Biogene Amine in Lebensmitteln

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Dr. Rolf Steinmüller
Biogene Amine in Lebensmitteln
Teil1
Zählen Sie auch zu jenen empfindlichen Menschen, die nach dem Genuss von Wein, Käse oder Fisch an Durchfällen, Blähungen, Kopfschmerzen oder sogar Atemnot leiden? Auslöser dieser Beschwerden können so genannte biogene Amine
sein. Es handelt sich dabei um Stoffwechselprodukte, die natürlicherweise in menschlichen, pflanzlichen und tierischen
Zellen vorkommen. Der wichtigste Vertreter der biogenen Amine ist das Histamin.
Einleitung – Biogene Amine
Biogene Amine sind Decarboxylierungsprodukte der Aminosäuren
und einige ihrer Folgeprodukte. Es
handelt sich um niedermolekulare,
basische Stickstoffverbindungen mit
aliphatischen (Putrescin, Cadaverin,
Spermidin, Spermin), aromatischen
(Dopamin, Tyramin, Phenylethylamin) oder heterocyclischen (Histamin, Serotonin) Strukturen. Biogene Amine werden im Allgemeinen, je nach Anzahl ihrer enthaltenen Aminogruppen, den Mono, Di- bzw. den Polyaminen zugeordnet. Die Struktur der wichtigsten
bio­genen Amine sind in Tabelle 1
dargestellt. Diese organischen Basen werden im normalen Stoffwechsel von Mensch, Tier, Pflanze und Mikroorganismen gebildet
und metabolisiert. Aufgrund ihrer
biotischen Herkunft und ihrer Wirkung in biologischen Systemen werden sie als „biogene“ Amine bezeichnet. Sie sind unverzichtbare
Bestandteile von lebenden Zellen
mit wichtigen physiologischen und
biologischen Aktivitäten. Durch die
relativ geringfügige Veränderung
der Entfernung einer Carboxylgruppe werden aus den Aminosäuren
hoch aktive Substanzen mit starker
pharmakologischer Wirkung, die in
vielfältiger Weise in den Zellstoffwechsel eingebunden sind. Einige
Verbindungen dieser Stoffklasse
besitzen als Wuchsstoffe, als Hormone und als Stickstoffreserve eine
wichtige Rolle und sind für die Nuklein- und Proteinsynthese von Bedeutung. Andere Amine sind für
die normale Funktion des Nerven-
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Spermin mit einer Reihe von physiologischen Prozessen, wie Zellteilung, Blüte, Fruchtbildung, Reaktion auf Stress und Alterung in Verbindung gebracht. In Lebensmitteln spielen sie eine wichtige Rolle als Aroma- und Geschmacksstoffe, als Vorstufen zur Biosynthese von Alkaloiden und Nitrosaminen, und tragen zur Qualitätsbeurteilung von Lebensmitteln, insbesondere Fisch, bei.
Physiologische Funktionen
im menschlichen Organismus
Abb. 1: Für viele Menschen stehen Lebensmittel wie Parmesan, Parmaschinken und Chianti für Hochgenuss pur, andere müssen diese
Speisen jedoch strikt meiden, sonst drohen nach dem Essen Durchfälle, unangenehme Blähungen und Kopfschmerzen.
systems, für die Darmmotorik, für
die Regulierung der Körpertemperatur, für den Wach-Schlaf-Rhythmus sowie die Aktivität des Gehirns
wichtig. Grundsätzlich können diese potenziell toxischen Substanzen
über entsprechende Abbauwege
wieder schnell eliminiert werden.
In dieser Artikelserie werden werden
nicht nur die wichtigsten biogenen
Amine porträtiert, sondern auch deren Bildung und Abbau sowie deren
Vorkommen in Lebensmitteln, und
ihre Bedeutung für die Lebensmittelsicherheit, ihrer möglichen Verwendung als Qualitätsindikatoren
und die verfügbaren Methoden zu
ihrer Bestimmung diskutiert.
