Enzephalopathie in der Notaufnahme

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Enzephalopathie
in der Notaufnahme
Bad Honnef-Symposium der PEG
Therapie von Infektionen
beim alten Menschen
18.-19. April 2011
Peter Walger
Med. Klinik III, Universitätsklinikum Bonn
Synonyme für Enzephalopathie
Verwirrtheit – Konfusion
„ Hirnorganisches Psychosyndrom (HOPS)
„ Durchgangssyndrom
„ Organische Psychose
„ Gemischt metabolische Enzephalopathie
„ …..
„ Delir nach ICD-10 oder DSM-IV
„
Häufigkeit von Verwirrtheit bei
Notfallaufnahme
„
Prävalenz kognitiver Beeinträchtigung von
älteren Patienten auf Notfallstation
… ca.
„
40 %*
Delirprävalenz älterer Patienten auf
Notfallstationen
… 10%
- 24%**
*Wilber (2006)
**Lewis et. al.,(1995), Elie et. al. (2000), Hustey et. al. (2002; Hustey et. al. (2003)
Prävalenz eines Delirs im Alter
„
15% bei Aufnahme
Lipowski ZJ. Psychiatr Clin North Am 1992;15:335-346
„
14% - 56% bei hospitalisierten Patienten (kumulativ)
Inouye SK. Am J Med 1994;97:278-288
„
10% - 30% zu jedem Zeitpunkt während eines
stationären Aufenthaltes (Punkt-Prävalenz)
Lipowski ZJ. Psychiatr Clin North Am 1992;15:335-346
Lipowski ZJ. JAMA 1987;258:1789-1792
„
25% - 55% der bei Aufnahme asymptomatischen
Patienten werden delirant während des KHAufenthaltes
Weinrich S. et al. Cancer 1994;74:2079-2091
Ulmer Legionellen-Ausbruch 2010/2011
Härter G. et al. 2011 (9. Ulmer Symposium Krankenhausinfektionen)
„
64 Erkrankte (mittl. Alter 67 J)
… Tiefer
respiratorischer Infekt mit +/- schweren
Begleitsymptomen
… Legionellen-Aerosol-Wolke eines Rückkühlwerkes
„
58% mit ZNS-Affektion
… Enzephalopathie
(Delir, überwiegend hypoaktiv)
klinisch: Vigilanzdefizite
„
Einzelne Notfallaufnahmen primär in neurologisches
Zentrum (u. A. stroke unit)
Gupta SK, et al.: Evaluation of the Winthrop-Uni.Hosp. criteria to identify Legionella pneumonia. Chest 2001; 120:1064-71
Roig J, Rello J: Legionnaires’ disease: A rational approach to therapy. J Antimicrob Chemother 2003; 51:1119-1129.
Morgan JC, Cavaliere R, Juel VC: Reversible corpus callosum lesion in legionnaires’ disease. J Neurol Neurosurg
Psychiatr 2004; 75:651-654.
248.. Shelburne SA, Kielhofner MA, Tiwari PS: Cerebellar involvement in legionellosis. South Med J 2004; 97:61-64.
249.. Johnson JD, Raff MJ, Van Arsdall JA: Neurologic manifestations of Legionnaires’ disease. Medicine
(Baltimore) 1984; 63:303-310.
Septische Enzephalopathie
Sepsis-assoziierte Enzephalopathie,
Sepsis-induzierte Enzephalopathie oder Sepsis-assoziiertes Delir
Eidelman LA, Putterman D, Putterman C, Sprung CL. The spectrum of septic encephalopathy. Definitions,
etiologies, and mortalities. JAMA 1996; 275: 470-473.
