Aus der Jüdischen Welt: Sendung vom

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Aus der Jüdischen Welt: Sendung vom September 2014
Daniel Neumann
Kaschrut – der g“ttliche Speiseplan
Es gibt wohl nur wenige Begriffe, die so schnell und unwillkürlich mit dem Judentum verknüpft
werden, wie das Wort „koscher“.
Die meisten haben es in unterschiedlichen Zusammenhängen schon aufgeschnappt oder gebraucht, wissen jedoch meist nicht so ganz genau, was es eigentlich bedeutet.
„Der ist nicht ganz koscher“ etwa, ist ein gelegentlich benutzter Ausdruck des Misstrauens oder
der Skepsis einer anderen Person gegenüber. Davon abgesehen dürfte die Ansicht vorherrschen,
dass „koscher“ irgendetwas mit jüdischem Essen zu tun habe. Dass man etwa kein Schweinefleisch essen dürfe. Oder das es sich um besonders reines, extragesundes Essen handele. Spätestens an diesem Punkt ist das Wissen um die Bedeutung des Wortes „koscher“ häufig erschöpft.
Der amerikanische Rabbiner Joseph Telushkin erzählte einmal von einem Gespräch, dass er während eines Fluges mit einer Stewardess geführt habe. Nachdem sie ihm sein Essen gebracht habe,
fragte er die Flugbegleiterin, ob sie eigentlich wisse, was koscher bedeute, woraufhin sie irrtümlich meinte, dass es Essen sei, das von einem Rabbiner gesegnet wurde. Nun fragte Sie Rabbiner
Telushkin im Gegenzug, ob denn auch ein Schwein koscher werde, wenn ein Rabbiner es segnen
würde. Telushkin verneinte das und meinte, dass dann aber mit Sicherheit der Rabbiner unkoscher
werde.
Diese Erzählung lässt uns zwar schmunzeln, wirft aber dennoch nicht genug Licht auf die Frage,
was koscher nun eigentlich bedeutet.
Wenden wir uns also der Enthüllung dieses Mysteriums zu und zäumen das Pferd dabei von hinten auf:
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Was koscher jedenfalls nicht bedeutet ist gesegnet oder rein im gesundheitlichen, antiseptischen
Sinne. Gerade letztere Bedeutung wurde dem Wort häufig verliehen, weil man dachte, dass koscheres Essen bestimmt weniger gesundheitsschädlich sei. Da Juden ja bekanntermaßen keine
Schweine essen dürften und diese gemeinhin als schmutzige Tiere galten, werde - so zumindest
die scheinbar schlüssige Annahme - sicher verstärkt Wert auf die Reinlichkeit der Tiere oder des
Essens gelegt. Falsch gedacht.
Das jiddische Wort „koscher“ kann zwar auch als „rein“ übersetzt werden, bedeutet genau genommen allerdings soviel wie „geeignet“ oder „erlaubt“.
Es leitet sich aus dem hebräischen „Kaschrut“ ab, das die rituelle Eignung und Unbedenklichkeit
im Zusammenhang mit der jüdischen Speisegesetzgebung beschreibt.
Zwar wird der Begriff „koscher“ auch im Zusammenhang mit Ritualgegenständen verwandt, so
dass etwa eine Torarolle als koscher, also als für den rituellen Gebrauch geeignet bezeichnet werden kann, doch wollen wir uns hier auf die jüdischen Speisevorschriften konzentrieren. Denn die
sind schon kompliziert genug.
Die Kaschrut, also die jüdischen Speisegesetze, enthalten eine Fülle von Ge- und Verboten, die
ausgesprochen detailliert regeln, was ein frommer Jude essen darf oder eben auch nicht, und wie
die Speisen hergestellt, zubereitet, verarbeitet und kombiniert werden dürfen oder müssen.
Relativ einfach gestaltet sich dass noch bei all den Erzeugnissen, die die Natur für uns bereithält.