Vielfältige Funktionen
Biogene Amine besitzen vielfältige
Funktionen bespielseweise sind sie
eine wichtige Stickstoffquelle und
Vorstufen für die Synthese von Hormonen, Alkaloiden, Nukleinsäuren und Proteinen. Zusätzlich besitzen sie zahlreiche Funktionen
sowohl im Stoffwechsel als auch
in Lebensmitteln. Im Stoffwechsel
wirken sie u.a. als Hormone (Katecholamine, Serotonin), Wachstumsfaktoren (Putrescin, Spermidin, Spermin), dienen als Pharmaka und stellen Gewebsmediatoren
dar (Histamin, Serotonin). In Pflanzen werden das Diamin Putrescin
und die Polyamine Spermidin und
Biogene Amine übernehmen manigfaltige und wichtige Aufgaben
in der Physiologie des Menschen
und werden vom Körper selbst
gebildet. Zum einen können biogene Amine selbst physiologische
Wirkungen als Hormone oder Neurotransmitter entfalten. Wichtige
Neurotransmitter sind hierbei die
aus der Aminosäure Tyrosin gebildeten biogenen Amine Dopamin
(im Volksmund auch als Glückshormon bekannt), Noradrenalin und
Adrenalin sowie die aus der Aminosäure Glutaminsäure gebildete
γ-Aminobuttersäure. Diese lösen
zahlreiche biochemische und physiologische Prozesse aus, die mit
Belastungssituationen des Organismus in Zusammenhang stehen.
Darüber hinaus dienen biogene
Amine als Bausteine für die Synthese
von verschiedenen Vitaminen, Coenzymen und Phospholipiden. Beispielsweise sind β-Alanin und Cysteamin Bestandteile von Coenzym
Aliphatische Monamine
Methylamin
CH3-NH2
Butylamin
CH3-(CH2)3-NH2
Dimethylamin
(CH3)2NH
Amylamin
CH3-(CH2)4-NH2
Trimethylamin (CH3)3N
Hexylamin
CH3-(CH2)5-NH2
Ethylamin
CH3-CH2-NH2
Ethanolamin HO-(CH2)2-NH2
Diethylamin
(CH3-CH2)2NH
Cysteamin
HS-(CH2)2-NH2
Propylamin
CH3-(CH2)2-NH2
Taurin
HO3S-(CH2)2-NH2
Aliphatische Polyamine
Putrescin
PRoDukTquALITäT
ohnE koMPRoMISSE
AIRSPEXX
Luftentkeimungsanlagen
Cadaverin
Spermidin
Flexible kompaktlösungen
für die Lebensmittelindustrie
Spermin
Airspexx DS
Agmatin
y Zur Anwendung der zuverlässigen Airspexx
Luftentkeimung in Produktions-, Reife-, kühlund Lagerräumen
Aromatische Amine
y Mobil auf Fahrwagen oder zur Wandmontage
β-Phenylethylamin
Tyramin
Dopamin
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Tel. 02173 599 0 • [email protected] • www.ecolab.com/de
Noradrenalin
Adrenalin
Heterocyclische Amine
Tryptamin
Serotonin
Histamin
Tabelle 1: Einteilung biogener Amine.
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A, Ethanolamin dient als Baustein
für Phospholipide und Aminopropanol ist in Vitamin B12 enthalten.
Die Polyamine Spermin, Spermidin
und Putrescin, die aus den Aminosäuren Arginin und Ornithin gebildet werden, können aufgrund ihrer stark positiven Ladung mit Molekülen mit negativer Ladung, wie
DNA und RNA, Proteinen und Phospholipidmembranen, interagieren.
Sie übernehmen dabei verschiedene Funktionen im Stoffwechsel
und sind bei der Synthese anderer Makromoleküle oder der Zellproliferation sowie Genregulation
beteiligt. So sind die Polyamine
Spermidin, Spermin und Putrescin
an der Chromatin-Kondensation,
dem Erhalt der DNA Struktur, der
RNA-Prozessierung, der Translation sowie der Aktivierung von Proteinen beteiligt.
