ziel der Matrix-Metalloproteinase2 ist,
die ebenfalls eine essentielle Rolle in Neuralleistenzellen spielt (Castro et al., 2012). Eine
112
Diskussion 3.Teil
endogene Funktion all dieser Prozesse, die meist in vitro gezeigt wurden, steht allerdings
noch aus. Auch eine endogene Funktion von Calponin2 in der Maus ist fraglich: Die
CalponinH2 Knock-out Maus zeigt keine mit Neuralleistenzellen assoziierten Probleme:
Statt dessen wurde allein bei Markophagen weniger Spreading, dafür mehr Phagocytose,
erhöhte Proliferation und zusätzliche Wanderung beobachtet (Huang et al., 2008).
Allerdings fehlen noch jegliche Erkenntnisse über das Vorhandensein von PCPabhängiger Kontakt-Inhibition bei der Neuralleistenzellwanderung in der Maus, so dass
eine Spekulation über eine eventuelle Konservierung verfrüht wäre.
In Frosch und Huhn konnte in Neuralleistenzellen somit eine Verbindung zwischen dem
PCP-Signalweg und dem aktinassoziierten Protein Calponin2 gezogen werden. Durch
seine spezifische Regulierung ist Calponin2 ein idealer Effektor, um schnelle Änderungen
der Polarität auf Ebene des Zytoskeletts durchzuführen. Inwieweit Calponin2 und 3 auch in
anderen Prozessen wie konvergenter Extension und Gastrulation als Bindeglied zwischen
PCP-Signalweg und Zytoskelett fungieren, bleibt eine interessante Fragestellung für
weitere Untersuchungen.
113
Material und Methoden
Material und Methoden
Chemikalien und Komplettpakete (Kits):
Material
Agar
Agarose LE
Agarose Low Melt
Albumin Fraktion V (BSA)
Alcian Blau 8 GX
Ampicillin-Natriumsalz
AmplicapTM SP6High Yield Message Make Kit
Anti-Digoxigenin-AP Fab Fragments
Bakterienschalen 10 cm
BM-Purple AP-Substrat
Boehringer-Blocking-Reagenz
X-Gal
BSA
CAS-BlockTM
Calciumchlorid-Dihydrat
Calciumnitrat
CHAPS
Chloroform
Cystein
Deckgläschen
Desoxynukleosidtriphosphate (dNTPs)
Digoxigenin-dNTP-Labeling Mix
Dimethylsulfoxid (DMSO)
Dithioreitol (DTT)
DNA-Purification-Kit (Easy-Pure)
Essigsäure
Ethanol
Ethidiumbromid
Ethylendiamintetraessigsäure EDTA
Ethylenguanintetraessigsäure EGTA
Ethyl-p-Aminobenzoat (Benzocain)
Euparal
Ficoll
F10 Nutrient Medium
Filtereinheiten
FluospheresR Carboxylate-modified Microspheres,
0.5 µm, yellowgreen
Formaldehyd
Formamid
Gelatine
Gentamycin
Glaswaren
Glucose
Glutaraldehyd
Glycerin
Glycin
HCG (humanes Choriongonadotropin)
Bezugsquelle
AppliChem
Genaxxon Bioscience
Roth
AppliChem
Sigma
AppliChem
Biozym
Roche
Greiner
Roche
Roche
Roche
AppliChem
Invitrogen
Roth
Sigma
AppliChem
Merck
AppliChem
Roth
Promega
Roche und Promega
Roth
Promega
Biozym
AppliChem
Roth
Roth
Roth
Roth
Sigma
Roth
AppliChem
Gibco
Whatman
Molecular Probes
Roth
Roth
Merck
Biochrome
Schott Duran
AppliChem
Roth
Roth
Applichem
Sigma
114
Material und Methoden
HCl (37%)
Hefeextrakt
Hefe-RNA (Torula)
Heparin
Hepes
Hoechst 33342
Humanes recombinantes Activin
Injektionsnadeln Sterican (0,4x20 mm, Gr. 20)
Injektionsspritzen F1, 1 ml
Isopropanol
Kaliumacetat
Kaliumchlorid
Kaliumgluconat, G4500
Ladepuffer-DNA IV (10x)
Lambda-DNA
Ligase (T4-Ligase)
Magnesiumchlorid (MgCl2)
Magnesiumsulfat (MgSO4)
Maleinsäure
Methanol
Methylcellulose
mMESSAGE mMACHINE
Mowiol
Natriumacetat
Natriumcarbonat
Natriumcitrat
Natriumchlorid
Natriumdodecylsulfat (SDS)
Natriumdihydrogenphosphat-Monohydrat
Natriumhydroxid (NaOH)
Natriumgluconat
Natriumtetraborat
Objektträger, geschnitten
Oligonukleotide
Paraformaldehyd (PFA)
PBS+ (DPBS)
Petrischalen (Plastik)
Penstrep
pGEM®-T-Easy-Vektor
488Alexa-konjugiertes Phalloidin
Phenol/Chloroform (Rotiphenol)
Pipetten (Einweg-Pasteur-Pipetten)
Pipettenspitzen
Plasmid-Midi-Präparations-Kit
Präparationsbesteck
Proteinase K
6-Propyl-2-thiouracil
Reaktionsgefäße
Restriktionsenzyme und Puffer
RhodaminB-dextran
Rinderserumalbumin (BSA)
RNAse-Inhibitor
Merck
Roth
Sigma
AppliChem
AppliChem
Molecular Probes
R&D Systems
B.Braun
B.Braun
Roth
Roth
AppliChem
Sigma
AppliChem
Promega
Promega
Merck
Roth
Roth
Roth
Sigma
Ambion
Hoechst
Roth
Merck
Roth
AppliChem
Roth
Roth
Roth
AppliChem
Roth
Knittel Glas
MWG-Biotech AG
AppliChem
Gibco
Multimed
Gibco
Promega
Molecular Probes/Invitrogen
Roth
Sarstedt
Sarstedt/Eppendorf
Promega
Fine Science Tools
Roth
Sigma
Eppendorf/Sarstedt
Promega
Molecular Probes
Serva
Promega
115
Material und Methoden
Saccharose
Skalpelle
Sp6-RNA-Polymerase
Sterilfilter
T7-RNA-Polymerase
Taq-DNA-Polymerase (Go-Taq)
Trifast PeqGold
Tris
Triton X-100
Trypsin
Trypton
Tween 20
Wasserstoffperoxide
Wizard Plus SV Minipreps DNA Purifiucation Kit
Ziegenserum
Zellkultur Testplatte (6-Well)
Zellkultur Testplatte (12-Well, Cellstar)
Zellkultur Testplatte (96-F)
AppliChem
Bayha
Promega
Schleicher und Schuell
Promega
Promega
PEQLAB Biotech.
AppliChem
Serva
Roth
AppliChem
Roth
Roth
Promega
Sigma
Becton Dickinson Labware
Greiner bio-one
TechnoPlasticProducts
Kulturmedien, Puffer und Lösungen
Wenn nicht anders angegeben, handelt es sich bei den Prozentangaben in den Zusammensetzungen von
Lösungen und Puffern um Volumenprozente (v/v).
AP1-Puffer pH 9,5:
Bleichlösung:
Blockierungslösung:
DFA:
Essigalkohol:
Gurdon’s Puffer:
Gentamycin :
Hybridisierungslösung:
LB-Medium:
MAB:
5xMBSH:
10xMEMFA:
SOC-Medium:
20xSSC:
0,1M Tris (pH 9,5); 0,1M NaCl ; 5mM MgCl2
0,3% Wasserstoffperoxid; 5% Formamide; 0,5xSSC in Wasser gelöst
10g Boehringer Blocking-Reagenz in 800ml PBS-; lösen bei 65°C;
Zugabe von 100ml Ziegenserum (hitze-inaktiviert); auf 1l mit PBSauflösen, steril filterieren, 1ml Tween
53mM NaCl, 5mM Na2CO3, 4,5mM Kaliumgluconat, 32mM
Natriumgluconat, 1mM CaCl2, 1mM MgSO4 in H2Odd, pH auf 8.3
einstellen mit 1M Bicine oder alternativ Hcl, 0,1%BSA, steril filtrieren,
aliquotieren, einfrieren bei -20°C.
