4. Jahrgang, 4. Ausgabe, 93-116 - - - Rubrik Neue Arzneimittel - - - Agomelatin – ein neuer Ansatz in der Therapie depressiver Störungen? Eine kritische Bewertung Chronobiologie Klinische Wirksamkeit Melatoninrezeptoren Sicherheit und Verträglichkeit Pharmakokinetik, Einnahmezeitpunkt Warnhinweise, Vorsichtsmaßnahmen Agomelatin - 94 - Agomelatin – ein neuer Ansatz in der Therapie depressiver Störungen? Dr. rer. nat. Leonora Franke Charité - Universitätsmedizin Berlin Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Campus Charité Mitte Charitéplatz 1 10117 Berlin [email protected] Lektorat: Dr. rer. nat. Gernot Kaber, Apotheker Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmakologie Universitätsklinik, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf PD Dr. med. Christian H. Lange-Asschenfeldt, Leitender Oberarzt Gerontopsychiatrie Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf Den Fortbildungsfragebogen zur Erlangung eines Fortbildungspunktes zum Fortbildungstelegramm Pharmazie finden Sie hier: http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/Kurzportraet.html Titelbild : Universitätsbibliothek New York , Urheber: Photoprof, Lizenz: Fotolia Fortbildungstelegramm Pharmazie 2010;4(4):93-116 Agomelatin - 95 - Abstract Agomelatine is one of the newer antidepressants. It structurally resembles melatonin, has a high affinity to the melatonin receptors MT1 and MT2 and is an agonist to these receptors. A substance with these characteristics may impact chronobiologic processes in particular. As such, the timing of the application of the drug may be an important factor for its antidepressive action. At the same time agomelatin acts as an agonist on 5HT2C receptors, although with a far lower affinity compared to the melatonin receptors. Other antidepressants, e.g. nefazodone und mirtazepine also act as direct agonists on 5HT2C receptors. How these effects of agomelatine contribute to its antidepressive, anxiolytic and sleep modulating action remains largely unexplained. Results of published clinical trials currently allow the conclusion, that agomelatine with its new mechanism of action does not represent a considerable breakthrough in the treatment of depression. The wellestablished antidepressants and agomelatine have one thing in common: not all depressive patients benefit from treatment. The response rate in placebocontrolled trials was 46.8 % to 61.5 % after 6 to 8 weeks of treatment, compared to a response rate of 33.1 % to 46.5 % in the placebo group. Taking parameter like tolerability, adverse effects and time to onset of action into consideration, agomelatine appears to have a certain advantage. In depressive patients with sleep disturbances an improvement in latency to sleep onset and sleep quality was observed after only one week of treatment with agomelatine. There were no differences in the rate of treatment discontinuation due to adverse effects in the agomelatin compared to the placebo group (3.5 % to 8 %), whereas discontinuation of treatment due to lack of effect was more often observed in the placebo group (6.7 % to 13.7 %) compared to the agmelatine group (1,9 % to 13.0 %). Abstrakt Agomelatin, seit Anfang 2009 auf dem europäischen Markt, ist ein Antidepressi- vum mit einem neuartigen Wirkmechanismus. Es ist strukturell dem Melatonin ähnlich, hat eine hohe Affinität zu Melatoninrezeptoren MT1 und MT2 und wirkt an diesen Rezeptoren als Agonist. Eine Substanz mit solcher Wirkung könnte besonders chronobiologische Prozesse beeinflussen. Demzufolge dürfte auch das richtige „Timing“ der Agomelatingabe ein wichtiger Faktor für die Entfaltung seiner antidepressiven Wirkung sein. Agomelatin ist gleichzeitig auch ein Antagonist des 5HT2C-Rezeptors, wenn auch mit deutlich geringerer Affinität als zu den beiden Melatoninrezeptoren. Andere Antidepressiva, wie Nefazodon und Mirtazapin sind ebenfalls direkte 5HT2C-Antagonisten. Wie diese Wirkungen des Agomelatins zum antidepressiven, anxiolytischen und schlafmodulierenden Potential der Substanz beitragen, ist weitestgehend ungeklärt. Ergebnisse publizierter klinischer Studien lassen bisher den Eindruck entstehen, dass Agomelatin keinen nennenswerten Durchbruch in der Behandlung von Depressionen darstellt. Die bereits etablierten Antidepressiva und Agomelatin haben eine Gemeinsamkeit: sie helfen nicht allen depressiven Patienten. In plazebokontrollierten Studien lagen nach 6 bis 8 Wochen Behandlung mit Agomelatin die Responderraten im Bereich 46,8 % bis 61,5 %, bei Plazebo dagegen zwischen 33,1 % und 46,5 %. Andererseits konnte eine Studie die anxiolytische Wirkung von Agomelatin nach 12 Wochen Behandlung bei Patienten mit generalisierter Angst belegen, die dem Plazebo deutlich überlegen war (Responderraten 70,7 % und 47,3 %). Berücksichtigt man einige andere Parameter, wie Verträglichkeit, Nebenwirkungen und Wirkungseintritt, so scheint Agomelatin einen gewissen Behandlungsvorteil zu haben. Bei depressiven Patienten mit Schlafstörungen wurde eine Verbesserung der Einschlaflatenz und der Schlafqualität bereits nach 1 Woche Agomelatin beobachtet. Es gab keine Unterschiede zwischen Agomelatin und Plazebo bei Behandlungsabbrüchen wegen Nebenwirkungen (3,5 % bis 8 %), wohingegen Abbrüche wegen fehlender Wirksamkeit häufiger bei Plazebo (6,7 % bis 13,7 %) als bei Agomelatin (1,9-13,0 %) auftraten. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2010;4(4):93-116 Agomelatin - 96 - Einleitung Ein großes Problem der Depressionsbehandlungen mit Antidepressiva liegt darin, dass nicht alle Patienten eine ausreichende Besserung erfahren. Es ist auch nicht möglich Vorhersagen zu treffen, ob ein behandlungsbedürftiger depressiver Patient eher auf das eine oder aber andere Antidepressivum ansprechen wird. So wurde in den letzten Jahren die klinische Bedeutung von neueren Antidepressiva, wie den selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) oder Serotonin- und Norandenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI), kritisch hinterfragt, vornehmlich in metaanalytischen Übersichtarbeiten (1,2). Mitten in dieser Diskussion um die antidepressive Wirksamkeit von SSRI und SNRI wurde 2006 ein Zulassungsantrag für ein neues Antidepressivum, das Agomelatin, von der europäischen Arzneimittelagentur (EMEA) negativ beschieden, da die Wirksamkeit in Kurzund Langzeitstudien als nicht ausreichend belegt angesehen wurde. Es bestanden jedoch keine Bedenken hinsichtlich der Nebenwirkungen, und auf Grund des neuartigen Wirkmechanismus konnte das Studienprogramm fortgesetzt werden. Ein erneuter Antrag, der insbesondere ergänzende Unterlagen zur Langzeitwirksamkeit enthielt, führte im Februar 2009 zur Zulassung in Europa mit der Indikation Depressive Episode (Major Depression) bei Erwachsenen. Im April 2009 erfolgte dann die deutschlandweite Markteinführung. In der Fachliteratur wird Agomelatin (S20098) erstmalig 1992 erwähnt. Es gehört zu einer Serie von Naphtalinverbindungen, die strukturell dem Melatonin sehr ähnlich sind (Abb. 1). Der Austausch des Indolringes im Melatonin gegen ein Naphthalin-Grundgerüst führte zu Verbindungen, die nicht so schnell wie das Melatonin metabolisiert werden. Agomelatin (N-(2-(7-Methoxynaphth1yl)ethyl)acetamin, Handelsnahme Valdoxan®) ist ein Wirkstoff mit einem neuartigen pharmakologischen Wirkprinzip. Es hat eine hohe Affinität zu zwei Melatonin-Rezeptortypen, MT1 und MT2 und wirkt hier als Agonist. Es verdrängt kompetitiv 2-(125J)-Jodomelatonin aus seiner Bindung mit geklonten humanen MT1 und MT2 Rezeptoren, die in verschiedenen Zelllinien exprimiert wurden. Je nach Zelllinie wurden Ki-Werte zwischen 0,202 nM und 12,9 nM für den MT1 Rezeptor bzw. zwischen 0,087 nM und 21,3 nM für den MT2 Rezeptor gefunden (3,4). Auf Grund dieser Wirkung wurde erwartet, dass das Agomelatin zirkadiane Rhythmen und insbesondere den Schlaf-Wach-Rhythmus beeinflussen kann. Abb. 1: Strukturformel von Agomelatin (S20098) und Melatonin Bindungsstudien mit anderen Rezeptortypen zeigten, dass die Substanz eine moderate Affinität nur zum 5HT2C– Rezeptor hat und hier als Antagonist wirkt. Ein Ki-Wert von 270 bis 700 nM wurde für den 5HT2C–Rezeptor bei Mensch und Ratte gefunden (3,5). Melatonin hat dagegen keine nennenswerte Affinität zum 5HT2C–Rezeptor. Dieser Unterschied zwischen Melatonin und Agomelatin wird häufig als Erklärung dafür verwendet, dass von den beiden Substanzen nur das Agomelatin antidepressiv wirksam ist (6). Bekanntermaßen sind auch andere Antidepressiva, wie Nefazodon und Mirtazapin direkte 5HT2C– Rezeptor Antagonisten. Der 5HT2C– Rezeptor steht zurzeit in der Diskussion als ein neuer Angriffspunkt in der Behandlung von affektiven Erkrankungen und Angststörungen (7). Es gibt eine umfangreiche Literatur, in der die Bedeutung des 5HT2C–Rezeptors für depressive Erkrankungen unterstrichen wird (Übersicht in (8)). Selektive 5HT2C– Rezeptor Antagonisten haben eine Antidepressiva-ähnliche Wirkung in einigen Tiermodellen (9). Sie erhöhen die dopaminerge Neurotransmission, was die Stimmung und kognitive Funktionen positiv beeinflussen soll (7). Fortbildungstelegramm Pharmazie 2010;4(4):93-116 Agomelatin - 97 - In den letzten 20 Jahren wurden neue Gruppen von Antidepressiva entwickelt, die sich in verschiedenen Wirkstoffklassen einordnen lassen (Tab. 1). Im Vergleich zu Antidepressiva der ersten Generation (Trizyklika) ist ihre bessere Verträglichkeit hervorzuheben. Ob es Unterschiede in der Wirksamkeit der Antidepressiva gibt, ist nicht so einfach zu beantworten. Mit einer neuen Methode einer Netzwerk-Metaanalyse wurde versucht potentielle Unterschiede beim Therapieansprechen und der Akzeptanz zwischen 12 Antidepressiva bei schweren unipolaren Depressionen zu analysieren (10). Es wurde eine Rangliste erstellt, in der die beste Nutzen-Akzeptanz-Bilanz das Escitalopram, gefolgt von Sertralin erzielte. Mit der Einführung von Agomelatin wird eine neue Wirkstoffklasse eröffnet. den bereits zahlreichen anderen Übersichtsarbeiten oft nicht genannt werden oder zu kurz kommen, im Zusammenhang mit dem Agomelatin jedoch als bedeutsam erscheinen. Auch der aktuelle Wissensstand zur Verteilung der Melatoninrezeptoren im menschlichen Gehirn soll dargestellt werden. Abschließend soll auf dieser Grundlage eine unvoreingenommene Bewertung des Agomelatins im Hinblick auf drei Fragen vorgenommen werden: Die vorliegende Übersicht ist ein Versuch aktuelle Daten zum Agomelatin zusammenzutragen und ergänzende Informationen zur Chronobiologie zu geben, die in ten vom antidepressiven und anxiolytischen Potential dieses Medikamentes profitieren? • Bringt Agomelatin einen Durchbruch in der Behandlung depressiver Episoden, wie gelegentlich angenommen wird? • Sind die Empfehlungen zu Dosie- rung und Zeitpunkt der Einnahme optimal? • Welche Patienten könnten am ehes- Wirkstoffklasse Beispiele Trizyklische Antidepressiva, TZA (nicht selektive Hemmung der 5HT- und/oder NAWiederaufnahme, d.h. auch Affinität zu muskarinergen, histaminergen und adrenergen Rezeptoren) >5HT: Clomipramin SSRI (selektive Hemmung der 5HT-Wiederaufnahme) Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin, Citalopram, Escitalopram SNRI (selektive Hemmung der NA-Wiederaufnahme) Reboxetin SSNRI (selektive Hemmung der 5HT- und NAWiederaufnahme) Venlafaxin, Duloxetin SNDRI (selektive NA- und DA-Wiederaufnahmehemmung) Bupropion α2-Rezeptor-Antagonist (Blockade der präsynaptischen α2-Rezeptoren) Mirtazapin NaSSA (Blockade der präsynaptischen α2-Rezeptoren und postsynaptischer 5HT2 und 5HT3 Rezeptoren) Mianserin Melatoninanaloga (Aktivierung der MT1 und MT2 Rezeptoren, Blockade des postsynaptischen 5HT2C Rezeptors) Agomelatin 5HT, NA: Amitriptylin, Imipramin, Doxepin >NA: Desipramin, Clomipramin Tab. 1: 5HT = Serotonin, NA = Noradrenalin, DA = Dopamin, > = überwiegend, TZA = trizyklische Antidepressiva, NaSSA = noradrenerge und spezifisch serotonerge Antidepressiva. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2010;4(4):93-116 Agomelatin - 98 - Ein Durchbruch in der Behandlung depressiver Episoden würde beinhalten, dass das neue Medikament im Vergleich zu etablierten Antidepressiva in vielen Hinsichten überlegen ist: ein besseres Ansprechen und Verträglichkeit, Wirksamkeit auch bei therapierefraktären Verläufen, sowie geringeres Switchrisiko in die Hypomanie oder Manie bei bipolaren Depressionen und Verminderung der Suizidalität. Nach der Zulassung des Agomelatins bleiben jedoch noch viele Fragen offen. Die ersten veröffentlichten Studien haben keinen deutlichen Vorteil hinsichtlich der antidepressiven Wirksamkeit gegenüber zwei anderen Antidepressiva wie Venlafaxin und Sertralin gezeigt. Chronobiologie Erkenntnisse aus der chronobiologischen Forschung der letzten 20 Jahren haben erheblich dazu beigetragen, dass die zeitliche Organisation vieler biologische Abläufen deutlich besser verstanden werden. Der natürliche Wechsel von Jahreszeiten, Licht und Dunkel beeinflussen den Lebensrhythmus vieler Organismen. Licht hat die Funktion eines „Zeitgebers“ für alle biologischen Funktionen, die nach einem endogen vorgegebenen Rhythmus im Verlauf des Tages (oder des Jahres) sich verändern. Der Schrittmacher (die „innere Uhr“) für diese Rhythmen befindet sich in einem Kerngebiet des ventralen Hypothalamus, dem Nucleus suprachiasmaticus (SCN). Hier wird eine Periodenlänge, die nur geringfügig von 24 Stunden abweicht, generiert. Man spricht daher von zirkadianen Rhythmen. Die „innere Uhr“ wird immer wieder neu eingestellt, um die biologische Zeit mit der Umweltzeit zu synchronisieren. Dies geschieht mit Hilfe eines komplizierten Mechanismus (entrainment), wobei die wichtigsten Faktoren für die Synchronisation wahrscheinlich die Helligkeitsunterschiede bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang sind. Mit der Einführung von Elektrizität und künstlicher Beleuchtung, sowie Schichtarbeit wird der Mensch immer stärker von dem natürlichen Hell-DunkelRhythmus abgekoppelt. Die innere Uhr muss also ständig auf „Zeitgeber“ zur falschen Zeit reagieren. Ihre Flexibilität hat jedoch Grenzen, es kommt zu Desynchronisationen und gesundheitlichen Störungen. So leiden z.B. Schichtarbeiter unter vielfältigsten Beschwerden. Schlaf und andere physiologische Funktionen, wie Körpertemperatur, Herzfrequenz, Blutdruck und Hormonproduktion sind Bestandteile der zirkadianen Rhythmik. So werden Schlafstörungen als Fehlfunktionen der inneren Uhr betrachtet (vorverlagertes Schlafphasensyndrom, rückverlagertes Schlafphasensyndrom, unregelmäßiges SchlafWachmuster, Schlafstörungen bei Schichtarbeitern, Schlafstörungen bei Zeitzonenwechsel). Schlafstörungen gehen häufig einer depressiven Episode voraus und ein gestörter Schlaf zusammen mit anderen Symptomen ist ein starker Prädiktor für eine zukünftige Depression (11,12). Bereits vor mehr als 20 Jahren wurden Störungen zirkadianer Rhythmen bei unipolaren Depressionen beschrieben (13). Eine gute Übersicht zu diesen Fragen findet man bei Monteleone und Maj (2008) (14). Obwohl man schon seit längerer Zeit weiß, dass es bei Menschen erhebliche individuelle Unterschiede gibt, wie gut ihre innere Uhr an die Umweltzeit angepasst ist, wird erst in der jüngsten Zeit diese Tatsache auch außerhalb der chronobiologischen Forschung zur Kenntnis genommen. Bezüglich der individuellen Phasenlage und -dauer unterscheidet man bei Menschen 3 verschiedene „Chronotypen”: • den Morgentyp, • den Indifferenztyp und • den Abendtyp. Im Vergleich zu Abendtypen gehen die Morgentypen früher zu Bett und stehen früher auf. Die Abendtypen zeichnen sich hingegen durch eine relativ späte Einschlaf- und Aufwachzeit aus (15). Ihr Schlaf ist also nicht per se gestört. Er ist nur anders an den Tag-Nacht-Rhythmus angepasst. Die Diskrepanz zwischen gesellschaftlichen Zeitvorgaben und biologischem Rhythmus führt bei Abendtypen häufiger zu einem kumulativen Schlafdefizit im Laufe der Arbeitswoche. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2010;4(4):93-116 Agomelatin - 99 - Eine große epidemiologische Studie an 55.000 Mitteleuropäern hatte gezeigt, dass Indifferenztypen, deren innere Zyklusdauer eng mit der Periodik der Außenwelt übereinstimmt, phylogenetisch bevorteilt sind (16). Die Verteilung der Chronotypen innerhalb der untersuchten Gesamtpopulation folgte annähernd der Gauß’schen Verteilung, war jedoch abhängig von Geschlecht und Alter. Dabei stellten die „Lerchen“ und „Eulen“ jeweils zwei Extreme innerhalb eines Kontinuums dar. Ein einfaches Instrument zur Bestimmung des Chronotyps, der Morningness/Eveningness Questionnaire (MEQ) wurde bereits 1976 von Horne und Östberg publiziert (17). Die Validierung des Fragebogens erfolgte anhand der oral gemessenen Temperaturtagesverläufe bei 48 Probanden über 3 Wochen. Es zeigte sich, dass die MorgenTypen gegenüber den Abend-Typen ihr Temperaturmaximum (Akrophase) signifikant früher erreichten (17). Seit 2001 liegt für den deutschen Sprachraum eine validierte Form des MEQ vor (D-MEQ), die zur Identifizierung der individuellen Phasenlagen geeignet ist (18). Der D-MEQ umfasst insgesamt 19 Fragen zu tageszeitlichen Aspekten des Schlaf-Wach-Verhaltens, der körperlichen Leistungsfähigkeit und subjektiven Befindlichkeit. Dieser Fragebogen wurde auch in einigen wenigen Untersuchungen zum Chronotyp von Patienten mit Major Depression oder Bipolarer Depression verwendet (19-22). Abendtypen kommen signifikant häufiger bei depressiv Erkrankten vor als in der Normalbevölkerung. So scheint eine Phasenverzögerung zirkadianer Rhythmen ein charakteristisches Merkmal für einige, jedoch nicht alle depressiven Patienten zu sein. Die „innere Uhr“ im SCN benutzt neuroendokrine und neuronale Mechanismen, um Zeitinformationen zu vermitteln (Abb. 2). Das Hormon Melatonin wird als der beste Marker für die Phasenlage der „innere Uhr“ bei Menschen gesehen (23). Seine Hauptfunktion im Körper wird heute als die eines internen „Zeitgebers“ verstanden. So soll das Melatonin Informationen über Licht und Dunkel, die aus der Umwelt über die Retina, den SCN und die Epiphyse kommen, an Zellen und Organe weiterleiten, um so eine optimale Anpassung im Stoffwechsel und Verhalten an diese Umwelt zu ermöglichen. Darüber hinaus haben tierexperimentelle Untersuchungen gezeigt, dass Melatonin im Sinne einer Rückkopplungsschleife auch die Aktivität des endogenen Schrittmachers für die zirkadianen Rhythmen direkt beeinflusst. Abb. 2: Licht als „Zeitgeber“ für die Synchronisation zwischen der inneren biologischen Zeit und der Umweltzeit - Melatonin wird als der beste Marker für die Phasenlage der biologischen Uhr gesehen (aus Weblink 3). Fortbildungstelegramm Pharmazie 2010;4(4):93-116 Agomelatin - 100 - Melatonin Melatonin (N-Acetyl-5-Methoxytryptamin) wird als Hormon der Dunkelheit bezeichnet, da seine Synthese und Freisetzung in der Nacht ihr Maximum erreichen (Abb. 3). Hauptort der Melatoninsynthese ist die Epiphyse (Zirbeldrüse, Pinealorgan), die im Gehirn lokalisiert ist. Die Epiphyse ist ein stark vaskularisiertes Organ und besteht aus Pinealozyten, welche das Melatonin produzieren, und aus Neurogliazellen. Melatonin kann nicht gespeichert werden und als lipophile Substanz gelangt Melatonin per Diffusion durch die Zellmembranen in das Blut und in den Liquor. Im Blut und Liquor besitzt Melatonin eine Halbwertszeit von 0,5 bis 10 Minuten. Melatonin wird zu 92-95 % während der ersten Leberpassage eliminiert und metabolisiert. In der Leber wird Melatonin zum größten Teil mit Hilfe der beiden Cytochrom P450 Isoenzyme CYP1A2 und CYP1A1 zu 6Hydroxymelatonin hydroxyliert. Nach der Konjugation zu 6-Sulfatoxymelatonin ist es hydrophil und im Urin ausscheidbar (Übersicht in (24)). An dieser Stelle soll darauf verwiesen werden, dass Melatonin auch in extrapinealen Geweben wie der Retina und der Mucosa des Gastrointestinaltraktes synthetisiert wird. In den letzten 10 Jahren sind einige Übersichtsarbeiten zur biologischen Bedeutung des Melatonins im Gastrointestinaltrakt (GIT) erschienen (z.B. (25)). Seine Konzentration im GIT ist deutlich höher als in der Epiphyse. Die während der Nacht erhöhte Ausschüttung von NA bewirkt bei allen untersuchten Säugetieren eine Aktivierung des Schlüsselenzyms der Melatoninsynthese, der Arylalkylamin NAcetyltransferase (AANAT) (Abb. 3). Abb. 3: 24h-Rhythmus der Melatoninsynthese in der Epiphyse. Untersuchungen an Ratten (Klein, 2007) (25) Fortbildungstelegramm Pharmazie 2010;4(4):93-116 Agomelatin - 101 - Es gibt jedoch erhebliche Speziesunterschiede bezüglich der Aktivierungsmechanismen, die ausführlich in einer Übersichtsarbeit von Simonneaux und Ribelayga (2003) beschrieben werden (27). Die individuelle Phasenlage und dauer der Melatoninsynthese kann durch Licht erheblich verändert werden. Eine Lichtexposition zum Zeitpunkt der subjektiven Nacht unterdrückt die Synthese. Melatoninrezeptoren Zurzeit sind mehrere Plasmamembrangebundene Melatonin-Rezeptoren bekannt, für die verschiedene Nomenklaturen verwendet werden. Die Nomenklatur des „Commitee for the International Union of Pharmacology“ ist die zurzeit gebräuchlichste. Sie unterscheidet 3 Typen des Melatoninrezeptors: MT1 (auch ML1 bzw. Mel1a), MT2 (auch ML1 bzw. Mel1b) und MT3 (auch ML2). MT1 und MT2 Rezeptoren konnten kloniert und genauer charakterisiert werden (28). Beide Rezeptoren sind an ein Pertussis-Toxin-sensitives inhibitorisches Guaninnukleotid-bindendes Protein gekoppelt. Eine Melatoninbindung am Rezeptor hat eine intrazelluläre Inhibition der Adenylatzyklase zur Folge, was die Produktion von zyklischem Adenosinmonophosphat (cAMP) verringert (29). Wirkungen auf cGMP und Phospholipase C sind ebenfalls bekannt (30). Untersuchungen zu Lokalisation und pharmakologischen Eigenschaften von Melatoninbindungsstellen im ZNS (Radioligand: (125J)-Jodomelatonin) zeigten erhebliche Speziesunterschiede (31). Pars tuberalis der Adenohypophyse hat sich als die anatomische Stelle mit der höchsten Anzahl von Bindungsstellen von allen untersuchten Hirnregionen der Säugetiere erwiesen (32). Später konnte gezeigt werden, dass der größte Anteil der (125J)-Jodomelatonin-Bindung dem MT1 Rezeptor zuzuordnen ist. Die regionale Verteilung des MT1-Rezeptortranskripte wurde hauptsächlich mittels Reverser Transkriptase-Polymerase Kettenreaktion (RT-PCR) und in situ Hybridisierung untersucht und im cerebralen Cortex, Thalamus, Hypothala- mus, Cerebellum, Cornea und Retina nachgewiesen (32). Zur regionalen Verteilung von Melatoninrezeptoren im menschlichen Hirn gibt es nur wenige Untersuchungen. Der Nachweis von Bindungsstellen für (125J)Jodomelatonin oder mRNA des MT1 Rezeptors im neonatalen humanen SCN scheint einfacher zu sein als im adulten Proben (33). Anders als bei Säugetieren konnte keine spezifische (125J)Jodomelatoninbindung im adulten humanen Pars tuberalis nachgewiesen werden (34). Auch eine neuere Untersuchung an fetalen humanen Hirnproben bestätigt die Abwesenheit von Melatoninbindungsstellen oder der MT1 Genexpression im humanen Pars tuberalis (35). Mit Hilfe der in situ Hybridisierung konnten Mazzucchelli et al (1996) eine breite Verteilung des MT1 Rezeptortranskriptes im adulten humanen Hirn zeigen, auch wenn die Expression sehr gering war (36). Ein semiquantitativer Vergleich der Hirnregionen bezüglich der mRNA Mengen ergab folgendes Bild: Cerebellum ≥ occipitaler Cortex ≥ parietaler Cortex > temporaler Cortex > Thalamus > frontal Cortex ≥ Hippocampus (36). Es wird angenommen, dass die akute Inhibition der Feuerungsrate des SCN durch Melatonin über den MT1 Rezeptortyp erfolgt, da dieser Melatonineffekt bei MT1-KO Mäusen ausbleibt (37). Im Gegensatz zu dem MT1 Rezeptor ist die Proteinexpression des MT2 Rezeptor im SCN so niedrig, dass es mit (125J)Jodomelatonin nicht detektierbar ist. Es gibt jedoch tierexperimentelle Untersuchungen, die belegen, dass der MT2 Rezeptor im SCN dennoch eine physiologische Bedeutung haben muss. Es konnte gezeigt werden, dass Melatonin, wenn es in der Morgendämmerung oder Abenddämmerung appliziert wird, über diesen Rezeptortyp eine Phasenverschiebung des zirkadianen Rhythmus erzeugt, da ein MT2-Rezeptor-Antagonist (4PPDOT) diesen Effekt in vitro und in vivo blockiert (38,39). Welche Bedeutung physiologische Melatonin-Konzentrationen für die Regulation des MT2 Rezeptors im nativen Gewebe des SCN haben, ist wegen der geringen MT2 Rezeptordichte kaum möglich zu untersuchen. Deshalb wird auf neuronale und nichtneuronale Zellen, in denen der Fortbildungstelegramm Pharmazie 2010;4(4):93-116 Agomelatin - 102 - humane MT2 Rezeptor überexprimiert wird, zurückgegriffen (40). Aus den Versuchen wurde geschlussfolgert, dass die nächtliche Sekretion des Melatonins den endogenen MT2 Rezeptor im SCN desensibilisiert. Möglicher Weise erfolgt auf diesem Weg eine Neujustierung der inneren Uhr auf den Tag. Bezüglich des Agomelatins und seiner Wirkung auf zirkadiane Rhythmen sind zwei Untersuchungen an gesunden Probanden erwähnenswert. 