Rhetorik und Argumentationstheorie 2 [[email protected]] Teil 2 Was ist ein Beweis? 2 Wichtige Grundlagen „Tautologie“ nennt man eine zusammengesetzte Aussage, die wahr ist, unabhängig vom Wahrheitswert ihrer Bestandteile. z.B. „Morgen ist Freitag oder morgen ist nicht Freitag“ „Widerspruch“ nennt man ein Paar von Aussagen, die nicht beide zugleich wahr sein können. z.B. „Morgen ist Freitag“ und „Morgen ist nicht Freitag“ 3 Wichtige Grundlagen Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch Der Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch behauptet die Unmöglichkeit, dass eine Aussage und ihre Negation zugleich wahr sind. Eine Menge von Aussagen ist „inkonsistent“ genau dann, wenn es nicht möglich ist, dass alle Aussagen der Menge zugleich wahr sind. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Menge einen Widerspruch enthält. 4 Wichtige Grundlagen Satz vom ausgeschlossenen Dritten Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten behauptet, dass jede Aussage entweder wahr oder falsch ist. Logiken in denen dieser Satz gilt, nennt man „zweiwertig“ oder „bivalent“. 5 Was ist ein Beweis? Bestandteile eines Beweises Einen Beweis nennt man die deduktive Herleitung der Wahrheit einer Aussage aus einer Menge von Axiomen und bereits bewiesenen Aussagen. 6 Was ist ein Beweis? Bestandteile eines Beweises Ein Beweis ist also ein korrektes Argument mit der Besonderheit, dass die Wahrheit der Annahmen entweder aufgrund ihres Status als Axiome (und Definitionen) oder durch früher gegebene Beweise gesichert ist. Einen bewiesenen Satz nennt man „Theorem“. 7 Was ist ein Beweis? Direkter Beweis Der zu beweisende Satz lässt sich ohne zusätzliche Annahmen aus den Axiomen des Systems herleiten. Indirekter Beweis Es wird angenommen, dass das Gegenteil des zu beweisenden Satzes wahr ist und aus dieser Annahme wird ein Widerspruch hergeleitet. 8 Was ist ein Beweis? Formale Beweise Ein formaler Beweis ist eine Folge von Sätzen einer formalen Sprache für die gilt, dass jeder Satz entweder (1) ein Axiom ist, oder (2) aus früheren Sätzen des Beweises mittels vorab festgelegter Schlussregeln folgt. 9 Was ist ein Beweis? Formale Argumente Ein formales Argument ist eine Folge von Sätzen einer formalen Sprache für die gilt, dass jeder Satz entweder (1) ein Axiom ist, oder (2) aus früheren Sätzen des Beweises mittels vorab festgelegter Schlussregeln folgt, oder (3) eine Annahme des Arguments darstellt. 10 Was ist ein Beweis? Formale Sprache Eine formale Sprache besteht aus einem vorab definierten Vokabular und Regeln zur Konstruktion von Sätzen, den sogenannten „Wohlformungsregeln“. 11 Was ist ein Beweis? Formale Sprache Das Vokabular formaler Sprachen ist im Allgemeinen endlich, muss dies aber nicht sein. Beispiel Die (endliche) Sprache AL besteht aus den Zeichen: P, *, ⌐, V, Λ, →, ), ( 12 Was ist ein Beweis? Formale Sprache Die Wohlformungsregeln geben an, wie aus den Zeichen der Sprache Sätze gebildet werden können. Die Sätze werden auch Formeln genannt. Beispiel Definition einer „atomaren Formel“ 1. P ist eine atomare Formel von AL 2. Wenn α eine atomare Formel von AL ist, dann auch α*. 3. Nichts sonst ist eine atomare Formel von AL. 13 Was ist ein Beweis? Formale Sprache Beispiel (Fortsetzung) Definition einer „wohlgeformten Formel von AL” 1. Jede atomare Formel ist eine wohlgeformte Formel von AL. 2. Ist α eine wohlgeformte Formel von AL, dann auch ⌐α. 3. Sind α und β wohlgeformte Formeln von AL, dann auch (α V β), (α Λ β) und (α → β) . 4. Nichts sonst ist eine wohlgeformte Formel v. AL. 14 Beweissysteme Begrifflichkeiten Wenn von formalen Beweisen die Rede ist, dann ist „Beweis“ stets zu lesen als „Beweis in Beweissystem X“. Ein „Beweissystem“ besteht aus einer Menge von Axiomen und einer nicht-leere Menge von Schlussregeln. 15 Beweissysteme Begrifflichkeiten „Axiome“ nennt man besondere Annahmen, die innerhalb eines Beweissystems keiner gesonderten Rechtfertigung bedürfen und darin als unbezweifelbare Wahrheiten gelten. „Schlussregeln“ nennt man Regeln, die festlegen, unter welchen Umständen ein neuer Satz, der kein Axiom ist, in einem Beweis eingefügt werden darf. 16 Beweissysteme Wahl der Axiome und Regeln Verschiedene Beweissysteme unterscheiden sich in der Anzahl und Auswahl der Axiome, und der Schlussregeln. Systeme die Axiome enthalten, werden „axiomatische Kalküle“ genannt. Systeme ohne Axiome, wie etwa der „Kalkül des natürlichen Schließens“, verfügen im Regelfall über mehr Schlussregeln als axiomatische Kalküle. 17 Beweissysteme Axiomatischer Kalkül nach Frege-Lukasiewicz Axiom 1 (α → (β → α)) Axiom 2 ((α → (β → γ)) → ((α → β) → (α → γ))) Axiom 3 ((⌐α → ⌐β) → (β → α)) Modus ponens α und α → β dann β 18 Beweissysteme Beispiel eines formalen Beweises …im vorgestellten axiomatischen Kalkül P →((Q →P) →P) Axiom 1 (P →((Q →P) →P)) →((P →(Q →P)) →(P →P)) Axiom 2 (P →(Q →P)) →(P →P) Modus ponens P →(Q →P) Axiom 1 (P →P) Modus ponens 19 Bedeutung für die Philosophie Beweise und Argumente Formale mathematische Beweise stellen ein praktisch unerreichbares Ideal dar. Auch in der Mathematik erfolgen die meisten Beweise informell. Aber formale Beweise veranschaulichen strenge Argumentation. Vor allem kritische Schritte sollten nach diesem Vorbild in einfachere Teilschritte zergliedert werden. 20 Bedeutung für die Philosophie Formale Logik allgemein Die Präzision interpretierter formaler Sprachen erlaubt Probleme und Thesen klarer zu formulieren und feine Unterschiede herauszuarbeiten. Resultate der formalen Logik Logische Theoreme wurden und werden auch direkt zur Lösung philosophischer Probleme herangezogen, etwa zur Definition von „Wahrheit“. 21