FORSCHUNGSBERICHT

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Name:
Andrej Bozic
Universität: Amsterdam
E-Mail:
Land:
Niederlande
Tel:
Zeitraum:
07/11-09/11
Programm: PROMOS
Fächer: Musikwissenschaft
Datum: 01. Oktober 2011
FORSCHUNGSBERICHT (PROMOS-Forsehungsaufenthalt in Amsterdam; OLJuli - 30. September 2011)
Mein dreimonatiger Forschungsaufenthalt in den Bibliotheken von Amsterdam war motiviert
durch meine musikwissenschaftliehe Examensarbeit, in der ich mich mit dem Themenbereich
der "Niederländischen Chol1lmsik in der Zeit des 17. Jahrhunderts" auseinandergesetzt habe.
Im Nachhinein waren die Dauer, Ortswahl und der Arbeitsaufwand für dieses Projekt
durchaus lohnend, um nicht zu sagen nötig, sowie und das sein betont, äußert
gewinnbringend.
Äußere Umstände
Die Wahl fUr Amsterdam als Forschungsort habe bewusst getroffen, denn mir war die
Stadt aus einern früheren Praktikum bestens bekannt, sodass ich mich an ein unvertrautes
Umfeld nicht erst zu gewöhnen hatte. Die Wohnungssuche war dadurch auch viel eiufacher,
denn ich konnte über meinen Bekanntenkreis eine Bleibe finden - ein Glück, das
Kommilitonen, die zur selben Zeit wegen Praktika nach Holland gekommen waren, nicht
haue. Im Ganzen hat mir das erneute Aufsuchen der vertrauten Umgebung viel Zeit gespart,
die ich in die Forschung stecken konnte. Die musikwissenschaftliehe Abteilung der
Universitätsbibliothek hatte mir vorab die Unterstützung vor Ort zugesagt. Zum Antritt des
Aufenthaltes wurde mir dieses Versprechen erfüllt und zwar in einem größeren Maße, als ich
es gedacht hatte. Einerseits wurden sämtliche formalen Angelegenheiten schnell, problemlos
und vor allem kostensparend erledigt. Andererseits wurde mir die größte Sympathie entgegen
gebracht, als deutlich wurde, dass ich mich als Ausländer einem niederländischen Thema
widme.
Die eigentliche musikwissenschaftJiche Fachbibliothek verfügt über einen recht
kleinen Fundus, der leider keine sich dem niederländischen Kulturraum widmende Sammlung
beinhaltet.
Für die
Informationssuche
war
daher eine
intensive
Detailsuche
in
Gesamtdarstellungen, Musikgeschichten, Vergleichsstudien, vereinzelten Monographien (v.a.
über Komponisten), Fachzeitschriften und Nachschlagewerkten (v.a. der MGG) nötig. Ich
habe hierfür alle wichtigen Unterlagen in den verschiedenen Teilbibliotheken finden können.
Darüber hinaus war es mir möglich die große Stadtbibliothek (Openbare Bibliotheek) mit
ihrem umfangreichen Notenmaterial zu konsultieren. Zusammenfassend kann ich daher
festhalten, dass die Rahmenbedingungen für mein Projekt optimal waren.
Anfängliche Schwierigkeiten
Bevor ich die Hinreise in die Niederlande angetreten habe, hatte ich das Thema nur
grob abgesteckt und anhand verschiedener Interessen und Wissenslücken einen etwaigen
Entwurf erstellt von den Grundzügen der Arbeit. Konkretisiert war für mich zu diesem
Zeitpunkt noch nichts. Wie hätte es auch anders sein können, denn die Quellen (primärer oder
sekundärer Art) waren und sind mir hier in Deutschland nicht zugänglich, weswegen ich ja
auch nach Holland gereist bin. Der noch sehr lückenhaft gelegte Rahmen musste insofern
zunächst noch gefestigt und konkretisiert werden, um schließlich mit Inhalt gefüllt zu werden.