„
„
potentiell reversible und generalisierte Einschränkung
zerebraler Funktionen
Symptomatik
…
…
…
…
„
„
„
„
geringe Störungen der Wahrnehmung
Desorientierung
Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
Verlust des Bewusstseins
Letalität von 16 - 63%
hohes Risiko für Neurokognitive Langzeit-Defekte
Abgrenzung von Analgosedierung und MedikamentenNebenwirkungen
Septische Enzephalopathie ist eine Ausschlussdiagnose
Definition: Sepsis assoziierte
Enzephalopathie (SAE)
„
Akute, potentiell reversible zerebrale Dysfunktion
während einer Sepsis, die nicht auf andere Ursachen
zurückzuführen ist
Ausschlussdiagnose
„
Diagnose ist nur in der Frühphase relevant,
in der Spätphase bestimmen die Störungen durch das
Multiorganversagen die Klinik und machen die
Diagnose SAE problematisch oder unmöglich
CAP Schweregrad Score
CRB-65 / CURB Kriterien
für die Praxis und
Notaufnahme
C
mental confusion
Verwirrtheit, Desorientierung
U
blood urea
S-Harnstoff > 7 mmol/L
R
respiratory rate
Atemfrequenz >= 30 pro Minute
B
blood pressure
65
age
RR sys < 90 mmHg,
dias < 60 mmHg
Alter > 65 Jahre
S3-Leitlinie CAP, 2009‘er update: AWMF online, www.awmf.org/uplouds/tx
Risikozuordnung und risikoadaptierte Therapie in
der Praxis
CRB 65 Score (ohne Harnstoff)
CRB 65 Score
Letalitätsrisiko
Behandlung
0
1,2%
ambulant
1 oder 2
8,15%
stationär
3 oder 4
31%
stationär
intensivstationär
„Wenn bei Fieber Delirium und Dyspnoe
hinzukommen, dann ist der Patient verloren….“
Hippokrates, 460 – 375 v. Chr. III. Epidemienbuch, 12 Krankengeschichten, Aphorismen
Im hohen Alter ist Fieber häufig
abgeschwächt oder fehlt ganz
„
nosokomiale Pneumonie (HAP)
… 20%
„
abgeschwächt oder fehlend
ambulant erworbene Pneumonie (CAP)
… bis
zu 57% abgeschwächt oder fehlend
Das mittlere rektale “Fieber” in einer
geriatrischen Akut-Station war 38.1 C
„ Nur 8% hatten eine rektale Temp. > 38.5 C
„
P. Smith, University of Florida, 2000, Gereatric Education Centre
Alterierter Bewußtseins-Status (> 70 J)
in einer Akutaufnahme (ER) (73 konsekutive Fälle,
2 Reviewer: 87.5 % Übereinstimmung)
„
„
„
„
„
„
Infektionen = 34.3%
Medikamenten Toxizität = 17.2%
Intrakranieller Prozess = 10.5 % (alle hatten fokale
Defizite, Trauma oder einen niedrigen Glasgow coma
score)
Umwelteinflüsse = 9.4%
Alkohol- oder Drogen-(Medikamenten)entzug = 7.8%
Störung des Wasser-, Elektrolythaushaltes oder des
Stoffwechsels = 7.8%
JAGS. 1999,47;9,S10 (abstract A34)
Nichterkannte medizinische Notfälle auf
der psychiatrischen Notfallstation
(Überweisung in Psychiatrie)
N = 64 Patienten
Alter: 20 – 63 Jahre, Durchschnittsalter: 36,7 Jahre
„
„
„
„
„
„
„
„
Alkoholintoxikation und Drogen
Medikamenten- und Alkoholentzug
Medikamentenüberdosierung
Nierenversagen
Leberversagen
Diabetische Ketoazidose
Hypoglykämie
Pneumonie, Sepsis, Harnwegsinfekt
34%
13%
13%
6%
3%
3%
2%
5%
Reeves RR et al. Unrecognized medical emergencies admitted to psychiatric units
Am J Emerg Med. 2000 Jul;18(4):390-3.
Nichterkannte medizinische Notfälle einer
psychiatrischen Notfallstation
(Überweisung in Psychiatrie)
Vorhandene KG nicht berücksichtigt
„ Abnorme Symptome fehlinterpretiert
„ Inadäquate körperliche Untersuchung
„ Unzureichende Labor Diagnostik
„ Fehlender Mentalstatus
„
34%
8%
44%
34%
100%
Reeves RR et al. Unrecognized medical emergencies admitted to psychiatric units
Am J Emerg Med. 2000 Jul;18(4):390-3.
