BAND 62 BAND 62 Die Autorin: Zäh verteidigten sich die Germanen gegen die Angriffe der Römer und besiegelten schließlich den Untergang des Weströmischen Reiches. Hildegard Elsner Historikerin Welche Folgen hatte die Varusschlacht? Wie bauten die Germanen ihre Häuser? Haben Runen magische Kräfte? BAND 62 Germanen Die Germanen Siegessicher zieht Varus mit seinen römischen Truppen durch Germanien. Den Aufstand der Barbaren will er schnell niederschlagen. Noch ahnt niemand, dass bei dieser Schlacht fast 30 000 Römer sterben werden. Die SEHEN MITMACHEN SEHEN | HÖREN | MITMACHEN www.wasistwas.de Erkunde die Geheimnisse Germaniens. In dieser Reihe bereits erschienen: Band 1 Unsere Erde Band2 Der Mensch Band3 Energie Band4 Chemie Band5 Entdecker und ihre Reisen Band6 Die Sterne Band 7 Das Wetter Band8 Das Mikroskop Band 9 Der Urmensch Band 10 Fliegerei und Luftfahrt Band 11 Hunde Band 12 Mathematik Band 13 Wilde Tiere Band 14 Versunkene Städte Band 15 Dinosaurier Band16 Planeten und Raumfahrt Band17 Licht und Farbe Band 18 Der Wilde Westen Band 19 Bienen, Wespen und Ameisen Band 20 Reptilien und Amphibien Band21 Der Mond Band 23 Architektur Band 24 Elektrizität Band 25 Schiffe Band 27 Pferde Band 28 Akustik Band 29 Wissenschaften Band 30 Insekten Band 31 Bäume Band 32 Meereskunde ISBN 978-3-7886-0402-8 9 783788 604028 C010_R_04028_62Germane_120104a.indd 1 Band 33 Pilze Band 34 Wüsten Band 35 Erfindungen Band 36 Polargebiete Band 37 Computer und Roboter Band 38 Säugetiere der Vorzeit Band 39 Magnetismus Band 40 Vögel Band 41 Fische Band 42 Indianer Band 43 Schmetterlinge Band 44 Die Bibel. Das Alte Testament Band 45 Mineralien und Gesteine Band 46 Mechanik Band 47 Elektronik Band 48 Luft und Wasser Band 49 Sport Band 50 Der menschliche Körper Band 51 Muscheln, Schnecken, Tintenfische Band 52 Briefmarken Band 53 Das Auto Band 54 Die Eisenbahn Band 55 Das alte Rom Band 56 Ausgestorbene und bedrohte Tiere Band 57 Vulkane Band 58 Die Wikinger Band 59 Katzen Band 60 Die Kreuzzüge Band 61 Pyramiden 02/12 € [D] 9,95 € [A] 10,30 Band 62 Die Germanen Band63 Fotografie Band 64 Die alten Griechen Band 65 Eiszeiten Band 66 Geschichte der Medizin Band 67 Die Völkerwanderung Band 68 Natur Band 69 Fossilien Band 70 Das alte Ägypten Band 71 Piraten Band 72 Heimtiere Band 73 Spinnen Band 74 Naturkatastrophen Band 75 Fahnen und Flaggen Band 76 Die Sonne Band 78 Geld Band 79 Moderne Physik Band 80 Tiere – wie sie sehen, hören und fühlen Band 81 Die sieben Weltwunder Band 82 Gladiatoren Band 83 Höhlen Band 84 Mumien Band 85 Wale und Delfine Band 87 Türme und Wolkenkratzer Band 88 Ritter Band 89 Menschenaffen Band 90 Der Regenwald Band 91 Brücken und Tunnel Band 92 Papageien und Sittiche Band 93 Die Olympischen Spiele Band 94 Samurai Band 95 Haie und Rochen Band 96 Schatzsuche Band 97 Zauberer, Hexen und Magie Band 98 Kriminalistik Band 99 Sternbilder und Sternzeichen Band 100 Multimedia und virtuelle Welten Band 101 Geklärte und ungeklärte