20% Essigsäure, 80% Ethanol
88mM NaCl, 15mM HEPES, 1mM KCl, 15mM Tris-HCl, pH 7,6
0.75g in 15ml H20dd, 1:10000 verwenden.
Für 50ml: 0,5g Boehringer Blocking Reagenz; 25ml Formamid; 12,5
ml 20xSSC; pH 7,0; lösen bei 65°C; dann zugeben: 6m l H2O; 5ml 10
mg/ml Hefe-RNA; 100µl 50mg/ml Heparin; 250µl 20% Tween 20;
500µl CHAPS; 500µl 0,5M EDTA. Die Lösung wird steril filtriert und
kann bei -20°C aufbewahrt werden.
1% (w/v) Bacto-Trypton; 0,5% (w/v) Hefeextrakt; 1% (w/v) NaCl; 0,1%
(w/v) Glucose
100mM Maleinsäure; 150mM NaCl pH 7,5
Für 1 Liter: 25,7g NaCl; 0,375g KCl; 1g NaHCO3; 1g MgSO4/7H2O;
0,39g (CaNO3)2/4H2O; 0,3g CaCl2/2H2O; 11,9g Hepes; 5ml
Penstrep (enthält Penicillin und Streptomycin).
Stocklösung: 500ml 2M MOPS (pH 7,4); 200ml 100mM EGTA; 10
ml 1M MgSO4; mit sterilem H2O auf 1l auffüllen. Gebrauchslösung:
10% 10xMEMFA; 10% Formaldehyd (37%); 80% H2O.
2% (w/v) Trypton; 0,5% (w/v) Hefeextrakt; 10mM NaCl; 2,5mM KCl;
10mM MgCl2; 10mM MgSO4; 20mM Glucose
3M NaCl; 0,3M Na-citrat pH 7,0
116
Material und Methoden
Färbe-Puffer:
TAE-Puffer:
TE-Puffer:
PBS- (ohne Ca/Mg):
PBSw:
PBST:
10mM K3Fe(CN)6; 10mM K4Fe(CN)6; 1mM MgCl2
90mM Tris pH 8,3; 90mM Essigsäure; 2,5mM EDTA
10mM Tris/HCl; 1mM EDTA; pH 7,5
137mM NaCl; 2,7mM KCl; 5mM Na2HPO4; 1,5mM KH2PO4; pH 7,3
PBS- + 0,1% Tween.
PBS- + 0,1% Triton.
Modellorganismen
Afrikanischer Krallenfrosch Xenopus laevis
Guy Pluck, Xenopus express, Ancienne Ecole de Vernassal, Le Bourg 43270, Vernassal, Haute-Loire,
Frankreich. Die Frösche wurden artgerecht in den Tierställen des Instituts für Zoologie in einem 12-stündigen
Lichtzyklus gehalten.
Mus musculus
Inzucht-Mäuse der Linie C57BL/6J (Wildtyp) wurden artgerecht in den Tierställen des Instituts für Zoologie
oder im zentralen Versuchstierhaus der Universität Hohenheim in einem 12-stündigen Lichtzyklus gehalten.
Die Tiere hatten freie Verfügung über Futter (Ssniff R/M H, extrudiert, Ssniff, Soest) und Wasser. Die
Mauslinien NotoGFP/GFP, NotoFoxj1/Foxj1 sowie Foxj1LacZ/LacZ stammten aus dem Labor von Achim Gossler,
Hannover.
Gallus gallus
Befruchtete Hühnereier wurden von verschiedenen professionellen Züchtern geliefert und in einem
Brutschrank bis zum gewünschten Stadium kultiviert.
Bakterienstamm: E.coli XL1-Blue
Genotyp: recA1 endA1 gyrA96 thi-1 hsdR17 supE44 relA1 lac [F'proAB lacIqZDM15 Tn10 (Tetr)]
(aus dem Bakterienvorrat des Instituts für Zoologie, Hohenheim)
Internet-Datenbanken und Programme
Datenbanken der Modellorganismen:
Xenbase: http://www.xenbase.org; Bowes et al., 2008.
Flybase: http://flybase.org/; McQuilton et al., 2012.
Mouse Genome Informatics: Mouse Genome Database (MGD) at the Mouse Genome Informatics website,
The Jackson Laboratory, Bar Harbor, Maine. URL: http://www.informatics.jax.org.
Gene
Expression
Database
(GXD),
Mouse
Genome
Informatics
Web
Site.
URL:
http://www.informatics.jax.org (Finger et al., 2011).
Literaturverwaltungsprogramm:
Mendeley; http://www.mendeley.com/
Bildverarbeitung, -quantifizierung und -analyse:
ImageJ: (Rasband, W.S., 1997-2008). Maßgeschneiderte Plugins für die Analyse programmiert von Thomas
Thumberger (Beyer et al, 2011, Thumberger, 2011).
Adobe Suite CS4: Photoshop und Illustrator.
Geräte
Binokulares Stereomikroskop: Stemi 2000; Zeiss Oberkochen
Binokulares Stereomikroskop: Zeiss Discovery V.12 A SteREO; Zeiss, Oberkochen
Mikroskop: Zeiss Axioskop2 mot plus; Zeiss, Oberkochen
Farbaufnahmen: AxioCam Color; Zeiss, Oberkochen
konfokales Laser-Scan-Mikroskop LSM 700; Zeiss, Oberkochen
117
Material und Methoden
Fluoreszenzmikroskop: Zeiss Axio Imager.M1
Binokulares Fluoreszenzmikroskop: Leica MZ FLIII; Leica-Heerburg AG, Schweiz
Thermocycler: Peltier Thermal Cycler PTC-200; Biozym, Hessisch Oldendorf
Gelkammern: ThermoEC ClassicTM mit Consort Elektrophoresis Power E844
Vibratom: Leica VT 1000 S; Leica-Heerburg AG, Schweiz
Konzentrationsmessungen: Nukleinsäuren: Eppendorf Bio Photometer
Allgemeine Molekularbiologische Methoden
RNA-Isolation und Herstellung von cDNA durch reverse Transkription
Zur Isolation der gesamten RNA wurden jeweils 5-7 Embryonen oder 10-20 Kappen in 1ml Trifast
(PEQGold) mazeriert, bei Raumtemperatur (RT) inkubiert und teilweise bei -80°C gelagert. Die animalen
Kappenexplantate wurden fixiert, sobald die Kontrollembryonen das Stadium 10.5 erreicht hatten. Die
wässrige Phase wurde in ein neues Reaktionsgefäß überführt. 200µl Chloroform wurden zugegeben, gut
vermischt und zentrifugiert. Die wässrige Phase wurde in ein neues Reaktionsgefäß überführt und eine
Isopropanol-Fällung vorgenommen. Die RNA wurde in 30µl autoklaviertem bidestilliertem Wasser
aufgenommen, die Konzentration bestimmt und bei -80°C gelagert. Etwa 1 µg RNA wurde zur Herstellung
von cDNA mit 0,5µl einer Mischung zufälliger Primersequenzen (random hexamers, Promega) in Wasser auf
ein Endvolumen von 14µl verdünnt. Nach 5min bei 70°C und schnellem Abkühl en auf Eis wurden 5µl M-MLV
RT Buffer (5x), 1,25µl dNTPs (10mM), 1µl M-MLV Reverse Transkriptase und 3,75µl destilliertes Wasser
zugegeben. Nach 10min bei RT und 60min bei 50°C wur de die Reaktion durch die Inkubation bei 70°C für
15min abgestoppt und die cDNA bei -20°C gelagert.
