komplexe mannigfaltigkeiten - International Mathematical Union

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KOMPLEXE MANNIGFALTIGKEITEN
Von F. H I R Z E B R U C H
1. Einleitung
Vor etwa 10 Jahren veröffentlichten Ehresmann und Hopf Arbeitend 14] , in denen untersucht wurde, ob gegebene differenzierbare
Mannigfaltigkeiten eine komplexe Struktur zulassen. Dabei führten sie
die fast-komplexen Mannigfaltigkeiten als Verallgemeinerung der komplexen ein. Beispiele für komplexe Mannigfaltigkeiten werden durch
die algebraischen Mannigfaltigkeiten geliefert. Damit sollen in diesem
Vortrag kompakte komplexe Mannigfaltigkeiten gemeint sein, die sich
holomorph und singularitätenfrei in einen komplexen projektiven Raum
einbetten lassen.
Von komplexen Mannigfaltigkeiten selbst wird kaum die Rede sein.
Es soll einerseits über Resultate von Münor[163 über fast-komplexe
Mannigfaltigkeiten berichtet werden und andererseits über die neue
Formulierung des Satzes von Riemann-Roch für algebraische Mannigfaltigkeiten beliebiger Dimension durch GrothendieekC2]. Milnors Untersuchungen stehen in engem Zusammenhang mit der Thomschen Cobordisme-Theorie[21]. Grothendieck hat den in[13] bewiesenen Satz von
Riemann-Roch weiter verallgemeinert. Seine allgemeinere Formulierung
ermöglichte einen rein algebraischen Beweis für Grundkörper beliebiger
Charakteristik. Bindeglied zwischen den Überlegungen von Milnor und
Grothendieck ist für diesen Vortrag die Theorie der Chernschen Klassen.
Ich beginne daher damit, daß ich an die Definition der fast-komplexen
Mannigfaltigkeiten und der Chernschen Cohomologieklassen einer
solchen Mannigfaltigkeit erinnere.
Falls nichts Gegenteiliges gesagt wird, sollen Mannigfaltigkeiten
immer kompakt sein. Es ist für das Folgende wichtig, ausdrücklich
darauf hinzuweisen, daß Mannigfaltigkeiten im allgemeinen nicht als
zusammenhängend vorausgesetzt werden.
2. Fast-komplexe Mannigfaltigkeiten» ^
Es sei X eine 2w-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit. Der
Raum Tx der Tangentialvektoren an X im Punkte x e X ist ein 2^-dimensionaler Vektorraum über dem Körper R der komplexen Zahlen. Eine
fast-komplexe Struktur auf X ist ein stetiges Tensorfeld J, das jedem
x € X einen R-Endomorphismus Jx von Tx mit JxoJx = —Id zuordnet.
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F. HIRZEBRUCH
Durch Jx wird Tx wie folgt mit der Struktur eines Vektorraumes über
dem Körper G der komplexen Zahlen versehen: Für a + bieC {a,b
reell) und v e Tx wird definiert
{a + bi)v = a + b{Jxv).
Eine fast-komplexe Mannigfaltigkeit ist eine differenzierbare Mannigfaltigkeit mit fast-komplexer Struktur. Die Aussage 'Die Vektoren
vv ...,vpeTx sind linear-unabhängig über C' ist für eine fast-komplexe
X sinnvoll.
3 . Chernsche Klassen & 13>2(»
Auf einer orientierten (kompakten) differenzierbaren Mannigfaltigkeit X gibt es immer Vektorfelder mit endlich vielen Singularitäten
(Nullstellen). Jeder Singularität ist eine ganze Zahl als Vielfachheit
zugeordnet. Ein alter Satz von Hopf besagt, daß die Anzahl der Singularitäten eines Vektorfeldes (gezählt mit den richtigen Vielfachheiten)
unabhängig von dem Vektorfeld ist: Diese Anzahl ist immer gleich der
Eulerschen Charakteristik e{X). Unter einem ^-Feld auf X verstehen
wir ein p-tupel von Vektorfeldern auf X. Nun sei X mit einer fastkomplexen Struktur versehen. Ein Punkt xeX heißt Singularität eines
gegebenen ^-Feldes, wenn die ^-Vektoren des ^»-Feldes in x als Vektoren
von Tx linear-abhängig über C sind. Es sei n die komplexe Dimension
von X und 1 < p ^ n. Die Singularitätenmenge eines ^-Feldes ist im
allgemeinen ein 2{p — l)-dimensionaler Zyklus. Die (ganzzahlige) Homologieklasse dieses Zyklus ist unabhängig von der Wahl des ^-Feldes. Sie
heißt Chernsche Homologieklasse der ^-Felder. Die Chernsche Homologieklasse der 1-Felder ist 0-dimensional. Zu ihrer Definition ist eine
fast-komplexe Struktur nicht erforderlieh.
Die fast-komplexe Mannigfaltigkeit X ist in natürlicher Weise
orientiert, da jeder Tangentialraum Tx als Vektorraum über C orientiert
ist. Also ist der Chernschen Homologieklasse der ^-Felder durch den
Poincaréschen Dualitätssatz, der ja eine kanonische Isomorphie
zwischen der ganzzahligen r-dimensionalen Homologiegruppe und der
ganzzahligen Cohomologiegruppe H2n-r{X,Z) herstellt, eine Cohomologieklasse cn_p+1 e H2(-n~p+1){X, Z) zugeordnet. Damit sind die Chernschen Cohomologieklassen ci (1 < i ^ n) von X definiert (c^ € H2i{X, Z)).
Wir haben vorstehend die Hindernis-Definition der Chernschen
Klassen angedeutet und dabei die Homologiesprache verwendet.
