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Medizinische Hochschule Hannover
Klinik für Neurochirurgie
(Direktor: Prof. Dr. med. J. K. Krauss)
Diagnostik, operative Therapie und
postoperative Ergebnisse
bei seltenen raumfordernden Prozessen
der Sellaregion
Dissertation
zur Erlangung des
Doktorgrades der Medizin
in der Medizinischen Hochschule Hannover
vorgelegt von
Ioannis Petrakakis
aus Thessaloniki
Hannover 2014
Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover
am 07.07.2015
Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover
Präsident:
Prof. Dr. med. Christopher Baum
Betreuer:
Prof. Dr. med. Makoto Nakamura
Referent:
Prof. Dr. med. Omid Majdani
Korreferent:
Prof. Dr. med. Christian Hartmann
Tag der mündlichen Prüfung: 07.07.2015
Promotionsausschussmitglieder:
Prof. Dr. med. Hermann Müller-Vahl
Prof. Dr. med. Marc Ziegenbein
Prof. Dr. med. Frank Schuppert
II
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Definition der Sellaregion und Historie
1
1
1.1.1 Definition
1
1.1.2 Historie
2
1.2 Anatomie und Embryogenese der Sellaregion
5
1.2.1 Knöcherne Anatomie – Os sphenoidale und Sella turcica
5
1.2.2 Anatomie des Infundibulums und der Hypophyse
7
1.2.3 Anatomie der supra- und parasellären Region
10
1.2.4 Embryogenese der Sellaregion und der Hypophyse
11
1.3 Physiologie der hypothalamo-hypophysären Achse
14
1.3.1 Adenohypophyse
14
1.3.2 Neurohypophyse
17
1.3.3 Pars intermedia
18
1.4 Häufige Tumordiagnosen der Sellaregion
18
1.4.1 Hypophysenadenome
18
1.4.2 Kraniopharyngeome
19
1.4.3 Zysten der Rathke’schen Tasche
20
1.4.4 Meningeome
20
1.5 Symptomatik und Diagnostik von Tumoren der Sellaregion
21
1.5.1 Klinische Symptomatik
21
1.5.2 Neuroophthalmologische Evaluation
23
1.5.3 Radiologische Diagnostik und Evaluation
23
1.5.4 Laborchemische endokrinologische Evaluation
25
2. Zielsetzung der Arbeit
27
3. Methodik
28
3.1 Definition des Patientenkollektivs
28
3.2 Datenerfassung
28
3.3 Präoperatives Assessment
29
3.3.1 Anamnese, Klinische Untersuchung
29
3.3.2 Endokrinologische Labordiagnostik
29
3.3.3 Ophthalmologische Diagnostik
30
3.3.4 Radiologische Diagnostik
30
3.3.5 Auswertung der Tumorausdehnung und des Wachstumsmusters
30
III
3.4 Operationsmethode
31
3.4.1 Transkranielle, mikrochirurgische Methode
32
3.4.2 Endoskopische, endonasale transsphenoidale Methode
35
3.5 Postoperatives Management
40
3.5.1 Klinische Überwachung
40
3.5.2 Postoperative radiologische Diagnostik
41
3.5.3 Hormonsubstitution
41
3.6 Aufarbeitung der histologischen Diagnose
42
3.7 Datenerfassung bei der Nachuntersuchung (Follow-up)
42
3.8 Statistische Aufbereitung und Analyse
44
4. Ergebnisse
45
4.1 Übersicht
45
4.1.1
Seltene Prozesse und Tumorarten der Sellaregion
45
4.1.2
Histopathologische Übersicht
45
4.1.3
Geschlechtsverteilung
46
4.1.4
Altersverteilung
48
4.1.5
Anamnesedauer
48
4.1.6
Leitsymptome und begleitende Symptomatik
49
4.1.7
Ophthalmologischer Befund und postoperative Entwicklung
50
4.1.8
Präoperative Hormondiagnostik und postoperative Entwicklung
52
4.1.9
Wachstumsmuster und weitere radiologische Eigenschaften
56
4.1.10
Operationsmethoden
58
4.1.11
Operationsbedingte Morbidität nach Operationsmethode und
Histologie
60
4.1.12
Anschlusstherapien
61
4.1.13
Auswertung der Lebensqualität / des Outcomes
62
4.1.14
Rezidivtumore nach Histologie und Ausmass der Tumorresektion
63
4.2 Einteilung der Ergebnisse nach histologischen Kriterien
64
4.2.1
Selläres Xanthogranulom oder Cholesteringranulom
64
4.2.2
Metastase in der Sellaregion
66
4.2.3
Supraselläres Gliom
69
4.2.4
Kolloidzyste der Sellaregion
71
4.2.5
Epidermoidzyste der Sellaregion
74
4.2.6
Selläres Gangliozytom
76
4.2.7
Lymphozytäre Hypophysitis
78
4.2.8
Gemischter Keimzelltumor in der Sellaregion
80
IV
5. Diskussion
82
5.1 Seltene Tumoren in der Sellaregion
82
5.2 Besonderheiten bei seltenen Tumoren der Sellaregion
85
5.3 Operative Strategien
86
5.4 Komparative Analyse der seltenen Prozesse der Sellaregion
87
5.5 Schlussfolgerung
100
6. Zusammenfassung
101
7. Literaturverzeichnis
104
8. Abkürzungsverzeichnis
120
9. Danksagung
124
Lebenslauf
125
Erklärung n. § 2 Abs. 2 Nr. 6 & 7 der Promotionsordnung
126
1
1.
Einleitung
1.1.
Definition der Sellaregion und Historie
1.1.1. Definition
Die Sellaregion ist der Bereich in der Mitte der Schädelbasis (Abb. 1), in der die Hypophyse
in einer knöchernen Vertiefung des Keilbeins liegt, dem sogenannten Türkensattel (Sella
turcica). Die Sellaregion grenzt nach vorne und teilweise unten an die Keilbeinhöhle (Sinus
sphenoidalis). Zu beiden Seiten grenzt die Struktur des Sinus cavernosus und nach hinten
die präpontine Zisterne. Zur Sellaregion gehört ebenfalls die Zisterne oberhalb der
Hypophyse, die supraselläre Zisterne, in der sich der Hypophysenstiel und die
Sehnervenkreuzung befinden.
Abb.1: Markierung der Sellaregion in der Schädelbasis am anatomischen Präparat aus Isolan
GR et al. The implications of microsurgical anatomy for surgical approaches to the sellar region.
Pituitary 12:360-7, 2009
2
1.1.2
Historie
Die Kenntnise über die Hypophyse oder Hypophysis und die Sellaregion reichen zurück bis
zu Aristoteles aus Stageira (3Jh. vor Chr.), der diese beschrieben hatte und auch behauptet
hatte, dass durch dieses Organ das Phlegma, eine der vier wichtigen flüssigen Substanzen
des Körpers, aus dem Gehirn in den Körper umverteilt werden würde. Auf Lateinisch
bedeutet Phlegma „pituita“ und nachfolgend wurde die Hypophyse in der medizinischen
Literatur auf Englisch als „pituitary“ benannt (Allen MB et al, 1977; Amar AP et al, 2003).
Im 15. und 16. Jahrhundert erfolgte die erste illustrativ präzise Darstellung des Chiasma
opticum und der knöchernen Schädelbasis durch die Arbeiten von Leonardo da Vinci (14521519 n. Chr.) und Giacomo Berengario da Carpi (1460-1530 n.Chr.) (Reganchary S et al,
2005).
Zweifellos war der Meilenstein in der anatomischen Beschreibung der Hypophyse
das Schriftwerk „De humani corporis fabrica“ von Andreas Vesalius (1514-1564 n.Chr.). Hier
wird die Hirnanhangdrüse erstmalig aufgrund der Lokalisation unter dem Gehirn als
„Hypophysis“ bezeichnet (griech. υπόφυσις / das unten anhängende Gewächs) (Amar AP et
al, 2003). Die knöcherne Eindellung in der Mitte des Os sphenoidale, wo die Hypophyse
liegt, wurde bis 1627 als Fossa hypophysialis oder Ephippio (griech. Εφίππιον, Sattel)
genannt. Dann wurde die Etymologie „sella turcica“ (Türkensattel) von Adriaan von den
Spieghel in seiner Arbeit „De humani corporis fabrica libri decem“ (Abb. 2) eingeführt. Die
anatomische Abbildung dieser Region wird mit der Arbeit von Thomas Willis (1621-1675)
über den Blutkreislauf an der Basis des Gehirns um die Hypophyse herum (Cerebri Anatome
– 1644) mit seinen Anastomosen und der ersten Beschreibung des sogenannten „Circulus
Willisi“ verfeinert. (Reganchary S et al, 2005).
Erst am Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Achse „Hypothalamus-Hypophyse-endokrine
Organe“
im
Sinne
eines
homöostatischen
Systems
aus
hormoneller
bzw.
neurophysiologischer Sicht von Claude Bernard (1813-1878) vorgeschlagen (Toni R et al,
2000).
Die ersten Versuche der chirurgischen Behandlung von Tumoren in der Sellaregion über
Kraniotomien wurden von Sir Victor Horsley im Zeitraum 1890-1907 durchgeführt (Pollock
JR et al, 2003).
Anfang des 20. Jahrhunderts (1900s) wurde bei den demütigenden
Ergebnissen der o.g. Operationen ein anderer, direkter Zugang zur Sellaregion transnasal,
transsphenoidal von Schloffer entwickelt (Lindholm J et al, 2007). Gleichzeitig führten
Kanavel und Kocher den sublabialen Zugangsweg ein (Abb. 3). Diese Methode wurde von
3
Cushing bis 1927 am Johns Hopkins Hospital propagiert (Liu JK et al, 2005; Kanavel A,
1909; Cushing H, 1914). In den nächsten Jahren wurde von Oskar Hirsch der transnasale,
transseptale Zugang, der die Grundlage für sämtliche späteren Entwicklungen der
endonasalen Operation für die sellären Läsionen darstellte, weiterentwickelt (Liu JK et al,
2005).
Abb.2 : „De humani corporis fabrica libri decem“ von Adriaan von den Spieghel aus Hyrtl J.
Onomatologia Anatomica. Geschichte und Kritik der anatomischen Begriffe der Gegenwart. Wien,
1880
4
Abb.3 : Transkranielle Operation mit Kraniotomie und sublabialer, transsphenoidaler Zugang
zur Sellaregion – von Harvey Cushing (Illustration von Max Brödel 1912-1915) aus Laws ER Jr et
al. Sellar and parasellar Tumors. Diagnosis, Treatments and Outcomes. Thieme, 2011
Norman Dott, in Edinburgh, verfeinerte von 1925 bis 1950 die transsphenoidale Methode der
Operation in der Sellaregion (Liu JK et al, 2001). Gerard Guiot, in Frankreich, und sein
Schüler Jules Hardy entwickelten diese Methode weiter, ferner etablierten sie zum ersten
Mal Mikroskop und Endoskop in der Chirurgie der Sellaregion, als auch die intraoperative