Alle Arten von unbehandeltem Gemüse und Obst sind daher grundsätzlich erlaubt und dürfen
auch mit anderen koscheren Lebensmitteln nach Herzenslust kombiniert werden. Doch damit endet die jüdische Unbeschwertheit auch schon.
Blickt man in die Tierwelt, so dürfen Juden etwa nur solche Landtiere essen, die gespaltene Hufen
haben und gleichzeitig Wiederkäuer sind. Nur solche Vögel, die keine Raubvögel sind und nur
diejenigen Fische, die Flossen und Schuppen haben.
Geeignet sind also beispielsweise Rinder, Schafe oder Ziegen ebenso wie Hühner, Enten oder
Truthähne und Lachse, Thunfische oder Heringe.
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Nicht erlaubt sind dagegen etwa Schweine, Kamele oder Hunde eben sowenig wie Adler, Raben
oder Geier und Störe, Schwertfische oder Aale.
Außerdem sind Meeresfrüchte und Schalentiere genauso verboten wie alle Arten von Insekten
oder Aasfressern.
Und als ob damit nicht schon genug Tiere vom jüdischen Speiseplan verbannt worden wären, gibt
es eine Reihe weiterer Vorschriften, welche die jüdische Speisemesslatte noch weiter anheben.
So etwa müssen die erlaubten Säugetiere und das geeignete Geflügel geschächtet werden. Das
bedeutet, sie müssen durch einen speziell ausgebildeten Schlachter, den Schochet, mit einer besonderen Technik und unter Zuhilfenahme ausgewählter Utensilien geschlachtet werden.
Es müssen kerngesunde Tiere gewesen sein, von denen bestimmte Teile auszusondern sind.
Schließlich müssen die Tiere nicht nur gänzlich ausbluten, sondern dem Fleisch muss anschließend mittels spezieller Techniken auch der letzte Tropfen Blut entzogen werden, da einem Juden
der Genuss von Blut auf das Strengste untersagt ist. Eine Tatsache übrigens, die in der langen Geschichte antisemitischer Vorurteile noch keinen Judenhasser davon abgehalten hat zu behaupten,
dass Juden Kinder töten würden, um ihr Blut zur Herstellung ihrer Speisen zu verwenden.
Hat man es dann endlich geschafft, koscheres Fleisch zu ergattern, lauern in dem dann folgenden
Verarbeitungsprozess viele weitere Fallstricke, durch welche das Fleisch oder das Essen doch
wieder unkoscher werden können.
Etwa dann, wenn man Fleischprodukte und Milchprodukte vermischt. Auch dies ist im Judentum
nämlich strikt verboten. Dieses Verbot der Mischung von Fleischigem und Milchigem, also des
gemeinsamen Verarbeitens, Servierens oder Essens, geht so weit, dass Fleischiges nicht in solchen Kochutensilien erwärmt werden darf, die für Milchiges gebraucht werden und umgekehrt.
Eben so wenig dürfen die Speisen auf demselben Geschirr serviert werden, so dass ein
religiöser, jüdischer Haushalt über mindestens zwei verschiedene Kochsets, Service, Bestecksets
und so weiter verfügen muss.
Eigentlich sind es sogar drei, da für das Pessachfest ein weiteres komplettes Set bereit gehalten
werden muss. Aber lassen wir das.
Außerdem muss nach dem Genuss von Fleischigem eine Wartezeit bis zu 6 Stunden eingehalten
werden, bevor man Milchiges zu sich nehmen darf.
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Gekrönt werden diese Vorschriften durch spezielle Regelungen, die die Speisevor- und Zubereitung am Shabbat und an den Feiertagen betreffen. Denn selbst wenn alle Zutaten und Utensilien
geeignet sind, bedarf es bei der Zubereitung des Essens zudem auch der Beachtung der zahlreichen Shabbatgesetze, damit man anschließend eine koschere Mahlzeit genießen kann.