Natürlich ist die Cohomologiesprache für die Hindernistheorie besser
geeignet: Man trianguliere X. Es gibt dann immer singularitätenfreie
KOMPLEXE MANNIGFALTIGKEITEN
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jp-Felder über dem (2^-2p+l)-dimensionalen Skelett, und das Hindernis gegen singularitätenfreie Fortsetzung auf das {2n — 2p + 2)-Skelett
ist eine Cohomologieklasse der Dimension 2 {n—p + 1 ) mit Koeffizienten in
der {2n — 2p + l)-ten Homotopiegruppe der Stiefeischen Mannigfaltigkeit
aUer^-tupel komplex-linear-unabhängiger Vektoren des O , die bekanntlich den kompakten homogenen l&a,umTJ{n)llJ{n—p) als Deformationsretrakt hat. 7T2n_2p+1{\J{n)ITJ{n— p)) ist die erste nicht verschwindende
Homotopiegruppe von \]{n)jV{n— p). Sie ist unendlich-zyklisch. Man
kann ci auch definieren als das erste Hindernis gegen die Reduktion der
Strukturgruppe des komplexen Tangentialbündels auf U(i — 1).
4. Chernsche Zahlen
X sei weiterhin fast-komplex und habe die komplexe Dimension n.
Der Cohomologiering H*{X, Z) ist ein graduierter Ring mit den Cohomologiegruppen ffl{X,7L) als direkten Summanden, der vermöge des
Poincaréschen Dualitätssatzes zum Homologie-Schnittring der Mannigfaltigkeit X isomorph ist. Das Einselement 1 von H*{X, Z) gehört zu
H°{X, Z) und entspricht beim Poincaréschen Isomorphismus dem Grundzyklus der orientierten X. Die Gruppen H2i(X, Z) gehören zum Zentrum
des Cohomologieringes. Sofern wir also nur Chernsche Klassen miteinander multiplizieren, gilt das kommutative Gesetz.
Jeder Partition o) von n soll eine ganze Zahl zugeordnet werden:
o) = {rx, ...,rj) wird von natürlichen Zahlen gebildet, deren Summe
gleich n ist. cricTi...cr, ist dann eine Cohomologieklasse der Dimension
2n, die auch mit cw bezeichnet werde. cw[X] soll den Wert von c^ auf dem
Grundzyklus der orientierten X andeuten. Jeder Partition o) von n ist
also die ganze Zahl cJ[X] zugeordnet. Das sind die Chernschen Zahlen
von X. Wegen des in § 3 erwähnten Satzes von Hopf ist cn[X] die Eulersche Charakteristik. Die Chernschen Zahlen, die, wie Beispiele zeigen,
im allgemeinen von der fast-komplexen Struktur und nicht nur von der
differenzierbaren Struktur abhängen ([1], § 13.9) sind also Verallgemeinerungen der Eulerschen Charakteristik, die natürlich nichts mit der
fast-komplexen Struktur zu tun hat. Die Chernschen Zahlen lassen sich
auch als Schnittzahlen Chernscher Homologieklassen interpretieren.
Das entspricht mehr dem Vorgehen in der algebraischen Geometrie, wo
die Chernschen Klassen ersetzt werden durch gewisse Äquivalenzklassen algebraischer Zyklen bezüglich rationaler Äquivalenz (kanonische
Klassen). Zur Definition der Chernschen Zahlen auf rein algebraische
Weise ist die Theorie des Schnittringes der Äquivalenzklassen algebraischer Zyklen erforderlich (vgl. die Arbeiten von Chow).
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F. HIRZEBRUCH
5. Chernsche Zahlen und arithmetisches Geschlecht[13]
X sei eine ?i-dimensionale algebraische Mannigfaltigkeit (wobei wir
unter 'Dimension' einer algebraischen oder fast-komplexen Mannigfaltigkeit immer die komplexe Dimension verstehen wollen). gi sei die
Dimension über C des Vektorraumes aller holomorphen Differentialformen von X vom Grade i. Das arithmetische Geschlecht %(X) ist
gegeben durch
n
x(X) =
x(-iy9i.
i=0
Per definitionem ist g0 die Dimension über G des Vektorraumes der
holomorphen Funktionen. Da X kompakt ist, ist g0 gleich der Anzahl
der Zusammenhangskomponenten von X. Man kann xfê) darstellen
als Linearkombination der Chernschen Zahlen von X mit rationalen
Koeffizienten. Für jede Dimension n hat man ein Polynom Tn vom
Gewicht n in den ct, das diese Linearkombination angibt. Es gilt für
n=l:
X (X)
= ic 1 (X],
n=2
X(X) = Ä(c 2 + cf)[X],
n=3
X(X) = Äc 2Cl [X],
n=4
X(X) = ^ ( - c
4
+ C3C1 + 3ct + 4c 2 c|-cì)[X].
Das ist der Satz über das Toddsche Geschlecht, der in[13] bewiesen wurde
und einen Spezialfall des Satzes von Riemann-Roch darstellt.
Ein mehrfach-projektiver Raum ist ein Produkt von komplexen
projektiven Räumen, dessen komplexe Dimension gleich n ist. Es gibt
n{n) mehrfach-projektive Räume der Dimension n, wo n{n) die Anzahl
der Partitionen von n ist. Die n{n) Koeffizienten des Toddschen Polynoms Tn sind zum Beispiel dadurch gegeben, daß Tn(cv . . . , c j auf allen
mehrfach-projektiven Räumen der Dimension n den Wert 1 annehmen
muß. (Die Chernschen Zahlen der mehrfach-projektiven Räume sind
wohlbekannt.) Für jede fast-komplexe Mannigfaltigkeit X können wir
das Toddsche Geschlecht T{X) als rationale Zahl durch die Toddsche
Linearkombination Tn der Chernschen Zahlen von X definieren. Für
algebraische X ist %(X) = T{X), das Toddsche Geschlecht also ganzzahlig.