Fluoroskopie zur Kontrolle der Position der Sella (Abb. 4) während der Operation (Gandhi
CD et al, 2009; Hardy J, 1965; Hardy J, 1969).
Die Entwicklung der endoskopischen Technologie und der Optik als auch der Auflösung der
Illumination ermöglichte seit 1980 endoskopisch assistierte transnasale Operationen
(Apuzzo ML et al, 1977; Fries G et al, 1998). In den Jahren 1990-2000 wurde die erste
Erfahrung der auch heutzutage anerkannten und angewendeten Methode mit ausschließlich
endoskopischem, endonasalem transsphenoidalem Zugang, von Jho und Carrau in
Pittsburgh und Cappabianca und de Diviitis in Neapel weiterentwickelt (Carrau RL et al,
1996; Carrau RL et al, 2001; Cappabianca P et al, 1999).
5
Abb.4 : Operatives Setup mit Fluoroskopie, eingeführt von Gerard Guiot und propagiert von
Jules Hardy aus Hardy J. Transsphenoidal Hypophysectomy. J Neurosurg 34:582-594, 1971
1.2. Anatomie und Embryogenese der Sellaregion
1.2.1. Knöcherne Anatomie – Os sphenoidale und Sella turcica
Das Os sphenoidale (Keilbein) befindet sich in der Mitte der Schädelbasis (Abb. 1). Das Os
sphenoidale, von anterior gesehen, ähnelt dem Bild einer Wespe mit nach oben gestreckten
Flügeln (Abb. 5). Es besteht aus einem zentralen Teil in der Mitte, dem Corpus Os
sphenoidale; zwei Flügel die aus dem oberen Bereich des Corpus ausgehen, die Ala minor;
zwei Flügel die aus dem unteren Bereich des Corpus ausgehen, die Ala major; und
schließlich zwei Processus die nach kaudal gerichtet sind, der Proc. pterygoideus mit zwei
Laminae jeweils lateral und medial.
Die Sella turcica oder Fossa hypophysialis befindet sich in der Mitte des Corpus des Os
sphenoidale und ist eine einzigartig geformte knöcherne, eingedellte Struktur. Sie besteht
aus einem tiefen zentralen Bereich, wo die Hypophyse eingebettet ist. Die ventrale
Abgrenzung (Wand) ist das sogenannte Tuberculum sellae – eine knöcherne Struktur, in der
sich ein leichter knöcherner Eindruck befindet, der Sulcus prechiasmaticus. Dieser Eindruck
trennt das Tuberculum sellae vom Planum sphenoidale, der glatten Oberfläche des Corpus
Os sphenoidale (Laws ER Jr et al, 2011; Rhoton AL Jr et al, 1996).
Das Planum sphenoidale befindet sich mittig in der dorsalen vorderen Schädelgrube,
unmittelbar dorsal des Übergangs zur Lamina cribrosa und zum Os frontale. Auf dem
6
Planum sphenoidale liegt der Gyrus rectus, der N. olfactorius und der hintere Teil des
Frontallappens.
Nach medial zieht die Ala minor weiter nach dorsal und formt eine rundliche Verlängerung,
den Proc. clinoideus anterior.
Ferner findet sich eine laterale knöcherne Extension der
Grenze des Tuberlucum sellae, der Proc. clinoideus medius. Die dorsale knöcherne Wand
der Sella turcica ist das Dorsum sellae, welches als eine große knöcherne Erhöhung nach
kranial und ventral gerichtet ist. Hier besteht eine Kontinuität nach kaudal mit dem Clivus.
Am kranialsten Punkt dieser o.g. Erhöhung, zeigen die lateralen Grenzen eine rundliche
Extension, den Processus clinoideus posterior (Laws ER Jr et al, 2011; Rhoton AL Jr et al,
1996).
Der Canalis opticus, durch den der N. opticus von der Orbita ins Neurokranium verläuft wird
durch eine dünne knöcherne Strebe (optic strut) von der Fis. orbitalis superior getrennt. An
der ventralen Seite des Corpus befinden sich die Ostia sphenoidale oder Apertura sinus
sphenoidalis, die die Nasenhöhle und Rachenraum mit dem Sinus sphenoidalis verbindet.
7
a
b
Abb.5: Das Os sphenoidale ähnelt dem Bild einer Wespe
a.Sicht auf das Os sphenoidale von hinten : 1. Tuberculum sellae, 2. Dorsum sellae, 3. Ala minor,
4. Fissura orbitalis superior, 5. Ala minor, 6. Foramen rotundum, b.Sicht auf das Os sphenoidale
von vorne : 1. Ala minor, 2.-3.-4. Ala major, 6.-7.-8. Proc. Pterygoideus, aus Laws ER Jr et al. Sellar
and parasellar Tumors. Diagnosis, Treatments and Outcomes. Thieme, 2011
1.2.2.
Anatomie des Infundibulums und der Hypophyse
Die Hypophyse befindet sich in der o.g. Fossa hypophysialis, und hat eine durale
Abdeckung, das Diaphragma sellae, welches das Dach der Sella turcica formt (Abb. 6). Der
Hypophysenhinterlappen hat eine leicht hellere Farbe im Vergleich zum Vorderlappen. Der
Hypophysenvorderlappen dehnt sich nach kranial aus und kreist um den unteren Teil des
8
Hypophysenstiels herum, diese Ausdehnung formt die Pars tuberalis. Der distale und größte
Teil des Vorderlappens ist die Pars distalis (Abb. 7).
Im Durchschnitt beträgt die Hypophyse beim Erwachsenen ca. 10mm in Länge, 10-15mm in
der Breite und 5mm in der Größe. Bei Frauen ist die Hypophyse in der Regel um ca. 20%
schwerer. Es ist auch bekannt, dass die Hypophyse eine Vergrößerung von 12-100%
während der Schwangerschaft zeigt. Diese Variationen liegen auch an der Größenvariabilität
der Pars distalis. (Kirgis HD et al, 1972; Amar AP et al, 2003).
Abb.6: Ansicht der Sellaregion von oben. CN II: N. opticus, Car. A.: ACI, Diaph.: Diaphragma
sellae , CN III: N. oculomotorius, Sup. Hyp. A.: A. hypophysialis superior (AHS), aus Rhoton AL Jr et
al. The Orbit and Sellar Region: Microsurgical Anatomy and Operative Approaches. Thieme, 1996
Arterielle Versorgung und hypothalamo-hypophysärer Pfortaderkreislauf
Die Hypophysenfunktion wird durch zwei Mechanismen reguliert, jeweils mittels eines
separaten Gefäßnetzes. Zum einen, über eine direkte Steuerung vom Hypothalamus zur
Neurohypophyse über Neuraxone des Hypothalamus, die in der Neurohypophyse enden und
neurosekretorische Produkte
in den Kreislauf freisetzen, sowie zum anderen über eine
Ausschüttung von Hormonen, die im Hypothalamus produziert werden, und über das portale
venöse System der Adenohypophyse die Funktion der Adenohypophyse kontrollieren.
9
Abb.7 : Ansicht der Sellaregion von der Seite. Darstellung der Sellaregion und Hypophyse mit
ihren verschiedenen Teilen. 1. Adenohypophyse, 2. Neurohypophyse, 3. Recessus infundibularis, 4.
Pars tuberalis, 5. Pars intermedia, 6. Pars distalis, aus Laws ER Jr et al. Sellar and parasellar Tumors.
Diagnosis, Treatments and Outcomes. Thieme, 2011
Abb.8: Seitliche Darstellung der Sellaregion im anatomischen Präparat links und Einzeichnung
derselben Region rechts. Die anatomische Verhältnisse zwischen N. opticus, ACI, AHS,
Hypophysenstiel, Dorsum und Diaphragma sellae wird dargestellt, aus Koos WT, Spetzler RF et al.
Color Atlas of Microneurosurgery. Microanatomy, Approaches, Techniques. Volume 1, 2nd Edition,
Thieme, 1993
10
Die Adenohypophyse ist ein sehr reichlich vaskularisiertes Gewebe mit einer Blutversorgung,
die 0,8ml/g/min beträgt. Die Hypophyse wird durch zwei Gruppen von Arterien versorgt.
Insbesondere die Arteria hypophysialis superior (AHS) versorgt primär die Adenohypophyse,
wohingegen die Arteria hypophysialis inferior (AHI) primär die Neurohypophyse versorgt.
Die AHS geht in der Regel vom supraclinoidalen Segment der ACI oder von der
A.communicans posterior ab (Rhoton AL Jr et al, 1996). Die AHI geht vom Truncus
meningohypophysialis ab, am Übergang zwischen Pars petrosa und Pars cavernosa der ACI
(Abb. 7, Abb. 8).
Häufig entspricht der AHS mehrere kleine Arterien, welche den Hypophysenstiel, die
Adenohypophyse und den unteren Teil des N. opticus und des Chiasma opticum versorgen.
Diese kleinen Arterien verbinden sich mit denjenigen der Gegenseite und formen ein
besonderes arteriovenöses Netz, den primären Plexus. Dieser primäre Plexus fliesst nach
kaudal in die sogenannten portalen hypophysealen Venen ab, auch Pfortaderkreislauf
genannt. Hierdurch gelangen die o.g. Faktoren (Peptide) mit stimulierender oder hemmender
Wirkung weiter entlang des Infundibulums über die Pars tuberalis bis zu einem sekundären
Plexus – der aus venösen sinusoidalen Gefäßen besteht. Durch diesen Gefäßplexus wird
das Blut vom unteren Hypothalamus in die Adenohypophyse umverteilt und gleichzeitig
werden die Hormone der Adenohypophyse im Kreislauf verteilt. Das Blut fliesst dann über
die anschließenden lateralen (efferenten) hypophysealen Venen in den Sinus cavernosus
ab. Diese Flußdynamik kann unter Umständen umgedreht werden, sodass hormonreiches
Blut der Adenohypophyse nach kranial über die portalen hypophysealen Venen bis zum
primären Plexus fließt. Dadurch kann die Hormonproduktion gesteuert werden (Amar AP et
al, 2003).
Die Neurohypophyse (Pars nervosa) wird, wie oben erwähnt, von der AHI mit Blut versorgt.
Das Blut mit den neurosekretorischen Faktoren aus der Neurohypophyse wird ebenfalls über
efferente Venen in den Sinus cavernosus drainiert.
Die Pars intermedia ist relativ avaskulär, sie wird von kleinen Ästen der Gefäßplexus sowohl
der Adeno- als auch der Neurohypophyse versorgt.
1.2.3.
Anatomie der supra- und parasellären Region
Die Dura mater, woraus auch das Diaphragma sellae am Dach der Sella turcica besteht, und