Phänomene Band 102 Unser Kosmos Band 104 Wölfe Band 105 Weltreligionen Band 106 Burgen Band 107 Pinguine Band 108 Das Gehirn Band 109 Das alte China Band 110 Tiere im Zoo Band 112 Fernsehen Band 113 Europa Band 114 Feuerwehr Band 115 Bären Band 116 Musikinstrumente Band 117 Bauernhof Band 118 Mittelalter Band 119 Gebirge Band 120 Polizei Band 121 Schlangen Band 122 Bionik Band 123 Päpste Band 124 Bergbau Band 125 Klima Band 126 Deutschland Band 127 Ernährung Band 128 Hamster, Biber und andere Nagetiere Band 129 Lkw, Bagger und Traktoren Band 130 Maya, Inka und Azteken Gedruckt in Europa. www.tessloff.com www.wasistwas.de 20.01.12 12:19 Inhalt Caesar und die Germanen Warum hatten die Germanen keine Tempel? 25 Welche Götter verehrten die Germanen? 26 Wie verlief die erste Begegnung Caesars mit den Germanen? 4 Wozu dienten die Runen? 28 Totenbestattung 29 Was war ein „Thing“? 30 Was war eine Gefolgschaft? 30 Moore als Opferstätten 32 Was schrieben Caesar und Tacitus über die Germanen? 7 Wer waren die Germanen? 8 Welche Bedeutung hatten die Kelten für die Germanen? 9 Techniken der Metallverarbeitung Germanen und Römer 10 Warum wollten die Römer Germanien erobern? 34 Der Zug der Kimbern und Teutonen Warum verließen Kimbern und Teutonen ihre Heimat? 12 Wie handelte Varus in Germanien? 35 Wer war Arminius? 36 Wie kam es zur Varusschlacht? 37 Welche Folgen hatte die Varusschlacht? 37 Welches Schicksal hatte Arminius? 39 39 Wie endete die erste Schlacht zwischen Germanen und Römern? 13 Wie erging es der germanischen Abordnung in Rom? 13 Wie kam es zu der römischen Niederlage bei Arausio? Wie entwickelten sich die Verhältnisse in Germanien? 14 Wer besiegte die Kimbern und Teutonen? 14 Was geschah mit den germanischen Provinzen Roms? 40 Der Limes 41 Die Lebensweise der Germanen Wie entstanden die germanischen Großstämme? 42 Wie lebten die Germanen in ihrer Heimat? 16 Wodurch wurde die Völkerwanderung ausgelöst? 44 Wie bauten die Germanen ihre Häuser? 17 Was veränderte sich durch die Völkerwanderung? 44 Worauf beruhte der Erfolg der Franken? 46 Ein Fenster in die Vergangenheit 47 Zeittafel, Index 48 Wie lebte die Familie im Haus? 17 Welche Arbeiten waren im Haushalt zu tun? 18 Wie wurde Nahrung konserviert? 19 Wie wirtschafteten die Germanen? 20 Wie kleideten sich die Germanen? 21 Wie sahen die Germanen aus? 22 Welche Bedeutung hatten Familie und Sippe?23 Welche Stellung hatten die germanischen Frauen? Fränkische Reiterfibel 24 3 D001_R_04028_Bd62_Germ_110530c.indd 3 07.07.2011 12:29:24 Uhr Den Übermut der Germanen beschrieb der römische Historiker Plutarch (ca. 45–120 n. Chr.) so: „Die Barbaren aber waren ihren Feinden gegenüber so sehr von Verachtung und dreistem Hochmut erfüllt, dass sie es vorzogen, eher ihre Stärke und Kühnheit zu beweisen als notwendige Maßnahmen zu treffen; mit nacktem Oberkörper liefen sie bei Schneefall umher, stiegen durch Eis und tiefen Schnee auf die Berge, setzten sich oben auf ihre breiten Schilde, stießen sich ab und sausten an Steilschluchten und schroffen Felsen vorbei die Hänge hinunter.