Polymerase Kettenreaktion (PCR)
Zur Amplifikation von DNA-Fragmenten wurden folgende Komponenten auf Eis in ein PCR-Gefäß gegeben:
Xµl
cDNA
5,0µl
5xTaq-Puffer (500mM KCl, 15mM Mg2Cl2, 100mM Tris-HCL pH 9)
2,5µl
dNTPs (2mM)
1,0µl
10mM spezifischer Primer 1 (forward, for)
1,0µl
10mM spezifischer Primer 2 (reverse, rev)
0,2µl
Taq-DNA-Polymerase
15,3-Xµl
steriles H2O
Zur Amplifikation wurde ein Thermocycler programmiert.
Schritt 1:
Schritt 2:
Schritt 3:
Schritt 4:
Schritt 5:
Schritt 6:
60 Sekunden Denaturierung bei 95°C (Auftr ennung der Doppelstränge der DNA)
30 Sekunden Denaturierung bei 95°C
30 Sekunden Anlagerung bei 55-65°C (Anlag erung der Primer an die DNA je nach
Schmelztemperatur des Primers)
45 Sekunden Polymerisierung bei 72°C (Ver vielfältigung des DNA-Fragments)
Zurück zu Schritt 2, 26-44 Zyklen
Kühlung bei 8°C bis zur Entnahme der Prob en aus dem Thermocycler
Durch eine Reaktion mit EF1α wurden die verschiedenen cDNAs geeicht. Bei der semiquantitativen PCR
wurde die PCR jeweils mit aufsteigender Zyklenanzahl durchgeführt, um in der exponentiellen Phase die
Quantifizierung vornehmen zu können. Die Primer lagen jeweils auf verschiedenen Exonen, so dass eine
genomische Verunreinigung durch eine höhere Bande sichtbar wird. Eine genomische Verunreinigung wurde
jedoch zudem durch eine Kontrolle ohne Reverse Transkriptase ausgeschlossen. Die Firma MWG-BIOTECH
AG übernahm die Primerherstellung. Die Sequenz der
gezeigten spezifischen Primerpaare war:
EF1α: for 5’-ACTGCCTTGATGATGACTCCTAG rev 5’-CAGATTGGTGCTGGATATGC;
Wnt11: for 5-TGACGGTCTAGTCCCTGACCA, rev 5'-GGTTGCAGCTGTCACCTACCA;
Xbra: for 5’-CACAGTTCATAGCAGTGACCG, rev 5'-TTCTGTGAGTGTACGGACTGG;
Sox17α: for 5’-TCATGAGCAGACTTACTCCC, rev 5'- CACAATAATCACACCGTTTCAC;
118
Material und Methoden
NCAM: for 5’-AACATTGTTCCAGATCAAGGAG, rev 5'-AGTGATGTCTAATTCCA.
GscUTR: for 5’-TTTTTCTCCCCCACATTT, rev 5'-CTGCTCCGTCCTCTCTG.
Zur Quantifizierung nach semiquantitativer RT-PCR wurde die Expression von Goosecoid und Brachyury ins
Verhältnis zur Expression des Elongationsfaktors EF1α gesetzt und mit Hilfe einer „gel quantification
analysis“ in ImageJ analysiert (Rasband, 1997-2008).
Gelelektrophoretische Auftrennung von Nukleinsäuren
Die Auftrennung erfolgte in einem 1%igen Agarosegel mit Ethidiumbromid (Endkonzentration 0,4g/ml) in
einer mit 1xTAE-Puffer gefüllte Gelelektrophoresekammer bei 100-120Volt. Um die Größe der DNAFragmente bestimmen zu können, wurde zusätzlich ein geeigneter DNA-Fragmentlängenstandard
(spezifisch restriktionsfragmentierte DNA) aufgetragen. Die Nukleinsäurefragmente wurden durch
Fluoreszenz unter einem UV-Transilluminator bei 312nm (TCP 20 M, Vilber Lourmat) sichtbar gemacht und
fotografiert.
Photometrische Konzentrationsmessung von Nukleinsäuren
Zur Konzentrationsbestimmung von Nukleinsäuren wurde die Extinktion von UV-Strahlung der Wellenlängen
260 und 280 nm beim Durchqueren einer Nukleinsäurelösung in einem Biophotometer (Eppendorf)
gemessen. Als Leerprobe wurde das entsprechende Lösungsmittel verwendet. Zur Bewertung der Reinheit
der Nukleinsäure dient das Extinktionsverhältnis von 260 bis 280nm. Ein optimaler Reinheitswert liegt bei ca.
1,8 für DNA und bei ca. 2,0 für RNA.
Transformation der Bakterien mit Plasmid-DNA
Für die Transformation wurden 100µl kompetente Bakterien mit DNA 30min auf Eis inkubiert, damit sich die
eingebrachte DNA an den Zellen anheften konnte. Durch einen anschließende Hitzeschock im Wasserbad
bei 42°C für 90 Sekunden und 2min auf Eis wurde die DNA aufgenommen. Nach Zugabe von 1ml SOCMedium und Inkubation für 1 Stunde bei 37°C im Ther mocycler bei ca. 300rpm wurden die Bakterien weiter
über Nacht in LB-Medium bei 37°C vermehrt.
Restriktionsverdau von DNA-Fragmenten
1µg DNA, 0,5µl Enzym 2µl 10xPuffer und 0,2µl 100xBSA wurden mit sterilem Wasser auf ein Endvolumen
von 20µl aufgefüllt. Anschließend wurde der Reaktionsansatz bei 37°C für mindestens 2 Stunden inkubier t
und elektrophoretisch aufgetrennt.
Midi-Präparation von Plasmid-DNA mit dem PureYield Midiprep Kit (Promega)
Nach dem Protokoll zur Plasmidpräparation mit dem Pure Yield Midiprep Kit von Promega wurden 100ml
einer Bakterienkultur, die über Nacht in LB-Selektionsmedium (LB-Medium, 100µg/ml Ampicillin) inkubiert
wurde, in einen Zentrifugenbecher überführt und entsprechend der Anleitung die DNA isoliert. Zur
Überprüfung der Qualität und Ausbeute der DNA wurde die Konzentration dieser DNA-Lösung photometrisch
bestimmt.
In situ-Hybridisierung (ISH) im Ganzpräparat
Die Analyse der Genexpression erfolgte mit Hilfe einer in situ-Hybridisierung in Ganzpräparaten oder auf
Explantaten und folgte unter anderem Belo et al., 1997. Das Protokoll wurde im Labor von de Robertis
entwickelt. Der genaue Ablauf der Xenopus ISH wurde beschrieben von Jack Greenan und Carrie Metzinger
(2008)
und
kann
unter
folgender
URL
eingesehen
werden:
http://www.hhmi.ucla.edu/derobertis/protocol_page. Zunächst wurde eine Digoxigenin-markierte RNAAntisinn-Sonde durch in vitro-Transkription linearisierter Plasmide hergestellt. Dabei wurden folgende
Plasmide genutzt:
Plasmide für die Herstellung von Antisinn-Sonden
pgsc
pBluescript-Vektor, der ein 800 bp Fragment der Gsc-cDNA aus der Maus enthält.
Für Antisinn-Sonde wurde der Vektor mit EcoRI linearisiert und mit der T3
Polymerase in vitro transkribiert (Blum et al. 1992).