somit die Fossa hypophysialis vom suprasellären Raum trennt, dehnt sich weiter nach lateral
und kaudal aus, wo sie in die Dura mater des Tentorium cerebelli mit seinen Ansätzen an
11
den Processus clinoideus anterior und posterior übergeht, und einen „Umschlag“ an der
lateralen Grenze der Sella formt. Dieser beinhaltet den Sinus cavernosus, der praktisch die
laterale Abgrenzung zwischen Sella und Fossa media darstellt. Der Sinus cavernosus ist ein
umschriebener Raum der Schädelbasis, der aus mehreren durch fibröse Brücken/Balken
unterteilten bzw. gegliederten venösen Abflusskanäle besteht. Der Sinus cavernosus wird
durch den Sinus intercavernosus anterior und posterior mit der Gegenseite verbunden. Der
N. oculomotorius, der N. trochlearis und die ersten Äste des N. trigeminus (V1- und V2- Ast)
verlaufen an der lateralen Wand des Sinus cavernosus eingebettet. Der N. abducens verläuft
innnerhalb des Sinus cavernosus, auch die ACI zusammen mit dem Plexus des Sympathikus
um sie herum (Abb. 9).
Über der Hypophyse finden sich im suprasellären Raum die N. optici, das Chiasma opticum
und der Hypothalamus. Es besteht eine große Variabilität in der Topographie von
Hypophyse, Hypophysenstiel, Sulcus prechiasmaticus und Chiasma opticum (Rhoton AL Jr
et al, 1996). Die großen Variationen im räumlichen Bezug zwischen Chiasma und Arteria
cerebri anterior (ACA) sind entscheidend für die Symptomatik im Bezug auf Beeinträchtigung
des Sehens bei Tumoren mit suprasellärer Ausdehnung, insbesondere wenn die ACAs
verhärtet und fixiert sind (Abb. 10).
1.2.4 Embryogenese der Sellaregion und der Hypophyse
Die
Hypophyse
entwickelt
sich
aus
zwei
verschiedenen
Anteilen
während
der
Embryogenese. Erstens, aus der Rathke’schen Tasche (RT), die eine Ausstülpung des
Stomodeums (primitiver Rachenraum) darstellt, unmittelbar ventral der buccopharyngealen
Membran gelegen. Zweitens, aus dem Infundibulum,
einer ventralen Ausbuchtung des
Diencephalons unmittelbar dorsokaudal des Chiasma opticums gelegen (Sadler TW et al,
2000).
Die RT und das Infundibulum sind Derivate der ektodermalen Keimzellschicht, jedoch
besitzen sie eine eigene und separate histologische Textur. Die RT differenziert sich zu
einem Gewebe mit epithelialen Eigenschaften, wie es auch bei anderen endokrinen Organen
vorkommt, als auch zu einem Gewebe entsprechend einer exokrinen Drüse.
Die Bildung der Hypophyse ist letztlich das Ergebnis der gegenseitigen Beeinflussung der
adenomatösen und neuralen Organanlagen am ventralen Ende der Chorda dorsalis, welche
sich unmittelbar kaudal vom Stomodeum befindet (Amar AP et al, 2003).
12
Abb. 9 : Koronare Ansicht der Sellaregion. Die anatomischen Verhältnisse der Hypophyse, des
Nervus opticus und Chiasma opticum und des Sinus cavernosus mit den Hirnnerven III, IV, V1 und
V2 an der lateralen Wand, und mit dem N. abducens und ACI innerhalb des Sinus cavernosus werden
dargestellt. Aus Reganchary S et al. Principles of Neurosurgery. 2nd Edition, Elsevier, 2005
Abb. 10: Darstellung der Variationen der anatomischen Verhältnisse zwischen Chiasma
opticum, Hypophysenstiel und Tuberculum sellae, aus Rhoton AL Jr et al. The Orbit and Sellar
Region: Microsurgical Anatomy and Operative Approaches. Thieme, 1996
13
Während der dritten Schwangerschaftswoche entsteht das Infundibulum durch ein ventrales
Diverticulum
des Bodens des dritten Ventrikels. Dieses Diverticulum dehnt sich bis zur
Erweiterung des Processus infundibularis aus. Gleichzeitig tritt eine ektodermale Plakode
am Dach des Stomodeums auf, die sich nach dorsal einstülpt und die RT formt. Im zweiten
Monat der Entwicklung
wird die RT um die vorderen und seitlichen Anteile
des
Infundibulums herum abgeflacht, konsekutiv werden beide Strukturen fusioniert (Amar AP et
al 2003) (Abb. 11).
Abb. 11 : Illustrative Darstellung der Schritte der Morphogenese der Hypophyse und der
Sellaregion. A:Formation der Rathke’schen Tasche vom Stomodeum, B: Fusion von Stomodeum und
Processus infundibularis C: Formation des „sella-sphenoid complex“, D: anschließende Entwicklung
der Adenohypophyse, aus Reganchary S et al. Principles of Neurosurgery. 2nd Edition, Elsevier,
2005
14
Die Verbindung zwischen RT und Rachendach liegt inmitten des mesenchymalen presphenoidalen Knochens der Schädelbasis. Die progressive Ausdehnung dieses Knochens in
der sechsten Schwangerschaftswoche führt zu einer Verkleinerung der o.g. Verbindung.
Jedoch findet sich bei ca. 1% der Neugeborenen noch ein Residuum dieser Verbindung, der
basipharyngeale Kanal oder Canalis vomerovaginalis (Moore KL et al, 1993; Amar AP et al
2003). Ferner können Residuen der RT am Rachendach bestehen bleiben.
Im Verlauf der weiteren Entwicklung proliferieren die Zellen der ventralen Seite der RT (pars
distalis) und formen den Hypophysenvorderlappen, die sogenannte Adenohypophyse. Die
Entwicklung dieser Zellen führt zur Formierung einer Schüssel, die durch ein mittig
gelegenes Septum in zwei Teile getrennt wird. Aus diesen Teilen entstehen die pars lateralis
und aus dem Septum die pars medialis. (Amar AP et al 2003; Moore KL et al, 1993).
Die Zellen auf der hinteren Seite der RT proliferieren im Gegensatz zu den o.g. nicht,
sondern sie differenzieren sich zum Mittellappen der Hypophyse, den sogenannten Pars
intermedia. Der Raum zwischen Vorder- und Mittellappen wird durch das Wachstum von
Zellen beider Lappen nicht mehr unterscheidbar, jedoch besteht manchmal eine schmale
Tasche oder residuales Lumen fort (Amar AP et al, 2003).
Die Pars tuberalis der Adenohypophyse und der Stamm des Indundibulums formen den
Hypophysenstiel.
Aus dem Processus infundibularis entsteht die pars nervosa bzw. der
Hypophysenhinterlappen, die sogenannte Neurohypophyse. Diese besteht aus neuroglialen
Zellen (pituicytes) als auch aus Nervenfasern bzw. Axonen der Kerne aus den
Hypothalamus. Die Pituizyten unterstützen die Produktion und den Transport der Hormone in
der Neurohypophyse. Ferner haben sie vermutlich eine zusätzliche phagozytische Funktion
(Allen MB, 1977; Amar et al, 2003).
1.3.
Physiologie der hypothalamo-hypophysären Achse
1.3.1. Adenohypophyse
Die Adenohypophyse stellt den größten Teil der Hypophyse dar. Sie sezerniert 6
verschiedene
Hormone:
1.
STH,
2.
Thyroidea
stimulierendes
Hormon
(TSH),
3. Corticotropin, 4. FSH, 5. GH und 6. PRL. Die ersten fünf Hormone zeigen eine tropische
Wirkung auf andere sekretorisch-endokrine Organe mit der Folge der Ausschüttung aktiver
15
hormoneller Substanzen. Prolaktin hat eine tropische Wirkung auf das Brustgewebe
(exokrines Organ).
Die Zellen des Vorderlappens sezernieren auch POMC (propiomelanocortin), ein Vorläufer
eines Glycoproteins mit 1091 Aminosäuren. POMC wird ebenfalls von Neuronen des
Hypothalamus sezerniert. Nach proteolytischem Prozess wird POMC transformiert in
verschiedenen Peptide wie Corticotropin, a- und ß- MSH (melanocyte activating hormon),
Corticotropin-like intermediate lobe peptide (CLIP) , g-Lipotropin, ß-Lipotropin und ßEndorphin. Die physiologische Rolle dieser Peptide wird in den letzten Jahren intensiver
analysiert. (Goodman HM et al, 1998; Amar AP et al, 2003).
Corticotropin (ACTH)
Corticotropin bewirkt in der Nebenniere die basale Sekretion von Glukokortikoiden und
Aldosteron, als auch eine gesteigerte Sekretion im Falle vom Stress.
Cortikotropin ist ein Einzelstrang-Polypeptid mit 39 Aminosäuren (Genuth SM et al, 1998;
Amar AP et al, 2003). Die Halbwertzeit im Kreislauf beträgt 10 Minuten. Der Effekt von
Cortikotropin wird durch Rezeptoren der Zellmembran vermittelt.
Corticotropin wird stoßartig während des Tages produziert, auch vor dem Aufwachen. Die
Kontrolle der Tagesaktivität bzw. der cirkadian Regelung des Cortisolspiegels ist in den
suprachiasmatischen Nuclei lokalisiert. Die Sekretion von Corticotropin wird durch das
corticotropin-releasing-hormon
(CRH)
geregelt,
welches
im
medialen
Teil
der
paraventrikulären Nuclei im Hypothalamus sezerniert wird (Amar AP et al, 2003).
Die
Neuraxone dieser Nuclei projizieren über den Hypophysenstiel, CRH wird dann im Kreislauf
im primären Plexus freigegeben und über den o.g. Pfortaderkreislauf in die Adenohypophyse
weiter verteilt. Traumata, Blutungen, Infekte und andere körperliche und emotionale
Stresssituationen resultieren in afferente Signale an die paraventrikulären Nuclei, was
konsekutiv eine gesteigerte Sekretion von CRH bedingt. Im Gegensatz dazu hemmen
Glukokortikoide die CRH Sekretion im Sinne einer negativen Rückkoppelung auf
hypothalamischer und hypophysärer Ebene.
Thyreotropin – Thyroidea stimulierendes Hormon (TSH)
TSH ist ein Glykoprotein, das aus 211 Aminosäuren besteht. Die biologische Halbwertzeit
beträgt ca. 60 Minuten. Die TSH Sekretion ist pulsatil, die maximale Sekretion findet