6. Chernsche Zahlen und Satz von Milnor[16]
Ein System von n{n) ganzen Zahlen, oder genauer eine Abbildung der
Menge der Partitionen von n in die ganzen Zahlen, muß gewisse Beding-
KOMPLEXE MANNIGFALTIGKEITEN
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ungen erfüllen, um als das System der Chernschen Zahlen einer w-dimensionalen algebraischen Mannigfaltigkeit X auftreten zu können. Eine
notwendige Bedingung wird durch die Ganzzahligkeit des Toddschen
Geschlechtes gegeben, die für n = 1 besagt, daß die Eulersche Charakteristik gerade sein muß, und zum Beispiel für n = 3, daß c±c2[X] durch 24
teilbar sein muß. Für n = 1 ist die Teilbarkeit von cx[X] durch 2 auch
die einzige Bedingung: Die positiven geraden Zahlen werden durch
disjunkte Vereinigungen von Riemannschen Zahlenkugeln (projektiven
Geraden) erhalten, die geraden Zahlen < 0 durch zusammenhängende
Riemannsche Flächen vom Geschlecht ^ 1. Milnor hat sich folgende
Frage gestellt:
Welche Systeme von n{n) ganzen Zahlen treten als System der Chernschen
Zahlen einer fast-komplexen X der komplexen Dimension n auf!
Milnor hat gezeigt, daß man für jedes n ein 'vollständiges' System
von Kongruenzen für die Chernschen Zahlen aufstellen kann, deren
Gültigkeit notwendig und hinreichend dafür ist, daß ein vorgegebenes
System von n{n) ganzen Zahlen als System der Chernschen Zahlen einer
7i-dimensionalen fast-komplexen X auftritt. Milnor beweist nämlich
folgenden
Satz. Bin System von n{n) ganzen Zahlen tritt dann und nur dann als
System der Chernschen Zahlen einer n-dimensionalen fast-komplexen X
auf, wenn es als System der Chernschen Zahlen einer n-dimensionalen
algebraischen Y auftritt, die einer wohlbestimmten Menge 3DÎ von algebraischen Mannigfaltigkeiten angehört.
Zur Menge 501 gehören die komplexen projektiven Räume, ferner die
Hyperfläche H (nö des zweifach-projektiven Raumes Pr{C) x Pt{C) vom
Doppelgrad (1,1) und mit r > 1, t > 1. Milnor zeigt durch eine einfache
Überlegung, daß es zu jeder algebraischen bzw. fast-komplexen X ein
'Negativum' gibt, das ist eine algebraische bzw. fast-komplexe Mannigfaltigkeit X' gleichdimensional mit X, so daß jede Chernsche Zahl von
X' gleich dem negativen der entsprechenden Chernschen Zahl von X ist.
Wir nehmen nun in die Menge 501 noch jeweils ein Negativum der oben
erwähnten Mannigfaltigkeiten auf. 90t wird aus den bereits in Wl aufgenommenen Mannigfaltigkeiten durch Summenbildung (disjunktes
Vereinigen) und cartesische Produktbildung erzeugt.
Da man die Chernschen Zahlen der Wl erzeugenden Mannigfaltigkeiten berechnen kann, und da man das Verhalten der Chernschen
Zahlen bei Summen- und Produktbildung kennt, kann man durch
Lösen gewisser endlich vieler linearer Gleichungen entscheiden, ob ein
vorgegebenes System von n{n) ganzen Zahlen als System der Chernschen
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F. HIRZEBRUCH
Zahlen einer w-dimensionalen X eWt auftritt. Man wird so zu dem
weiter oben erwähnten vollständigen System von Kongruenzen geführt.
Es ist bisher nicht gelungen, dieses vollständige System für jedes n
explizit niederzuschreiben. Gewisse Kongruenzen ergeben sich aus der
algebraischen Geometrie (Satz von Riemann-Roch). Denn gilt eine
Kongruenz für algebraische X, dann gilt sie nach dem Satz von Milnor
auch für fast-komplexe X; zum Beispiel:
Korollar. Das Toddsche Geschlecht einer fast-komplexen Mannigfaltigkeit ist eine ganze Zahl.
Bisher war nur bekannt[11*13], daß das Toddsche Geschlecht einer
n-dimensionalen fast-komplexen X multipliziert mit 2n~1 eine ganze
Zahl ist. Für eine algebraische X kann man auch die Zahlen
Xp(X) = î{-l)«h?>*
<z=o
durch Linearkombinationen Chernscher Zahlen ausdrücken. Das gibt
weitere Kongruenzen für fast-komplexe X. So ist zum Beispiel für eine
4-dimensionale algebraische X
iX(X)-x1(X)
= ^(2ci + csc1)[X].
Also ist für eine 4-dimensionale fast-komplexe X die Zahl
(2c4 + c 3 c 1 )[Z]
durch 12 teilbar.
Korollar. Die Eulersche Charakteristik einer ^-dimensionalen fastkomplexen X, deren zweite Bettische Zahl verschwindet, ist durch 6 teilbar.
Insbesondere ist die quaternionale projektive Ebene nicht fast-komplex
(vgl.™).
Milnor[16] gelangt zu dem oben angegebenen Satz, indem er für
fast-komplexe Mannigfaltigkeiten ein Analogon der Thomschen
Cobordisme-Theorie[21] aufstellt. Milnor nennt zwei fast-komplexe
Mannigfaltigkeiten gleicher Dimension c-äquivalent, wenn sie in ihren
Chernschen Zahlen übereinstimmen. Die c-Äquivalenzklassen der ndimensionalen fast-komplexen Mannigfaltigkeiten bilden bezüglich des
disjunkten Vereinigens wegen der weiter oben erwähnten Existenz des
Negativums eine Gruppe Tn. Milnor ordnet der unitären Gruppe V{k)
einen Raum M(U{k)) zu, so wie Thom es mit den orthogonalen Gruppen
gemacht hat. Er zeigt, daß 7TiJr2k{M(U{k))) für große k nur von i abhängt
und zwar verschwindet diese 'stabile' Gruppe für ungerades i und ist
isomorph zu Tn füri = 2n. Die Spektralsequenz von J.F.Adams {Comm.
Math. Helvet. 32, 180-214 (1958)) wird entscheidend herangezogen.