Häufige Ursachen eines Delirs im Alter
„
„
„
„
„
„
Exsikkose, Stoffwechselstörung, Hypoxie, Insult
Infektionen, besonders Harnwegsinfekte und
Pneumonien
Postoperativ (besonders nach Herz-OP)
Medikamentennebenwirkungen (Anticholinergika)
Im Rahmen einer Demenz
Multifaktoriell
Präfinal
Interaktion minimaler Umstände
z.B. KH-Aufenthalt alleine
„
Unabhängig vom Alter: SHT, ZNS-Infektionen
Delir und Harnwegsinfekt im hohen Alter
„
504 alte Frauen > 85 Jahre
… 87/504
(17,2%) mit manifestem symptomatischen HWI,
davon 39 (44,8%) gleichzeitig ein Delir
„
„
Assessments:Organic Brain Syndrome (OBS) Scale, Geriatric Depression Scale-15 (GDS-15) und
Mini-mental State Examination (MMSE)
Diagnosen eines Delirs, einer Demenz oder Depression nach DSM-IV-Kriterien
… 137/504
„
(27,2%) hatten ein manifestes Delir, davon 39
(28.5%) einen manifesten HWI
Multivariate logistische Regressionsanalyse:
Delir war signifikant assoziiert mit
…
Alzheimer's disease (OR = 5.8),
… Multi-infarkt Demenz (OR = 5.4),
… Depression (OR = 3.1), Herzinsuffizienz (OR = 2.3)
… Harnwegsinfektion (OR = 1.9)
Eriksson I, Gustafson Y, Fagerström L, Olofsson B. Department of Community Medicine and Rehabilitation, Geriatric Medicine,
Umeå University, Umeå, Sweden. [email protected] Urinary tract infection in very old women is associated with delirium.
Int Psychogeriatr. 2011 Apr;23(3):496-502. Epub 2010 Aug 18.
Akute Störungen des Bewußtseins
durch Antiinfektiva
Ciprofloxacin und andere Chinolone
„ Metronidazol
„ Sulfamethoxazol
„ Cephalosporine
„ Clarithromycin
„ Gentamycin – Tobramycin – Streptomycin
„ Isoniazid
„ Acyclovir, Chloroquin, Mefloquin
„
Iatrogene Trigger für Delir-Risiko
Auslöser
„ Fixierung
„ Blasenkatheter
„ Gabe von 3 zusätzlichen Medikamenten
„ Weniger als 1 x tgl. aus dem Bett
„ Mehr als 12 h Notfallstation
„ Irgendein Iatrogenes Ereignis
„ Malnutrition
„ Hypoxie
„ Dehydratation
Relatives Risiko
4,4
2,4
2,9
2,3
2,1
1,9
4,0
2,7
1,5
Inouye S.K., Charpentier P.A.: JAMA. 1996;275:852-857
ICD-10
„
„
Störung des
Bewusstseins / der
Aufmerksamkeit
Störung der Kognition
…
„
„
„
Störung des
Bewusstseins / der
Aufmerksamkeit
Störung der Kognition
Zeitlicher Verlauf
…
…
Entstehung kurzzeitig
Fluktuation im Tagesverlauf
„
Externe Verursachung
Hypo- oder Hyperaktivität
„
DSM-V in Planung
Störung des SchlafWach-Rhythmus
…
Fluktuierender Verlauf
…
…
„
„
Psychomotorische
Störungen
…
„
Wahrnehmungsstörungen,
Halluzinationen,
Auffassungsstörungen,
Störung des
Kurzzeitgedächtnisses, der
Orientierung
DSM-IV
Affektive Störungen
…
Depression, Angst,
Reizbarkeit, Apathie,
Ratlosigkeit
Angleichung an ICD-10
erkennbar
z. B. psychomotorische
und vegetative Aspekte
der Symptomatik
Delir – Diagnostische Merkmale
Quantitative Bewusstseinsstörung
„ Qualitative Bewusstseinsstörung
„ Psychomotorische Beeinträchtigung
„
… Hypo-
oder hyperaktiv
Vegetative Störungen
„ Akuter Beginn, Fluktuierender Verlauf
„ Externe Ursachen
„
Psychomotorische Beeinträchtigung
3 Delir-Typen (O‘Keefe und Lavan, 1999)
„
Hypoaktive Form (29%)
… Reduzierte
motorische Aktivität
… Lethargie (Dekubitus)
„
häufig übersehen bzw.
fehl-interpretiert
als Depression
Hyperaktive Form (21%)
… Gesteigerte
motorische Aktivität
… Agitation, Unruhe (Stürze), Aggressivität
„
„
Mischform (43%)
Keine psychomotorische Veränderungen (7%)
Diagnostik des Delirs
Klinischer Eindruck
„ Psychopathologischer Befund
„ Spezifische Diagnose-Instrumente
„
… CAM:
„Confusion Assessment Method Instrument“
… AMT: abbreviated mental test score
… Strukturierte ärztliche Beurteilung
… Fremdanamnese
AMT: abbreviated mental test score
CAM
confusion
assesment
method
instrument
Differentialdiagnose der
Psychopathologie des Delirs
„
„
„
„
„
„
„
Demenz
Depression
Psychosen
Aphasie, Dysphasie
Non-konvulsive Epilepsie
Hypoglykämie
ZNS-Affektionen (Blutung etc.)