meistens gegen Mitternacht statt. Die Wirkung von TSH auf zellulärer Ebene wird über
Aktivierung der Adenylylcyclase über ein GTP-Bindprotein mitgeteilt. Als Folge der Bindung
um TSH in den Zellen der Schilddrüse kommt es zur Sekretion von Thyroxin (T4),
Trijodothyronin (T3) und Thyroglobulin (Amar AP et al, 2003). Die Sekretion von TSH wird
von TRH stimuliert. TRH wird im medialen Teil der paraventrikulären Nuclei in Hypothalamus
16
sezerniert.
Somatostatin,
welches
ebenfalls
in
den
paraventrikulären
Nuclei
im
Hypothalamus produziert wird, hemmt die Sekretion von TRH.
Follikel-stimulierendes Hormon (FSH) und Luteotropes Hormon (LH)
Die Gonadotropine FSH und LH stimulieren die Gonaden bei beiden Geschlechtern und sind
notwendig für die Produktion von Keimzellen (Gametogenese) als auch für die Sekretion von
Androgenen und Östrogene (Goodmann HM et al, 1998; Amar AP et al, 2003). Ferner sind
sie notwendig für die Kontrolle der Regelblutung bei Frauen. Die Halbwertszeit von LH
beträgt 60 Minuten und die von FSH 170 Minuten. Die Sekretion von LH und FSH wird durch
gonadotropin-releasing hormone (GnRH) stimuliert. GnRH ist ein Dekapeptid, welches im
medialen präoptischen Bereich des Hypothalamus produziert wird (Genuth SM et al, 1998;
Amar et al, 2003). Die Wirkung von GnRH auf die Adenohypophyse wird über den
Pfortaderkreislauf der Hypophyse übermittelt. Es besteht sowohl eine positive als auch eine
negative Rückkoppelung auf die Sekretion von GnRH und ihre Wirkung auf die
Adenohypophyse (Aron DC et al, 1997; Amar AP et al, 2003). Die Sekretion von GnRH ist
ebenfalls pulsatil (Goodman HM et al, 1998; Amar AP et al, 2003). Schließlich wird Inhibin
als ein Polypeptid in den Gonaden beider Geschlechter sezerniert und hemmt die Sekretion
von FSH (Amar AP et al, 2003).
Wachstumshormon (STH/GH)
GH führt auf zellulärer Ebene nicht nur zur direkten Aktivierung von verschiedenen Genen,
sondern auch zur Produktion von Somatomedinen. Diese sind Polypeptide, die in der Leber,
im Knochenmark und anderen Gewebe produziert werden. Insulin-growth factor I und II (IGFI und IGF-II) sind repräsentative Somatomedine. IGF-I (auch als Somatomedin-C bekannt)
und IGF-II sind bei mehreren Funktionen von GH involviert. Der Spiegel von IGF-I im Serum
ist am höchsten während der Pubertät und am niedrigsten bei Senioren. IGF-II spielt eine
Rolle für das Wachstum des Fetus vor der Geburt, wird jedoch im erwachsenen Alter nur im
Plexus choroideus und in den Meningen sezerniert (Amar AP et al, 2003). Die Ausschüttung
von GH führt zum Wachstum von Knochen und zur Chondrogenese. Es ist ein anabolisches
Hormon, welches zu einer Zunahme der Körpermaße und zur Abnahme von Fett führt.
Die Sekretion von GH wird durch zwei Hormone reguliert, die im Hypothalamus produziert
werden. Durch das growth-hormon releasing hormone (GRH), welches im Nucleus arcuatus
produziert wird, und das Somatostatin (früher als growth inhibiting hormone oder GIH
bekannt), welches in den paraventrikulären Nuclei produziert wird. Die Sekretion von GH ist
ebenfalls pulsatil. Faktoren, die zu gesteigerter GH-Produktion führen, sind Hypoglykämie,
körperliches Training, Schlaf, und Stress. Die GH Sekretion wird durch Glukose und Cortisol
gehemmt. Wie oben beschrieben, besteht hier auch eine negative Rückkoppelung. IGF-I
17
hemmt die Sekretion von GH auf hypophysärer Ebene und stimuliert die Produktion von
Somatostatin im Hypothalamus.
Prolaktin (PRL)
Prolaktin besteht aus 198 Aminosäuren und 2 Hydrogensulfat-Brücken. Es ähnelt
dem
Molekül von GH, und hat eine vergleichbare Halbwertzeit. Der Rezeptor von PRL ähnelt
ebenfalls dem von GH. In Kombination mit Östrogenen und Progesteron führt PRL zu einer
Milch-Exkretion in der Brust. PRL hemmt die Wirkung von Gonadotropin in den Gonaden.
Die Rolle von PRL bei Männern ist unklar, allerdings führt die exzessive Sezernierung von
PRL zur Impotenz.
1.3.2. Neurohypophyse
Der Hypophysenhinterlappen sezerniert Oxytocin und Vasopressin. Vasopressin wird auch
antidiuretisches Hormon (ADH) genannt, da eine der wichtigsten Funktionen des Hormons
die Retention von Wasser in der Niere ist. Beide Peptide werden im Hypothalamus sezerniert
und dann über die ca. 100.000 Nervenfasern des Tractus hypothalamo-hypophysialis
transportiert (Aron DC et al, 1997). Oxytocin und Vasopressin sind beides Nanopeptide mit
einem bisulfatischen Ring an einem Ende (Amar AP et al, 2003).
Oxytocin
Primäre Zielorgane von Oxytocin sind Brust und Uterus. Im Mamma-Gewebe führt die
Sekretion von Oxytocin zur Kontraktion der myoepithelialen Zellen, die die Brustdrüsen
umgeben. So fliesst Milch von den Alveolaren der Brustdrüsen bis zur Brustwarze.
Vasopressin
Vasopressin wirkt über verschiedene Rezeptoren an der Zelloberfläche, die ihre biologischen
Funktionen im Körper steuern. An der Niere führt Vasopressin zur Translokation von
Wasserkanälen. Dies erlaubt es, dass Wasser in die hypertone Zone der Nierenpyramiden
hineinfließt. Konsekutiv wird die Urinmenge verringert und das spezifische Gewicht steigt.
Wasser wird zurückgehalten und die Serumosmolalität wird reduziert. Vasopressin hat auch
eine vasokonstruktive Wirkung, welche über die Kontraktion glatter Muskelzellen vermittelt
wird.
18
1.3.3. Pars intermedia
Bei Menschen und Säugetieren ist die Pars intermedia der Hypophyse wenig entwickelt.
Zellen der Pars intermedia stellen 3,5% der Hypophyse beim Fetus dar, jedoch weniger als
1% beim Erwachsenen.
1.4.
Häufige Tumordiagnosen in der Sellaregion
1.4.1. Hypophysenadenome
Die geschätzte Inzidenz von Hypophysenadenomen (HA) in Deutschland liegt bei 2540/1.000.000 Einwohner/Jahr, die Prävalenz bei 300/1.000.000 Einwohner (Faglia G et al,
1993). HA repräsentieren ca. 10% aller intrakraniellen Tumore. Die Inzidenz ist höher bei
bekannter Diagnose einer MEA (multiple endocrine adenomatosis) oder MEN (multiple
endocrine neoplasia).
Meist treten HAs zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr auf, wobei bei jüngeren Patienten
das weibliche Geschlecht leicht überwiegt (Kristof RA, Schramm J et al, 2003). Ferner ist
die Geschlechtsverteilung bei den verschiedenen Kategorien von HAs unterschiedlich, z.B.
überwiegen bei ACTH-sezernierenden oder PRL-sezernierenden HAs Frauen, und bei „nullcell“ HAs, Onkozytomen oder GH-sezernierenden HAs überwiegen Männer.
Hypophysenadenome
werden
nach
Größe
in
Mikroadenome
(mit
Durchmesser
<10mm) oder Makroadenome (mit Durchmesser >10mm) oder Giantadenome (mit
Durchmesser >40mm) eingeteilt (Hardy J et al, 1979).
Hypophysenadenome entstehen ausschließlich in der Adenohypophyse. Sie sind in der
Regel benigne Neoplasien monoklonalen Ursprungs aus den Zellen der Adenohypophyse
(Buchfelder M et al, 1985; Spada et al, 2005). Der Anteil der hormoninaktiven Adenome
liegt in verschiedenen Studien bei 33% bis 74%
(durchschnittlich ca. 40%) aller
Hypophysenadenome (Buchfelder M, Fahlbusch R, 1985; Peter M, De Tribolet N, 1995;
Kristof RA et al, 2003). Die hormonaktiven Adenome machen 46%-67% aller
Hypophysenadenome aus (Kabil MS et al, 2005; Mortini P et al, 2005; Laws ER Jr et al,
1995). Von den hormonaktiven Adenomen sind die PRL-sezernierenden (Prolaktinome) die
häufigsten mit ca. 33%, die GH-sezernierenden (Akromegalie) die zweithäufigsten mit ca.
19
25%, die ACTH-sezernierenden (M. Cushing und Nelson Tumore) die drittehäufigsten mit bis
ca. 14% und schließlich die TSH-sezernierenden Adenome die seltensten mit ca. 2%
(Gasser RW et al, 1993; Kristof RA et al, 2003).
1.4.2. Kraniopharyngeome
Kraniopharyngeome (CP) sind gutartige Tumore, teilweise zystisch, und intra-/suprasellär
lokalisiert, die in der Regel von epithelialen Residuen der RT stammen. Zwei Kategorien von
CPs sind beschrieben: 1. adamantimatöse CPs, die 90% aller CPs und 2. papilläre CPs, die
10% aller CPs repräsentieren (Louis DN et al, 2007; Kleihues P et al, 2002).
CPs sind die häufigsten nicht-gliomatösen Tumore bei Kindern und repräsentieren 6-10%
aller Hirntumore bei pädiatrischen Patienten. CPs treten fast gleichmäßig bei Kindern und
Erwachsenen auf. Die adamantinomatösen CPs zeigen eine zweigipfige Altersverteilung, ein
Peak zwischen 5-10 Jahren und zweiter, kleiner Peak zwischen 50-60 Jahren. Nur 5% der
CPs treten im Alter von unter 5 Jahren auf. Papilläre CPs treten ausschließlich bei
Erwachsenen auf mit einem Peak zwischen 40-44 Jahren (Bunin GR et al, 1998; Samii M
et al, 1997; Miller DC et al, 1994).
Adamantinomatöse CPs sind typischerweise groß, teilsolid, teils zystisch. Die Zysten
beinhalten dunkle Flüssigkeit, reich an Cholesterinkristallen. Die Wände der Zysten sind
häufig mit den umgebenden Strukturen, meistens im Hypothalamus, adhärent (Louis DN et