Das bekannteste biogene Amin
Histamin wird zu den so genannten Gewebshormonen und Neurotransmittern gezählt. Diese Substanz besitzt eine zentrale Funktion bei allergischen Reaktionen und
ist am Immunsystem, bei der Abwehr körperfremder Stoffe, beteiligt. Des Weiteren dient es als einer
der Botenstoffe bei Entzündungsreaktionen. Darüber hinaus wirkt
es als Regulator im Magen-DarmTrakt, bei der Regulation der Magensäureproduktion und der Mobilität sowie im Zentralnervensystem bei der Steuerung des SchlafWach-Rhythmus und der Appetitkontrolle. Histamin wird in bestimmten Zelltypen, insbesondere in Mastzellen, basophilen Granulozyten und Nervenzellen durch
die Abspaltung von Kohlendioxid aus der Aminosäure Histidin
gebildet.
Wichtige Biogene Amine und ihre
Funktionen im menschlichen Organismus sind nachfolgend in Tabelle 2 aufgeführt.
Die wichtigsten biogenen
Aminen in Lebensmitteln
Histamin
Der wichtigste Vertreter der biogenen Amine ist das Histamin
(2-(4-Imidazolyl)-ethylamin) zählt
zur Gruppe der aromatischen biogenen Amine. Es wirkt im menschlichen oder tierischen Organismus
als Gewebshormon und Neurotransmitter (Erregungsübertragung
im Nervensystem), ist aber auch im
Pflanzenreich und in Bakterien weit
verbreitet.
Beim Menschen ist die körpereigene Substanz der wichtigste Bo-
Biogenes Amin
Aminosäure
Biologische Funktion
Adrenalin
Tyrosin
Hormon, Neurotransmitter
β-Alanin
Asparaginsäure
Baustein in Pantothensäure, welche notwendig ist für den Aufbau von Coenzym A, das
im Stoffwechsel den Transfer von Acylgruppen katalysiert
γ-Aminobuttersäure
Glutaminsäure
Neurotransmitter
Cysteamin
Cystein
Bautstein in Panthothensäure (s. Coenzym A)
Dopamin
3,4-Dihydroxy-phenylalanin Neurotransmitter; Vorstufe von Noradrenalin
(Dopa) **
und Adrenalin
Ethanolamin
Serin
Vorstufe von Phosphatidylethanolamin und
von Cholin
Histamin
Histidin
Mediator immunologischer Reaktionen
Aminopropanol
Threonin
Baustein von Vitamin B12
Propylamin (Methamin)
Methionin
Baustein in Spermin und Spermidin
Agmatin
Arginin
Vorstufe von Putrescin
Putrescin
Ornithin*
orstufe von Spermin und Spermidin; Baustein in Ribosomen
Cadaverin
Lysin
Baustein in Ribosomen
Tyramin
Tyrosin
Steigerung von Blutdruck und Uteruskontraktion
Tryptamin
Tryptophan
Hormon (?); Produktion von Mikroorganismen in Darm und Niere
Serotonin
5-Hydroxytryptophan
Neurotransmitter; Vorstufe von Melatonin
* keine proteinogene Aminosäure entsteht aus Arginin
**keine proteinogene Aminosäure, vor Decarboxylierung erfolgt Hydroxylierung im Ringsystem
Tabelle 2: Biogene Amine und ihre biologische Funktion.
[modifiziert nach: Weiß C (2009): Biogene Amine, Ernährungs Umschau, 3: 172-179]
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tenstoff (Mediator) bei allergischen
Erkrankungen, wie beispielsweise Heuschnupfen (Rhinitis allegica) und Asthma (Asthma bronchia­
le). Weiterhin ist Histamin der klassische Auslöser von Nesselausschlag
(Urticaria) und spielt eine bedeutende Rolle bei MedikamentenAllergien bzw. Unverträglichkeiten.
Darüber hinaus besitzt Histamin
verschiedene natürliche physiologische Wirkungen, wie Gefäßerweiterungen und Kontraktur (Zusammenziehung) des Uterus (Gebärmutter). Es regelt des Weiteren
die Magensäureproduktion und die
Peristaltik des Magen-Darmtraktes
sowie den Schlaf-Wach-Rhythmus
und die Appetitkontrolle.