Das Problem, das sich für mich dadurch zum ersten Mal gestellt hat, war die Tatsache, vor Ort
keinen vorkonzipierten Rechercheweg durch die Lektüre "abarbeiten" zu können, sondern
diesen eigenständig zu gestalten. Ich bin dabei so vorgegangen, dass ich vom Allgemeinen
znm Konkreten übergegangen bin, d.h. über die allgemeinen Musikgeschichten hin zu den
Komponisten. Da bisher keine konkrete tmd tiefgehende Untersuchung mit meinem Thema
auseinandergesetzt hat (zumindest ließen sich in den drei Monaten keine Indizien dafür
finden) hatte dies teilweise eine detailreiche puzz]earbeit zur Folge, mit der ich die meist
kleineren Informationen aus den zugänglichen Quellen zusammengetragen und sortiert habe.
Meinerseits bestand die Schwierigkeit darin, bei all den Massen an Informationen, die
allesamt in der Fremdsprache gelesen und intensiv studiert werden mussten, über Tage und
Wochen hinweg den Überblick über den größeren Zusammenhang nicht zu verlieren. Ein sehr
langsames Fortschreiten war die Folge. Letzen Endes hat sich die Mühe trotzdem gelohnt,
denn der vor mir liegende Weg wurde immer klarer erkennbar. Diese Deutlichkeit habe ich
allerdings erste in den letzten Wochen des Aufenthaltes erkennen können.
Im Hinblick auf das Ziel eines solchen Forschungsvorhabens und der damit
verbundenen Förderung im Rahmen eines Stipendiums ist jedoch festzustellen, dass sich der
Sinn der gesamten Unternehmung nicht nur im Erbringen des Ergebnisses der theoretischen
Überlegungen liegt sondern ebenfalls in den praktischen Erfahrungen in einer anthentischen
Forschungssituation,
die
nicht
künstliche
erleichtert
wird
durch
eine
konkrete
Aufgabenstellung eines Dozenten im Rahmen einer kleineren Hausarbeit im Anschluss eines
thematisch gleichen Seminars, das alle nötigen Basisinformationen vorsortiert dem
StIldiereden vermittelt. Der oben beschriebene langwierige Weg der Recherche und die
Konfrontation mit dem Arbeitsaufwand und den Arbeitsbedingungen haben mir die Realitäten
des Forscherdaseins gezeigt und mir eine Vorstellung vermittelt, wie sich mein Alltag
verändern wird, wenn ich ein Promotionsstudium aufnehmen und eventuell endgültig in die
Forschung gehen würde. Ich habe vor allem erfahren, wie ich meine Arbeitsgewohnheiten im
Rahmen von größeren Projekten verändern muss, um möglichst schnell zu fundierten
Ergebnissen kommen zu können. Ich sehe diese Erfahrung eher als Nebeneffekt neben allen
gemachten Erkenntnissen auf. Andererseits glaube ich, dass sie über die Examensarbeit
hinausgeht nnd in der Zukunft für mich von Relevanz sein wird.
Entwicklung des Vorhabens
Die angedeutete Suche der Nadel im Heuhaufen hat sich insofern gelohnt, als sich der
äußere Rahmen allmählich konkretisiert. Aus den unzähligen Komponistennamen hahen sich
letzten Endes fünf Persönlichkeiten herauskristallisiert, die für meine Arbeit in Frage
kommen. Hinzu kommt, dass sich meine Horizont über den historisch-gesellschaftlichen
Hintergrund des hehandelten Zeitraums Dank des großzügigen Materials vor Ort, das sich
interdisziplinär ergänzt hat.