Xgsc
pBluescript-Vektor, bezogen von Dr. Michael Ögelschläger, Freiburg. Für die
Antisinn-Sonde wurde mit EcoRI linearisiert und mit T7 transkibiert (Cho et al. 1991).
Xtwist
Kloniert von Thomas Thumberger, verwendet in Kurz, 2012 und Walentek et l, 2012.
119
Material und Methoden
Sonstige Sonden (wie Shh, Xnr3, Foxj1, Tektin2, Coco, Brachyury, Frizzled 8) sind kodierende Sequenzen
aus Xenopus, aus dem Vorrat des Instituts für Zoologie, verwendet unter anderem in Ulmer, 2008; Andre,
2009; Beyer, 2011; Beyer et al., 2011, Walentek et al., 2012.
Anpassungen der ISH:
Der Proteinase K-Verdau dauerte 15min bei RT. Die Vorhybridisierung erfolgte in 900µl
Hybridisierungslösung für 3 Stunden bei 65°C. Nach den 3 Stunden wurde zu den 900µl der Ansätze 11,5µg Digoxigenin-markierte RNA-Sonde in 100µl Hybridisierungslösung gegeben, die zuvor für 5min bei
95°C denaturiert und dann auf Eis gestellt wurde, o der die Vorhybridisierungslösung durch bereits benutzte
Sonde ersetzt. 1,5ml Blockierungslösung mit alkalischer Phosphatase konjugiertem Anti-DigoxigeninAntikörper in einer Verdünnung von 1:10000 eingesetzt. Die Farbreaktion erfolgte nach Überführen der
Präparate in 1-2ml 50% BM-Purple (präzipitierendes alkalisches Phosphatase-Substrat) in AP1-Puffer. Es
folgte eine Inkubation auf unbestimmte Zeit bei Dunkelheit, teilweise bei 4°C, teilweise auch bei RT. Nach
Auftreten einer ausreichend starken Färbung wurde die Reaktion durch mehrmaliges Waschen in PBSgestoppt. Die Dauer bis zum Erlangen einer ausreichenden Färbung betrug zwischen 1 und 7 Tagen. Die
Präparate wurden anschließend stufenweise in 100% Methanol überführt und bei -20 °C aufbewahrt. Als
Kontrolle dienten Sinn-Sonden.
Photodokumentation und Bildbearbeitung
Die Dokumentation und Auswertung der durch in situ-Hybridisierung behandelten Embryonen erfolgte nach
stufenweiser Re-Hydrierung in PBS-. Auch die angefertigten Schnitte wurden fotografiert. Die so erhaltenen
Bilder wurden im TIF-Format in Adobe Photoshop Vers. CS4 importiert und weiterverarbeitet. Dabei wurden
Helligkeit und Kontrast, Gradationskurve sowie Farbverhältnis nachbearbeitet. Teilweise wurden die
Embryonen auch freigestellt und ein gleichmäßiger Hintergrund verwendet, um den Vergleich der
Embryonen zu erleichtern. Es wurde immer darauf geachtet, dass die Bilder kein Ergebnis suggerieren,
welches nicht ohne Bearbeitung erzielt worden wäre. Die Einteilung der Embryonen in Kategorien erfolgte
wenn möglich blind, ohne Wissen des Versuchsauswerters über die jeweilige Behandlung der Embryonen.
Anfertigung von histologischen Schnitten mit einem Vibratom-Mikrotom
Der fixierte und zu schneidende Embryo wurde in 500µl einer Gelatine-Albumin-Mischung (2,2g Gelatine,
135g Rinderalbumin, 90g Saccharose in 450ml PBS-) äquilibriert. In eine Einbettkassette wurden 2ml
derselben Gelatine-Albumin-Mischung gegossen, der kurz vorher 140µl Glutaraldehyd (25%) zugegeben
wurden. Alternativ, um die Eigenfluoreszenz des Glutaraldehyds zu umgehen, wurde Agarose mit einem
niedrigen Siedepunkt (Agarose Low Melt) zum einbetten verwendet, die aufgekocht wurde. Nach dem
Aushärten der Mischung wurde der Embryo mit einer Pipette in die Einbettkassette überführt und mit
derselben Mischung übergossen. Nach Aushärtung wurde der erhaltene Block aus der Einbettkassette
gelöst, für die richtige Schnittebene mit einer Rasierklinge unter dem Binokular getrimmt und auf eine
Metallplatte aufgeklebt. Die Metallplatte wurde in die Halterung eines Vibratoms eingespannt. Es wurden
Schnitte mit einer Dicke von 30-80µm angefertigt und diese auf Objektträger transferiert. Anschließend
wurden die Schnitte mit Mowiol eingedeckelt.
Proteinexpressionsanalyse mittels Immunhistochemie (IHC)
Das Gewebe wurde in 4% PFA 1 Stunde lang fixiert. Dann wurde dreimal für 10min in PBST (0,1 %)
gewaschen und 2 Stunden bei RT in jeweils 250µl einer mit PBST 1:10-verdünnten CAS-Block TM-Lösung
blockiert. Anschließend wurde die verdünnte CAS-Block TM-Lösung wieder abgezogen und die Innenohren in
200µl des verdünnten primären Antikörpers über Nacht bei 4°C inkubiert. Nach der Inkubation wurde drei mal
für 30min mit PBST gewaschen. Es wurden 200µl des verdünnten sekundären Antikörpers aufgebracht und
diese bei 4°C über Nacht oder 3h bei RT inkubiert. Da der rot fluoreszierende Antikörper lichtempfindlich ist,
mussten alle Schritte ab jetzt im Dunkeln erfolgen. Es folgten je drei Waschschritte je 15 min in PBST sowie
in PBS-. Für Neuralleistenzellen wurde das Protokoll leicht abgewandelt: Es wurde 1 Stunde bei RT in 5%
FetalBovineSerum (FBS) in PBST geblockt, und nur je 30min-1h bei RT mit primärem und sekundären
Antikörper inkubiert, der ebenfalls in 5% FBS in PBST gelöst war. Bei Hühnerembryonen folgten auf die
Fixierung in PFA waschen in PBS und PBST, dann 1h blocken in 3%BSA in PBST, gefolgt von der
Inkubation mit HNK1-Antikörper über Nacht bei 4°C u nd von einigen Waschschritten in PBST. Nach der
Färbung mit dem sekundären Antikörper über Nacht bei 4°C und waschen mit PBST wurden die
Hühnerembryonen in PBS aufbewahrt.
120
Material und Methoden
Anti-HNK-1/N-CAM (CD57, monoclonal mouse)
Anti-c-Myc (sc-40, monoclonal mouse)
Anti-acetyliertes α-Tubulin (monoclonal mouse)
AntiMouse IgG, Alexa 594
Anti-Maus IgG, F(ab’)2 Fragment-Cy3
Verdünnung: 1:500
Verdünnung: 1:100
Verdünnung: 1:750
Verdünnung: 1:500
Verdünnung: 1:250
Sigma
Santa Cruz/Invitrogen
Sigma
Invitrogen
Sigma
Phalloidinfärbung
Zur Anfärbung des Aktinzytoskeletts wurde eine Färbung mit Phalloidin, einem hochtoxischen cyclischen
Alkaloid des weißen Knollenblätterpilzes (Amanita phalloides), durchgeführt. Dieses bindet an das AktinZytosklett. Der Phalloidin-Antikörper war konjugiert mit Alexa 488, einem grün fluoreszierenden Farbstoff.
Das Phalloidin wurde 1:50-1:400 verdünnt und mit 200-250µl 30min bis 1h bei RT auf der Rüttelplatte
inkubiert. Neurallleistenzellexplantate wurden 1,5h bei RT in Phalloidin 1:20 inkubiert. Anschließend wurde
dreimal in PBS gewaschen und die Präparate bis zur Analyse im Laufe der nächsten Woche im Dunkeln im
Kühlschrank aufbewahrt.