KOMPLEXE MANNIGFALTIGKEITEN
125
00
Milnor zeigt weiter, daß r * = 2 Fn bezüglich des cartesischen Produktes
einen graduierten Ring bildet, der dem graduierten Polynomring über
Z in unbestimmten xl9 x2, xz,... isomorph ist. xn entspricht dabei einem
Element von Vn. Einen Isomorphismus von Z[xlyx2,...] auf T* erhält
man, indem man xn irgendeine ^-dimensionale fast-komplexe Mannigfaltigkeit Xn zuordnet, deren Chernsche Zahlen eine gewisse Bedingung
erfüllen. Um diese Bedingung zu beschreiben, führen wir das Polynom
s or
n( i> -"> °"n) e^319 das ^ e symmetrische Funktion V± +t% +... +t% durch
die elementar-symmetrischen Funktionen cri in den t$ ausdrückt. Dann
definieren wir s{X) für eine ^-dimensionale fast-komplexe X als Linearkombination Chernscher Zahlen folgendermaßen:
s{X) = sn{c±,..., cn) [X]
(c,j Chernsche Klasse von X).
Xn muß folgende Bedingung erfüllen: Ist n+1 keine Primzahlpotenz,
dann s{Xn) = ± 1. Ist n+l = qr mit q Primzahl, dann s{Xn) = ±q.
Eine Folge von Mannigfaltigkeiten Xn läßt sich aus den oben angegebenen Erzeugenden der Klasse 9DÎ konstruieren, da
«(Pn(G)) = » + l
und
S (H n( )
= - ( r + ')
(r>l,«>l).
In der Arbeit [16] erhält Milnor mit denselben Methoden auch neue
Informationen über den Thomschen Cobordisme-Ring Q*. Er zeigt,
daß Q* nur 2-Torsion besitzt und daß O* modulo dem Ideal der Torsionselemente die Struktur eines Polynomringes besitzt.
7. Bemerkungen zum Satz von Milnor
(1) Zunächst geben wir für 1 ^ n < 4 ein vollständiges System von
Kongruenzen für die Chernschen Zahlen einer w-dimensionalen fastkomplexen Mannigfaltigkeit an.
n = 1:
cx = 0 mod 2.
7i = 2: c2 + cf = 0 mod 12.
n = 3:
c2cx = 0 mod 24,
c3 = cf = 0 mod 2.
n = 4: - c 4 + c3c± + 3cf + 4c 2 c|-c\ = 0 mod 720,
c2cf + 2c\ = 0 mod 12, - 2c4 + czcx = 0 mod 4.
(2) Aus den Milnorschen Überlegungen kann man folgern, daß es
eine natürliche Zahl gibt, so daß jedes System von n{n) ganzen Zahlen
multipliziert mit dieser Zahl als System der Chernschen Zahlen einer
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F. HIRZEBRUCH
w-dimensionalen fast-komplexen Mannigfaltigkeit auftritt, und daß die
kleinste natürliche Zahl yn mit dieser Eigenschaft gleich dem Nenner des
n-ten Toddschen Polynoms ist (siehe C13]) :
yn= H gMff-D] (g durchläuft alle Primzahlen).
Q.
Analoges gilt für Pontrjaginsche Zahlen und differenzierbare Mannigfaltigkeiten. Die Zahl Nk, nach der in [13],S. 80 gefragt wird, ist gleich
dem Nenner des Polynoms Lk:
Nk = n qm^a~1)]
{q durchläuft die ungeraden Primzahlen).
Q.
(3) Die Frage, wann ein System von n{n) ganzen Zahlen als System
der Chernschen Zahlen einer zusammenhängenden fast-komplexen (bzw.
algebraischen) Mannigfaltigkeit auftritt, bleibt ungelöst. Wahrscheinlich müssen dann für die Chernschen Zahlen neben den Kongruenzen
noch gewisse Ungleichungen erfüllt werden.
(4) Von Milnor und dem Verfasser wurde in Gesprächen der Begriff
der verallgemeinerten fast-komplexen Struktur einer differenzierbaren
Mannigfaltigkeit X eingeführt und angewandt: Eine solche Struktur
ist eine komplexe Struktur (zur Terminologie [1], §7.3) einer trivialen
Erweiterung des reellen Tangentialbündels von X. Unter einer trivialen
Erweiterimg des Tangentialbündels wird dabei seine Whitneysche
Summe mit einem trivialen reellen Vektorraum-Bündel verstanden.
Für verallgemeinerte fast-komplexe Mannigfaltigkeiten sind ebenfalls
Chernsche Klassen und, falls die Dimension von X gerade ist, auch
Chernsche Zahlen definiert. Für die im vorigen Paragraphen skizzierten Untersuchungen von Milnor ist der Begriff der verallgemeinerten
fast-komplexen Mannigfaltigkeit adäquater: Tn ist auch isomorph zur
Gruppe der c-Äquivalenzklassen der verallgemeinerten fast-komplexen
Mannigfaltigkeiten der komplexen Dimension n, so daß zum Beispiel
der Satz über die Ganzheit des Toddschen Geschlechtes auch für verallgemeinerte fast-komplexe Mannigfaltigkeiten richtig ist. Für eine
verallgemeinerte fast-komplexe Mannigfaltigkeit X der komplexen
Dimension n ist cn[X] im allgemeinen von der Eulerschen Charakteristik
e{X) verschieden. So besitzt zum Beispiel die Sphäre S2n eine verallgemeinerte fast-komplexe Struktur mit c%[S2rJ = 0. Aber das zweite
Korollar in §6 gilt, wenn man 'fast-komplex' durch ( verallgemeinert
fast-komplex' und 'Eulersche Charakteristik' durch c4[X] ersetzt. Aus
den Pontrjaginschen Klassen der quaternionalen projektiven Ebene
P2(K) berechnet man, daß c4[P2(K)] für eine verallgemeinerte fast-
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[12]
komplexe Struktur nur ± 3 sein kann , so daß also P2(K) keine verallgemeinerte fast-komplexe Struktur besitzt. Mit Hilfe der bekannten
Einbettung von P n-1 (K) in PW(K) beweist man das entsprechende für
die höher-dimensionalen quaternionalen projektiven Räume: Das
Normalbündel von P?i_1(K) in P^(K) besitzt eine komplexe Struktur.