Histamin wird vom Menschen selbst
produziert und in den Granula von
Blut- und Gewebszellen (basophilen
Granulozyten bzw. Mastzellen) gespeichert und bei Bedarf freigesetzt.
Zusätzlich kann Histamin auch von
außen in den Körper gelangen, insbesondere auf dem oralen Weg,
also durch Essen und Trinken von
histmainhaltigen Speisen bzw. Getränken, wo es nach Resorption im
Darm in die Blutbahn gelangen kann.
Geschichte: Die Geschichte der Erforschung des Histamins begann
im Jahr 1907 mit seiner Synthese
als chemische Kuriosität durch die
deutschen Chemiker Adolf Windaus und W. Vogt. Bereits drei Jahre später gelang Henry H. Dale in
Zusammenarbeit mit dem Chemiker G. Barger und P.P. Laidlaw der
Nachweis von Histamin im Mutterkorn und somit die Entdeckung
von Histamin als Naturstoff. Erst
Jahre später stellte sich jedoch heraus, dass das damals untersuchte
Mutterkorn offenbar durch Bakterien kontaminiert war und dass im
Mutterkon kein Histmain enhalten
ist. Eine Erkenntnis, die jedoch nicht
unbedeutend ist, da sie sich auch
auf Lebensmittel übertragen lässt.
Das heißt, jene Nahrungsmittel, die
einen Reifungsprozess durchlaufen,
bei dem Bakterien eine Rolle spielen, haben naturgemäß einen hohen Histamingehalt. Im gleichen
Jahr gelang es Henry H. Dale und
P.P. Laidlaw Histamin als körpereigene Substanz nachzuweisen. Die
beiden Autoren klärten nicht nur
einige der grundlegenden Funktionen des Histamins auf, sondern erkannten gleichzeitig auch das vielfältige pharmakologische Potential dieser Substanz. Darüber hinaus
gelang im Jahr 1910 auch noch die
Aufklärung der Biosynthese durch
D. Ackermann. D. Bovet und AM.
Staub entdeckten im Jahr 1937 erste Substanzen, welche die Wirkung
von Histamin hemmen (Antihistaminika). Bereits fünf Jahre später
wurden mit Phenbenzamin und
Mepyramin die ersten Antihistaminika in der Therapie eingesetzt.
Histamin-Synthese: Die Synthese des Histamins erfolgt in einer
Ein-Schritt-Reaktion über die Abspaltung von Kohlendioxid (Decarboxylierung) von der Aminosäure
His-tidin mittels der Pyridoxalphosphat (Vitamin B6) enthaltenden LHistidin-Decarboxylase. Des Weiteren kann Histamin auch bei bakteriell verursachten Reifungsprozessen von Nahrungsmitteln erzeugt werden.
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Histamin-Abbau: Grundsätzlich
wird Histamin im Körper über zwei
unterschiedliche Wege enzymatisch abgebaut.
Methylierung mittels der Hista min-N-Methyltransferase (HNMT)
durch oxidativen Abbau mittels
Aminooxidasen wie Monoami nooxidasen (MAO) und der
Diaminoxidase (DAO)
l
l
Dabei ist die Diaminoxidase (DAO)
das wichtigste histaminabbauende Enzym des Darms und Hauptbestandteil der Darmbarriere gegenüber exogenem Histamin und
baut nicht nur das durch die Nahrung aufgenommene Histamin ab,
sondern auch das von der Darmflora gebildete.Diaminoxidase wird
kontinuierlich synthetisiert und in
das Darmlumen ausgeschieden.
Damit wird beim gesunden Menschen Histamin aus der Nahrung
bereits im Darm weitgehend entfernt. Das verbleibende wird beim
Durchtritt durch die Darmschleimhaut von dort lokalisierten Diaminoxidasen abgebaut. Gelangt den-
Abb. 2: Histamin-Synthese mittels des Enzyms-Histidindecarboxylase
aus der Aminosäure Histidin.
noch Histamin über die Blutbahn in
die Leber, kann es über die N-Methyltransferase, dem zweiten, wichtigen histaminabbauenden Enzym
weiter abgebaut werden.