Hoechst-Färbung der DNA
Hoechst 33342 wurde 1:15000-1:40000 in PBS- eingesetzt und die DNA zwischen 10min und 1h gefärbt.
Anschließend erfolgten einige Waschschritte in PBS-.
Fluoreszenzmikroskopische Analyse
Unter dem Binokular wurde in PBS- mit Uhrmachpinzetten die verschiedenen Gewebe präpariert und mit
Vaselinerand in PBS eingebettet.
Der linksgerichtete Flüssigkeitsstrom
Aufnahme des ciliengetriebenen Flüssigkeitsstroms in Maus und Froschembryonen
Mäuseembryonen am Tag 8.0, zwischen 2 und 4 Somiten, wurden präpariert und in einer 125-fachen
Verdünnung von fluoreszenten Kügelchen (FluoSpheres) in einer Vaseline-Kammer mit dem PNC nach oben
eingedeckelt. Eine Aufnahme mit mindestens 60 Sekunden wurde mit 10 Aufnahmen pro Sekunde (fps)
aufgenommen auf einem Zeis AxioMot2 mit einer AxioCam HSm Videokamera (Maissoneuve et al., 2009;
Andre, 2009; Alten et al., 2012). Die Analyse im Frosch folgte Schweickert et al., 2007 und Thumberger,
2011.
Kalkulation und Auswertung des Flüssigkeitsstroms mit ImageJ und R
Die Bilder wurden ausgerichtet und anhand eines Durchlichtbildes zugeschnitten. Die Spuren der
fluoreszenten Kügelchen wurden mit dem ImageJ software plugin „MTrackJ plugin“
(http://www.imagescience.org/meijering/software/mtrackj/) visualisiert und mit dem ParticleTracker
(Sbalzarini and Koumoutsakos, 2005; ImageJ; http://rsb.info.nih.gov/ij/; Radius: 2 Cutoff: 0 Percentile 0.4)
analysiert. Die weitere Prozessierung erfolgte mit einem von Thomas Thumberger programmierten script für
project-R (http://cran.r-project.org/), wie beschrieben (Schweickert et al., 2007; Maisonneuve et al., 2009) für
GTT Bilder und Windrosendiagramme. Um die Brownsche Molekularbewegung auszugrenzen wurden nur
Partikelspuren verwendet, die mindestens einen Rho von 0.6, also Direktionalität, vorwiesen und auf
mindesten 10 aufeinanderfolgenden Bildern detektiert werden konnten.
Kalkulation und Auswertung des Streckungsgrades von Zellen mit ImageJ und R
Zunächst wurden die Zellgrenzen durch Alexa488-konjugiertes Phalloidin oder Alcian blau visualisiert. Für
die Quantifizierung wurden in ImageJ die Zellgrenzen markiert. Mit einem durch Thomas Thumberger
angepassten Skript in R wurde der Streckungsgrad anhand des Seitenverhältnisses der längsten möglichen
Achse und der dazu senkrecht stehenden Breite bestimmt. Ein Farbgradient zeigt den Streckungsgrad der
Zellen von hellgelb (runde Zellen, Seitenverhältnis 1) bis dunkelrot (elongierte Zellen, Seitenverhältnis nähert
sich 0) an.
Visualisierung des Cilienschlags in Mausembryonen
Mausembryonen werden in einer Vaslinekammer in F10-Medium eingedeckelt, und im Dic 63er mit
zusätzlicher 1,6facher Vergrößerung bei voller Lichtintensität aufgenommen. 500 Zyklen bei maximaler
Geschwindikeit der Hochgeschwindigkeitskamera wurden dokumentiert. Die entstehenden Filme (ziAR)
werden mit dem Schnittkonverter von Zeis zu zvi konvertiert und anschließend mit ImageJ als Filme (avi,
mov) gespeichert.
121
Material und Methoden
Statistische Analyse
Die statistische Analyse erfolgte mittels des 2-mal-2 Chi 2- Test im Programm Statistica (Stat-Soft) oder auf
statpages.org bzw mittels eines Wilcox-testes mit: The R-project for statistical Computing http://www.rproject.org/. Scripte programmiert von Thomas Thumberger (Schweickert et al., 2007; Beyer et al, 2011).
Die Signifikanzlevels wurden angegeben mit: Signifikant*: p<005; Hoch signifikant**: p<0.01; Sehr hoch
signifikant**: p<0.001. Boxplots stellen jeweils den Median als dicke Linie dar und der Kasten des Boxplots
schließt das obere und untere Quartil ein. Die Whiskers (Schnurrhaare) zeigen Minimum und Maximum.
Werte die mehr als das 1,5fache des Interquartilabstands vom Median abweichen, gelten als Ausreißer und
sind als einzelne Punkte eingezeichnet.
Arbeiten mit Xenopus laevis
Stimulation der Ovulation bei Xenopus-Weibchen
Durch eine vorbereitetende Hormoninjektion von 50µl humanem Choriongonadotropin eine Woche vor dem
Ovulationstermin wurde das Weibchen auf die baldige Eiablage vorbereitet. Am Abend vor dem
gewünschten Ovulationstermin wurde dem Weibchen, je nach Größe und Alter, 400-600µl humanes
Choriongonadotropin injiziert. Nach manueller Massage des Unterleibs laichte das Weibchen ab.
In vitro Fertilisation
Der Laich wurde in einer Petrischale aus Glas in vitro befruchtet. Etwa 40min später wurden die Eier für
maximal 7min in einer 2%igen Cysteinlösung (pH 7,99) inkubiert, die anschließend durch mehrmaliges
Waschen in 0,1xMBSH-Lösung und zweimaliges Waschen in 1xMBSH-Lösung entfernt wurde. Die
befruchteten Eier wurden zur Injektion verwendet oder zur weiteren Kultivierung vor der Gastrulation in
0,1xMBSH-Agaroseschälchen mit 0,1xMBSH-Lösung überführt.
Injektionen in Xenopus laevis
Die Embryonen wurden in 2% Ficoll in 1xMBSH Agarschälchen injiziert, um osmotisch den
Cytoplasmaausfluss an den Injektionseinstichstellen zu verhindern. Die mRNA oder der Morpholino wurde
mit isotonischem Gurdon’s-Puffer verdünnt und mit dünnen Glasnadeln in die Embryonen (4-8 ZellEmbryonen) injiziert. Die Einstellung der Kapillaren erfolgte durch eine Bestimmung der Tropfengröße pro
Injektionseinheit auf Milimeterpapier: Eine Tropfengröße von 0,25mm entspricht einer Injektionseinheit 8nl.
Die injizierten Embryonen wurden für mindestens 1h in der Ficoll-Lösung kultiviert. Vor der Gastrulation
wurden die Embryonen in 0,1xMBSH-Lösung gewaschen und in 0,1xMBSH Agarschälchen, die mit einer
Lösung aus 0,1x MBSH-Lösung gefüllt waren, überführt.
Fixierung von Embryonen
Embryonen wurde bis in das gewünschte Stadium kultiviert, dann in 5 ml Glasröhrchen transferiert und mit
frisch hergestelltem 1xMEMFA fixiert. Dieser Ansatz wurde für zwei Stunden bei RT oder über Nacht bei 4°C
inkubiert. Für die Knorpelfärbung wurden die Embryonen dreimal in PBS - gewaschen und direkt
weiterverwendet. Für die in situ Hybridisierung wurden die Embryonen kurz in Ethanol gewaschen und
danach eine halbe Stunde bei RT mit Ethanol auf dem Taumelroller inkubiert, zur Auswaschung von
Dotterbestandteilen. Anschließend wurden die Embryonen nach nochmaligem Ethanolwechsel bei -20°C
aufbewahrt.