Da es zu jedem komplexen Vektorraum-Bündel £ ein komplexes Vektorraum-Bündel mit derselben Basis gibt, dessen Whitneysche Summe mit
£ ein triviales Bündel ist, würde nämlich aus der Existenz einer verallgemeinerten fast-komplexen Struktur auf PW(K) die Existenz einer solchen
Struktur auf P7l__1(K) folgen. Man erhält so den
Satz. Die quaternionalen projektiven Bäume PW(K), versehen mit der
üblichen differenzierbaren Struktur, besitzen für n ^ 2 keine verallgemeinerte fast-komplexe {und damit auch keine fast-komplexe) Struktur.
Dies verallgemeinert einen in [12J angegebenen Satz.
(5) Die Existenz von fast-komplexen bzw. verallgemeinerten fastkomplexen Strukturen auf einer differenzierbaren X kann auch mit
Hilfe der Theorie der (höheren) Hindernisse untersucht werden, die
gewisse Cohomologieklassen von X mit den Homotopiegruppen
ni{SO{2n)IV{n)),
i^2n-l,
bzw. mit den stabilen Homotopiegruppen 7ri(SO(2m)/U(m)), m groß, als
Koeffizienten sind. Da auf Grund der Resultate von Bott [3_5] alle diese
Homotopiegruppen wohlbekannt sind, kann man hoffen, daß die
Hindernistheorie sich systematisch durchführen läßt. (Im fast-komplexen Fall ist nur die Gruppe 7T2n_1{SO{2n)ITJ{n)) nicht stabil, aber
auch diese Gruppe läßt sich mit Hilfe der Bottschen Resultate explizit
angeben.)
8. Komplexe Vektorraum -Bündel[1'13]
Ein komplexes Vektorraum-Bündel g mit der typischen Faser C* hat
einen Totalraum Eg, eine Basis Bg und eine (stetige) Projektion 77g von
Eg auf Bg. Ferner ist jede Faser nj^x), wo x e Bg, mit der Struktur eines
g-dimensionalen Vektorraumes über G versehen. Schließlich sind eine
offene Überdeckung {^} von Bg und q Abbildungen «$*>: U^Eg,
{i = l,...,q), für jedes j ausgezeichnet, die Schnitte sind, d.h.
TTgOsW = Identität, und lokale Produktdarstellungen von g Hefern, d. h.
für j edes j ist die durch
{x,X1,...,Xq)^ixis^{x)
(A,€C)
gelieferte Abbildung [^.x&-> ng^Uj) ein Homöomorphismus.
128
F. HIRZEBRUCH
Für g sind Chernsche Klassen c^(g) € H2i{Bg, Z) (1 < i < q) analog
zum speziellen Fall des komplexen Tangentialbündels einer fastkomplexen Mannigfaltigkeit definiert (vgl. § 3). In der Formulierung
des Satzes von Riemann-Roch ist eine gewisse gemischt-dimensionale
Cohomologieklasse von Bg von Bedeutung, der sogenannte Chernsche
Charakter von g, der mit ch (g) bezeichnet wird und (im Falle eines
endlieh-dimensionalen Basisraumes Bg) ein Element des Cohomologieringes H*{Bg, Z) ® Q ist. (Wie üblich bezeichnet 0 die rationalen Zahlen.)
Die Definition von ch (g) erfolgt mit Hilfe der in § 6 angeführten Polynome sk.
„
eh(g) = q+ S t t l ) - 1 « * ^ © , .«,c*(ö).
Dabei sind die Chernschen Klassen cfc(g) für k > q {Cq ist typische Faser
von g) gleich 0 zu setzen. Die Summe ist endlich, wenn Bg endlichdimensional ist.
Schheßhch erinnern wir an die Definition des holomorphen Vektorraum-Bündels. Diese erfolgt genauso wie oben. Eg, Bg sind jetzt komplexe Mannigfaltigkeiten oder komplexe Räume, ng und die s[^ sind
holomorphe Abbildungen.
9. Der Satz von Riemann-Roch [13]
Es sei X eine algebraische Kurve (kompakte Riemannsche Fläche).
Ein Divisor D ist eine endliche formale Linearkombination von Punkten
von X mit ganzzahligen Koeffizienten.
D=
m1$1+...+mkpk.
Das Problem von Riemann-Roch ist, die Dimension des Vektorraumes
über C aller derjenigen auf X meromorphen Funktionen/ zu bestimmen,
deren Divisor plus dem gegebenen Divisor D ein nicht-negativer Divisor
ist, d. h. ein Divisor mit ausschließlich nicht-negativen Vielfachheiten.
Dieser Vektorraum wird mit S(D) bezeichnet. Seine Dimension ist
immer endlich. Jedem Divisor D wird ein holomorphes Geradenbündel
{D} (Vektorraum-Bündel mit C = C 1 als Faser und X als Basis) so zugeordnet, daß £(D) dem Vektorraum über G aller globalen holomorphen
Schnitte von {D} kanonisch isomorph ist. Das führt zu folgender Verallgemeinerung des Problems von Riemann-Roch: X sei eine algebraische
Mannigfaltigkeit und g ein holomorphes Vektorraum-Bündel über X.
Man bestimme die Dimension des Vektorraumes über C der globalen holomorphen Schnitte von g. Es gibt keine allgemeine Antwort auf diese
Frage.
KOMPLEXE MANNIGFALTIGKEITEN
129
Erinnern wir zunächst an den Begriff der analytischen Garbe über
einer komplexen Mannigfaltigkeit X. Einfachstes Beispiel ist die Garbe
Ox, die durch das Garbendatum beschrieben wird, das jeder offenen
Menge U von X, den Ring der in U holomorphen Funktionen zuordnet.
Nachdem die Garbe Ox eingeführt ist, kann man den gerade erwähnten
Ring identifizieren mit Y{U,Ox), dem Ring der Schnitte über U der
Garbe (9X. Eine analytische Garbe kann durch ein Garbendatum
angegeben werden, das jeder offenen Menge U von X einen Modul über
Y{U,@X) zuordnet. Jedes holomorphe Vektorraum-Bündel g über X
bestimmt eine analytische Garbe (9(g) vermittels des Garbendatums,
welches jeder offenen Menge U von X den T{U, 0x)-Modul der holomorphen Schnitte von g über U zuordnet. Falls g das triviale Geradenbündel ist, dann ist 0(g) = &x. Die analytischen Garben heißen auch
Garben von 0x-Moduln[18]. Homomorphismen solcher Garben sind per
definitionem immer ^-HomomorphismenC18].