Histaminintoleranz: Bei der Histaminintoleranz, eigentlich eine Histamin-Abbaustörung, handelt es
sich um ein Krankheitsbild, welches
durch ein Ungleichgewicht zwischen anfallendem Histamin und
Histaminabbau entsteht.
Die Symptome reichen dabei von
Hauterythemen, Juckreiz und Quaddelbildung, Übelkeit bis hin zu Erbrechen, Durchfall, Magenkrämpfen,
Herzrasen, Schwindel, Rhinorrhö,
Asthma und bis hin zu migränear-
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tigen Kopfschmerzen. Diese Belastung beruht auf einem Ungleichgewicht zwischen Histamin und dem
wichtigsten Enzym für den Histaminmetabolismus, der Diaminooxidase, dem Histamin abbauenden Enzym. Ein derartiges Ungleichgewicht
kann durch verschiedene Faktoren
verursacht werden. Die Diagnostik
besteht vor allem aus der Anamnese (Besserung der Symptomatik
nach histaminarmer Kost). Therapeutisch kommen vor allem eine
Eliminationsdiät (inklusive Alkohol),
die Vermeidung der verschiedenen
Kofaktoren, die Gabe von Antihistaminika und die DAO-Substitution mit einem entsprechenden Enzympräparat infrage.
Toxikologie: Die häufigsten durch
biogene Amine bedingten Lebensmittelvergiftungen werden durch
Histamin verursacht. Im Durchschnitt
nehmen wir täglich circa vier Milligramm Histamin mit der Nahung
auf. In der Regel ist der Organismus
in der Lage auch größere Mengen
Histamin abzubauen. Die Verträglichkeitsgrenze von Histamin liegt bei
einer Menge von ungefähr 10 mg,
bei besonders empfindlichen Menschen können jedoch schon Beeinträchtigungen bei Konzentrationen von 5-10 mg auftreten. Größere Mengen Histamin führen zu
einer Vergiftung, die durch akute
Beschwerden wie Atemnot, Blutdruckabfall, Rötung der Haut, Nesselausschlag, Übelkeit, Erbrechen,
Kopfschmerzen und Durchfall gekennzeichnet ist. Eine Histaminkonzentration von 100 bis 225 mg/kg
gilt aus toxikologischer Sicht als kritische Grenze, wenngleich schon
Einzeldosen von 75 mg oral aufgenommenem Histamin auch bei gesunden Menschen sofortige oder
verzögerte Reaktionen hervorrufen
können. Mengen ab 1000 mg gelten als hochgiftig.
min zählt zu den Neurotransmittern. Darüber hinaus gehört es zur
Gruppe der vasoaktiven Amine, da
es eine Erhöhung des Blutdruckes
bewirken kann. Wie andere biogene Amine kann es zur Ursache
von Nahrungsmittelallergien werden und eine Migräne, sowie ggf.
auch andere Kopfschmerzformen
auslösen.
Weiterhin entsteht Tyramin bei der
Zersetzung von Eiweißen und ist
häufig natürlicher Begleitstoff von
Nahrungsmitteln, zu deren Fertigung
Schritte wie Gärung oder Fermentation gehören, so z. B. viele Käsesorten, Rotweine oder Schokolade.
Hohe Tyramin Konzentrationen können zu Vergiftungen führen, welche als sogeannter „Cheese-Effect“
bekannt sind, ausgelöst durch den
Verzehr von Lebensmitteln, welche mit diesem Amin kontaminiert
sind. Seine Einnahme ist assoziiert
mit Kopfschmerzen, verminderter
Peristaltik des Magen-Darm-Trakts
und fördert das Sättigungsgefühl.
Phenylethylamin
Tyramin
Phenethylamin, auch β-Phenylethylamin oder mit korrekter chemischer Bezeichnung 2-Phenyl­
ethylamin, ist eine natürliche Verbindung, die durch enzymatische
Decarboxylierung aus der Aminosäure Phenylalanin synthetisiert wird.