1994 wurde in der Schweiz der Effekt einer 18:00 Uhr Gabe von 5 oder 100 mg S-20098 und 5 mg Melatonin auf die Thermoregulation und den Verlauf der Melatoninausschüttung bei 8 jungen gesunden Männern (keine Schlafstörungen, extreme Chronotypen ausgeschlossen) untersucht (41). Die Versuchspersonen hielten sich ab 15 Uhr in einem Raum mit Dämmerlicht (< 10 Lx) auf, ab 23 Uhr wurde das Licht ausgeschaltet. Im Vergleich zu Plazebo wurde unter anderem ein signifikant schnellerer Abfall der Kerntemperatur und der Herzfrequenz nach Gabe von Melatonin und S20098 gefunden. Dieser Effekt war auch noch am nächsten Abend abgeschwächt vorhanden und im Vergleich zu Plazebo immer noch signifikant. Wie die Abb. 4 zeigt, belegen Messungen der Melatoninkonzentration im Speichel ein signifikant früheres Einsetzen des Melatoninanstieges nach S20098 im Vergleich zu Plazebo (21:04 (Plazebo), 20:07 (5 mg) und 19:41 (100 mg)). Ob es sich hierbei um eine echte Vorverlegung des Synthesebeginns von Melatonin handelt ist nicht eindeutig zu beantworten. Melatonin wird wie das Agomelatin über das Isoenzym CYP1A2 metabolisiert. So könnte auch eine Kompetition zwischen beiden Stoffen dafür verantwortlich sein, dass das endogene Melatonin verzögert abgebaut wird. Allerdings konnte eine Phasenvorverlagerung in der Melatoninproduktion am nächsten Abend nach der S-20098Gabe gemessen werden. Eine anderen Studie, durchgeführt in Belgien an 8 älteren, gesunden Männern ohne Schlafstörungen (Alter: 51-76 Jahre), hat Schlaf-EEG-Parameter und Profile der Kerntemperatur und Hormonkonzentrationen (GH, PRL, Cortisol, TSH) am Ende einer 2-wöchigen abendlichen (ca. 18:30 Uhr) Einnahme von 50 mg Agomelatin bzw. Plazebo mit einander verglichen (42). Schlaf-EEG Ableitungen wurden zwischen 23:00 und 07:00 Uhr aufgezeichnet und haben ergeben, dass es zwischen Plazebo und Agomelatin keine Unterschiede gab. Da jedoch bei der Kerntemperatur der AkrophaseZeitpunkt nach 2 Wochen Agomelatin vs. Plazebo erheblich vorverlegt war (von 23:01 auf 18:13 Uhr), wäre zu erwarten gewesen, dass die Probanden früher müde werden und schneller einschlafen. Der Zeitraum der EEG-Aufzeichnung blieb jedoch unverändert von 23:00 bis 7:00 Uhr, so ist davon auszugehen, dass diese Studie einen möglicherweise früheren Schlafeintritt nach 2 Wochen Agomelatin gar nicht erfassen konnte. Abb. 4: Verlauf der Melatoninkonzentration im Speichel nach Gabe von Agomelatin oder Melatonin um 18 Uhr bei gesunden männlichen Probanden (Daten aus Kräuchi et al. 1997 (41)) Pharmakokinetik Dem europäischen Bewertungsbericht (EPAR) zu Valdoxan® vom 18.03.2009 ist zu entnehmen, dass die Pharmakokinetik und/oder Pharmakodynamik an 409 erwachsenen Personen (alle Kaukasier) untersucht wurden (Weblink 1-2). Bisher sind diese Daten nicht publiziert. Nach Einmalgabe (25 oder 50 mg) werden maximale Plasmaspiegel nach 0,5 bis 4 Stunden erreicht. Die Plasmakonzentrationen unterliegen einer hohen Fortbildungstelegramm Pharmazie 2010;4(4):93-116 Agomelatin - 103 - Variabilität, zu der fetthaltige Speisen erheblich beitragen. Im therapeutischen Dosisbereich nimmt die systemische Agomelatin-Exposition proportional zur Dosis zu. Bei höherer Dosierung kommt es zu einer Sättigung des First-PassEffekts. Die mittlere maximale Plasmakonzentration, gemessen bei 8 gesunden Probanden nach oraler Gabe von 25 mg Agomelatin wird mit 3,0 ± 2,8 ng/ml (12,3 ± 11,5 nM) angegeben (EPAR, 2009). Im Vergleich dazu, zeigten Patienten mit einer Leberzirrhose eine 60-fach (milde Form, Child-Pugh Typ A) und 110-fach (moderate Firm, ChildPugh Typ B) höhere maximale Plasmakonzentration. Eine 2000 publizierte Untersuchung, in der es primär um pharmakokinetische Modelle für die Vorhersage individuelle Plasmakonzentrationen ging, hat die Substanz S20098 (Agomelatin) verwendet (43). Dieser Arbeit ist zu entnehmen, dass die maximalen Plasmakonzentrationen bei gesunden männlichen Probanden nach oraler Gabe von 50 mg (n = 24) zwischen 27,5 und 1258 nM und bei der 30 mg Dosierung (n = 6) zwischen 8,22 und 61,7 nM lagen. Diese extremen individuellen Unterschiede in Spiegelwerten erschweren die Bestimmung therapeutischer Dosen und können teilweise auch für ungenügende Wirksamkeit bei dem einen oder anderem Patient verantwortlich sein. Die Plasmaproteinbindung beträgt 95 %, und bleibt auch bei zunehmendem Alter sowie bei Patienten mit Niereninsuffizienz unverändert. Bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion ist der ungebundene Agomelatinanteil doppelt so hoch. Agomelatin wird extensiv hepatisch metabolisiert. Nach in-vitro-Untersuchungen scheint die Metabolisierung vorwiegend über Cytochrom P450 (CYP), Isoenzyme CYP1A2 (90 %) und CYP2C9/CYP2C19 (10 %) zu erfolgen. Ein Hauptmetabolit bei Menschen ist das weitgehend unwirksame 3-Hydroxy-7Desmethylagomelatin. Die extensive hepatische Metabolisierung von Agomelatin ist Ursache für eine hohe Clearance und die geringe Bioverfügbarkeit. Die absolute orale Bioverfügbarkeit wird mit 3-4 % angegeben. 80 % des absorbierten Agomelatins werden vorwiegend in Form von Metaboliten über die Niere ausgeschieden. Die Plasmaelimination erfolgt in zwei Phasen, einer ersten Initialphase (t½ = 0,2 h) und einer zweite, langsameren Phase (t½ = 1,4 h). Stoffe, die besonders mit CYP1A2 interagieren, können die Bioverfügbarkeit von Agomelatin entweder vermindern oder verstärken. So hemmt Fluvoxamin (ein starker CYP1A2- Inhibitor) deutlich den Agomelatinmetabolismus. Dies führt zu einem 60-fachen (12- bis 412-fachen) Anstieg der Agomelatinkonzentration. Daher ist die gleichzeitige Anwendung von Agomelatin und starken CYP1A2Inhibitoren (z.B. Fluvoxamin, Ciprofloxacin) kontraindiziert. Die Bioverfügbarkeit von Agomelatin wird durch das Rauchen verringert. Die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe im Zigarettenrauch induzieren das Isoenzym CYP1A2. Somit kann davon ausgegangen werden, dass bei starken Rauchern bei der Standarddosis 25 mg/d eine Unterdosierung vorliegen könnte. Da Frauen eine niedrigere Expression und Aktivität der CYP3A3, CYP2D9 und CYP1A2 Isoenzyme haben als Männer (44), könnte der dadurch verzögerte Agomelatin-Metabolismus dafür verantwortlich sein, dass bei Frauen höhere Agomelatin-Konzentrationen im Plasma gefunden wurden. Auch die Einnahme eines Kontrazeptivum hat Einfluss auf Pharmakokinetik und Dynamik (44,45). Die Kombination von Agomelatin mit Östrogenen (mäßige CYP1A2Inhibitoren) führt zu einer mehrfach erhöhten Agomelatin-Exposition. Es liegen keine Daten zum Einfluss der Rasse auf die Agomelatin Pharmakokinetik. Zurzeit gibt es keine publizierten Daten zu Spiegelwerten von Agomelatin im Verlauf einer Behandlung. Dennoch kann wegen der kurzen Halbwertzeiten davon ausgegangen werden, dass nach der abendlichen Dosis am nächsten Morgen kein Spiegel mehr nachweisbar sein wird. Bei einer