al, 2007; Zada G et al, 2010; Miller DC et al, 1994).
Papilläre CPs sind gut umschrieben, ohne Adhäsionen. Sie sind häufig solide, meistens
ohne zystische Anteile. Wenn Zysten vorliegen, beinhalten diese eine klare Flüssigkeit, im
Gegensatz zu den o.g. adamantinomatösen CPs. Beide adamantinomatöse und papilläre
CPs sind als Tumore WHO Grad I klassifiziert. (Louis DN et al, 2007; Zada G et al, 2010;
Miller DC et al, 1994).
CPs sind langsam wachsende Tumore mit einer Tendenz zum Rezidiv nach einer Operation.
Die Rezidivrate in 10 Jahren nach der Operation, auch bei Patienten mit GTR (gross total
resection), beträgt 20%. Die Rezidivraten bei Patienten mit größeren Tumoren, mit STR
(subtotal resection) oder Teilresektion, liegen signifikant höher (Scott RM et al, 2005; Bülow
B et al, 1998; Kim SK et al, 2001).
Ca. 50% aller Patienten mit langer postoperativer Überlebenszeit leiden an
einer
eingeschränkten Lebensqualität, meistens durch Störungen der hypothalamo-hypophysären
Achse und durch hypothalamisch bedingte Adipositas.
20
GTR ist die Therapie der Wahl. Die Affektion des Hypothalamus ist bei der Operation das
Hauptrisiko, insbesondere bei den großen adamantinomatösen CPs (Scott RM et al, 2005;
Wisoff JH et al, 2008; Elliot RE et al, 2010).
1.4.3. Zysten der Rathke’schen Tasche
Die Zysten der Rathke’schen Tasche (RCC) sind gutartige ektodermale Zysten der
Sellaregion. RCCs stammen aus Resten der RT und des Ductus craniopharyngealis. RCCs
werden bei Patienten verschiedenen Alters diagnostiziert, meist bei Erwachsenen im Alter
von 45 Jahren. Oft sind RCCs asymptomatisch und werden als Zufallsbefund diagnostiziert.
Wenn sie klinisch auffällig werden, verursachen sie Kopfschmerzen, hypophysäre
Dysfunktion oder visuelle Störungen (Teramoto A et al, 1994; Isono M et al, 2001; Baskin
DS et al, 1984; Steinberg GK et al, 1982).
RCCs bleiben in der Regel in ihrer Größe stabil. Sie können nicht maligne entarten. Ca.
40% aller RCCs sind ausschließlich intrasellär lokalisiert hauptsächlich zwischen
Adenohypophyse und Pars intermedia, wobei 60% eine supraselläre Ausdehnung
aufweisen.
Symptomatische RCCs haben einen Durchmesser von 5 bis 15mm. Ausnahmsweise kann
sich eine RCC vergrößern, sodass Hirnparenchym verdrängt wird oder die Schädelbasis
erodiert wird. RCCs sind scharf abgegrenzte Zysten. Ihr Inhalt kann wasserklare, Liquorähnliche Flüssigkeit oder eine zähflüssige, gelbliche, mukoide Flüssigkeit enthalten. Die
Zysten sind mit einschichtigem, kubischem Epithelium mit verschiedenen Anteilen von
Becherzellen ausgekleidet.
Das operative Ziel ist meistens die Fensterung der Zyste, die Ausräumung der Zysteninhalte
und die Biopsieentnahme der Zystenwand. Meistens wird eine GTR mit Entfernung der
Zystenwand nicht angestrebt. Die o.g. Strategie der STR erlaubt die Beseitigung der
Symptomatologie ohne postoperative zusätzliche Hypophysendysfunktion, jedoch mit
höheren Rezidivraten (Fager CA et al, 1966; Voelker JL et al, 1991; Isono M et al, 2001).
1.4.4. Meningeome
Meningeome machen 20% aller intrakraniellen Tumore bei Männern und 38% bei Frauen
aus. Sie treten hauptsächlich bei Erwachsenen auf mit steigender Inzidenz im Alter (Claus
EB et al, 2005). Meningeome des Tuberculum sellae stellen ca. 10% aller intrakraniellen
Meningeome (Cushing H et al, 1938).
21
Meningeome der Sellaregion können an der Dura des Tuberculum sellae, des Diaphragma
sellae, des vorderen Klinoidvortsatzes und schließlich extrem selten an der Dura der Fossa
hypophysialis intrasellär ansetzen. Diaphragma sellae Meningeome werden in drei
verschiedene Typen kategorisiert. Typ A-Tumore,
ventral des Hypophysenstiels mit
supradiaphragmatischer Ausdehnung, Typ B- Tumore dorsal des Hypophysenstiels
supradiaphragmatisch und Typ C-Tumore infradiaphragmatisch mit Ausdehnung nach
intrasellär (Laws ER Jr et al, 2011; Cappabianca P et al, 1999). Die Tumore vom Typ A
haben eine gute Prognose, Typ B- und C-Tumore zeigen eine höhere Rate von
Hypophyseninsuffizienz (Laws ER Jr et al, 2011).
Die transkraniellen Operationen über einen frontolateralen oder pterionalen Zugang gelten
als Operationsmethoden der Wahl. Insbesondere erlaubt der frontolaterale oder pterionale
Zugang
eine
Resektion
der
Tuberculum
sellae
Meningeome
mit
niedrigen
Komplikationsraten und niedriger Morbidität im Vergleich zum bifrontalen Zugang
(Nakamura M et al, 2006).
1.5.
Symptomatik und Diagnostik von Tumoren der Sellaregion
Ein generelles Konzept der Diagnostik von Tumoren der Sellaregion ist das, dass die
Hypophyse, der Hypothalamus und sämtliche angrenzenden neurovaskulären Strukturen
eine anatomische und funktionelle Einheit bilden. Deshalb ist die kombinierte Evaluation
klinischer, laborchemischer und anatomisch/radiologischer Aspekte die Voraussetzung für
die Planung einer angemessenen Therapie.
1.5.1. Klinische Symptomatik
Eine Läsion im Bereich der Sellaregion kann zu einer Störung der Hypophysenfunktion durch
den raumfordernden Effekt führen.
Raumforderung
kann
es
In Abhängigkeit der genauen Lokalisation der
zu
visuellen
Defiziten
(Visusminderung,
Gesichtsfeldeinschränkung), Affektion der Hirnnerven und/oder Kopfschmerzen kommen.
Eine Läsion, die zu akuter Visusminderung führt, benötigt eine dringliche Abklärung und
Behandlung.
Hormoninsuffizienz
Die endokrine Dysfunktion durch Affektion der Hypophyse besteht häufig in Störungen des
Reproduktionssystems. Bei Männern äußert sich die Symptomatik mit Hypogonadismus,
22
unter anderem Libidostörung, erektile Dysfunktion und Infertilität. Frauen im gebärfähigen
Alter entwickeln eine unregelmäßige Periode, Amenorrhö oder Infertilität. Bei Patienten in
der Pubertät kann eine verzögerte (Spätpubertät) oder gehemmte Pubertät auffällig sein.
Eine andere häufige Funktionsstörung der Hypophyse ist der Verlust der GH Sekretion, die
zur konsekutiven Müdigkeit und Erschöpfbarkeit bei Erwachsenen und verzögertem
Körperwachstum oder verzögerter Entwicklung in der Pubertät führt.
Die zwei wichtigsten Hormone sind Cortisol (Hydrocortison) und das Schilddrüsenhormon.
Typische
Symptome
eines
Hypocortisolismus
sind
Müdigkeit,
Kopfschmerz,
Gewichtsabnahme, Appetitslosigkeit und in manchen Fällen arterielle Hypotension und
Synkopen.
Symptome
der
Hypothyroidismus
sind
Müdigkeit,
Kälteunverträglichkeit,
Gewichtszunahme, Obstipation sowie Konzentrations- und Gedächtnisprobleme.
Funktionsstörungen der Neurohypophyse können mit Polyurie, Polydipsie, Nykturie und
Hypovolämie auffällig werden. Diese Symptomkonstellation wird auch als Diabetes insipidus
bezeichnet. Ein Diabetes insipidus kann verursacht werden durch Kraniopharyngeome,
lymphozytäre Hypophysitis, Sarkoidose oder metastatische Tumore der Sellaregion.
Hormonexzeß
Eine
exzessive
Hormonfreisetzung
wird
durch
hormonaktive
Hypophysenadenome
verursacht. Die häufigsten hormonaktiven Adenome sind die Prolaktinome. Bei Frauen im
gebärfähigen Alter führt der erhöhte Prolaktin-Spiegel zu Symptomen wie unregelmäßiger
Periode, Amenorrhö, Infertilität oder Galaktorrhö.
Bei Männern sind die Symptome
hauptsächlich Libidoverlust, erektile Dysfunktion und Infertilität; Gynäkomastie und
Galaktorrhö können auch auftreten. Bei Männern und Frauen im postmenopausalen Alter
kann die Visusminderung einer der ersten Symptome sein.
Die vermehrte Sekretion von GH nach der Pubertät verursacht die Vergrößerung ossärer
Strukturen im Gesichtsschädel und an Händen und Füßen. Dieser Zustand wird als
Akromegalie bezeichnet, und wird von weiteren Symptomen wie Schlafapnoe, Arthralgie,
Spinalkanalstenose, Karpaltunnelsyndrom, Diabetes mellitus, Hypertension, Polypen,
Schweißausbrüchen,
fettiger
Haut
und
in
manchen
Fällen
Kardiomyopathie
mit
Herzinsuffizienz begleitet. Bei Patienten vor der Pubertät führt die exzessive GH-Sekretion
zu exzessivem Wachstum (Gigantismus) und zu den anderen o.b. Symptomen.
Das Cushing-Syndrom ist ein klinischer Zustand, der durch die exzessive Cortisol Produktion
verursacht wird. Dieser ist Folge der vermehrten Sekretion von ACTH durch ein ACTHproduzierendes Adenom. Die Hauptsymptome sind Gewichtszunahme, Diabetes mellitus,
Hypertension, Osteoporose, Knochenfrakturen, Depression und Gedächtnisstörung.
Der seltenste Typ eines hormonaktiven Hypophysenadenoms ist das TSH-produzierende
Adenom,
welches
zu
klinischem
oder
subklinischem
Hyperthyroidismus
führt.
23
Hauptsymptome sind Gewichtsverlust, Tachykardie, häufiger Stuhlgang, Nervosität und
Angst.
1.5.2 Neuroophthalmologische Evaluation
Die neuro-ophthalmologische Evaluation ist ein elementarer Anteil des klinischen
Assessments bei Patienten mit der Verdachtsdiagnose eines intra-/parasellären Tumors.
Die wichtigen Schritte der ophthalmologischen Evaluation sind:
a. Assessment des afferenten Systems