Es gehört neben Tyramin und Histamin zu den aromatischen und vasoaktiven biogenen Aminen. Wie
Tyramin verursacht Phenylethylamin einen Anstieg des Blutdrucks
und wird überdies als Auslöser von
Migräne diskutiert. Nachgewiesen
wird das Amin in den unterschiedlichsten Lebensmitteln, wie beispielsweise Käse, Rohwurst, Sojasaucen und Schokolade. Der Abbau von Phenylethylamin erfolgt im
Intestinaltrakt meist über oxidative
Desaminierung mittels Monoaminooxidase B.
Tyramin (4-Hydroxy-phenylethylamin) gehört biochemisch ebenfalls
zu den biogenen Aminen und wird
aus der Aminosäure Tyrosin durch
Decarboxylierung gebildet. Es wird
normalerweise durch Monoaminooxidasen schnell abgebaut. Tyra-
In gleicher Weise wie Tyramin besitzt Phenylethylamin eine indirekt
sympathomimetische Wirkung durch
Freisetzung von Noradrenalin aus
präsynaptischen Vesikeln des sympathischen Nervensystems, was zu
einem Blutdruckanstieg führt. Das
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könnte auch die Symptomatik von
starken Kopfschmerzen und Migräne erklären.
Im Vergleich zum Histamin und Tyramin liegen für Phenylethylamin
weit weniger toxikologische Daten vor. Die Rolle von alimentärem
Phenylethylamin als Auslöser von
Kopfschmerz bzw. Migräne ist jedoch nicht unumstritten.
Hinsichtlich dem Vorkommen und
Gehalten in Lebensmitteln sind in
der Mehrzahl der Lebensmittel die
ursprünglichen Phenylethylaminkonzentrationen sehr gering und steigen erst während Fermentation,
Reifung und Lagerung an.
Nach den Angaben von RauscherGebernig und Koautoren liegt die
niedrigste, in der Literatur publizierte
Dosis, die bei gesunden Probanden
zu negativen Effekten (LOAEL, Lowest Observed Adverse Effect Level) führt, bei 5 mg Phenylethylamin. In einer Untersuchung von
168 Lebensmittelproben durch die
österreichische Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) im Zeitraum
2000-2008 wurde in 17 % der Proben ein bestimmbarer Gehalt an
Phenylethylamin detektiert. Dabei
wurden die höchsten Gehalte von
88 mg/kg in Lachs gemessen, gefolgt von gesalzener Makrele mit
50 mg/kg. In den anderen festen
Lebensmitteln waren die Maximalgehalte im Bereich von 10 bis 29
mg/kg. Bei Getränken betrug die
Maximalkonzentration 2 mg/kg.
Tryptamin
Tryptamin (β-Indolyl-(3)-ethylamin),
ein biogenes Amin, das durch Decarboxylierung aus der Aminosäure Tryptophan entsteht. Es wird in
Spuren im Gehirn von Säugetieren
gefunden und spielt vermutlich eine
Rolle als Neuromodulator oder Neurotransmitter. Zudem stimuliert es
die Kontraktion der glatten Muskulatur, wie Blutgefäße und Uterus
und gehört ebenfall zur Gruppe der
vasoaktiven Amine, da es den Blutdruck erhöht. Es kommt als bakterielles Abbauprodukt, sowie auch
in tierischen und pflanzlichen Geweben vor, wobei es bei Pflanzen
wachstumsfördernd wirkt.
Cadaverin
Cadverin, 1,5-Diaminopentan, leitet
sich ebenfalls vom latenischen ab,
vom Wort cadaver (Aas, Leiche). Es
handelt sich um eine Fäulnisbase
(biogenes Amin), die beibakterieller Eiweißzersetzung aus der Aminosäure Lysin entsteht und ebenfalls eine unangenehm riechende,
giftige Verbindung ist (s. Putrescin).
Putrescin und Cadaverin sind häufig in Fleisch vorzufinden. Ihr Gehalt steigt bei aerober Lagerung an.