Substanz, die auf chronobiologische Mechanismen wirkt, ist ein ständig konstanter Spiegel vermutlich gar nicht notwendig. Der Spiegel muss Fortbildungstelegramm Pharmazie 2010;4(4):93-116 Agomelatin - 104 - lediglich zum richtigen Zeitpunkt hoch genug sein, um auf die Synchronisationsmechanismen der zirkadianen Rhythmen einwirken zu können. Bei Ratten wird Agomelatin rasch im Körper verteilt. Seine Konzentration im ZNS ist jedoch relativ niedrig und wird schnell eliminiert. Überträgt man diesen Befund auf Menschen, so ist fraglich, ob eine ausreichende Konzentration des Agomelatins im ZNS in jedem Fall erreicht werden kann um auch den 5HT2CRezeptor zu beeinflussen. Die Affinität des Agomelatins zu diesem Rezeptortyp ist um Faktor 10 bis 100 geringer als zu den MT1 und MT2 Rezeptoren. Bei einem Patienten mit extrem niedrigen Plasmakonzentrationen nach oraler Gabe von 50 mg Agomelatin würde eine Dosisverdopplung unter Umständen immer noch nicht ausreichend sein um therapeutische Spiegel zu erreichen. Zeitpunkt der Einnahme Aus chronobiologischer Sicht müsste es einen optimalen Einnahmezeitpunkt geben, damit das Agomelatin als Agonist an MT1 und MT2 Rezeptoren wirken kann. Für Menschen, deren innere Zyklusdauer gut mit der Periodik der Außenwelt übereinstimmt, ist es vermutlich die Morgen- und die Abenddämmerung. Aus tierexperimentellen Untersuchungen ist bekannt, dass gerade zu diesen beiden Zeitpunkten die MT1 und MT2 Rezeptoren besonders sensibel für das Melatonin sind. Bei Menschen, die zum Abendtyp oder Morgentyp gehören, ist die Übereinstimmung zwischen der inneren und der äußeren Uhr nicht gegeben. Daher ist zu vermuten, dass der optimale Zeitpunkt der Agomelatineinnahme bei diesen Personen verschoben ist. In dem europäischem Bewertungsbericht (EPAR) zu Valdoxan® (Weblink 1) wird ausgeführt, dass der beste pharmakologische Effekt wahrscheinlich bei der abendlichen Gabe (Licht-DunkelWechsel) erzielt wird. So wird die abendliche Dosierung als der günstigste Zeitpunkt bewertet, da niedrige Dosen nach mehrfachen Einnahmen am Abend eine Schlafverbesserung und Verkürzung der Einschlaflatenz in EEG-Aufzeichnungen gezeigt hatten und die morgendliche Gabe zur moderaten Sedierung führte. Diese Beobachtungen waren vermutlich ausschlaggebend dafür, dass in der Fachinformation des Herstellers von Agomelatin empfohlen wird, das Medikament beim Zubettgehen zu nehmen. Es ist jedoch fraglich, ob diese Festlegung generell den besten Einnahmezeitpunkt darstellt. Publizierte klinische Studien zum Agomelatin machen entweder keine Angaben zum Zeitpunkt der Einnahme, oder es wird der Abend genannt. In den beiden US-amerikanischen Studien (46,47) sollten die Patienten ihre Medikation eine Stunde vor dem Zubettgehen einnehmen. Obwohl momentan nicht klar ist, ob eine Anpassung der Einnahmezeitpunktes an die individuellen Phaselage der inneren Uhr eine Behandlungsverbesserung bedeuten würde, ist diese Möglichkeit in Erwägung zu ziehen. So ist z.B. bekannt, dass bei der Lichttherapie von Winter-Depressionen etwa 70 % der Patienten gut auf eine Lichtexposition in frühen Morgenstunden ansprechen, bei der abendlichen Lichtgabe sind es nur 30 %. Eine weitere Steigerung der Responderraten kann dadurch erzielt werden, dass der Chronotyp des Patienten bei der Festlegung optimaler Therapiezeiten berücksichtigt wird (48, 49). So liegt bei ausgeprägten Abendtypen der optimale Startzeitpunkt für die Lichtexposition (10 000 Lux, 30 min Dauer) zwischen 8:45 und 8:00 Uhr und bei ausgeprägten Morgentypen bei 4:30 bis 5:00 Uhr. Wird Melatonin abends oder in der ersten Hälfte der Nacht gegeben, so führt dies zu einer Phasenvorverlagerung der inneren Uhr, einer Einnahme in der zweiten Nachthälfte oder früh am Morgen ergibt einer Phasenverzögerung. Die Stärke dieser Phasenverschiebungen hängt von der Melatonindosis ab, wobei auch Dosen von 0,3 mg erfolgreich sein können (50,51). Daraus wäre abzuleiten, dass auch beim Agomelatin in Abhängigkeit davon, ob eine Phasenvorverlagerung oder Phasenverzögerung für den jeweiligen Patienten erwünscht ist, der optimale Einnahmezeitpunkt individuell unterschiedlich sein wird. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2010;4(4):93-116 Agomelatin - 105 - Prüfung der klinischen Wirksamkeit Randomisierte klinsiche Prüfungen (RCTs) gelten heute als die Methode der Wahl zur Generierung der Evidenz. Das Ansprechen auf antidepressive Behandlung wird häufig global beurteilt als eine Besserung auf einer Depressionsskala (Kasten 1). Geprüft wird im Vergleich zu Plazebo und/oder im Vergleich zu einem Standard-Antidepressivum. Zulassungsbehörden gründen ihre Entscheidungen grundsätzlich nicht auf Meta-Analysen, sondern auf Bewertungen jeder einzelnen Studie. Es ist bekannt, dass Antidepressiva sich häufig nicht signifikant vom Plazebo abgrenzen (52). Vielfältige methodische Gründe sind hierfür verantwortlich (53). Deshalb ist es wichtig, Studien mit neuen Wirkstoffen mindestens dreiarmig anzulegen, d.h. nicht nur gegen Plazebo, sondern auch gegen ein StandardAntidepressivum zu testen. Die tägliche empfohlene AgomelatinDosis beträgt 25 mg. Diese Empfehlung basiert auf zwei Dosisfindungsstudien, die jedoch keinesfalls eindeutige Ergebnisse geliefert haben. In einer doppelblinden randomisierten Pilotstudie (28 Patienten mit Major Depression aus Frankreich, MADRS-Punktwert Baseline mindestens 25) wurden 5 mg/d und 100 mg/d über 4 bis 8 Wochen auf ihre antidepressive Wirkung getestet (54,55). Das Medikament wurde abends verabreicht. 9 Patienten haben die Studie vorzeitig beendet, davon 2 wegen unerwünschter Wirkungen und 4 wegen fehlender antidepressiver Wirkung. Nach 4 Wochen Behandlung enthielten die 5 mg-Gruppe noch 10 Patienten und die 100 mg Gruppe 9 Patienten. Beide Dosierungen waren in ihrer antidepressiven Wirkung vergleichbar, die besseren Ergebnisse wurden jedoch bei der 5 mg Dosis erzielt. Eine signifikante Besserung der Depressionssymptome von Woche 2 zu Woche 4 wurde nur in der 5 mg Gruppe beobachtet. Eine signifikante Schlafverbesserung trat in beiden Gruppen auf. In der 100 mg Gruppe wurden häufiger unerwünschte und schwere Nebenwirkungen erfasst. Aus diesen Ergebnissen wurde geschlussfolgert, dass 5 mg die effektivere und besser verträgliche Dosis sei (54,55). Bewertung der antidepressiven Wirkung in klinischen randomisierten Studien Messinstrumente Hamilton-Depressionsskala mit 17 Items (HAMD-17) Montgomery-Asberg-Depressionsskala (MADRS) Clinical-Global-Impression Scale (CGI) Ansprechen (Response) Rückgang der depressiven Symptomatik um mindesten 50 % (Verringerung der Skalenwerte von HAMD-17 oder MADRS um mindestens 50 % im Vergleich zum Ausgangswert) Das Erreichen eines CGI-Wertes von 1 oder 2 Remission Vollständige Wiederherstellung des ursprünglichen Funktionszustandes oder ein weitgehend symptomfreier Zustand nach der Akuttherapie Rückfall (Relapse) Wiederkehr der depressiven Symptome während der Erhaltungstherapie Eine andere multizentrische, multinationale Studie verglich 1 mg, 5 mg und 25 mg Agomelatin sowie 20 mg/d Paroxetin mit Plazebo (Patienten aus Finnland, Kanada und Südafrika, Paroxetin wurde morgens und Agomelatin abends eingenommen) (56). Endpunkt war die mittlere Änderung des Wertes auf der HAMD17-Skala nach 8 Wochen Behandlung vs. Baseline. Eindeutige Abstufungen in der antidepressiven Wirksamkeit der drei Dosisgruppen waren nicht zu erkennen. Statistisch schnitt am besten Agomelatin 25 mg/d ab, so dass geschlussfolgert wurde, dass dies die zu empfehlende Dosierung sein sollte. Dennoch belegen die publizierten Daten, dass die Unterschiede zwischen 1 mg und 25 mg Agomelatin nur gering waren. Das Ansprechen auf die Behandlung, der so genannte Response, war bei Agomelatin 1 mg und 25 mg besser als in der Plazebogruppe. Auf die Therapie angesprochen haben 62,5 % (1 mg) und 61.5 % (25 mg), was im Vergleich zur Response in der Plazebogruppe (46,3 %) Fortbildungstelegramm