Überprüfung des Injektionsortes mittels Zellschicksalsmarkern
Zur Überprüfung des Ortes der Injektion wurden Zellschicksalsmarker co-injiziert, die nicht toxisch oder
reaktiv sind und selbst nicht in das Entwicklungsschicksal der Zellen eingreifen:
dsRed-mRNA, GFP-mRNA und RFP-mRNA codieren für ein fluoreszierendes Protein und wurden bis zu
einer Konzentration von 2ng/Embryo eingesetzt. Rot und blau fluoreszierende Biopolysaccharide,
RhodamineB-Dextran und blaues Dextran, wurden in einer Konzentration von 0,5-1µg/µl der
Injektionslösung zugesetzt. Unter einem Binokular mit UV-Quelle (LEJ ebq100 isolated) wird so sichtbar, ob
die Injektion das gewünschte Zielgewebe getroffen hat.
Für eine dauerhafte Markierung der injizierten wurde eine nukleäre βGalactosidase-Färbung vorgenommen:
Die mit βGalactosidase-mRNA co-injizierten Xenopus-Embryonen wurden für 1h in MEMFA fixiert. Dann
wurden die Embryonen erst in PBS +, dann in Färbe-Puffer gewaschen. Es folgte die Inkubation der
Embryonen in jeweils 1mL Staining Puffer + 5µL Substrat Rose-Gal (1mg/mL). Die Färbung erfolgte im
122
Material und Methoden
Dunkeln bei 37°C in 2h oder über Nacht im Kühlschra nk und wurde durch Waschen in PBS + gestoppt. Dann
wurden die Embryonen nochmals 45min in MEMFA fixiert, in 100% Ethanol überführt und bei -20°C gelagert .
Plasmide für Fehlexpressionsexperimente und verwendete Konzentrationen
Herstellung von capped RNA
Da RNA sehr schnell degradiert, erfolgten alle Schritte auf Eis, entsprechend der Angaben der Hersteller
(Ambion und Applicap). Es wurde 1µl linearisierter CS2+mit dem gewünschten Insert (1µg) eingesetzt.
Danach wurde zum Abbau der Template-DNA 1µl DNAse zugegeben und wiederum im Thermocycler für
15min inkubiert. Danach wurde eine Phenol-Chloroform-Extraktion mit anschließender Isopropanol-Fällung
durchgeführt. Die cappedRNA wurde in 1-2µl Aliquots in einzelne Eppendorfgefäße verteilt und bei -80°C
eingefroren. Die Konzentration wurde photometrisch gemessen und auf einem Gel eine mögliche
Degeneration der mRNA überprüft. Injizierte Menge an mRNA oder DNA pro Injektion in eine Blastomere,
soweit nicht anders angegeben:
GscGR
XrhoN19
XrhoAV14
DnWnt11
Wnt11
T
Xcnn2Myc
Prickle1
Vangl2/Strb
Dvl2-GFP
Frizzled7
Fgf8
zur Verfügung gestellt von Dr. Abraham Fainsod, Jerusalem. Das Plasmid enthält
ein Fusionskonstrukt aus Xgsc mit der Ligandenbindedomäne des GlucocorticoidRezeptors. Zur Herstellung von mRNA wurde der Vektor mit SacI linearisiert und mit
Sp6 erfolgte die in vitro Transkription (Shapira et al. 2000). Soweit nicht anders
aufgeführt, erfolgte eine Injektion von 400-560pg mRNA/Zelle
dominant-negative Variante der GTPase RhoA. Zur Verfügung gestellt von Herbert
Steinbeißer, erstmals publiziert in (Paterson et al., 1990). Linearisierung mit XhoI
und in vitro Transkription mit T3-Polymerase. Injektion von 160 pg-200 pg
mRNA/Zelle.
zur Verfügung gestellt von Dr. Herbert Steinbeißer, Heidelberg. Die darin
enthaltene GTPase RhoA ist durch Mutation einer Phosphorylierungsstelle
konstitutiv aktiv. Linearisierung mit XhoI und in vitro Transkription mit T3Polymerase (Paterson et al., 1990). Injektion von 32-64pg mRNA/Zelle
dominant negatives Konstrukt von Wnt11 (Tada und Smith, 2000). Injektion von
DNA-Lösung, Konzentration 1ng/µl.
codierende Sequenz aus Xenopus; 40pg mRNA/Zelle (Kwan und Kirschner,
2003)
400pg mRNA/Zelle; kodierende Sequenz von Brachyury aus der Maus in
CS2+ (Andre, 2009).
Fusionskonstrukt von Myc und Calponin2 aus Xenopus in CS2+ (Schmalholz, 2008).
600 pg mRNA/Zelle (Takeuchi et al., 2003).
400 pg mRNA/Zelle (Goto und Keller, 2002).
Konstrukt, dass die c-terminale DEP domain of Dvl2 fusioniert an GFP enthält,
als Konstrukt D9 bezeichnet in (Rothbacher et al., 2000), erhalten von Herbert
Steinbeißer. mRNA Injektion: 400pg/Zelle. CS2+ Vektor.
ebenfalls (Rothbacher et al., 2000), erhalten von Herbert Steinbeißer.
mRNA Injektion: 400pg/Zelle. CS2+ Vektor.
mRNA-Injektion von mit 8,8 pg/Zelle, codierende Sequenz von Fgf8 aus
Xenopus in CS2+, kloniert von Isabelle Schneider.
Antisinn-Morpholinooligonukleotide für Funktionsverlustexperimente
Morpholinos sind spezifische Antisinn-Oligonukleotide. Ein Funktionsverlust wird durch AntisinnMorpholinooligonukleotide erreicht, die im Bereich des Startcodons (ATG) binden und so die Translation des
Proteins hemmen („coding Morpholino“). Alternativ können Morpholinos auch als Antisinn zur 5'Spleißerkennungsstelle, der Exon-Intron-Grenze, kreiert werden. Diese verhindern das Spleißen, also die
Reifung der mRNA aus der Prä-mRNA durch Herausschneiden der Introns. Sie schalten dadurch nur die
durch zygotische Transkription entstandene Prä-mRNA aus, wohingegen die maternal in der Oozyte
abgelegte mRNA weiterhin translatiert werden kann. Damit sollen Defekte während der frühen
Embryonalentwicklung vermieden werden. Die Synthese des Morpholinos wurde bei der Firma Gene Tool
LLC in Auftrag gegeben.
Die Sequenz des Morpholinos für Xgsc (XgscASMO) stammt aus Sander et al. 2007 und lautet:
123
Material und Methoden
5′-GCTGAACATGCCAGAAGGCATCACC-3′; Dieser wurde in Konzentrationen von 6-12 pmol verwendet
und bindet im Bereich des ATG.
Xcnn2SplMo wurde in dieser Arbeit mit einer Konzentration von 1pmol pro Blastomere verwendet. Da
Xenopus laevis nicht sequenziert ist, standen die für die Herstellung eines Spleißmorpholino benötigten
Intronsequenzen nicht zur Verfügung und wurden kloniert Für die Herstellung des Xcnn2SplMo wurden die
Exon-Intron-Grenzen durch Vergleich mit dem sequenzierten engen Verwandten Xenopus tropicalis
abgeleitet. Die Klonierung der entsprechenden genomischen Sequenzen von Calponin2 erfolgte durch
Cathrin Hagenlocher nach Standardmethoden. Dargestellt in der Abbildung 39 ist die letztlich verwendete
Sequenz von Intron3. Der Xcnn2SplMo mit der Sequenz: 5'-CGCGGGAATTCGATTCATTGCTTTA-3' bindet
an den Übergang von Exon3 in Intron3.