Es sei nun X wieder eine algebraische Mannigfaltigkeit und g ein
holomorphes Vektorraum-Bündel über X. Dann bezeichnet man mit
%(X, g) die alternierende Summe der Dimensionen der Cohomologiegruppen von X mit Koeffizienten in 0(g). Diese Cohomologiegruppen sind
endlich-dimensionale Vektorräume über C.
X(X,ê) = £(-l)*dim o #'(X,0(£))
dim c l? 0 (X, 0(g)) ist dabei die Zahl, nach der im Problem vom RiemannRoch gefragt wird. Hl{X, 0(g)) verschwindet, wenn i größer als die
komplexe Dimension von X ist. Wenn g das triviale Geradenbündel ist,
dann ist %(X, g) das in § 5 betrachtete arithmetische Geschlecht x(%)Der Satz von Riemann-Roch besagt, daß sich x(X, g) durch die Chernschen Klassen von X und g ausdrücken läßt. Die Chernschen Klassen
von X sind natürlich diejenigen des Tangentialbündels von X.
Wir bezeichnen mit ci die Chernschen Klassen von X und führen die
totale Toddsche Klasse ein durch
y-{X) = TlTj{c1,...,cj), wo
T0=leH0{X,Z).
i=o
Die Tj sind die in § 5 betrachteten Toddschen Polynome. Wir multiplizieren den Chernschen Charakter ch(g) (siehe §8), mit 3~{X) und
erhalten ein (gemischt-dimensionales) Element des Cohomologieringes
H*(X,Z)®Q.
ch{£)3r{X)eH*{X,Z)®Q.
Ist a ein beliebiges Element von H*{X, Z) ® Q und hat X die komplexe
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F. HIRZEBRUCH
Dimension n, dann wird unter a[X] der Wert der 2n-dimensionalen
Komponente von a auf dem Grundzyklus der orientierten X verstanden.
oc[X] ist eine rationale Zahl.
Der Satz von Biemann-Boch[13i besagt
X(X,£) = (ch(£)$-(X))[X].
Die vorstehende Gleichung ist eine Verallgemeinerung der in §5
betrachteten Übereinstimmung von Toddschem und arithmetischem
Geschlecht. Wenn g das triviale Geradenbündel ist, dann ist nämlich
ch(g) = 1. Per definitionem ist &~{X)[X] das Toddsche Geschlecht
T{X).
Die rationale Zahl (ch (g) ^{X)) [X] ist auch für eine fast-komplexe
Mannigfaltigkeit X und ein (stetiges) komplexes Vektorraum-Bündel
g wohl-definiert. Sie werde mit T{X,E) bezeichnet. Es ist keineswegs
klar, daß diese Zahl ganz ist. Der Satz von Riemann-Roch impliziert
ihre Ganzheit für eine algebraische X und ein holomorphes g. Den
Überlegungen von [1], wo gezeigt wurde, daß T{X, g) multipliziert mit
einer geeigneten Potenz von 2 ganz ist, folgend, kann man die Ganzheit
von T{X, £)für eine fast-komplexe X und ein stetiges g beweisen. Man hat
dazu die Resultate von Milnor (§ 6) heranzuziehen (mit der in § 7 (4)
angegebenen Verallgemeinerung).
Ganzzahligkeitsaussagen über T{X, g) lassen sich, wie in [11 gezeigt
wird, zu Sätzen über kompakte orientierte differenzierbare Mannigfaltigkeiten umformen. Man erhält so folgenden Satz, der in [1] nur
'bis auf Potenzen von 2 ' bewiesen werden konnte.
Satz. Es sei X eine kompakte orientierte differenzierbare Mannigfaltigkeit, pi € HU{X, Z) sei die i-te Pontrjaginsche Klasse von X und
{Aj{px, ...,Pj)} sei die multiplikative Folge von Polynomen, die zur
Potenzreihe
-, ;
sinh.\^jz
gehört. Ferner seien d ein Element von H2{X, Z), das mod 2 gleich der
Stiefelr-Whitneyschen Klasse w2 e H2{X, Z2) ist, und g ein komplexes
Vektorraum-Bündel über X. Dann ist
mfìótÌAJ(pv...9Pi))[x\
eine ganze Zahl.
Die hier kurz referierten Dinge sollen in einer an [1] anschließenden
gemeinsamen Arbeit mit A. Borei dargestellt werden ([1], Part III). Der
vorstehende Satz läßt manche Folgerungen zu, so ergibt sich der Satz
KOMPLEXE MANNIGFALTIGKEITEN
131
[4]
von Bott , daß die Chernsche Klasse cn eines komplexen VektorraumBündels über der Sphäre S2n durch {n— 1)! teilbar ist. Ferner hat
Milnor[15'173 mit Hilfe des Satzes Ergebnisse über die stabilen Homotopiegruppen der Sphären erhalten.
10. Kohärente analytische Garben
Es sei X eine komplexe Mannigfaltigkeit. Der Begriff der kohärenten
analytischen Garbe ist lokaler Natur. Zu diesen Garben gehören einmal
die Garben 0(g), wog ein holomorphes Vektorraum-Bündel ist, und
allgemeiner die analytischen Garben, die sich lokal als Kokern eines
lokalen Homomorphismus (9(g) -> 0(g') darstellen lassen[18], wog, g'
triviale Vektorraum-Bündel sind. Das sind alle kohärenten analytischen
Garben. Ist X algebraisch, zusammenhängend, w-dimensional, dann
lassen sich die kohärenten analytischen Garben kennzeichnen, als diejenigen analytischen Garben G, zu denen es holomorphe VektorraumBündel g0,g1?, ..,gw über X und globale Garbenhomomorphismen gibt,
so daß man eine exakte Sequenz
o -> &(U -> mn-ù - > - - * 0(&>) -> s -> o
(i)
hatC2]. Eine solche Sequenz nennt man eine Auflösung von G in Vektorraum-Bündel. Diese Auflösungen hängen mit dem Syzygien-Satz von
Hilbert zusammen. Von nun an seien die auftretenden Räume X, Y,
zusammenhängend.