Heckelmann H.
Demenz oder Delir ?
Med. Klinik 2004;77
Nach
•Delirium:
•akutes Syndrom
•Störung der Erkennung und
initialen Verarbeitung von
Information,
•häufig das erste Zeichen einer
schweren körperlichen
Erkrankung, z. B. Infektion
•Demenz:
•Störung von Erinnerung und
Erkennung
•langsamer Beginn und
progredienter Verlauf
Basisdiagnostik
Internistische und neurologische Untersuchung
Suche nach der externen Ursache !
„ Labor
„
… BB,
E-lyte, Krea, Harnstoff, CRP, BZ, Leberwerte,
LDH, CK, TSH
… Blutgasanalyse
… EKG, Rö-Thorax, Sonographie
CCT / MRT
„ weitere Bildgebung oder weitere Diagnostik
(Lumbal-Pkt., Psych. Konsil, EEG, etc.)
„
Therapie des Delirs
„
Neuroleptikum (hochpotent)
… Haloperidol
„
„
5 – 5 – 5 – 5 – 10 Tropfen (20 Tropfen = 1 ml = 2 mg)
Dosis-Steigerung bei Bedarf
… Risperidon
„
„
„
(z. B. Risperdal ® )
½ - 0 – 0 – ½ Tbl. (a 1 mg)
Dosis-Steigerung bei Bedarf
Ggfls. plus Neuroleptikum (niederpotent)
… Melperon
„
„
(z. B. Haldol ® )
(z. B. Eunerpan ® )
2 – 5 – 10 ml ggfls. mehrfach
5 ml = 25 mg)
Bei starker Agitation: zusätzlich Lorazepam (Tavor ® )
1 (2,5) mg p.o./sublingual oder i.v.
Delir Folgen
„
Höhere Verweildauer im Krankenhaus
…
„
Vermehrte Komplikationen im Krankenhaus und danach
…
„
(Marcantonio et al., 2005)
Schlechtere Rehabilitations-Outcomes
…
„
(O'Keeffe & Lavan, 1997)
(Olofsson et al., 2005)
Höhere Mortalität
…
„
(McCusker, Cole, Abrahamowicz, Primeau & Belzile, 2002)
Verzögerte Therapie eines Delirs erhöht die Letalität von Intensivpatienten
…
„
Höhere Pflegebedürftigkeit mit häufigerer Einweisung in Pflegeheim
…
„
(McCusker, Cole, Dendukuri, Belzile & Primeau, 2001)
Dauerhafte Verschlechterung von kognitiven Fähigkeiten
…
„
Heymann A, Radtke F, Schiemann A, Lütz A, MacGuill M, Wernecke KD, Spies C. Department of Anaesthesiology and Intensive Care Medicine,
Charité-Universitätsmedizin Berlin, J Int Med Res. 2010 Sep-Oct;38(5):1584-95
(Francis & Kapoor, 1992)
Erhöhte Behandlungskosten
…
(Inouye, 2006)
Delirium in the older emergency department
patient: a quiet epidemic.
„
„
„
„
„
Delirium is defined as an acute change in cognition
This form of organ dysfunction commonly occurs in older
patients in the emergency department (ED) and is associated
with a multitude of adverse patient outcomes.
Consequently, delirium should be routinely screened for in older
ED patients.
Once delirium is diagnosed, the ED evaluation should focus on
searching for the underlying cause.
Infection is one of the most common precipitants of delirium,
but multiple causes may exist concurrently.
Han JH, Wilson A, Ely EW. Department of Emergency Medicine,Vanderbilt University
Medical Center, Nashville, USA. Emerg Med Clin North Am. 2010 Aug;28(3):611-31
Zusammenfassung
„
„
„
„
„
„
„
Infektionen im Alter sind häufig mit einem Delir
assoziiert
Neben Infektionen sind Medikamenten-NW weitere
wichtige Ursachen
Delir ist ein häufiger (primärer) Einweisungsgrund
im Alter überwiegt die hypoaktive Form des Delirs
Die Diagnose Delir wird häufig nicht gestellt
Die Abgrenzung zu Demenz und Depression ist
schwierig, geeignete diagnostische Instrumente sind
erforderlich
Eine nicht erfolgte Diagnose und eine verzögerte
spezifische Therapie sind Prognose-relevant (Langer
KH-Aufenthalt, Nosokomiales Risiko, Mortalität,
Langzeit-Defizite)
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