“ von Händlern über die sonnenreichen Länder im Süden die Marschrichtung vorgegeben. Im Jahr 113 v. Chr. gerieten die Kimbern, inzwischen weit im Wie endete die Süden, erstmals erste Schlacht zwischen Germain kriegerischen nen und Römern? Konflikt mit den Römern. Bei Noreia trafen sie auf den römischen Konsul Papirius Carbo, der diesen unheimlichen Kriegern aus dem Norden entgegengezogen war, um einen Angriff auf römisches Gebiet frühzeitig abzuwehren. Entgegen den Gräuelmärchen, die über den Germanenzug bereits bis nach Rom gedrungen waren, schienen diese Barbaren dem Konsul eher friedliebend. Sie baten darum, ihnen Siedlungsland zuzuweisen, entschuldigten sich für einen Angriff, den sie aus Unkenntnis auf römische Bundesgenossen begangen hatten, und versprachen, Frieden halten zu wollen. Dem Konsul ging es allein darum, diese gefährliche Völkerwanderung in der Nähe der römischen Grenze zu beenden und die Germanen zu vernichten. So verlegte er sich auf eine List, tat vertrauensvoll und gab ihnen Führer zu einem angeblich besonders günstigen Gebiet mit. Tatsächlich führten diese, wie zuvor abgesprochen, die arglosen Germanen in einen Talkessel, dessen Bergkämme von römischen Truppen besetzt waren. Als die Kimbern diese Arglist durchschauten, gerieten sie in unbeschreiblichen Zorn, stürmten die Berghänge hinauf und machten die Römer nieder. Wäre nicht ein schweres Gewitter ausgebrochen, das die abergläubischen Germanen als göttliches Zeichen deuteten und das sie von weiterer Metzelei abhielt, hätte sich wohl kaum ein Römer retten können. So könnte eine germanische Gesandtschaft in Rom ausgesehen haben. Die Männer tragen lange Hosen und als Kennzeichen des Adels Rechteckmäntel (Trajanssäule, Rom). Nach diesem Sieg hätten die Kimbern nun die Chance gehabt, Wie erging es unbehelligt von der germanirömischen Trupschen Abordpen über die Alnung in Rom? pen nach Italien zu ziehen. Aber sie wandten sich nach Westen, diesmal vereint mit den Teutonen. Dort trafen sie auf den anderen römischen Konsul Julius Silanus, baten auch ihn um Land und boten Waffendienst für die Römer als Gegenleistung an. Der Konsul verwies sie an den Senat in Rom. Tatsächlich erschien dort 110 v. Chr. eine Abordnung der vornehmsten Germanen, um ihre Bitte vorzutragen. Man nahm sie gut auf und behandelte sie wie 13 D001_R_04028_Bd62_Germ_110530c.indd 13 07.07.2011 12:31:42 Uhr Staatsgäste, amüsierte sich jedoch auch heimlich über ihre in römischen Augen barbarische Kleidung. Sie trugen nämlich das charakteristische Kleidungsstück germanischer Männer: lange Hosen! Land hatten die römischen Senatoren nicht zu vergeben, stattdessen rieten sie den Germanen, nach Spanien zu ziehen und dort zu siedeln. Kaum war die Abordnung zurückgekehrt, wurde das germanische Heer von den Römern unter Konsul Silanus überraschend angegriffen. Aber die römische