Pharmazie 2010;4(4):93-116 Agomelatin - 106 - für beide Dosierungen signifikant besser war. Remission trat signifikant häufiger in der 25 mg-Gruppe auf (30.4 % vs. 15,5 % bei Plazebo). Ob die Remissionsquote bei der 1 mg-Dosis (21.3 %) auch signifikant besser war als bei Plazebo wurde nicht berichtet. In der 5 mgGruppe gab es bezüglich Response (51,4 %) und Remission (17,8 %) keine signifikanten Unterschiede im Vergleich zur Plazebo. Bis Mai 2010 wurden Daten von fünf doppelblinden, randomisierten plazebokontrollierten Kurzzeitstudien über sechs bis acht Wochen bei Patienten mit mittelschweren bis schweren Depressionen publiziert. Hier wurde die mittlere HAMD-17-Score Änderung gegenüber dem Basiswert als primärer Endpunkt definiert. Über eine Plazebo-Verum Differenz von mindestens 3 Punkten nach 6-8 Wochen Behandlung (ein Kriterium, das vom britischen National Institute of Clinical Excelence (NICE) als klinisch relevanter Behandlungseffekt postuliert wurde) haben zwei Studien mit Patienten aus Frankreich und Finnland (57) oder aus Finnland, Kanada und Südafrika (58) berichtet. Eine kleine Plazebo-Verum-Differenz im HAMD-17 am Endpunkt schließt jedoch nicht aus, dass es einzelne Patienten in den Gruppen gibt, die von dem Verum eindeutig profitiert haben. Die Responderraten lagen zwischen 46,8 % und 61,5 % für Agomelatin in der Dosierung 25 mg/Tag, was in 2 von 3 Studien signifikant besser war als in Plazebogruppen (33,1 % bis 46,5 %) (Abb. 5). Abb. 5: Responderraten bei depressiven Patienten (5 Studien) und Patienten mit generalisierter Angst (1 Studie) in plazebokontrollierten Studien Patienten mit depressiver Episode 1. Lôo et al. (2002) (57) - 711 Patienten aus Belgien, Frankreich und Großbritannien randomisiert: 25 mg (137), Placebo (139) und Paroxetin 20 mg (147), Dauer 8 Wochen, Daten von Patienten mit 1 mg (141) und 5 mg (147) Agomelatin sind in der Graphik nicht enthalten 2. Kennedy and Emsley (2006) (58) - 211 Patienten aus Finnland, Kanada und Südafrika randomisiert: Agomelatin (106) und Placebo (105), Dauer 6 Wochen, nach 2 Wochen Dosiserhöhung bei 34 % der Agomelatingruppe 3. Olié and Kasper (2007) (57) - 238 Patienten aus Frankreich und Finnland randomisiert, Agomelatin (120), Placebo (118), Dauer 6 Wochen, nach 2 Wochen Dosiserhöhung bei 25,2 % der Agomelatingruppe, 4. Stahl et al. (2010) (46) - 503 Patienten aus USA randomisiert: 25 mg (168), 50 mg (169); Placebo (166) Dauer 8 Wochen 5. Zajecka et al. (2010) (47) - 511 Patienten aus USA randomisiert: 25 mg (170), 50 mg(168), Placebo(173), Dauer 8 Wochen Patienten mit generalisierter Angst 6. Stein et al. (2008) (46) - 121 Patienten aus Finnland (80) und Südafrika (41) randomisiert: 25 mg (63), Placebo (58), nach 2 Wochen Dosiserhöhung bei 41,9 % der Agomelatin-Gruppe und 43,9 % der Placebogruppe, Dauer 12 Wochen Fortbildungstelegramm Pharmazie 2010;4(4):93-116 Agomelatin - 107 - Es scheint keinen weiteren Vorteil zu geben, wenn die Dosierung nach 2 Wochen Behandlung von 25 mg auf 50 mg erhöht wird, oder konstant bei 50 mg liegt. In plazebokontrolierten Studien, in denen eine flexible Dosierung angewendet wurde, hatten 34 % bzw. 25,2 % der Patienten eine Dosissteigerung auf 50 mg Agomelatin erhalten (Abb. 5). Ob dies zu einer Verbesserung des Therapieergebnisses geführt hat, ist aus den mitgeteilten Daten nicht eindeutig zu erkennen. Ein Vergleich zwischen Verum- und Plazebo-Patienten, die nach 2 Wochen keine ausreichende Besserung der depressiven Symptomatik hatten, ergab in der Studie von Kennedy und Emsley (2006) einen signifikant stärkeren Abfall des HAMD-17-Scores am Endpunkt in der Agomelatin-25/50Gruppe (von 26,1 ± 2,6 zu 17,5 ± 7,4) als in der Plazebo-Gruppe (von 26,7 ± 2,8 zu 20,4 ± 6,0) (58). In der Diskussion wird zusätzlich mitgeteilt, dass die Responderrate bei 27,8 % (Agomelatin 25/50) und 13,2 % (Plazebo) lagen. Die Autoren werteten dieses Ergebnis als Beleg dafür, dass die Patienten von der Dosiserhöhung profitiert hätten. In der Studie von Olié und Kasper (2007) wurden Ansprechquoten von 48,3 % in der Agomelatin-25/50-Gruppe und 25,9 % in der korrespondierenden Plazebogruppe ermittelt (57). In beiden Studien werden keine weiteren Daten für Patienten mitgeteilt, die nach 2 Wochen eine ausreichende Besserung der depressiven Symptome hatten und derer Dosierung bei 25 mg belassen wurde. Auch die US-amerikanische Studien mit zwei Agomelatinarmen (25 mg und 50 mg) bringen keinen Aufschluss darüber, dass die höhere Dosierung eindeutig effektiver sei (Abb. 6) (46,47). So fand die eine Studie mit 503 randomisierten Patienten, dass das Ansprechen auf 25 mg Agomelatin (eine Stunde vor Zubettgehen eingenommen), signifikant besser war als bei Plazebo (HAMD-17 Scores, Response- und Remissionsraten), wohingegen die 50 mg Gruppe keine statistisch signifikanten Unterschiede zu Plazebo zeigte (46). Bei der Subanalyse einzelner HAMD-17 Items war auffallend, dass im Vergleich zu Plazebo eine signifikante Verbesserung des Schlafes nach 8 Wochen Behandlung mit 25 mg jedoch nicht mit 50 mg Agomelatin auftrat. Die zweite Studie mit 511 randomisierten US-amerikanischen Patienten und ähnlichem Studiendesign zeigte, dass die 50 mg Gruppe signifikant besser ansprach als die PlazeboGruppe, und die 25 mg-Gruppe sich nicht vom Plazebo unterschied (47). Abb. 6: Responderraten bei depressiven Patienten nach 6-8 Wochen Behandlung mit Agomelatin und einem Vergleichsantidepressivum: 1. Lemoine et al. (2007) (60): 332 Patienten randomisiert (November 2002 – Juni 2004, Patienten aus Frankreich und Spanien), nach 2 Wochen Dosiserhöhung bei 13,9 % der Agomelatingruppe und 10,2 % der Venlafaxin-Gruppe 2. Kennedy et al. (2008) (61): 276 Patienten randomisiert (Patienten aus Kanada, Frankreich und Großbritannien), nach 2 Wochen Dosiserhöhung in der Venlafaxin XR-Gruppe 3. Kasper et al. (2010) (62): 313 Patienten randomisiert (2005-2006, Patienten aus Frankreich, Deutschland, Österreich, Spanien, Italien, Polen), nach 2 Wochen Dosiserhöhung bei 25,3 % der Agomelatingruppe und 24,5 % der Sertralingruppe 4. Goodwin et al. (2009) (59): 492 Patienten, offene Studie bis Woche 8-10 (Februar 2005Feruar 2007, Patienten aus Österreich, Finnland, Frankreich, Südafrika und Großbritannien), nach 2 Wochen Dosiserhöhung bei 20,7 % der Patienten Die Responderraten bei USamerikanischen Patienten lagen zwischen 41,6 und 49,7 % (Plazebo: 33,1 % und 37,7 %) und somit etwas niedriger als bei Patienten aus anderen Ländern Fortbildungstelegramm Pharmazie 2010;4(4):93-116 Agomelatin - 108 - (Frankreich, Finnland, Canada, England, Südafrika) mit einer Response zwischen 49,1 % und 61,5 % (Plazebo: 34,3 % bis 46,3 %). Allen Studien gemeinsam sind jedoch die geringen Abbruchraten wegen fehlender therapeutischer Wirkung von Agomelatin (Tab. 2). Ein sehr hoher Response nach 8-10 Wochen Behandlung mit Agomelatin 25 mg (bzw. Steigerung auf 50 mg nach 2 Wochen bei 20,7 % der Patienten) hat Goodwin et al (2009) in einer multizentrischen Studie zur Rückfallprophylaxe gefunden (59). Von insgesamt 492 Patienten aus Australien, Studie Finnland, Frankreich, Südafrika und Großbritannien haben 78,6 % eine Reduktion der depressiven Symptomatik (HAMD-17) um ≥ 50 % erzielt. Diese Responder wurden weiter mit Agomelatin oder Plazebo behandelt und nach 6 Monaten hatten Patienten mit Agomelatin signifikant seltener einen Rückfall der depressiven Symptomatik erlitten als in der Plazebogruppe (21,7 % vs. 46,6 %). Eine andere, nicht publizierte Studie zur Rückfallprophylaxe konnte keine Unterschiede zwischen Agomelatin und Plazebo feststellen. Abbruch wegen Nebenwirkungen Abbruch wegen fehlender therapeutischer Wirkung Depressive Episode Lôo et al. (2002) 1 mg (n=141) 5 mg (n= 147) 25 mg (n = 138) Plazebo (n= 139) Paroxetin 20 mg (n = 147) Olié and Kasper (2007) 25-50 mg (n= 118) Plazebo (n=120) Lemoine et al. 2007 25-50 mg (n= 165) Venlafaxin 75-150 mg (n=167) Kennedy and Emsley (2006) 25-50 mg (n = 106) Plazebo (n=105) Kennedy et al. 2008 50 mg (n = 137) Venlafaxin XR 75-150 mg (n = 139) Stahl et al. (2010) 25 mg (n=168) 50 mg (n=169) Plazebo (n=166) Zajecka et al. 2010 25 mg (n = 170) 50 mg (n = 168) Plazebo (n = 173) Kasper et al. 2010 25-50 mg (n= 154) Sertralin 50-100 mg (n =159) 4,3 6,8 8,0 6,5 6,8 % % % % % 7,8 % 11,6 % 6,6 % 13,7 % 7,5 % 3,4 % 5,8 % 13,0 % 9,1 % 4,2 % 13,2 % 1,8 % 1,8 % 4,7 % 4,7 % 1,9 % 6,3 % 2,2 % 8,6 % Keine Angaben 4,3 % 6,0 % 4,8 % Keine Angaben 4,7 % 6,0 % 6,4 % 2,4 % 3,0 % 2,3 % 3,2 % 8,8 % 2,6 % 5,0 % Generalisierte Angst Stein et al. 2008 25-50 mg (n = 63) Placebo (n= 58) 1,6 0 4,8 5,2 Tab. 2: Abbruchraten wegen Nebenwirkungen bzw. wegen fehlender therapeutischer Wirksamkeit in publizierten Studien Fortbildungstelegramm Pharmazie 2010;4(4):93-116 Agomelatin - 109 - Interessanter Weise wurden in solchen Studien, die kein Plazebo, jedoch einen aktiven Komparator verwendeten, deutlich höhere Responderraten für das Agomelatin gefunden (≥ 70 %) als in den plazebokontrollierten Studien (Abb. 5,6) (60-62). Auch hier fällt auf, dass die meisten Patienten konstant mit 25 mg behandelt wurden, nur bei einem geringer Prozentsatz wurde die Dosis nach 2 Wochen Behandlung auf 50 mg erhöht. Diese Daten sprechen für einen frühen Wirkungseintritt bei den meisten Patienten, die gut auf das Agomelatin ansprechen. In wie weit die speziellen Patienten mit Dosiserhöhungen nach 2 Wochen zu der ermittelten Gesamtresponderrate am Endpunkt beitragen, wird in keiner der Studie berichtet. Die anxiolytische Wirkung des Agomelatins wurde gezielt in einer randomisierten, doppelblinden plazebokontrollierten Studie an 121 Patienten aus Finnland und Südafrika mit generalisierter Angst und ohne andere komorbide psychiatrische Störungen geprüft (63). Die Hamilton-Angstskala (HAM-A) wurde hier primär zur Bewertung der Wirksamkeit verwendet. Nach 2 Wochen Behandlung haben 41,9 % der Patienten in der Agomelatingruppe (25 mg abends) und 43,9 % in der Plazebo-Gruppe nicht ausreichend angesprochen, so dass die Dosierung erhöht wurde. Während nach 2 Wochen 11,1 % in der AgomelatinGruppe und 6,9 % in der Plazebogruppe als Responder eingestuft wurden, betrug die Responderrate nach 12 Wochen Behandlung 70,7 % und 47,3 % entsprechend. Im Vergleich zu Responderraten, die in plazebokontrollierten Studien bei Patienten mit depressiven Episoden beobachtet wurden (Abb. 5), ist dies das beste Ergebnis. In der Agomelatingruppe war die mittlere Score-Reduktion auf der HAM-A Skala erst nach 6 Wochen Behandlung signifikant besser als in der Plazebogruppe. So scheint die anxiolytische Wirkung des Agomelatins bei Patienten mit generalisierter Angst deutlich später einzutreten als seine antidepressive Wirkung bei Patienten mit Major Depression, die in der Regel bereits nach 2 Wochen Behandlung beobachtet wurde. Eine Dosissteigerung auf 50 mg erfolgte deutlich häufiger bei Patienten mit generalisierter Angst (41,9 %) als bei Patienten mit depressiven Episoden in zwei plazebokontrillierten Studien (25,2 % und 34 %). Dies spricht dafür, dass zur Behandlung von Angstsymptomen höhere Agomelatindosen und längere Behandlungszeiten benötigt werden. Verträglichkeit Grundsätzlich wird die Verträglichkeit der Substanz als relativ gut eingeschätzt. Nebenwirkungen wurden von den Patienten als mild oder tolerierbar bewertet. Nebenwirkungsbedingte Abbruchraten liegen lediglich bei 3,4 bis 8 %, verglichen mit 4,5 % bis 6,7 % bei Plazebo, oder 6,8 % bis 13,2 % beim Vergleichsantidepressivum (Tab. 2). In den beiden US-amerikanischen Studien (46,47) waren die häufigsten Nebenwirkungen in der Agomelatingruppe: • Kopfschmerzen (13,3 - 16,3 %), • Schläfrigkeit (7,1 - 9,1 %), • Schwindel (7,3 - 8,6 %), • Diarrhö (7,3 - 10,3 %), • Übelkeit (6,1 - 12,0 %), • Sedierung (5,2 - 6,8 %), • trockener Mund (4,8 - 7,7 %) und • Nasopharyngitis (5,2 - 3,4 %), während in der Plazebogruppe • Kopfschmerzen (14,2 - 17,0 %), • Diarrhö (6,7 - 7,1 %), • trockener Mund (7,7 - 8,5 %) und • Insomnie (6,1 - 10,7 %). auftraten. Zajecka et al (2010) haben darüber hinaus festgestellt, dass trockener Mund, Schläfrigkeit, Obstipation und Nasopharyngitis signifikant häufiger in der 50 mg-Gruppe als in der 25 mgGruppe auftraten (47). Stahl et al. (2010) haben dagegen berichtet, dass es keine Unterschiede in der Häufigkeit von Nebenwirkungen in den 25 mg und 50 mg Gruppen gegeben hat (46). In den anderen Studien wurden am häufigsten solche Nebenwirkungen, wie Schwindel (9,3 % bis 4,2 %), Kopf- Fortbildungstelegramm Pharmazie 2010;4(4):93-116 Agomelatin - 110 - schmerzen (9,6 % bis 5,1 %), Nasopharyngitis (6,5 % bis 3,4 %), Influenza (6,5 % bis 2,5 %), Übelkeit (6,0 % bis 4,2 %) und Diarrhö (4,8 % bis 0 %) für die Agomelatingruppen genannt. Bei Patienten mit generalisierter Angst traten am häufigstem Schwindel (7,9 % Agomelatin vs, 3,4 % Plazebo ) und Nausea (4,8 % Agomelatin vs. 1,7 % Plazebo) auf. Trotz der relativ langen Behandlungszeitraumes von 12 Wochen und einer Dosis von 50 mg ab Woche 2 in 41,9 % der Fälle wurde über keine anderen Nebenwirkungen berichtet. Sexuelle Funktionsstörungen (z.B. Impotenz, Ejakulations- oder Orgasmusstörungen) sind nicht nur Symptome der Depression, sondern relativ häufig auch Folge der Therapie mit Antidepressiva, insbesondere mit SSRI. Dies führt häufig zu Therapieabbrüchen bei jungen Patienten. Das Risiko für diese unerwünschte Wirkung scheint bei Agomelatin auf Plazebo-Niveau zu liegen (61). Gewichtsverlust ist ein häufiges Symptom der Depression. Viele Patienten nehmen während der Remission an Gewicht zu, unabhängig davon ob eine antidepressive Pharmakatherapie durchgeführt wird oder nicht. Bei einer Behandlung mit TZA (Tab. 1) kommt es häufig zu Appetitsteigerung und innerhalb der ersten Behandlungsmonate zu deutlichen Gewichtszunahme (64). Ähnliches wurde auch für Mirtazapin bei 75 % der Patienten beobachtet (65). Nach der vorliegenden Datenlage scheint Agomelatin sich gewichtsneutral zu verhalten. Nach abruptem Absetzen von Agomelatin 25 mg traten in einer speziellen randomisierten, doppelblinden Studie seltener Absetzerscheinungen auf als nach Absetzen von Paroxetin 20 mg (66). Hepatotoxische unerwünschte Arzneimittelwirkungen unter der Therapie mit Antidperessiva sind relativ häufig (67). Bei der schwierigen Bewertung dieser Wirkungen sind vorbestehende Leberschäden (z.B. virale, medikamentöse, alkoholtoxische oder auch Fettleber bei Adipositas) als ein Risikofaktor in Erwägung zu ziehen. Eine frühere Alkoholabhängigkeit auch ohne eindeutige Zeichen eines chronischen Leberschadens kann zu hepatotoxischen Arzneimittelwirkungen beitragen (68). Depressive Patienten haben ebenfalls häufig Übergewicht oder Adipositas. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass über ALT/AST-Erhöhungen, die das Dreifache der oberen Normwerte überschritten, nur bei US-amerikanischen Patienten bisher berichtet wurde. Die Studie von Stahl et al. (2010) hat Leberwert-Erhöhungen bei 7 (3,6 %) Patienten, davon 6 mit 50 mg Agomelatin und bei einem Patienten der Plazebogruppe (1,3 %) beobachtet (46). Der Anstieg trat zwischen der 6. und 8. Behandlungswoche auf. In der zweiten US-amerikanischen Studie wurden bei 7 (4,5 %) der 168 Patienten in der 50 mgGruppe Leberwerterhöhungen beobachtet, jedoch nicht bei den 25 mg- oder Plazebo-Patienten (47). In beiden Studien werden keine Angaben zum Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit oder dem BMI dieser Patienten gemacht. Lediglich bei Zajecka et al. (2010) wird darauf verwiesen, dass bei 3,1 % der 50 mg-Gruppe eine hepatobiliäre Störung aus der Krankengeschichte bekannt war, wohingegen nur bei je 0,6 % der Plazebo- oder 25-mg-Gruppe (47). In keiner der publizierten europäischen Studien wurde über Leberwerterhöhungen berichtet. Zum einen wurde in diesen Studien nur ein geringer Prozentsatz der Patienten mit 50 mg Agomelatin behandelt oder von 25 mg auf 50 mg umgestellt, und zum anderen hatten diese Studien bevorzugt einen Beobachtungszeitraum von 6 Wochen. Auch bei Patienten mit generalisierter Angst, die 12 Wochen behandelt wurden, wurden keine Leberwerterhöhungen beobachtet. Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung Agomelatin wird für die Behandlung der Depression bei Kindern und Jugendlichen bzw. älteren Patienten mit Demenz nicht empfohlen, da die Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Agomelatin in diesen Altersgruppen noch nicht belegt wurde. Bei Patienten mit Manie oder Hypomanie in der Anamnese soll Agomelatin mit Vorsicht eingesetzt werden. Die Behand- Fortbildungstelegramm Pharmazie 2010;4(4):93-116 Agomelatin - 111 - lung ist abzubrechen, wenn bei einem Patienten manische Symptome auftreten. Depressive Erkrankungen sind mit einem erhöhten Risiko für Suizidgedanken, Suizidversuche oder einem vollendetem Suizid verbunden. Daher sollte die Arzneimitteltherapie mit einer engmaschigen Überwachung der Patienten, vor allem der Patienten mit hohem Suizidrisiko, besonders zu Beginn der Behandlung und nach Dosisanpassungen, einhergehen. Dieses erhöhte Risiko besteht, bis es zu einer signifikanten Linderung der Symptome kommt. Da diese nicht unbedingt schon während der ersten Behandlungswochen auftritt, sollten die Patienten daher bis zum Eintritt einer Besserung engmaschig überwacht werden. Die bisherige klinische Erfahrung zeigt, dass das Suizidrisi- ko zu Beginn einer Behandlung ansteigen kann.Die gleichzeitige Anwendung von Agomelatin mit starken CYP1A2Inhibitoren ist kontraindiziert. Bei gleichzeitiger Anwendung mit mäßigen CYP1A2-Inhibitoren (z. B. Propranolol, Grepafloxacin, Enoxacin) ist Vorsicht geboten, da dies zu einer erhöhten Agomelatin-Exposition führen könnte. Es liegen nur begrenzt Erfahrungen zur Überdosierung von Agomelatin vor. Während der klinischen Entwicklung gab es vereinzelt Berichte zur Überdosierung von Agomelatin. Die objektiven und subjektiven Symptome waren begrenzt und umfassten Benommenheit und Schmerzen im Epigastrium. Für Agomelatin ist kein spezifisches Antidot bekannt. Eine Überdosierung sollte symptomatisch und unter laufender Überwachung behandelt werden. Unter der Behandlung mit Agomelatin wurden erhöhte Transaminase-Werte nach 6 - 8 Wochen Behandlung, vor allem bei 50 mg Dosierung beobachtet, die das Dreifache der oberen Normwerte überschritten. Daher sollten bei allen Patienten Leberfunktionstests zu Beginn der Behandlung und danach im Abstand von ca. sechs, zwölf und 24 Wochen und – wenn klinisch indiziert – auch darüber hinaus erfolgen. Ein Ausschleichen der Dosis ist beim Absetzen der Medikation nicht notwendig. Vorsicht ist geboten bei der Anwendung von Valdoxan bei Patienten, die beträchtliche Mengen Alkohol konsumieren oder mit Arzneimitteln behandelt werden, die zu einer Leberschädigung führen können. Da der angenommene therapeutische Vorteil einer Dosiserhöhung von 25 mg auf 50 mg bei Depressionen nicht belegt ist, kann das Risiko erhöhter Leberwerte auch durch Vermeidung hoher Dosierung reduziert werden. Zusammenfassende Bewertung und Ausblick Mehr als 25 Substanzen stehen aktuell für die antidepressive Pharmakotherapie zur Verfügung. Verschiedene plazebokontrollierte Studien belegen für diese Präparate Ansprechraten zwischen 45 % und 65 % (69). Mit Agomelatin kommt ein weiteres Antidepressivum hinzu. Zurzeit ist es jedoch noch nicht möglich, seinen Stellenwert innerhalb der etablierten Antidepressiva zu definieren. Zu wenig so genannter „Head-to-HeadStudien“, die einen direkten Vergleich zwischen dem Agomelatin und einem Standard-Antidepressivum durchführen, sind bis jetzt publiziert worden. Zum anderen kommt hinzu, dass für die randomisierten Zulassungsstudien eine strenge Selektion der Patienten erfolgte, um möglichst homogene Gruppen zu erhalten. Therapieresistente Patienten, Patienten mit Suizidversuchen in der Vorgeschichte oder mit aktueller Suizidalität, sowie Patienten mit einer depressiven Episode im Rahmen bipolarer Störungen wurden nicht eingeschlossen. Ob die an solchen Patientenkollektiven gewonnenen Ergebnisse sich auch unter den Bedingungen des klinischen Versorgungsaltages bewähren werden, ist unbekannt. Nach der Zulassung des Agomelatins bleiben also viele Fragen offen. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2010;4(4):93-116 Agomelatin - 112 - Geht man davon aus, dass plazebokontrollierte, randomisierte Zulassungsstudien für neue Wirkstoffe ihre prinzipielle Wirksamkeit zeigen sollen, so kann aus den zurzeit vorliegenden Daten abgeleitet werden, dass das Agomelatin eine antidepressive Potenz besitzt. Alle publizierten plazebokontrollierten Studien, einschließlich der beiden USamerikanischen ergaben einen moderaten therapeutischen Vorteil für das Agomelatin. Die antidepressive Wirksamkeit des Agomelatins scheint in Kurzzeitstudien im Vergleich zu etablierten Antidepressiva (Venlavaxin oder Sertralin) nicht schlechter zu sein. Generell hohe Responderraten (> 70 %) wurden berichtet. Weitere Vergleichsstudien mit anderen Antidepressiva sind notwendig, um die hin und wieder angenommenen Überlegenheit von Agomelatin zu belegen. Trotz der kurzen Halbwertszeit scheint eine Einmalgabe des Agomelatins pro Tag wirksam zu sein. Es gibt jedoch einen erheblichen Klärungsbedarf bezüglich der eingesetzten Dosierungen. So ist die vom Hersteller empfohlene Dosiserhöhung von 25 mg auf 50 mg bei Patienten, die nach 2 Wochen Behandlung nicht ausreichend ansprechen, in 6 Studien angewendet worden. 13,9 % bis 34 % der Studienpatienten haben eine Dosissteigerung bekommen. Diese Vorgehensweise brachte jedoch offensichtlich keine nennenswerte Verbesserung, da die Autoren über Vergleiche mit Patienten, die konstant mit 25 mg behandelt wurden, nichts berichten. Der Nutzen einer Dosiserhöhung ist somit fraglich. Leberwerterhöhungen, wie in zwei USamerikanischen Studien vorwiegend bei Patienten mit 50 mg Agomelatin beobachtet wurden, sprechen ebenfalls gegen diese hohe Dosierung. Da die einzige Dosisfindungsstudie, in der 1 mg, 5 mg und 25 mg Agomelatin mit einander verglichen wurden, auch für die 1mg Dosis gute Ergebnisse gebracht hatte, wären weitere Untersuchungen zur Bestimmung der niedrigsten effektiven Dosis notwendig. Eine andere, ebenso wichtige Frage ist der Zeitpunkt der Agomelatineinnahme. Auch hier ist anzuzweifeln, in wie weit der Hersteller mit seiner Empfehlung, das Agomelatin vor dem Zubettgehen zu nehmen, für alle Patienten den optimalen Zeitpunkt trifft. Aus der umfangreichen Forschung zur Wirkung des Melatonins auf die Phasenlage zirkadianer Rhythmen geht eindeutig hervor, dass der Zeitpunkt der Melatoningabe wesentlich die Richtung in der Phasenverschiebung bestimmt. Deshalb müssten Folgestudien klären, in wie weit eine individuelle Anpassung des Einnahmezeitpunktes das Absprechen auf das Agomelatin verbessern kann und welche Patienten für diese Therapieform besonders geeignet sind. Hier sind an erster Stelle bipolare depressive Patienten und Patienten mit saisonalen Depressionen, sowie depressive Patienten mit eindeutigen Störungen zirkadianer Rhythmen zu nennen. Die bisher einzige publizierte Studie zur AgomelatinWirkung bei Patienten mit generalisierter Angst gibt Hinweise, dass für die anxiolytische Wirkung von Agomelatin höhere Dosierungen angewendet werden müssten. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2010;4(4):93-116 Agomelatin - 113 - 1947 in Jakutien geboren, studierte von 1966 bis 1971 Chemie/Biochemie an der HumboldtUniversität in Berlin, promovierte 1973 am Institut für Biochemie der Charité unter der Leitung von Prof. Dr. S.M. Rappoport, seit 1973 in der Klinik für Psychiatrie der Charité, jetzt Campus Mitte, in einer Forschungsgruppe tätig, die im gleichen Jahr von Prof. R. Uebelhack gegründet wurde und sich mit Störungen im Serotoninsystem bei psychiatrischen Erkrankungen befasst. 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