Sehschärfe o. Visus nach Snellen

Nahsicht

Farbsicht

Gesichtsfeld
b. Assessment der Pupillenfunktion

Diameter

Isokorie/Anisokorie

Lichtreaktion, direkt und konsensuell
c. Assessment des efferenten Systems

Stabilität der okulären Position und spontane Bewegungen (z.B. Nystagmus)

Okulomotorik
d. Weiteres Assessment
1.5.3

Orbitale Symmetrie

Fundoskopie
Radiologische Diagnostik und Evaluation
Die bildgebende Diagnostik spielt eine entscheidende Rolle in der präoperativen
Diagnosestellung und
der präzisen Beurteilung der Ausdehnung der Pathologie in der
komplexen Region der Sellaregion. Die moderne bildgebende Diagnostik der Sellaregion
beinhaltet heutzutage immer die Kernspintomographie mit speziellen Sequenzen und
Schichtungen für die Hypophyse und die Sellaregion (MRT). Die Computertomographie (CT)
wird zur Beurteilung der knöchernen Anatomie als auch von Ossifikationen (Verkalkungen)
24
der Pathologien eingesetzt. Auch die Integrität des Sellabodens kann ideal durch die CTBildgebung abgeklärt werden (Webb SM et al, 1992).
Die häufigste Diagnose in den MRT-Aufnahmen der Sellaregion ist das Hypophysenadenom.
Hypophysenadenome werden am besten auf koronaren und sagittalen Aufnahmen nach der
Gabe von Gadolinium mit einer Schichtbreite von 3mm visualisiert (Patronas N et al, 2003).
Verschiedene Faktoren, die bei der Interpretation der kernspintomographischen Aufnahmen
von Prozessen der Sellaregion berücksichtigt werden müssen, sind erwähnenswert. Die
unterschiedliche Größe der Hypophyse auf der MRT-Aufnahme in Zusammenhang mit
Geschlecht, Alter und Schwangerschaft ist bekannt und kann nach der Elster’s Regel
zusammengefasst werden. Gemäß dieser Regel ist der Durchmesser der Hypophyse ca.
6mm bei Neugeboreren und Kinder, 8mm bei Männern und postmenopausalen Frauen,
10mm bei Frauen im gebärfähigen Alter und 12mm bei schwangeren Frauen (Elster AD et
al, 1993).
Von kardinaler Bedeutung ist die radiologische Differenzialdiagnose zwischen der Kategorie
der nicht-adenomatösen Tumore in der Sellaregion und den Hypophysenadenomen. Dieser
Kategorie gehören unter anderen Pituizytome und Granulosazelltumore der Sellaregion.
Diese sind häufig radiologisch von Adenomen nicht zu unterscheiden. Trotzdem ist hier die
Tendenz der Affektion der Neurohypophyse und des Hypophysenstiels erwähnenswert. Eine
Verlagerung des hyperintensiven Areals der Neurohypophyse in der MRT („bright spot“) ist
hier
charakteristisch.
Dieser
Faktor
in
Zusammenhang
mit
einer
intensiven
Kontrastmittelaufnahme, welche bei Adenomen nicht vorhanden ist, kann ein Hinweis für
einen nicht-adenomatösen Tumor in der Differenzialdiagnose sein (Yousem DM et al, 1989;
Shah B et al, 2005; Komninos J et al, 2004).
Die Langerhans-Histiozytose bezieht die Hypophyse und die Sellaregion in ca. 50% ein und
verursacht eine Auftreibung und Aufhellung des Hypophysenstiels.
Diese Zeichen sind
allerdings nicht spezifisch und können bei Sarkoidose oder Tuberkulose auch vorhanden
sein. Hier ist für die Diagnose der Einbezug der Gl. pinealis, des Marklagers, des
Choroidplexus und des Nucleus dentatus aussagekräftig.
Eine Infektion der Hypophyse oder der Sellaregion ist ein seltenes Phänomen.
Ein
intrasellärer Abszess kann eine bakterielle Genese (Gram-positive Cocci) haben, was die
Folge einer hämatogenen Streuung/Ausbreitung, einer Ausdehnung von Sinusitis, einer
Thrombophlebitis des Sinus cavernosus oder einer Meningitis sein kann. Ist eine randständig
KM-anreichernde Läsion auf dem Boden einer Meningitis oder Sinusitis zu sehen, dann ist
die Diagnose eines intrasellären Abszesses sehr wahrscheinlich (Vates GE et al, 2001;
Gutenberg A et al, 2005).
25
Kraniopharyngeome
können
abhängig
vom
histologischen
Subtyp
unterschiedliche
Darstellungen in der MRT aufweisen. Der adamantinomatöse Subtyp stellt sich als eine
gemischt teilsolide/teilzystische Raumforderung mit nicht KM-aufnehmenden und in T1WI
hyperintensen Zysten dar. Der papilläre Subtyp weist hauptsächlich solide Anteilen auf,
jedoch sind zystische Anteile nicht immer auszuschließen. Eine Ossifikation ist am besten
auf CT-Aufnahmen darstellbar (Byun WM et al, 2000).
Zysten der Rathke’schen Tasche zeigen sich in der MRT als selläre und/oder supraselläre
diskret nicht KM-aufnehmende Läsionen. Die Signalintensität des Inhalts dieser Tumore ist
eine Folge der Proteinkonzentration. Rathke’sche Zysten können auch zusammen mit einem
Adenom auftreten.
Pars intermedia Zysten sind zwischen der Adeno- und Neurohypophyse lokalisiert und
werden häufig als Zufallsbefund diagnostiziert. Diese stellen sich meistens mit einem
hypointensen Signal in der T1-Gewichtung und hyperintensem Signal in der T2-Gewichtung
dar.
Arachnoidalzysten im suprasellären Bereich entstehen aufgrund einer unvollständigen
Perforation der Liliequist-Membran. Diese haben eine identische Darstellung in der MRT
wie Liquor. Bei Arachnoidalzysten können auch Einblutungen vorkommen. (Byun WM et al,
2000).
Meningeome der Sellaregion (Tuberculum sellae, Diaphragma sellae und Planum
sphenoidale)
müssen
aufgrund
radiologischer
Kriterien
von
Hypophysenadenomen
unterschieden werden. Sie sind durch intensive Aufhellung nach Gadolinium Gabe und eine
große durale Anheftung mit „dura tails“ erkennbar. Meistens ist eine Spalte mit Liquor, die
den Tumor vom normalen Parenchym
trennt, erkennbar. Normalerweise ist hier keine
Erweiterung der Sella nachweisbar. Die Meningeome tendieren zur Einengung der ACI im
Sinus cavernosus im Gegensatz zu Hypophysenadenomen (Razek A et al, 2009).
1.5.4
Laborchemische endokrinologische Evaluation
Die endokrinologische Evaluation erfolgt durch Messungen der Konzentration von
verschiedenen Hormonen im Serum und, bei der Verdachtsdiagnose eines M. Cushing, einer
Bestimmung des freien Cortisols in Urin mit einem 24-Stunden Urintest. Zusätzliche
dynamische Untersuchungen können bei M. Cushing oder bei Akromegalie notwendig sein.
Laborchemische Hormontests zur kompletten Evaluation eines Patienten mit einem Tumor in
der Sellaregion sind:
26
a. Zur Diagnose einer hypothalamo-hypophysären Insuffizienz

Cortisol basal im Serum und ACTH

Freies T3 und T4 im Serum und TSH

LH und FSH im Serum und Testosteron (bei Männern)

LH und FSH im Serum und Östradiol/Progesteron (Frauen in gebärfähigem Alter)

IGF-I im Serum (für GH Insuffizienz)

GH (STH) im Serum
b. Zur Diagnose einer exzessiven Sekretion bei hormonaktiven Hypophysenadenomen

Prolaktin (PRL) im Serum

IGF-I im Serum ggf. Glucose-Test p.o.