Nie- Jütland he R Teu tonen in Donau Kimbern hô er be R Loire Od El ne Noreia 113 v. Chr. Vercellae 101 v. Chr. Arausio 105 v. Chr. Aquae Sextiae 102 v. Chr. 500 km Die Züge der Kimbern und Teutonen derlage von Noreia wiederholte sich, nur in viel schlimmerem Ausmaß: Vier Legionen, 24 000 Mann, wurden vernichtend geschlagen. In den folgenden vier Jahren zogen die Germanen auf der Wie kam es zu Suche nach Siedder römischen lungsgebieten Niederlage bei Arausio? ruhelos durch Frankreich, raubten, kämpften, und plünderten das Land aus. Dann beschlossen sie, nach Italien zu ziehen. Darauf hatten die Römer sich vorbereitet. Drei starke Heere standen an der Rhone bereit, um den Angriff abzuwehren. Die Germanen griffen zunächst das am weitesten nördlich stehende Heer unter Konsul Scaurus an und besiegten es. Scaurus wurde nach seiner Gefangennahme getötet. Wenig später wurden die vereinigten beiden römischen Heere bei Arausio, dem heutigen Orange, gänzlich vernichtet. 80 000 Römer und Bundesgenossen, dazu 40 000 Trossknechte, sollen den Tod gefunden haben. Nur 10 Mann sollen übrig geblieben sein, die die traurige Nachricht vom Untergang der Legionen überbrachten. Nach der Schlacht vernichteten die Germanen die riesige Beute, die sie gemacht hatten. Nach ihren Glaubensvorstellungen waren die Besitztümer der Erschlagenen, deren Waffen und Pferde, und selbst die Gefangenen für den Kriegsgott bestimmt, der ihnen den Sieg verliehen hatte. Deshalb wurden alle Dinge, die fortan kein Mensch mehr besitzen oder benutzen durfte, unbrauchbar gemacht. Wer das Eigentumsrecht des Gottes an der Beute zu verletzen wagte, den erwartete die schwerste Strafe. Priesterinnen Der griechische Geschichtsschreiber Strabon (um 64 v. Chr.–23 n. Chr.) berichtet: „Von den Kimbern erzählt man folgenden Brauch: Ihre Frauen nahmen an den Kriegszügen teil und wurden dabei von Priesterinnen begleitet, die als Seherinnen fungierten; es waren weiß gekleidete Weiber mit grauem Haar, die ihre Gewänder aus Leinen mit Spangen befestigt hatten, Bronzegürtel trugen und barfuß gingen. Diese Priesterinnen gingen mit einem Schwert in der Hand den Kriegsgefangenen durch das Lager entgegen, bekränzten sie und führten sie zu einem Kessel aus Bronze, der etwa 20 Amphoren fasste. Sie bestiegen dort ein Gerüst und schnitten dann – über den Kessel gebeugt – jedem Gefangenen, den man zu ihnen emporhob, die Kehle durch; aus dem Blut, das in den Kessel floss, sagten sie die Zukunft voraus. (...) Während der Schlachten schlugen die Frauen auf Häute, die über das Flechtwerk ihrer Wagen gespannt waren, sodass ein ungeheurer Lärm entstand.“ Nach der Niederlage von Arausio lag Italien ungeschützt vor Wer besiegte den Germanen. die Kimbern Vielleicht hätund Teutonen? ten sie jetzt durch einen Einmarsch in Italien die Römer zwingen können, ihnen Siedlungsgebiete abzutreten und damit ihre ziellose Wanderung zu beenden. 