X sei weiterhin algebraisch und G kohärent analytisch über X.
Grothendieck[2] definiert den Chernschen Charakter von G mittels einer
Auflösung von G in Vektorraum-Bündel wie folgt:
n
ch (0) = 2-( -1)< oh &) € H*(X, Z) ®Q.
(2)
Er zeigt, daß diese Definition legitim ist, d. h. daß ch (ö) unabhängig
von der Wahl der Auflösung ist. Wichtig ist dabei die Linearität des
Chernschen Charakters: Wenn 0 -> g' -> g -> g" -> 0 eine exakte Sequenz
von Vektorraum-Bündeln ist, dann ist
ch(g) = ch(g') + ch(g'').
Für die kohärente analytische Garbe G über der algebraischen X kann
man die Zahl ^(X, G) wie im Falle eines Vektorraum-Bündels definieren
oo
X(X,G)^^(-lYâàmcH^X,0).
i=0
Diese Summe enthält wieder nur endlich viele Glieder, die Dimensionen
der Cohomologiegruppen sind endlich. Nimmt man für G eine Auflösung
9-2
132
F. HIRZEBRUCH
(1), dann folgt aus elementaren Eigenschaften der Eulerschen Charakteristik, daß
(3)
X (X,ö) = S ( - l ) ^ ( X , g , ) .
3=0
Wegen (2), (3) besitzt der Satz von Riemann-Roch die folgende Ausdehnung auf kohärente Garben über einer algebraischen X:
X (X,ö)
= (ch(ö)eT(X))[X].
(4)
11. Direkte Bilder analytischer Garben [2>9]
Im Satz von Riemann-Roch (4) tritt die gemischt-dimensionale
Cohomologieklasse ch{G)S<~{X) e H*{X,Z)®Q auf. Eigentlich spielt
aber in (4) nur die Komponente dieser Cohomologieklasse eine Rolle,
deren Dimension gleich 2.dim c X ist. Grothendieck hat dem Satz von
Riemann-Roch nun eine allgemeinere Formulierung gegeben, in der die
gesamte Klasse ch {G)&~{X) herangezogen wird: Grothendieck betrachtet zwei algebraische Mannigfaltigkeiten X und Y, eine kohärente
analytische Garbe G über X und eine holomorphe Abbildung / von X
in Y. Dann hat man einen additiven (nicht multiplikativen) Homomorphismus
^
^ ^
_ ^ ( r Z )
und ebenso einen Homomorphismus/# der mit 0 tensorierten Gruppen.
/.j. ist folgendermaßen definiert. Man nimmt zu einer Cohomologieklasse a von X die ihr via Poincare-Dualität entsprechende Homologieklasse, bildet diese durch / i n Y ab, erhält eine Homologieklasse
von Y und definiert dann f* oc als die der letzten Homologieklasse via
Poincare-Dualität entsprechende Cohomologieklasse. Offensichtlich ist
dim/* a = dim a + 2. (dimc Y — dimc X). Grothendieck versucht nun,
/*(ch(ö) eT(X)) in der Form ch(?) F{Y) darzustellen. Dazu werden
die direkten Bilder analytischer Garben benutzt.
Es seien X und Y komplexe Mannigfaltigkeiten (nicht notwendigerweise kompakt), G eine analytische Garbe über X und/eine holomorphe
Abbildung von X in Y. Das g-te direkte Büd von G ist eine analytische
Garbe über Y, die mit f%{G) bezeichnet wird. Zu ihrer Definition geben
wir ein Garbendatum an: Für eine beliebige offene Menge U von Y
betrachten wir die Cohomologiegruppe Hq{f"1{U)9G). Diese ist ein
Modul über den in / _1 (Î7) holomorphen Funktionen. Da jede in U holomorphe Funktion zu einer in / _1 (Ì7) holomorphen Funktion geliftet
werden kann, ist H^f-^U), G) auch ein Modul über T{U, ßT)> dem Ring
der in ü holomorphen Funktionen. Die T{ü, 0F)-Moduln Httf-^U), G)
KOMPLEXE MANNIGFALTIGKEITEN
133
hefern ein Garbendatum für die analytische Garbe f%{G) über Y. Diese
direkten Bilder treten im wesentlichen bereits in den fundamentalen
Arbeiten von Leray auf. f%{G) ist die Nullgarbe, wenn q > 2dim c X.
Satz. Wenn X und Y algebraische Mannigfaltigkeiten sind {vgl. Einleitung), wenn f: X -> Y holomorph ist und G eine kohärente analytische
Garbe über X ist, dann sind die direkten Bilder f%{G) kohärente analytische
Garben über Y.
Dieser Satz, über den wir gleich noch einige Bemerkungen machen
werden, ermöglicht die folgende Definition
/,ch((?) = i(-l^ch(/g(ö)).
In der Tat, die/|(ö) sind kohärent, also sind ihre Chernschen Charaktere
nach § 10 wohldefiniert. (Der Chernsche Charakter der Nullgarbe ist
gleich 0.)
12. Der Satz von Riemann-Roch-Grothendieck [23
Satz. Es seien X und Y algebraische Mannigfaltigkeiten {vgl. Einleitung), f eine holomorphe Abbildung von X in Y und G eine kohärente
analytische Garbe über X. Dann gilt inH*{Y,Z)®Q die folgende Gleichung :
/*(ch(G)^(X)) = (/,ch(£)),r(7).
(1) Dieser Satz etabliert eine starke Kovarianz-Eigenschaft der
Toddschen Polynome. Wenn zum Beispiel X aus Y durch Aufblasen
einer Untermannigfaltigkeit von Y entsteht (monoidale Transformation)
und/die natürliche birationale Abbildung von X auf Y ist und G = @x
ist, dann ist f%{@x) = 0T und f%{@x) = 0 für q > 0. In diesem Falle
besagt die Grothendiecksche Formel
Es entsteht die Frage, ob diese Gleichung für jede birationale holomorphe Abbildung einer algebraischen X auf eine algebraische Y gilt.