Diese werden von typischen Verderbniserregern im wesentlichen
durch Decarboxylierung entsprechender Aminosäuren gebildet.
Pseudomonadaceae z.B. produzieren überweigend Putrescin, Enterobacteriaceae Cadaverin. Aus
diesem Grunde können Putrescin und Cadaverin als potentielle
chemische Qualitätsindikatoren für
aerob gelagertes Fleisch angesehen werden.
Polyamine (Putrescin,
Spermidin und Spermin)
Die Polyamine (Putrescin, Spermidin und Spermin) kommen ubiquitär
in allen lebenden Organismen vor
und sind essentiell für das normale
Zellwachstum. Der Polyamin-Spiegel in den Zellen wird durch deren
Biosynthese, Abbau und Transport
geregelt. Da ihre primären und sekundären Aminogruppen bei den
physiologischen pH-Werten in der
Zelle protoniert sind, können diese
Polykationen mit den negativ geladenen zellulären Molekülen wie
DNA, RNA, Proteinen und Phospholipiden interagieren. Polyamine
werden mit den unterschiedlichsten
biologischen Prozessen in Verbindung gebracht, einschließlich Replikation, Transkription, Translation,
posttranslationale Modifikation, Ionenkanalaktivität und Stabilität der
Membranen, sowie mit der Regulation der Zellproliferation, Transformation, Differenzierung, Apoptose und Tumorgenese.
Der körpereigene Polyamin-Pool
wird durch drei Quellen aufrecht
erhalten: endogene Biosynthese,
intestinale Mikroorganismen und
exogene Zufuhr über die Nahrung.
Dabei stellt die externe Zufuhr über
die Nahrung eine größere Menge zur Verfügung als die endogene Synthese. Polyamine sind in
unterschiedlichen Mengen in den
verschiedenen Lebensmitteln vorhanden. Sie werden ausgehend
von den entsprechenden Aminosäuren, wie beispielsweise Arginin
und Ornithin, die als Vorstufen dienen, unter Decarboxylierung durch
Einwirkung von Fäulnisbakterien
synthetisiert. Dies erklärt, warum
höhere Konzentrationen an Polyaminen in fermentierten Lebensmitteln wie Sauerkraut, Würstchen und
Käse gefunden werden. In Pflanzen scheint Salz oder osmotischer
Stress die Polyaminbiosynthese zu
verstärken, wodurch deren Polyamingehalt zunimmt.
Eine Literaturrecherche der Autoren Ali et al., hinsichtlich publizierter
Werte für Putrescin, Spermidin und
Spermin ergab, dass Polyamine in
über 250 Lebensmitteln nachweisbar waren. Dennoch besteht nach
Ansicht der Autoren ein Mangel an
relevanten Informationen über deren Gehalt in Lebensmitteln. Aufgrund der Assoziation dieser bioaktiven Verbindungen mit der menschlichen Gesundheit wären derartige
Informationen jedoch grundsätzlich
von Interesse.
Bislang wurde eine große Variationsbreite an Polyamin-Konzentrationen in den unterschiedlichsten
Lebensmitteln gefunden. Fleisch,
Fisch und Fleischprodukte enthalten in der Regel hohe Gehalte an
Putrescin und Spermin und geringe
an Spermidin, im Gegensatz dazu
sind pflanzliche Lebensmittel reich
an Putrescin und Spermidin. Die
Fermentation von Lebensmitteln
erhöhte den Polyamin-Gehalt von
einigen Produkten. Beispielsweise
beträgt der Putrescin-Gehalt von
gekochtem Kohl 5,6 mg kg-1, und
vom Sauerkraut 146 mg kg-1. Der
Polyamin-Gehalt ist in Käse hoch,
vor allem in reifem Cheddar, aber
relativ niedrig in Joghurt. Interessanterweise scheint Kochen wenig
Einfluss auf die Zusammensetzung
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oder auf die Konzentration von Polyaminen in den meisten getesteten
Nahrungsmitteln (z.B. Karotte und
Kartoffel) zu haben, hingegen gibt
es einige wenige Lebensmittel deren Polyamidgehalt sich verändert.
