Forschung - Biotechnologie: Poren öffnen dem Krebs die Tür Wissenschaftler klären den Hauptzugangsweg, über den Virus-befallene Körperzellen und Tumorzellen von körpereigenen Abwehrstoffen angegriffen werden. Unser Körper wird nahezu kontinuierlich von Krankheitserregern und spontan entstehenden Krebszellen bedroht. Doch der Körper wehrt sich: Spezialisierte Zellen des Immunsystems schleusen kleine Moleküle (Granzyme) in Virus-befallene Körperzellen sowie Krebszellen ein, und lösen so das eingebaute Selbstmordprogramm der Zellen aus. Um in eine attackierte Zelle zu gelangen, gibt es zwei mögliche Wege. Trotz mehr als zwanzigjähriger intensiver Forschung blieb jedoch unklar, auf welchem der beiden Wege die tödliche Menge an Granzymen in eine Zelle eindringt. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie zeigen nun,dass winzige Poren in der Zelloberfläche den Granzymen für kurze Zeit die Tür öffnen. Die Ergebnisse eröffnen auch neue Perspektiven für eine verbesserte Therapie von chronischen Virusinfektionen und Krebserkrankungen. (PNAS, September 2008) W ährend des alltäglichen Lebens w ird uns nur selten bew usst, w elche Kämpfe im eigenen Körper stattfinden. Nahezu kontinuierlich muss sich der Körper gegen unzählige Krankheitserreger w ehren. Mit jedem Liter Blut, der durch unseren Körper gepumpt w ird, w erden daher bis zu fünf Milliarden w eiße Blutkörperchen auf Patrouille geschickt. Ein Teil dieser Zellen reagiert auf Krankheitserreger mit der Produktion von Antikörpern, die exakt auf den erkannten Erreger zugeschnitten sind und diesen präzise angreifen. Gleichzeitig lassen sie Eine Killerzelle kontaktiert eine Gedächtniszellen entstehen, die diesen Erreger bei einem Tumorzelle (links) und löst sich nach erneuten Angriff w iedererkennen. einer Stunde (Mitte). Nach weiteren zwei Stunden bilden sich Bläschen Neben diesen Taktikern unter den w eißen Blutkörperchen (rechts, roter Pfeil) auf der Oberfläche gibt es eine zw eite Gruppe von Zellen, die ohne große der angegriffenen Tumorzelle. Umschw eife gleich zum Angriff übergeht: T- und Killer-Zellen haben sich auf Virus-infizierte Körperzellen und Tumorzellen Abbildung: MPI für Neurobiologie / Jen spezialisiert - hier ist ein sofortiges Handeln besonders w ichtig. Doch ganz ohne Taktik geht es auch bei diesen Angriffszellen nicht. Denn zunächst müssen die Waffen dieser Zellen, die sogenannten Granzyme, in die kranke Zelle eingeschleust w erden. Erst dort entfalten sie ihre W irkung: Sie manipulieren die schädliche Zelle so, dass sie ihr eingebautes Selbstmordprogramm aktiviert. Doch w ie kommen die Granzyme in die Zelle? Diese Frage diskutieren Wissenschaftler seit mehr als zwanzig Jahren. Zw ei Wege, über die Granzyme in eine Zelle gelangen können, w urden dabei diskutiert: über Poren oder über einen Membrantransport. Das Molekül Perforin hinterlässt kleine Löcher in der Zellmembran. Da es von T- und Killer-Zellen zeitgleich mit den Granzymen abgegeben w ird, könnten sich hiermit Türen für Granzyme öffnen. Granzyme binden aber auch an die Oberfläche der attackierten Zellen und w erden dann über kleine Membraneinschnürungen in das Zellinnere transportiert. Da die Perforin-Löcher in der Zellmembran recht klein sind und von der attackierten Zelle schnell w ieder geschlossen w erden, favorisierten die meisten W issenschaftler den Membrantransport als Hauptzugang für Granzyme in eine Zelle. Die Frage, w elcher Weg die tödliche Menge Granzyme in eine Zelle bringt, ist nicht trivial. Mit diesem W issen könnten neue Therapien zur Virus- und Krebsbekämpfung entw ickelt w erden. Nach zw anzig Jahren scheinen W issenschaftler des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie diese Frage nun geklärt zu haben: Entgegen der gängigen Meinung sind offenbar tatsächlich die Membranlöcher die Haupteintrittspforte für Granzyme. Den Bew eis erbrachten die W issenschaftler mit künstlich veränderten Granzymen, die nicht mehr an Membranen binden und somit nicht via Membrantransport in die Zelle gelangen können. "Interessanterw eise w ar trotz dieser Einschränkung keine verminderte Effektivität der Angriffszellen festzustellen", erklärt Dieter Jenne. "W ir konnten außerdem zeigen, dass die Poren groß genug sind, um genügend Granzyme in die Zelle zu lassen, bevor diese die Löcher w ieder abdichten kann." "Das spannende an diesen Ergebnissen ist aber nicht nur, dass eine alte Frage nun endlich geklärt ist", sagt Florian Kurschus, "sondern dass unsere Granzym-Varianten zusammen mit dem W issen, dass die Membranlöcher der w ichtigste Zugang zur Zelle sind, verbesserte Therapiemöglichkeiten zur Virus- und Krebsbekämpfung bieten." Denn künstlich zugegebene Granzyme schädigen in hoher Dosis auch gesunde Zellen, in die sie über Membrantransport eindringen. Die neuen Granzym-Varianten reichern sich nicht in gesunden Zellen an, da sie nur den durch T- oder Killer-Zellen mittels Perforin eröffneten Weg nutzen können. Bei infizierten Zellen, die von einer T- oder Killer- Zelle als Feind erkannt w urden, w ird ihnen diese Tür geöffnet - w eit genug für ihre todbringende Arbeit. Originalv eröffentlichung: Florian Kurschus, Edward Fellows, Elisabeth Stegmann, Dieter Jenne Granzyme B delivery via perforin is restricted by size, but not by heparan sulfate-dependent endocytosis PNAS, 2. September 2008 Kontakt: Dr. Stefanie Merker Max-Planck-Institut für Neurobiologie, Martinsried Tel.: +49 89 - 8578-3514 Fax: +49 89 - 89950-022 E-mail: [email protected] Dr. Dieter Jenne Max-Planck-Institut für Neurobiologie, Martinsried Tel.: +49 89 - 8578-3588 E-mail: [email protected] Dr. Florian Kurschus I. Medizinische Klinik und Poliklinik / Johannes Gutenberg Universität Mainz, Mainz Tel.: +49 6131 - 3937 206 E-mail: [email protected] Aktualisiert Donnerstag, 04. September 2008 Autor: Pressemitteilung Max-Planck-Institut für Neurobiologie, Dr. Stefanie Merker 2277 Mal gelesen Schließen