Der von mir untersuchte geographische Raum waren die sogenannten Noordelijke
Nederlanden, jene niederländischsprachigen Gebiete des Nordens, die seit der Utrechter
Union von 1579 die gegenüber den spanisch besetzten Zuidelijke Nederlanden im Süden
unabhängig waren. Innerhalb dieses Gebietes nahm die Provinz Holland eine gewisse
Führungsrolle ein, bedingt durch den direkten Zugang zur Küste und den damit verbundenen
Handelsmöglichkeiten. Von der wirtschaftlichen Expansion zu Beginn des 17. Jahrhunderts
proftlierte vor allem Holland. Im Äußeren ist dies vor allem an der holländischen Architektur
und der Malerei zu erkennen (vgl. Städte wie Amsterdam, Haarlem oder Alkmaar bzw.
Namen wie Rembrandt oder van Goyen). Die für meine Untersuchung relevanten
Komponisten mussten in unbestimmter Weise mit eben jener Region verbunden sein gewesen,
sei es durch die Gebmt, Zuzug, durch eine dauerhafte oder eine temporäre Arbeitstätigkeit im
Land. Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass das zu untersuchende Gebiet für
mein Thema grosso modo den heutigen Privinzen Zeeland, Nord- und Südholland des
Niederländischen Königreiches entspricht.
Zeitlich habe ich mir die Periode des Goldenen Zeitalters 17. Jahrhunderts
herausgesucht. Es ist die Zeit in der niederländischen Geschichte, die außerhalh der
Niederlande die größte Bekanntheit genießt, besonders wegen ihrer kulturellen Blüte.
Nachdem sich im Laufe der Zeit Anhaltspunkt haben finden lassen, die auf Komponisten
hingedeutet haben, deren Gesamtceuvre Chorrnusik aufweist, haben sich die von mir gesE'tzten
Grenzen relativiert. Konkret gesagt finden sich bedeutende Werke, die in den 1580E'r Jahren
entstandE'n sind und zu Komponisten gehörten, die im 17. Jahrhundert immer noch
kompositorisch aktiv waren bzw. deren bedeutendste Schaffensperiode erst nach 1600
stattgefunden hat. Hinzu kommt, dass ich (bislang) auf keinen Chorwerke gestoßen bin, die
im Zeitraum von 1650 bis 1700 entstanden sind. Im Vorhinein
war~n
hatte ich jene
Komponisten und Werke ausgeklammert, die auch die Entwicklung des 18. Jahrhunderts
hingedeutet haben. Für den verbleibenden Zeitraum entstammt das späteste WE'rk aus dem
Jahre 1648. Dadurch E'ntsprechen diese neuen Rahmendaten mehr oder weniger der Zeit des
Achtzigjährigen Krieges (1568-1648), wenngleich dessen Beginn vor der EntstE'hung der
ältesten, vom mir einbezogenen Werke zu verO!1E'n ist.
Es ist somit die Provinz Holland in der Zeit von ca. 1580 bis 1648, mit der sich meine
Arheit auseinandersetzt. Verglichen mit andern europäischE'n Regionen, vor allem den
führenden, nimmt Holland aus musikhistorischer Sicht eine Sonderfalle ein. Nach dem
Beginn der Reformation ergeben sich in Europa verschiedene VorrauSE'tzungen für die
Entstehung von Musik, die teilweise sehr unterschiedlich waren. Allerdings ergeben sich für
alle zwei dominierende Institutionen für die Förderung von Musik: einerseits dE'r weltliche
Hof in wE'lcher Form auch immer, andererseits die Kirche, sei es die römische-katholische
oder die protestantischen. Für den holländischen Kontext ergibt sich allerdings, dass weder
die eine noch die andere die förderude Kraft für die Musik darstellt.e. Aus der historischen
Entwicklung ergab sich eine frühneuzeitliche demokratische Staatsform, zu deren Führung
gewählte Vertreter der E'inzelnen ProvinzE'n gehörten. Einen zentralen Ort der Repräsentation
und der Machtdemonstration, wie beispielsweiSE' im französischen Versailles, gah es nicht und
dadurch gab es keinen Bedarf an Repräsentationsmitteln, zu dE'r die Musik zweifelsohne zählt.
Nach der Utrechter Union hat sich der Kalvinismus als "Staatsreligion" durchgesetzt.