Freies Cortisol im Urin (24-Stunden Test) und ACTH im Serum
Die Diagnose einer Hormoninsuffizienz oder eines Hormonexzesses ist für die Therapie
entscheidend.
So
wird
ein
Prolaktin-produzierendes
Adenom,
ein
Prolaktinom,
medikamentös mit Dopamin-Agonisten behandelt.
Die Substitution mit Hydrocortison und/oder Thyroxin ist vor einer therapeutischen
Intervention notwendig. Nach einer Operation oder anderen Therapie sollen die Patienten
erneut laborparametrisch evaluiert werden. Im Fall einer Akromegalie oder eines M. Cushing
ist die Bestimmung des GHs oder des Cortisols im Serum unmittelbar postoperativ
bedeutsam für das postoperative Ergebnis. Regelmäßige Verlaufskontrollen sollen für die
frühe Diagnose eines Tumorrezidivs, im Fall eines hormonaktiven HAs, durchgeführt werden.
Nachkontrollen sind zur Sicherung einer verzögert auftretenden Hypophyseninsuffizienz
notwendig. Diese könnte Monate oder sogar Jahre nach der Intervention auftreten. Ein
verzögerter Hypopituitarismus kann auch nach Bestrahlung auftreten.
27
2. Zielsetzung der Arbeit
Die vorliegende Arbeit stellt eine retrospektive Studie dar, in der alle Patienten
eingeschlossen wurden, die im Zeitraum von 2006 bis 2012 in der Medizinischen
Hochschule Hannover an seltenen Läsionen der Sellaregion mit Hilfe der mikrochirurgischen
oder endoskopischen Methode operiert wurden.
Im Folgenden werden Alters- und Geschlechtsverteilung, Anamnesedauer,
präoperative
Symptomatik und der präoperative endokrinologische und ophthalmologische Status
deskriptiv ausgewertet. Zudem werden die operativen Befunde, die postoperative
Anschlussbehandlungen,
die
histologischen
Diagnosen,
sowie
der
postoperative
neurologische, endokrinologische und ophthalmologische Status beschrieben. Für die
Bewertung der postoperativen Lebensqualität wurde der Karnofsky-Index erhoben. Die
deskriptiv ausgewerteten Daten werden anschließend vor dem Hintergrund der vorliegenden
Fachliteratur diskutiert.
Ziel der Arbeit ist es, unter Berücksichtigung des Datenmangels in der Literatur, zunächst die
klinischen, radiologischen und laborchemischen Eigenschaften der verschiedenen seltenen
Entitäten der Sellaregion und die gewählten Behandlungsstrategien mit den postoperativen
Ergebnissen im Langzeitverlauf zu bewerten. Ferner werden Erkenntnisse über die
spezifischen Eigenschaften jeder einzelnen Entität und die am besten geeigneten
Behandlungsstrategien ausgearbeitet.
Aufgrund der geringen Anzahl seltener Prozesse der Sellaregion als auch deren vielfältigen
histopathologischen Diagnosen sind in der Literatur nur wenige Angaben über die klinische
Präsentation, die geeignete Therapie und ihre Prognose dieser Prozesse zu finden.
Leitlinien für Diagnostik und Therapie gibt es bislang nicht (Freda PU et al 1996, Valassi E
et al 2010).
Besonders hervorzuheben ist die komparative Analyse von verschiedenen seltenen
Prozessen miteinander und die Einteilung dieser Prozesse in zwei Kategorien, die
infiltrativen und nicht-infiltrativen raumfordernden Prozesse. Diese Einteilung könnte unter
Berücksichtigung der unterschiedlichen postoperativen Ergebnisse und Prognosen eine
entscheidende Rolle für die Indikationsstellung, operative Behandlungsstrategie und
weiteren Therapie spielen.
28
3. Methodik
3.1.
Definition des Patientenkollektivs
In der Klinik für Neurochirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover wurden 194
Patienten mit Tumoren der Sellaregion im Zeitraum von Juni 2006 bis April 2012 operiert.
Darunter waren 122 Patienten mit Hypophysenadenomen (hormoninaktiv und hormonakitv),
26 Patienten mit Tuberculum sellae Meningeomen, 17 Patienten mit Kraniopharyngeomen
und
Zysten
der
Rathke’schen
Tasche
und
9
Patienten
mit
Chordomen
und
Chondrosarkomen.
Bei 20 Patienten ergab die histopathologische Auswertung eine per definitionem in dieser
Region seltene Entität. Diese wurden in die Auswertung eingeschlossen.
Radiologisch hatten die Tumore aller eingeschlossenen Patienten ihren Ursprung in oder
unmittelbaren Kontakt zur Sellaregion.
3.2.
Datenerfassung
Die Datenerfassung für die Studie erfolgte anhand der Operationsdokumentation zwischen
Juni 2006 und April 2012 nach der Diagnose „Tumor“ und „Sella“. Hier wurde die
elektronische Datenbank der Klinik für Neurochirurgie mit Hilfe einer Suchfunktion
ausgewertet.
Die Operationsberichte und die prä- und postoperativen Arztbriefe gaben
Auskunft über die Lage des Tumors und über die histologische Entität.
Im elektronischen Archiv der Medizinischen Hochschule Hannover wurden dann die
entsprechenden Akten der Patienten durchgesehen. Dort wurden die OP-Berichte,
histologischen Befunde, radiologische Befunde, prä- und postoperative Arztbriefe und
ambulanten Arztbriefe ausgewertet. Ebenfalls wurde die gesamte prä- und postoperative
Bildgebung erfasst und eingesehen. Im Anschluss erfolgte die Eingabe sämtlicher
Patientendaten und Bilder in ein elektronisches Raster zur Archivierung der erhobenen
Daten. Nach Abschluss der Datenerfassung erfolgte telefonisch die Erfassung der
postoperativen Langzeitbefunde. Anhand dieser Informationen aus den o.g. Quellen wurde
eine umfangreiche Datenbank erstellt, die deskriptiv entsprechend der histologischen
Diagnose statistisch ausgewertet wurde.
29
3.3.
Im
Präoperatives Assessment
Folgenden
werden
die
Schritte
der
standardisierten
Versorgung
von
operationsbedürftigen Patienten mit Prozessen der Sellaregion an der Klinik für
Neurochirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover erörtert. Diese Versorgungsschritte
entsprechen klinikinternen Leitlinien.
3.3.1. Anamnese, Klinische Untersuchung
Die Anamnese der Patienten wurde sowohl bei der ambulanten Vorstellung als auch bei der
stationären Aufnahme erhoben. Im Besonderen wurde genau auf die Symptomdauer bis zur
ärztlichen Vorstellung eingegangen. Eine ausführliche klinisch-neurologische Untersuchung
erfolgte mit besonderem Fokus auf die Visus- und Gesichtsfeldsuntersuchung und die
sonstigen Hirnnervenfunktionen. Besondere Beachtung wurde ebenfalls den klinischen
Symptomen und Zeichen einer Hypophyseninsuffizienz oder einer exzessiven Sekretion von
Hormonen gegeben. Diese als auch die nachfolgend beschriebenen Untersuchungen
wurden unmittelbar präoperativ sowie im Rahmen postoperativer Kontrolluntersuchungen
durchgeführt. Letztere fanden drei Monate nach der Operation und dann in jährlichen
Abständen statt.
3.3.2. Endokrinologische Labordiagnostik
Zur
Beurteilung
der
Hypophysenfunktion
wurden
zusätzlich
zu
einer
sorgfältigen
endokrinologischen Anamnese und klinischen Untersuchung die Konzentrationen der
folgenden Hormone im venösen Blut herangezogen. Für die somatotrope Achse STH und
IGF-1, für die gonadotrope Achse LH/FSH, Estradiol, Progesteron und Testosteron. Für die
thyreotrope Achse wurden TSH, fT3 und fT4 bestimmt und für die corticotrope Achse ACTH
und Cortisol. Zusätzlich wurde die Prolaktinserumkonzentration bestimmt. Zum Ausschluss
eines
pseudo-negativen
Befundes
wurde
hier
die
Bestimmung
der
Prolaktinserumkonzentration in einer Verdünnungsreihe 1/10, 1/100 und 1/1000 („hook
effect“) durchgeführt. Zur Beurteilung der neurohypophysären Funktion wurde die Trink- und
Ausscheidungsmenge bestimmt, sowie Plasma- und Urinosmolalität gemessen. Die
Beurteilung
erfolgte
unter
Berücksichtigung
von
labor-
und
Normalwerten und den in der Literatur angegebenen Normbereichen.
methodenspezifischen
30
3.3.3. Ophthalmologische Diagnostik
Im Rahmen der ophthalmologischen Untersuchungen erfolgten die Bestimmung des Visus,
eine Gesichtsfeldperimetrie sowie eine Spiegelung des Augenhintergrundes. Für die
Visusbestimmungen bei Kindern wurden altersgerechte Tests verwendet.
3.3.4. Radiologische Diagnostik
Die prä- und postoperativ durchgeführte Bildgebung bestand in erster Linie aus
Kernspintomographieuntersuchungen in Dünnschichttechnik. Dabei wurden sowohl koronare