14 D001_R_04028_Bd62_Germ_110530d.indd 14 11.07.2011 10:52:26 Uhr „Nach der Schlacht“, so schreibt Plutarch, „bemächtigten sich die Feinde der beiden Lager und zerstörten in einem neuen und ungewöhnlichen Fluch all das, was sie sich genommen hatten; die Kleidung wurde zerrissen und weggeworfen, Gold und Silber in den Fluss geschleudert, die Panzer der Männer zerschlagen, der Stirn- und Brust- Stattdessen teilten sich die Stämme: Die Kimbern zogen nach Spanien, die Teutonen nach Nordgallien. Die Römer hatten eine Atempause, die sie bestens nutzten. Ein neues Heer wurde aufgestellt, der Oberbefehl Gaius Marius übertragen. Marius war ein außergewöhnlich begabter Feldherr und hatte als Konsul auch seine politischen Fähigkeiten bewiesen. Nachdem er sein Heer neu organisiert und vergrößert hatte, schmuck der Pferde vernichtet, die Pferde selbst wurden in den Flüssen ertränkt; den Menschen legte man Schlingen um den Hals und hängte sie an den Bäumen auf, sodass der Sieger nichts von der Beute, der Besiegte nichts von einem Mitgefühl spürte.“ Fechtersklaven – Gladiatoren – im Kampf mit einem Bären in der Arena führte er es an die Rhone in Erwartung des Angriffs der Germanen. Im Jahr 102 v. Chr. kam es bei Aquae Sextiae, dem heutigen Aix-enProvence, zur Schlacht zwischen den Römern und den mit den Teutonen vereinten Ambronen. Marius bewies sein überlegenes Feldherrnkönnen. Unbemerkt hatte er eine Eliteeinheit von 3 000 Mann hinter die germanischen Stellungen geführt. Auf ein Zeichen wurden die Germanen von zwei Seiten angegriffen. Die zweitägige Schlacht endete mit dem Sieg der Römer. Die römischen Quel- len sprechen von 100 000 gefallenen Germanen. Als vornehmsten Kriegsgefangenen führte Marius den germanischen Heerkönig Teutobod auf seinem späteren Triumphzug mit. Inzwischen waren die Kimbern in Oberitalien eingefallen und hatten sich in der fruchtbaren Poebene niedergelassen. Marius zog in Eilmärschen hinter ihnen her. Durch Unterhändler ließen die Kimbern Marius mitteilen, sie wollten keinen Kampf, wenn man ihnen das Land, das sie gerade in Besitz genommen hatten, überlasse. Vom Untergang der Teutonen wussten sie noch nichts. Marius aber forderte sie auf, Italien sofort zu verlassen, und drohte ihnen andernfalls das Schicksal der Teutonen an. Um seine Drohung zu unterstreichen, ließ er den gefangenen Teutobod vorführen. Den Kimbern blieb nur die Entscheidung für den Kampf. Am 30.7.101 v. Chr. kam es auf den Raudischen Feldern bei Vercellae, dem heutigen Vercelli, zur Schlacht, in der auch die Kimbern umzingelt und vernichtend geschlagen wurden. 65 000 Kimbern wurden getötet, 60 000 gefangen genommen. Als zum Schluss die Wagenburg gestürmt wurde, in der sich etwa 300 Frauen bis zuletzt verteidigt hatten, bot sich den Römern ein grausiges Bild: Die Frauen hatten ihre Kinder und sich selbst getötet, um nicht als Sklavinnen im Römischen Reich zu enden. Viele der gefangenen Kimbern wurden zu Gladiatoren ausgebildet, die in der Arena zu Schaukämpfen auf Leben und Tod antreten mussten. Noch 30 Jahre später werden kimbrische Sklaven erwähnt, die sich am römischen Sklavenaufstand des Spartacus beteiligt haben sollen. 