Kirchenpolitisch bedeutete dies, dass alle offiziellen Kirchen kalvinistisch-protestantisch
wurden. Aufgrund der strikten Ablehnung bzw. des Verbotes von sämtlicher Musik innerhalb
der Liturgie, verschwand auch der zweite Entfaltungsrahmen.
Die Ausübung von Musik fand primär im privaten bürgerlichen Kreis statt: die für den
"niederländischen Barock" berühmte Orgelmusik, wurde zwar innerhalb der Kirche
konzertiert, allerdings außerhalb von religiösen Festen (vgL die Kirchengebäude waren im
Besitz der Städte und nicht der Kirchen selbst!). Für die gesamtgesellschaftliche Situation ist
festzustellen, dass die Künste im Allgemeinen einen großen Stellenwert hatten und dem
entsprechend vom wohlhabenden Bürgertum auch gefördert wurden. Die Musik nahm im
künstlerisch-kulturellen Kreis allerdings nur eine Rolle im Hintergrund ein und stand weit
hinter der Literatur und der Malerei. Darüber hinaus ist zu konstatieren, dass innerhalb der
musikalischen Szene die Instmmentalmusik eindeutig zur allgemeinen Präferenz zählte, vor
allem die Tastenmusik. Innerhalb der Gesellschaft nahm die Vokahnusik somit nur eine sehr
nebensächliche Position ein.
Berücksichtigt man die geschilderten Einschränkungen, ergibt sich meinerseits für den
Moment eine Anzahl von fünf Komponisten, die mit ihrem Chorwerk in Frage kommen. Dazu
gehören Herman Hollander mit seinen Concerti Ecclesiastici, Jan Baptist Verrijt mit seiner
Motettensammlung Flammae Divinae und der Haarlerner Musiker Cornelis Thymanszoon
Padbrue einerseits mit seinen Nederlandse Madrigalen aber auch mit seiner Vertonung des
Vondel-Tragödie Tranen Petri ende Pauli, das als erstes nordeuropäisches Oratorium
angesehen wird, von dem allerdings nicht alle Stimmbücher überliefert sind. Im Besondern
zählen aber auch noch die wohl bedeutenderen Komponisten dazu, nämlich Cornelis Schuyt
mit seinen Hymnen, Madrigalen, der Motette Domina Fiant Anima Mea und dem Werk
Calldide Perle e cave und schließlich Jan Pieter Sweelinck mit seinem umfassenden Werk
bestehend aus Chanson- und Madrigalsammlungen sowie den vier Bänden mit 152
Psalmvertonungen und den Cantiones Sacrae. Es ist insgesamt festzustellen, dass uns heute
leider nur ein Bmchteil der Kompositionen überliefert ist. Viele Manuskripte bzw. Drucke
gingen im Laufe der Zeit verloren oder wurden zerstört. Wir wissen beute zwar von der
Existenz von Werken, haben allerdings zu vielen keine Belege, die Rückschlüsse auf die
Kompositionsweise ermöglichen. Die hier vorgestellte Liste von Komponisten erhebt daher
keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Hinzu kommt, dass ich mich in Rahmen meiner Arbeit
auf die bereits edierten Werke beschränken muss. Die Sammlung der Monume11ta Musica
Neerlandica, die teilweise die einzigen heute zugänglichen Ausgaben der erwähnten Werke
darstellt, verfügt über einen großen Fundus an nationalem Musikerbe, der jedoch auch nur
einen Teil des tatsächlichen Musikschaffens widergibt. Was uns die Quellen allerdings
verraten, ist, dass alle fünf Komponisten an Orten gewirkt haben, die mit Recht zu den
kulturellen Zentren des Landes gezählt werden können. Hinzu kommt, dass aus den
überlieferten biographischen Informationen hervorgeht, dass diese Komponisten in gut
hezahlten, teilweise elitären Position gewirkt hahen und somit zu hervorragenden Vertretern
ihrer Zunft gehört haben. Ihr Werk ist insofern repräsentativ, als davon ausgegangen werden
kann, dass ihr Werk zum opus summum jener Zeit gehört, denn anders wäre sie niemals in
ihre privilegierte Position gekommen.