Nur wenn man all die bisher exemplarisch aufgezählten Vorschriften und viele andere, die nun
nicht auch noch erwähnt werden sollen, um Sie nicht gänzlich zu verwirren, einhält, kann sich ein
frommer Jude auf eine koschere Mahlzeit freuen.
Vielleicht wird nun auch klarer, warum Juden, wie es in der Tora vorgeschrieben ist, erst nach
dem Essen das Tischgebet sprechen und nicht vorher.
Bei den zahlreichen Fallstricken, die auf dem Weg zu einer koscheren Mahlzeit lauern, sollte man
den Tag nicht vor dem Abend loben. Oder anders gesagt: Erst koscheres Essen, dann ausgiebiger
Dank. Vorschusslorbeeren bekommt der Ewige bei anderen Religionen.
Diese Erklärung ist natürlich nicht ganz ernst gemeint, aber abwegig ist sie auch nicht, oder?
Koscher jedenfalls, also geeignet oder erlaubt sind daher nur diejenigen Lebensmittel und Speisen, die unter Beachtung der vielfältigen jüdischen Speisegesetze gewonnen wurden.
Surf and Turf, also die kulinarische Unsitte, Steak mit Hummer zu kombinieren? Nicht koscher.
Eine Salamipizza, ein Cheeseburger oder eine Lasagne? Eben so wenig.
Dann vielleicht ein delikates Stück Entrecote und als Dessert ein Tiramisu oder einen Cappucino?
Bedaure, nein.
Für einen objektiven Beobachter mag diese Fülle an Vorschriften, Beschränkungen und Vorgaben
nicht nur verwirrend sondern geradezu abstrus anmuten. Und doch gibt es eine nicht unbeachtliche Zahl von Juden, die sich an die Kaschrut-Gesetze halten. Auf der anderen Seite haben viele
Juden vor den Kaschrut-Gesetzen kapituliert oder lehnen sie gar verächtlich ab. Wieder andere
versuchen wenigstens einen Teil der komplexen Speisegesetzgebung in ihren Alltag einfließen zu
lassen und durch kreative und flexible Handhabung der Regeln ihren Frieden mit dem g“ttlichen
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Speiseplan zu schließen. Sei es, dass sie kein Schweine essen, also zumindest auf das Fleisch des
historisch populärsten, wenn auch bei weitem nicht einzigen, unkoscheren Tiers, verzichten. Sei
es, dass sie entweder generell nur koscheres Fleisch einkaufen oder aber Tiere ganz von ihrer
Speisekarte streichen. Oder sei es, dass sie sich bemühen, zuhause zwar einen koscheren Haushalt
zu führen, jedoch dann, wenn man bei Freunden oder in einem Restaurant isst, ein oder gar zwei
Augen zuzudrücken.
Und doch steht unumstößlich fest, dass es jedenfalls nach traditionellem Verständnis kaum Kompromisse geben kann. Entweder sind ein Tier, das Fleisch, der Käse, die Milch, das Produkt, das
zubereitete Essen und das benutzte Geschirr im Allgemeinen koscher oder sie sind es eben nicht.
Halbkoscher oder Koscher Style gibt es nach orthodoxem Verständnis jedenfalls genau so wenig
wie Halbschwanger.
Was einem unbedarften Zuhörer allerdings auch jetzt noch Kopfzerbrechen bereiten dürfte, ist die
Frage, welchen Sinn die zahlreichen und komplizierten Speisegesetze eigentlich haben?
Ist das koschere Essen vielleicht doch besser, reiner oder gesünder?
Oder gibt es andere, tiefer liegende Gründe?
Die Antworten darauf, werden Sie in einer der folgenden Sendungen erhalten. Versprochen!
Bis dahin wünsche ich Ihnen eine gesegnete Mahlzeit und einen koscheren Shabbat. Shabbat
shalom.
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