15 D001_R_04028_Bd62_Germ_110530c.indd 15 07.07.2011 12:31:53 Uhr Die Lebensweise der Germanen Germanien, das Land zwischen Rhein und Elbe, der Nord- und Wie lebten die Ostsee im Norden Germanen in und den Alpen ihrer Heimat? im Süden, war damals geprägt durch unermesslich große Wälder mit jahrhundertealten Eichen und vielfältigen Laub- und Nadelbäumen. Riesige Moore und Sümpfe machten weite Gebiete unpassierbar. Inmitten der tiefen Wälder gab es aber auch weite Lichtungen, große Heideflächen, fruchtbare Wiesengründe, fischreiche Seen und breite Flusstäler. Hier legten die Menschen auf möglichst trockenem Boden ihre Siedlungen an. Wald war immer in der Nähe – als Speise- und Vorratskammer für die Menschen und als Waldweide für die Haustiere. Er lie- ferte Baumaterial, Brennholz, Holz für Werkzeuge und Gefäße, jagdbares Wild, Beeren, Pilze, Honig und Heilkräuter. Mit Bucheckern und Eicheln konnten die Schweine gemästet werden, Ziegen und Schafe fraßen die grünen Triebe des dichten Unterholzes. Wald war auch die beste Schutzzone gegen Nachbarsiedlungen oder benachbarte Stämme. Die germanische Siedlung Feddersen Wierde beim heutigen Bremerhaven entstand im 1. Jahrhundert v. Chr. und war über 500 Jahre bewohnt (Rekonstruktion im Modell). 16 D016_R_04028_62_German_110530b.indd 16 07.07.2011 11:17:00 Uhr Die bäuerliche Lebensweise der Germanen war hart und entbehrungsreich. In Germanien lebten damals etwa zwei bis vier Millionen Menschen. Sie siedelten in kleinen Dörfern, seltener in Einzelgehöften. Die Dörfer, in denen in der Regel höchstens 200 bis 300 Menschen lebten, wurden nicht nach einem festen Plan, sondern regellos als „Haufendörfer“ angelegt. Immer achtete man auf ausreichenden Abstand zum Nachbarhof und umgab sein Eigentum mit einem Zaun, häufig aus Flechtwerk. Man baute mit Materialien, die aus der Umgebung stammten. Wie bauten die Die Dächer wurGermanen ihre den meistens mit Häuser? Stroh, Schilf oder Rasensoden, aber auch mit Holzschindeln gedeckt. Es gab unterschiedliche Haustypen: ganz aus Holz errichtete Häuser oder auch Häuser, bei denen nur die tragenden Pfostenelemente aus Holz bestanden, mit Wänden aus mit Lehm abgedichtetem Flechtwerk, ähnlich dem späteren Fachwerk. Weitverbreitet war das Langhaus, in dem Menschen und Tiere gemeinsam untergebracht waren. Das Haus hatte Boxen für Pferde und Rinder Germanisches Haus, dessen Überreste auf der Feddersen Wierde ausgegraben wurden Trennwand Wände aus Flechtwerk 17 Meter lang einen Wohn- und einen Stallbereich mit oder ohne Zwischenwände. An den Giebelseiten gab es je eine Tür für den Wohnteil und für den Stallteil. In der Mitte des Wohnbereichs lag die Feuerstelle aus Feldsteinen oder rechteckigen Lehmplatten, zugleich Wärme- und Lichtquelle. Das Haus hatte keine Fenster. Der Rauch des offenen Herdfeuers zog durch eine