Aus musiktheoretischer Sicht, ist die beschriebene Chormusik noch zum Ende des 16.
Jahrhunderts noch sehr stark in der Tradition Franko-Flämischen Zeit verwurzelt. Verglichen
mit den kompositorischen Entwicklungen in Italien um 1600, liegen die Niederländer weit
zurück und können ihre führende Position aus den vergangenen Jahrhunderten nicht behalten.
In verschiedener Hinsicht ist man künstlerisch an den europäischen Nachbarn, d.h. Italien und
auch Frankreich orientiert, was sich u.a. daran zeigt, dass die ersten niederländischsprachigen
Madrigale erst nach 1630 entstanden sind, und selbst Sweelinck, als der bedeutendste
niederländische Komponist, keine einziges seiner Vokalwerke (die im Übrigen die größte
Sammlung vokaler Musik überhaupt darstellt) in seiner Muttersprache als vielmehr in
Italienisch, Französisch oder Latein schrieb. Es lässt sich beobachten, dass die in Italien neu
entstanden konzertierende Musikpraxis erst kurz vor 1650 in die niederländische Vokalmusik
Einzug hält. Daraus kann bereits festgehalten werden, dass die zwischen 1580 und 1648
entstandenen Chorwerke innerhalb der Entwicklung der Musik des Abendlandes auf der
kompositorischen Ebene keine hedeutende Rolle spielt, wie es im Gegensatz dazu
beispielsweise die Orgelmusik tut. Aus musiksoziologischer Sicht ist nimmt diese Musik,
bedingt durch die oben dargestellten politisch-gesellschaftlichen Rahrnenbedingungen, im
europäischen Vergleich allerdings eine Sonderstellung ein. Ich halte es daher für relevant,
innerhalb meiner Arbeit einen Schwerpunkt auf diese Perspektive zu setzen.
Einschränkung des Themenfeldes
Wenn auch die Themenfeld im Laufe der Wochen immer weiter konkretisiert wurde und sich
auch viele Informationen allmählich einen Zusammenhang ergaben, so muss ich zum Ende
des Aufenthaltes jedoch feststellen, dass die dargestellte Arbeit den Rahmen einer
Examensarbeit für das gymnasiale Lehramt weit überschreitet. Ich sehe mich insofern
gezwungen, das Themengebiet inhaltlich noch viel stärker zu einzuschränken, vor allem, im
möglichst bald ein konkretes Ergebnis vorweisen zu können. Als Lösungsansatz ergibt sich
für den vorliegenden Kontext die Beschränkung auf nur einen Komponisten.
Aus musikwissenschaftlicher Perspektive existiert mehr oder weniger nur eine
(bedeutende)
Verankerung
der
gesamten
abendländischen
Musikentwicklung
im
niederländischen Raum, nämlich mit Jan Peterszoon Sweelinck. Zu seiner Zeit zählte er zu
den bedeutendsten Organisten überhaupt, dessen Schüler aus ganz Europa nach Amsterdam
zur Oude Kerk pilgerten. Er ist es, auf den letzten Endes die große Orgeltradition des
protestantischen norddeutschen Barock zurückzuführen ist, an dessen Höhepunkt später ein
gewissen Johann Sebastian Bach stehen wird. Heutzutage ist mehr oder weniger nur als
Komponist von Musik für Tastenmusik bekannt. Es war für mich umso überraschender einen
derart umfangreichen Fundus an Chormusik aus seiner Feder zu entdecken, die quantitativ mit
seiner Orgelmusik auf selber Stufe steht. Für seine Person und sein Werk ergeben sich
mehrere interessante Ansatzpunkte für eine Untersuchung. Zunächst ergibt sich aus seiner
Situation (geb. 1562 - gest. 1621) die Tatsache, dass er wie z.B. Monteverdi eine Art
Janusgestalt ist, die einerseits in noch selbst die Renaissance miterlebt hat und andererseits