(2) Der übliche Satz von Riemann-RochE13] (vgl. die Formel (4)
von § 10) ergibt sich, wenn man für Y einen Punkt nimmt und für / die
konstante Abbildung. Dann ist 3~{Y) = 1, ferner ist
ch(/|((?)) = d i m c ^ ( X , ( ? ) . l .
Die Kohärenz der Bildgarben besagt hier, daß die Dimensionen der
HQ{X,G) über C endlich sind. Weiter beachte man, daß /* auf allen
134
F. HIRZEBRUCH
Komponenten von eh ((?)^"(X), deren Dimension kleiner ist als
2.dim c X, verschwindet, und daß
Mch(G)tT(X))
=
(oh(0)^(X))[X].l.
(3) Die wichtigste Anwendung des Grothendieckschen Satzes ist
wohl der übliche Satz von Riemann-Roch, da für diesen bisher kein
algebraischer Beweis bekannt war. Die allgemeinere Formulierung hat
den algebraischen Beweis möglich gemacht, der zunächst für den Fall
einer Projektion/: X x P -» X {P ein projektiver Raum), und dann für
Injektionen / : X -> Y durchzuführen ist. Im zweiten Fall spielen die
monoidalen Transformationen eine entscheidende Rolle. Wie gesagt,
Grothendiecks Beweis ist rein algebraisch, er ist gültig für Grundkörper
behebiger Charakteristik. Man hat in Formulierung und Beweis des
Satzes die analytischen Begriffe durch die entsprechenden algebraischen
zu ersetzen (holomorph durch regulär, kohärent analytisch durch
kohärent algebraisch usw.), die Zariski-Tolopogie und (anstelle des
Cohomologieringes) den Schnittring (Chowschen Ring) der Äquivalenzklassen algebraischer Zyklen zu verwenden. Der Satz von §11 wird
ebenfalls ein rein algebraischer Satz. In diesem Vortrag haben wir
durchweg die analytische Sprache verwendet, und der hier formulierte
Satz von Grothendiek hat daher a priori (selbst bei Beschränkung auf
Charakteristik 0) einen anderen Inhalt als der in [2] angegebene Satz
von Riemann-Roch-Grothendieck. Wegen der Serreschen (GAGA)Korrespondenzsätze[19] zwischen analytischer und algebraischer Geometrie waren wir aber berechtigt, die analytische Sprache zu verwenden.
13. Mögliche Verallgemeinerungen
Wie weit gilt der Satz von Riemann-Roch für komplexe Mannigfaltigkeiten? Die übliche Formulierung von § 9 ist sinnvoll für kompakte
komplexe Mannigfaltigkeiten und holomorphe Vektorraum-Bündel £.
Die Vermutung, daß die Gleichung
x(X,o
=
(oM£).f(X))[X]
in diesem Falle richtig ist, wird bestärkt durch das neue Resultat (§ 9),
daß die rechte Seite eine ganze Zahl ist.
Um zu einer Verallgemeinerung im Sinne von Grothendieck zu kommen, ist zunächst zu untersuchen, in welchen Fällen die direkten Bilder
kohärenter analytischer Garben wieder kohärent sind. Darüber haben
Grauert und Remmert[7~103 wichtige Resultate erhalten (sogar im Falle
KOMPLEXE M A N N I G F A L T I G K E I T E N
135
komplexer Räume). Man hat folgende allgemeine Vermutung (Grothendieck-Grauert-Remmert) :
Bei einer eigentlichen holomorphen Abbildung f eines komplexen Baumes
X in einen komplexen Baum Y sind die direkten Bilder einer kohärenten
analytischen Garbe über X kohärente analytische Garben über Y.
X und Y werden hier nicht als kompakt vorausgesetzt. 'Eigentlich'
bedeutet, daß für jede kompakte Teilmenge K von Y auch f~x{K)
kompakt ist.
Grauert und RemmertC8] haben gezeigt, daß die obige Vermutung
richtig ist, wenn X analytisch-vollständig und Y holomorph-vollständig
ist. Zu den analytisch-vollständigen Mannigfaltigkeiten[8] gehören
sowohl die holomorph-vollständigen (Steinschen) als auch die algebraischen Mannigfaltigkeiten. Die Klasse der analytisch-vollständigen
Mannigfaltigkeiten ist abgeschlossen bezüglich Produktbildung und
Bildung von Untermannigfaltigkeiten.
Aus der Gültigkeit der obigen Vermutung für analytisch-vollständiges
X und holomorph-vollständiges Y ergibt sich leicht ihre Gültigkeit für
analytisch-vollständiges X und behebiges Y. Das schließt den Satz
von § 11 ein, der aber leichter über die algebraische Geometrie zu erhalten
ist (§12 (3)).
Weiter muß man den Chernschen Charakter einer kohärenten analytischen Garbe über X (bzw. Y) definieren können. Dazu braucht man
die Auflösung einer solchen Garbe in (endlieh-viele) holomorphe Vektorraum-Bündel über zusammenhängenden relativ-kompakten Teilmengen
von X (bzw. Y). Nach mündlicher Mitteilung von Remmert ist das
möglich, wenn X (bzw. Y) analytisch-vollständig ist.
Der Satz von Biemann-Grothendieck scheint richtig zu sein für analytisch-vollständige Mannigfaltigkeiten X, Y, eine holomorphe eigentliche
Abbildung f: X -> Y und eine kohärente analytische Garbe über X.
Ob Grauert, Grothendieck oder Remmert zur Stunde ein exakter
Beweis bekannt ist, weiß der Verfasser nicht.
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Zusätze bei Korrektur
(1) Die Vermutung von § 13 über die direkten Bilder wurde inzwischen von
H. Grauert bewiesen.
(2) Der Satz von Riemann-Roch-Grothendieck (§ 12) hat ein differenzierbares
Analogon gefunden (M. F . Atiyah and F . Hirzebruch, Bull. Amer. Math.
Soc, to appear).
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