Firstöffnung, das Windloch, ins Freie (im Englischen „window“ = „Windauge“ = Fenster). Gestampfter Lehm oder Steinpflaster bildeten den Fußboden. Auf einem Bauernhof durchschnittlicher Größe wurden etwa sechs bis zwölf Rinder gehalten. Im Stall standen die Tiere einzeln oder zu zweit in Boxen mit dem Kopf zur Wand. An beiden Seiten oder in der Mitte gab es Jauche-Rinnen. Man achtete darauf, dass der Stallteil etwas tiefer lag, damit die Jauche nicht in den Wohnbereich fließen konnte. In manchen Gegenden bestand ein Gehöft aus mehreren Gebäuden: dem Wohnhaus, dem Stall und den Vorratsgebäuden für Viehfutter. Überall kannte man Grubenhäuser. Das waren kleine, etwa einen Meter in den Boden eingetiefte Häuser, in denen Vorräte kühl gelagert werden konnten und in denen die Frauen webten. Karg waren die Häuser eingerichtet. Im Wohnteil befanden Wie lebte die sich entlang Familie im den Wänden erHaus? höhte Podeste, die, mit Fellen bedeckt, als Sitz- und Schlafbänke dienten. Beim Essen saß man auf diesen Bänken, vor sich auf kleinen Gestellen Holzbretter, auf denen die Speisen standen. Es gab auch kleine Hocker. Nur einem wohlhabenden Wohnteil 17 D016_R_04028_62_German_110530b.indd 17 07.07.2011 11:17:13 Uhr Zeittafel 113–101 v. Chr. Kämpfe Roms gegen Kimbern und Teutonen 58–51 v. Chr. Caesar erobert Gallien. 58 v. Chr. Caesar besiegt den germanischen Langobardischer Heerkönig Ariovist im Elsass. Lanzenreiter (7. Jh.) 27 v. Chr.–14 n. Chr. Kaiser Augustus 12 v. Chr.–16 n. Chr. Römische Eroberungszüge nach Germanien unter Drusus, Tiberius und Germanicus 9 n. Chr. Varusschlacht um 21 n. Chr. Arminius von Verwandten ermordet 83 n. Chr. Ausbau der rechtsrheinischen Grenzsicherung: Baubeginn des Limes um 90 n. Chr. Einrichtung der römischen Provinzen Ober- und Niedergermanien 98 n. Chr. Tacitus verfasst die „Germania“. 161–180 n. Chr. Erneute Verstärkung und Ausbau des Limes 166–180 n. Chr. Markomannenkriege des Kaisers Marc Aurel 212 n. Chr. Allgemeines Bürgerrecht im Römischen Reich um 260 n. Chr. Alamannen und Franken überrennen den Limes. 353/57 n. Chr. Franken werden in den von ihnen eroberten Gebieten von Waal, Maas und Schelde als römische Bundesgenossen (Föderaten) offiziell anerkannt Index D A E Alamannen 29, 41, 43, 44, 48 Ambronen 12, 15 Angeln 8, 33, 43–45, 48 Ariovist 4–8, 12, 48 Arminius 35–39, 48 Asen 27 Attila 44 Augustus 34, 36, 37, 39, 48 B Barbaren 7, 12, 13, 36 Belgica 35, 41, 46 Bestattung 29 Blutrache 24, 31 Bronze 9–11, 14, 32, 40 Bronzezeit 10 Donar (Thor) 27, 28 Drusus 34, 35, 48 Edda 26 Eisen 9–11, 32 Eisenzeit 10, 47 Experimentelle Archäologie 47 F Feddersen Wierde 16, 17, 24 Feld-Gras-Wirtschaft 20 Flavus 35, 36 Föderaten 45, 46, 48 Franken 43, 44, 46, 48 Freyja 27, 28 Freyr 27 G Gallien 4–7, 9, 44, 46, 48 Gallier 4, 5, 7, 39 Gallischer Krieg 7 Gefolgschaft 30, 31 Caesar, Gaius Julius 4–8, Germanen (Name, Stäm12, 34, 39, 48 me) 6–8, 35, 42, 43 Cassius Dio 35 Germania (Schrift des Cernunnos 9 Tacitus) 7, 48 Cherusker 8, 35–37, 39, 43 Germanicus 38, 39, 48 Childerich 46 Germanien 7, 16, 17, Chlodwig 46, 48 35–40, 42, 48 Christentum 29, 43, 46 C um 350 n. Chr. Wulfila übersetzt die Bibel ins Gotische. 