aber auch noch das beginnende Barockzeitalter kennenlernt. Er ist, wenn man so will, eine Art
Grenzgestalt zwischen den beiden Epochen. Dies lässt sich auch eindeutig in seinem Werk
erkennen, in dem er sich vor 1600 ausschließlich dem weltlichen Genre widmet, vor allem
Madrigal und dem Chanson. Danach findet sich innerhalb seines Schaffens ein eindeutiger
Paradigmenwechsel statt, hin zur geistlichen Musik. Einige Musikologen gehen selbst so weit,
seine Vertonung des gesamten Psalters mit dem Kantatenwerk Bachs gleichzusetzten, quasi
als das calvinistische Pendant. Sein Canitones Sacrae, eine Sammlung von Motetten zeugt
darüber hinaus von einem Wechsel auf der Ebene der Kompositionsweise. Aus
musiksoziologischer Perspektive stellt seine Person auch eine interessante Persönlichkeit dar,
die sich gegenüber der großen Konkurrenz der fremdländischen Musikmärkte im eigenen
Land behaupten muss, um schließlich an die Spitze der für einen Musiker seiner Zeit
anzustrebenden Positionen zu kommen, nämlich der Anstellung als Stadtorganist einer der
reichsten und kulturell wohl bedeutendsten Städte der nördlicben Niederlanden Amsterdam.
Des Weiteren steht er als Musikerpersönlichkeit im intellektuellen Austausch mit den
führenden Denkern seiner Umgebung.
Ausblick
Am Ende dieses dreimonatigen Aufenthaltes ist aus meiner Sicht etwas enttäuschend,
ohne fertige Arbeit wieder nach Deutschland zurückzukehren. Dennoch weiß ich, dass gut
Ging Weile haben will und eine wissenschaftliche Arbeit von diesem Ausmaße nicht von
heute auf morgen geschrieben werden kann. In jedem Fall ist mir abC>f jetzt schon ein großc>s
Ziel gelungen, nämlich mein Interesse für den niederländischen Kulturraum mit der Musik
bzw. der Musikwissenschaft in Verbindung zu bringen. Auffallend war mir dabei, dass mein
untersuchtes Themenfeld innerhalb der deutschen Musikwissenschaft mehr oder weniger gar
nicht repräsentiert ist. Die mir zugängliche wissenschaftliche Literatur wurde zum großen Teil
von Niederländern verfasst, die entweder an einer der größeren geisteswissenschaftlichen
Universitäten der Niederlande lehren oder im Ausland tätig sind. Deutsche Musikologen
finden sich für meinen Themenbereich mehr oder weniger gar nicht. Für den ursprünglich
gesetzten Rahmen gibt es noch viel Forschungspotential, denn vieles liegt noch im Dunkeln.
Wenn ich auch, wie ich glaube, im Moment bundesweit der einzige Musikologe bin, der sich
mit dem Kulturraum der Niederlande auseinandersetzt, so bin ich doch sehr motiviert, das
begonnene Projekt in Form einer Promotion fortzusetzten. Die Basis dafür ist zumindest
bereits gel egt.
In jedem Fall wäre mir dieser Ausblick, wie auch das gesamte bisherige Vorhaben
ohne das PROMOS-Stipendium nicht möglich gewesen. Mein Dank gilt daher im Besonderen
dem DAAD. Ebenso bin dem der Kantorei der Obrechkerk Amsterdam und ihrem Leiter Luc
Löwenthai, wie auch allen andere Vertreten aus Wissenschaft und Kunst, denen ich in diesem
Sommer begegnet bin, zur Dank verpflichtet für deren großes Interesse gegenüber meiner
Arbeit. Es war nicht nur die Bibliotheksarbeit, die dieses Projekt haben wachsen lassen,
sondern auch die vielen fachlichen Gespräche im Alltag.
Andrej Bozic
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