Beispielsweise nimmt der mittlere
Putrescingehalt in Brokkoli beim
Kochen lediglich leicht ab, während sich derjenige von Spermidin
ganz erheblich reduziert. Eine Abnahme des Polyamingehaltes tritt
beim Reifen von Obst und Gemüse verstärkt auf. Möglicherweise
ein Hinweis darauf, dass die Reife, oder Zeit von der Ernte bis zum
Verzehr, einen Einfluss auf die Polyamin-Gehalte von pflanzlichen
Lebensmitteln hat. In Früchte (wie
Orangen), Fruchtsäften (Orangensaft und Grapefruitsaft), Sauerkraut,
Cheddar Käse, Kabeljaurogen, Sojasoße, Miso und Soja fanden sich
hohe Konzentrationen an Putrescin.
Hingegen war der Spermidingehalt
besonders hoch in trockenen Sojabohnen, Hühnerleber, Erbsen, Mais,
Schalentieren, und Blauschimmelkäse. Dagegen war der Spermingehalt besonders hoch in den meisten Fleischprodukten (wie Würste,
Schweinefleisch, Huhn und Pute), in
einigen Gemüsen (wie Kürbis) und
Käse. Andererseits wurden diese Polyamine in geringen Mengen auch
in anderen Lebensmitteln gefunden
bzw. überhaupt nicht detektiert.
Putrescin: Putrescin ist der Trivialname für das Polyamin Butan-1,4diamin, einem übelriechenden Diamin. Putrescin ist mit dem Amin Cadaverin verwandt, beide entstehen
bei dem Abbau von Aminosäuren
in lebenden und toten Organismen.
Des Weiteren sind beide in hohen
Dosen toxisch. Diese beiden Verbindungen sind nicht nur weitgehend für den üblen Geruch von faulendem Fleisch verantwortlich, sondern auch für die Entstehung von
Mundgeruch. Sie kommen neben
der Samenflüssigkeit auch in einigen Mikroalgen gemeinsam mit
den verwandten Molekülen Spermin und Spermidin vor.
Beide Amine Putrescin und Cadaverin wurden erstmals im Jahr 1885
von dem Berliner Arzt Ludwig Brieger (1849-1919) beschrieben. Der
Name Putrescin leitet sich vom lateinischen ab und bedeutet übersetzt verfaulen. Als Fäulnisbase ist
es Bestandteil der Ptomaine (sog.
Leichengift) und trägt so auch zum
Verwesungsgeruch bei. Das biogene Putrescin entsteht aber auch
im lebenden Organismus durch Decarboxylierung aus Ornithin mittels
Ornithindecarboxylase. Putrescin ist
auch in frischem Fleisch enthalten,
seine Menge nimmt jedoch mit der
Dauer der Lagerung zu. In der Lebensmittelchemie gilt daher der Putrescin-Gehalt als ein Hinweis auf
die Frische von Fleisch.
Das Amin Putrescin besitzt eine Bedeutung als Zellschutz gegen oxidativen Stress und als Modulator
der Genexpression.
Spermidin: Bei dem Spermidin,
welches auch als Monoaminopropylputrescin bezeichnet wird, handelt es sich um ein Polyamin und
ein Zwischenprodukt bei der Bildung von Spermin aus Putrescin
und decarboxyliertem S-Adenosylmethionin.
Spermidin kommt in allen lebenden Organismen vor und ist eng
mit dem Zellwachstum verbunden.
Die genaue physiologische Funktion des Spermidins in der wachsenden Zelle z. B. bei der Produktion
von Nukleinsäuren und Proteinen
oder Membranstabilisierung ist jedoch noch nicht im Detail geklärt.
Spermin: Ein natürlich vorkommendes, weit verbreitetes Polyamin, das durch Alkylierung aus
Putrescin gebildet wird. Spermin
besitzt einen charakteristischen Geruch und kommt in menschlichem
Sperma sowie in anderen Körperflüssigkeiten vor. Das Polykation
interagiert mit der DNA und stabilisiert diese.
Literaturnachweis und
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