Die Sequenz des Calponin2-Antisinn-Morpholinos im Huhn (Gcnn2Mo) lautet:
5'-CCTTGTTGAACTGGGAGCTGCTCAT-3' und bindet im Bereich des ATG.
Zur Kontrolle wurde Kontrollmorpholino (random control oligo) in derselben Konzentration injiziert.
Abbildung
39:
Klonierung
der
Intronsequenz von Calponin2 zur
Konstruktion eines Spleißmorpholinos
(A) Exon-Struktur von Calponin2 in
Anlehnung an Xenopus tropicalis. Exone
wechselnd in blau und grün dargestellt.
Hervorgehoben sind die CalponinHomologie-Domäne (CH, braun) und die
aktinbindenden Clik-Domänen (rot) sowie
das Intron3 mit der Ansatzstelle der
Antisinn-Morpholinooligonukleotide
gegen
die
Spleißerkennungsstellen
(SplMo). Sequenzen: Xenopus leavis
Calponin2 (Copy A, ABG49504.1).
(B) Intron3: Sequenziertes Intron3,
hervorgehoben ist
die Ansatzstelle des Xcnn2SpMo.
Präparation und Kultur von Neuralleistenzellexplantaten
Animal injizierte Embryonen wurden im St. 13-15 auf korrekte Injektion überprüft, die Vitellinhülle entfernt
und in 1xMBSH mit Gentamycin überführt. St. 16-17 wurden die Neuralleistenzellen präpariert und in DFA
mit Gentamycin überführt, entsprechend Borchers et al., 2000; Alfandari et al., 2003. Nach 20min bis 1h
wurden die leicht abgekugelten Neuralleistenzellen in mit Fibronectin beschichtete Wellplatten respektive auf
beschichtete Deckgläschen in Zellkulturtestplatten (6-Well) überführt und über in DFA Nacht kultiviert. Dabei
wurde in DMSO gelöster Rho-Inhibitor oder DMSO zugegeben.
Die Fixierung erfolgte durch Zugabe von 8% PFA mit gleichem Volumenanteils wie das Kulturmedium,
sodass in 4% PFA 15 Minuten fixiert wurde.
Präparation von animalen Kappen und Keller „open face“ explanaten.
Die animal injizierten Embryonen wurden nach dem Injizieren schnell in 0,1xMBSH überführt.
124
Material und Methoden
Für animale Kappenexplantete wurde im Stadium 9 in 1xMBSH die Vitellinhülle von ventral aus entfernt und
dann mit Pinzetten von oben die animale Kappe freipräpariert, in Anlehnung an (Green, 1999). Die Kappen
wurden dann sofort in 0,5xMBSH gewaschen und in 0,5mal MBSH mit Gentamycin über Nacht kultiviert,
teilweise unter Zugabe von Activin in den angegebenen Konzentrationen. Keller “open face explants” wurden
präpariert wie von (Keller und Winklbauer, 1992; Sive et al., 2007), außer dass DFA-Medium benutzt wurde.
Dabei wurden nur korrekt injizierte Embryonen mit einer definierte dorsalen Lippe verwendet. Nach der
Kultur wurden Explantate in den Kulturbehältnissen (96FWell-Platten) mit Memfa vor-fixiert und
anschließend 30-45 min in Memfa fixiert.
Knorpelfärbung mit Alcian Blau
Die Froschembryonen wurden dreimal mit PBSw gewaschen. Anschließend wurden sie in Essigalkohol
schnell gewaschen und dann 2 h bei Raumtemperatur inkubiert. Über Nacht auf dem Taumelmischroller
wurden die Embryonen mit Alcian blau (0,05% in Essigalkohol) bei Raumtemperatur gefärbt. Danach wurden
sie durch einige Waschschritte (etwa sechsmal 2h) mit Essigalkohol entfärbt und dreimal in PBSw
gewaschen, der letzte Waschschritt über Nacht bei 4°C. Am nächsten Tag werden die Embryonen in je 5 ml
Bleichlösung unter hellem Licht gebleicht.
Anschließend wurde dreimal mit 0,5xSSC gewaschen und danach zweimal mit gesättigter
Natriumtetraboratösung. Es folgte ein Verdau mit Trypsin (3mg in 6ml gesättigter Natriumtetraboratlösung)
für 5 Minuten bei Raumtemperatur. Nach nochmaligem dreimaligem Waschen in PBSw wurden die
Embryonen in Gläschen mit PBS- überführt, dokumentiert und geschnitten.
Arbeiten mit der Maus
Verpaarung, Bestimmung der Entwicklungsstadien, Isolierung und Fixierung von Mausembryonen
Es wurden weibliche und männliche Mäuse der entsprechenden Mauslinien miteinander verpaart. Wenn ein
Vaginalpfropf (vaginal plug; damit bezeichnet man die geronnene Samenflüssigkeit) festgestellt werden
konnte, wurde der Mittag als E 0.5 (E= embryonic day) angenommen, da die Ovulation der weiblichen
Mäuse in der Mitte der Dunkelphase stattfindet. Schwangere Mäuse wurden durch cervikale Dislokation
getötet und median an der Peritonealhöhle aufgeschnitten. Der Uterus wurde entnommen und in kaltes PBS +
(auf Eis) überführt. Die weitere Präparation erfolgte unter dem Binokular. Mit einer Schere wurde der Uterus
zwischen den einzelnen Implantationen durchtrennt. Mit einer Uhrmacherpinzette wurde das Uterusgewebe
vorsichtig entfernt. Danach wurden die Embryonen von ihren embryonalen Hüllen (Dottersack und Amnion)
ebenfalls mit einer Uhrmacherpinzette befreit.
Arbeiten mit dem Huhn
Kultivierung der Embryonen
Diese Arbeiten erfolgten ihm Rahmen eines wissenschaftlichen Austausches an der Hebrew University in
Rehovot, Israel. Eier wurden für etwa 26 Stunden im Inkubator bei 38°C bebrütet. Mit einer Kanüle wurd e
etwas Albumin abgezogen, ohne den Dotter zu beschädigen. Anschließend wurde mit einer feinen Schere
ein Loch mit einem Durchmesser von etwa 3cm in das Ei geschnitten, und der Embryo mit etwas Pelikan
India Tinte (1:20 in PBS) unterspritzt. Um einen Einfluss auf die Migration der cranialen Neuralleistenzellen
zu
erforschen,
wurden
1-2
Somitenembryonen
verwendet,
für
die
Untersuchung
von
Rumpfneuralleistenzellen Embryonen mit 7 Somiten.
Elektroporation von Antisinn-Oligonukleotiden
Gcnn2Mo (5'-CCTTGTTGAACTGGGAGCTGCTCAT-3') wurde 1:2, DNA 1:10 in PBS eingesetzt, mit
Farbstoff versehen und in das Neuralrohr injiziert. Anschließend wurden die Elektroden beidseitig des
Neuralrohrs aufgesetzt und ein elektrischer Impuls gegeben. Dann wurde die Stelle sofort mit einigen
Tropfen PBS abgekühlt, und das Ei mit Parafilm verschlossen. Anschließend wurden die Embryonen wieder
im Inkubator bebrütet bis zum Erreichen des gewünschten Stadiums. Darauf wurden die Embryonen aus
dem Ei geschnitten, mit Insektennadeln auf Silikon aufgespannt und 15 min in 4% PFA fixiert, in PBS
gewaschen und meist für eine IHC mit HNK1-Antikörper verwendet.
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141
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Die Reproduktion von Abbildungen erfolgte mit ausdrücklicher Genehmigung der Verlage und ist verzeichnet.