375 n. Chr. Hunnen unterwerfen das Ostgotenreich. Beginn der Völkerwanderung 395 n. Chr. Teilung des Römischen Reiches 406 n. Chr. Vandalen, Alanen und Sueben überqueren den Rhein und ziehen nach Spanien. 401–410 n. Chr. Westgoten in Italien um 450 n. Chr. Angeln, Sachsen, Jüten und Friesen erobern England. 451 n. Chr. Sieg eines römisch-germanischen Heeres über die Hunnen und ihre germanischen Hilfstruppen auf den Katalaunischen Feldern 476 n. Chr. Absetzung des weströmischen Kaisers Alamannische Gürtelschnaldurch den Germanen le mit Almandinen (5. Jh.) Odoaker, der zum König über Italien ausgerufen wird 482–511 n. Chr. Chlodwig König der Franken 493–526 n. Chr. Theoderich regiert das Reich der Ostgoten in Italien. 555 n. Chr. Ende des Ostgotenreiches in Italien 568 n. Chr. Die Langobarden erobern Norditalien. Ende der Völkerwanderungszeit Goldenes Diadem von Kertsch, vermutlich gotisch (Krim, 5. Jh.) M Germanische Sprachen 9 Goten 8, 35, 43, 44 Götter 8, 24–28, 32, 33, 37 Marbod 39 Marius, Gaius 15 Großstämme 31, 39, 42 Markomannen 8, 35, 39 Grubenhaus 17, 22 Markomannenkrieg 11, 48 Menschenopfer 25, 26, 32 Met 18, 19 Hakenpflug 11, 20 Metallverarbeitung 9, 10 Hammerschlag 27 Moorleichen 32, 33 Heerkönig 4, 15, 30 H Heil 24, 30, 38 Hermannsdenkmal 36, 37 Hörige 23 Hunnen 44, 48 I, J Indogermanisch 9 Jüten 8, 43–45, 48 Jütland 12, 33, 45 K Kalkriese 37 Kastell 34, 41 Kelten 6, 7, 9, 10, 34, 42 Kimbern 12–15, 48 L Langobarden 8, 23, 35, 44, 45, 48 Lejre, Freilichtmuseum 21, 47 Limes 8, 35, 41, 42, 48 N Q Quellen, geschichtliche 7 R Raetien 35, 41 Rätischer Limes 41 Romanisierung 42 Runen 6, 27, 28 S Sachsen 8, 43–45, 48 Segestes 37–39 Seherin 12, 14, 25, 34, 35 Sigimer 35, 36 Silberbibel 44 Sippe 24, 31 Sklaven 15, 23, 39, 40 Spartacus 15 Obergermanischer Limes Strabon 14 41, 43 Sueben 4–8, 23, 43, 44, 48 Obergermanien 40–42, 48 Suebenknoten 23 Odoaker 45, 48 Opfer 25, 26, 28, 32, Tacitus 4, 7, 8, 20, 24–27, 33, 40 32, 36, 37, 48 Opfermoor 21, 32 Teutobod 15 Ostgoten 43–45, 48 Teutoburger Wald 36, 37 Ostrom 45 Teutonen 12, 14, 15, 48 Theoderich 45, 48 Patriarchat 24 Thing 28, 30 Plutarch 13, 15 Thorsberger Moor 21, 22, Priester/-in 14, 25, 30, 33 32, 33, 40 Nerthus 25, 26, 33 Niedergermanien 40, 41, 46, 48 Njodr 27 Nydam–Boot 32, 45 O T P Thusnelda 38 Tiberius 34, 35, 37–39, 48 Tiwaz (Ziu, Tyr) 28 Tollund-Mann 33 V Vandalen 8, 35, 44, 48 Varus, Publius Quinctilius 35, 36, 37 Varusschlacht 37, 39, 48 Veleda 25 Villa rustica 42 Völkerwanderung 44, 45, 48 W Waffen 31 Walhall 27 Walküren 27 Wanen 26 Webstuhl 21, 22 Weissagung 25, 26, 27 Westgoten 44, 48 Westrom 45 Wodan (Odin) 27, 28 Wulfila 44, 48 X,Z Xanten 8, 35, 43 Zinn 10, 11 Zinnbronze 10 48 D034_R_04028_Bd62_Germ_110531b.indd 48 07.07.2011 10:59:01 Uhr