142
Lebenslauf
Bärbel Maria Ulmer
Geburtsdatum
Geburtsort
Nationalität
Familienstand
11.09.1983
Tuttlingen
deutsch
verheiratet
Schulische und universitäre Ausbildung
seit 2008
Doktorarbeit an der Universität Hohenheim,
Institut für Zoologie, Prof. Dr. Martin Blum
2003 - 2008
Studium der Biologie an der Universität Hohenheim
Abschluss: Diplom (Note 1,1)
Hauptfach: Genetik (Note 1,3)
Nebenfächer: Pflanzenphysiologie (Note 1,3), Zoologie (Note 1,0)
WS 07/08: Diplomarbeit im Institut für Zoologie (Note 1,0)
„Die Rolle des Homeoboxgens Goosecoid im PCP-Signalweg“
SS 05: Vordiplom (Note 1,8)
1994 - 2003
Immanuel-Kant-Gymnasium in Tuttlingen
Abschluss: Abitur (Note 1,0)
Karl-von-Frisch-Preis vom Verband deutscher Biologen
Aesculap-Preis für besondere Leistungen im Fach Biologie
Musikpreis des Immanuel-Kant-Gymnasiums
Tutorin beim NaT-Working Projekt „Molekularbiologie“
der Robert-Bosch-Stiftung
1990 - 1994
Grundschule in Tuttlingen
Praktika und Nebentätigkeiten
2006 - 2008
Nachhilfelehrerin für Mathematik bei Abacus in Stuttgart
2005 - 2006
HiWi im Institut für Genetik, Universität Hohenheim, Leitung von Tutorien
2005
Dreimonatiges Betriebspraktikum bei BASF in Mannheim,
Abteilung „Agricultural Products Global Research“:
Erforschung der Wirkspektren potenzieller Herbizide
2004 - 2005
Projektarbeit am Institut für Genetik, Universität Hohenheim,
über Apoptose und Zellzyklus
143
Lebenslauf
Tagungen und wissenschaftlicher Austausch
Auslandsaufenthalt
2010
Zweimonatiger Forschungsaufenthalt im Rahmen eines
Kooperationsprojektes an der Hebrew University, Rehovot / Israel
Teilnahme an Konferenzen mit Posterpräsentation
2008
12. Internationale Xenopus Konferenz in Leiwen
2009
18. Wissenschaftliche Tagung der GFE in Hannover
2009
Deutsch-Italienisches Xenopus-Meeting am Comer See / Italien
2010
Tagung der deutschen und japanischen GFE in Dresden
2011
70. Konferenz der Society for Developmental Biology in Chicago / USA
Teilnahme an Konferenzen als Sprecherin
2008
GFE-School in Günzburg
2010
Wnt-Meeting in Heidelberg
2011
Mouse Molekular Genetics in Cambridge / UK
Publikationen
Beyer, T., Danilchik, M., Thumberger, T., Vick, P., Bogusch, S., Philipp, A., Ulmer, B.,
Walentek, P., Niesler, B., Blum, M. (2011). Serotonin Signaling Is Required for
Wnt-Dependent GRP Specification and Leftward Flow in Xenopus.
Current Biology, 22, 33-39.
Alten, L., Schuster-Gossler, K., Beckers, A., Groos, S., Ulmer, B., Hegermann, J., Ochs, M.,
und Gossler, A. (2012): Differential regulation of node formation, nodal ciliogenesis
and cilia positioning by Noto and Foxj1.
Development, 1284,1276-1284.
Stipendien
2009 - 2011
Förderung der Promotion nach dem Landesgraduiertenförderungsgesetz
2010
Stipendium der Minerva-Stiftung, erstattete die Reisekosten für den
Forschungsaufenthalt in Israel
2011
Förderung der Kongressreise nach Chicago durch den DAAD
2011
Förderung der Kongressreise nach Cambridge durch die GFE
Hohenheim, den 09.07.2012,
Bärbel Ulmer
144
Danksagung
Zuerst möchte ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Martin Blum danken. Insbesondere
möchte
ich
ihm
für
die
Überlassung
dieses
interessanten
Themas,
seine
Begeisterungsfähigkeit, die Möglichkeit während meiner Doktorarbeit auf Konferenzen und
nach Israel zu gehen, seine Unterstützung beim Schreiben und den Freiraum zum
Forschen danken.
Prof. Dr. Breer möchte ich für die Bereitschaft zur Begutachtung dieser Arbeit danken.
Priv. Doz. Dr. Axel Schweickert danke ich für seine Unterstützung, seinen hilfreichen und
sachkundigen Rat und auch seine Kritik, die meiner Arbeit stets gut getan hat.
Ein großer Dank geht an meine Kollegen im Labor, dank euch habe ich mich dort immer
wohl gefühlt.
Besonders danken möchte ich dabei Anna Schäfer, Isabelle Schneider und Peter
Walentek, die mit mir angefangen haben und ohne die ich mir das Labor gar nicht
vorstellen kann. Vielen Dank für jeden Tag mit euch, die vielen Diskussionen und
Gespräche und eure konstante Hilfe!
Ein großer Dank geht auch an die ehemaligen Doktoranten. Besonders erwähnen möchte
ich dabei Philipp Andre, der mich zusammen mit Verena in das Gsc-Projekt und die
Mausarbeit „eingearbeitet“ hat, Tina Beyer, die mir stets ein Vorbild war, Philipp Vick, der
mit seinen Ideen und Fragen mich immer voran gebracht hat sowie Thomas Thumberger,
der mit unendlicher Geduld auf meine Computer-Ungeduld reagiert hat und auf dessen
Computerkenntnissen und Programmierskripten viele der Abbildungen hier beruhen. Silke
Schmalholz möchte ich für ihre Vorarbeiten für das Calponin-Projekt und ihre
Unterstützung während meiner Promotion danken. Mit den „jüngeren“ Doktoranten
entsteht ein nettes neues Labor, vielen Dank auch an euch, Maike, Matthias und Cathrin!
Besonders danken möchte ich auch allen Studenten, die mit mir während meiner
Doktorarbeit zusammengearbeitet haben. Cathrin Hagenlocher und Sabrina Kurz haben in
ihrer Diplomarbeit das Calponin-Projekt mit viel Elan voran gebracht, herzlichen Dank
dafür! Ein großer Dank geht auch an Dominik, Nadine, Sandra, Tim, Anna, Susanne, Dina
145
Danksagung
und Andreas. Es war und ist eine Freude, mit euch zusammen zu arbeiten. Auch wenn ich
hier nicht alle Praktikanten erwähnen kann, möchte ich besonders Lea Schaaf und Anja
Bühler danken, deren Ergebnisse teilweise in die Abb. 23 eingeflossen sind, sowie
Christina Müller, die zu Abb. 9 beigetragen hat.
Sehr herzlich danken möchte ich auch Anna Iwanska, Susanne Bogusch, Paul Brekner
und Norbert Kretschmer, die durch ihre technische Expertise viele Experimente erst
möglich gemacht und durch ihre Freundlichkeit manchen Tag gerettet haben.
Vielen Dank auch an meine Freunde, die immer da waren, wenn ich sie gebraucht habe.
Ein besonderer Dank geht an meine Familie, die mit viel Geduld und Interesse meinen
Weg bis hierher unterstützt hat, vielen Dank!
Mein größter Dank geht an Steffen, der mich immer unterstützt hat, an mich geglaubt hat
und diese Arbeit nicht nur durch Korrekturlesen erst möglich gemacht hat.
146
Erklärung gemäß §8 Absatz 2 Aufzählungspunkt 2 der
Promotionsordnung zum Dr. rer. nat. der Universität Hohenheim
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorgelegte Dissertation selbständig angefertigt und nur die
angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Wörtlich oder inhaltlich
übernommene Stellen sind als solche gekennzeichnet.
Stuttgart, den 09. Juli 2012
Bärbel Ulmer
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