als auch sagittale T1 und T2 gewichtete Bilder mit Fokussierung auf die Sellaregion erstellt.
Zum Nachweis von Verkalkungen in der Sellaregion erfolgte zusätzlich die Durchführung von
Dünnschicht-CT Aufnahmen im Knochenfenster. Der größte Tumordurchmesser in einer
Schnittebene wurde dabei zur Klassifizierung herangezogen.
3.3.5. Auswertung der Tumorausdehnung und des Wachtumsmusters
Die Auswertung der Ausdehung der Tumore in der Sellaregion als auch das unterschiedliche
Wachstumsmuster wurde anhand der radiologischen Daten ausgewertet. Hierfür wurden die
sagittalen Aufnahmen in den T2WI Sequenzen verwendet. Die erweiterte Sellaregion wurde
in 4 verschiedenen Quadraten geteilt:
1.
die supraselläre, präinfundibuläre Region,
2.
die supraselläre, retroinfundibuläre Region,
3.
die dorsale intraselläre Region bzw. klivale Sellaregion und
4.
die ventrale intraselläre Region bzw. nasale/sinusoidale Sellaregion.
Die 4 Quadranten werden durch zwei gedachte Linien voneinander abgegrenzt. Eine
horizontale Linie, welche vom Nasion durch den Processus clinoideus anterior und posterior
verläuft und an der Protuberantia occipitalis externa endet. Eine zweite vertikale Linie,
orthogonal zur horizontalen Linie gerichtet, durch einen Punkt verlaufend, an dem der
Hypophysenstiel durch das Diaphragma sellae tritt (zwischen mittlerem und dorsalem Drittel
der Distanz zwischen Tuberculum sellae und Dorsum sellae) (Abb. 12).
Somit wurde die Region des Hauptwachstums der Tumore in der Sellaregion festgelegt.
Unter Berücksichtigung begleitender Faktoren, wie z.B. des „sella-remodelling“, kann diese
31
Analyse des Wachstumsmusters auch Informationen zur Differentialdiagnose der Tumore in
der Sellaregion geben.
1
2
4
3
Abb.12: Die Unterteilung der Sellaregion in 4 Quadranten zur Analyse des Wachstumsmusters
der Tumore in der sagittalen MRT-Aufnahme in T2-Wichtung. Im dargestellten Fall dehnt sich der
Tumor hauptsächlich in der Region 2 (suprasellär, retroinfundibulär) aus.
3.4.
Operationsmethode
Die unterschiedlichen Entitäten, als auch die Größe, Ausdehnung und Lokalisation des
jeweiligen Tumors führt zur Entwicklung verschiedener operativer Zugänge. Es ist wichtig zu
betonen, dass unterschiedliche Zugänge genauso effektiv für einen bestimmten Tumor
angewendet werden können. Jeder Zugang hat besondere Vor- und Nachteile unter
Berücksichtigung der Lokalisation, des Ursprungs und der Ausdehnung des Tumors, der
Konsistenz des Tumors, des Bezugs zu vitalen Strukturen und des Arbeitkorridors. Der
32
klinikinterne Standard als auch die Erfahrung des Operateurs sind die entscheidenden
Faktoren für die Auswahl eines bestimmten Zugangs.
Orientierend erfolgte eine wichtige Kategorisierung der Tumore in der Sellaregion in Relation
zu ihrer Ausdehnung: 1. Supraselläre Tumore, mit Ursprung oder Hauptausdehnung prä-,
supra- oder retrochiasmatisch. 2. intraselläre Tumore, mit Ursprung oder Hauptausdehnung
intra-, prä- oder infrasellär und suprasellär infrachiasmatisch. Die Tumore der ersten
Kategorie sind für die transkranielle mikrochirurgische Operationen geignet. Die Tumore der
zweiten
Kategorie
werden
bevorzugt
pernasal
transsphenoidal
operiert,
entweder
mikrochirurgisch, endoskopisch oder kombiniert.
3.4.1. Transkranielle mikrochirurgische Operation
Ein häufig angewandter Zugang zur Sellaregion für eine transkranielle Operation ist der
pterionale Zugang. Dieser wurde von Yasargil näher beschrieben und später weiter
ausgearbeitet (Yasargil MG et al, 1976). Dieser Zugang schafft einen kurzen Arbeitskorridor
bis zur Sellaregion.
Wenn die Entscheidung zur Durchführung eines pterionalen Zugangs getroffen wurde, sollte
ebenfalls über die Seite des Zugangs entschieden werden. Wenn die Ausdehnung des
Tumors auf einer Seite betont ist, wird der Zugang in der Regel auf der Seite der
Hauptausdehnung durchgeführt. Wenn Sehstörungen auf ein Auge beschränkt sind oder auf
ein Auge betont sind, dann wird der Zugang in der Regel auf der Seite des betroffenen
Auges durchgeführt. Bei symmetrischer Ausdehnung und visuellen Defiziten auf beiden
Augen wird der Zugang in der Regel auf der Seite der nicht-dominanten Hemisphäre
vorgenommen.
Die Schnittführung erstreckt sich 1cm vor dem Tragus bis zur Mittellinie frontal, knapp hinter
der Haarlinie (Abb. 13). Der M. temporalis wird entlang der gleichen Schnittführung
zusammen mit der Haut und dem subkutanem Fettgewebe als myokutaner Lappen nach
vorne mobilisiert. Ein bis drei Bohrlöcher werden gesetzt um die Kraniotomie konzentriert auf
das Pterion zu ermöglichen (1/3 frontal, 2/3 temporal) (Abb. 14).
Die Dura mater wird bogenförmig eröffnet, und nach vorne gestilt.
Die Darstellung der
Sellaregion als auch die Mobilisierung des Hirnparenchyms mit Retraktion kann durch die
Öffnung des ventralen Drittels der Sylvischen Fissur erweitert werden. Die Öffnung der
Arachnoidea in der Nähe des Tumors, des N. opticus und der A. carotis interna ist elementar
für die optimale Darstellung der Pathologie (Abb. 15).
33
Der Operateur kann durch verschiedene arachnoidale Fenster, zwischen N. opticus und ACI,
prächiasmatisch und hinter der ACI die supraselläre Region erreichen. Die Lamina terminalis
ist die Pforte zum dritten Ventrikel, bei in diesem Kompartiment ausgedehnten Tumoren. Die
Öffnung des Lig. falciformis erlaubt eine partielle Mobilisierung des N. opticus, sodass der
Tumor einfacher und ohne Gefahr für den N. opticus ipsilateral reseziert werden kann (Abb.
16, Abb. 17).
Ein Nachteil besteht im Falle eines pre-fixierten Chiasma opticum aufgrund eines dann
relativ
engen
Arbeitskanals.
Weitere
Nachteile
können
auch
die
eingeschränkte
Präparationsmöglichkeit bei Tumoren sein, die sich weiter nach kranial und dorsal
ausdehnen.
Seltene Komplikationen dieses Zugangs sind Wundinfektion, Hämatom, Liquorfistel,
Krampfanfälle,
Affektion
des
N.
opticus
wegen
Devaskularisierung,
andere
Hirnnervenschädigung und hypothalamo-hypophysäre Störungen.
Abb. 13: Lagerung des Kopfes mit Fixierung in der „Mayfield“-Klemme und Einzeichnung der
Schnittführung in Relation zum M. temporalis und der A. temporalis superficialis, aus Laws ER
Jr et al. Sellar and parasellar Tumors. Diagnosis, Treatments and Outcomes. Thieme; 2011
34
Abb. 14: Der M. temporalis soll über den gleichen Hautschnitt zusammen mit der Haut als
„myokutaner“ Flap nach vorne mobilisiert werden. Über 2 bis 3 Bohrlöcher erfolgt die
osteoplastische Kraniotomie und die bogenförmige Duraöffnung, aus Laws ER Jr et al. Sellar and
parasellar Tumors. Diagnosis, Treatments and Outcomes. Thieme; 2011
Abb. 15: Die Öffnung der Arachnoidea der Sylvischen Fissur, der parasellären Zisternen und
des Lig. falciformis erlaubt die Mobilisierung der Strukturen und eine bessere Darstellung des
Tumors, aus Laws ER Jr et al. Sellar and parasellar Tumors. Diagnosis Treatments and Outcomes.
Thieme; 2011
35
Abb. 16: Der Operateur kann verschiedene Fenster zwischen den neurovaskulären Strukturen
für den Zugang in die supraselläre und selläre Region verwenden, aus Koos WT, Spetzler RF et
al. Color Atlas of Microneurosurgery. Microanatomy, Approaches Techniques. Volume 1, 2nd Edition,
Thieme; 1993
3.4.2. Endoskopische, endonasale transsphenoidale Operation
Die endoskopische, endonasale transsphenoidale Operation wurde mit dem Ziel eines
weniger invasiven Zugangs für die Nasenschleimhäute in den 90er Jahren entwickelt (Abb.
18). Sie besteht aus einem direkten Zugang in den hinteren Nasenrachenraum mit dem Ziel
der Lokalisierung des Ostiums. Die ventrale Wand des Sinus sphenoidalis wird eröffnet und
der Sinus sphenoidalis wird visualisiert (Abb. 20). Diese Technik wurde initial einseitig über
ein Nasenloch durchgeführt. Im Verlauf wurde auch eine Technik über beide Nasenlöcher
entwickelt, welche eine bessere Visualisierung und einen größeren Arbeitskanal erlaubt.
Über
eine
kleine
dorsale
nasale
Septektomie
werden
beide
Arbeitskanäle
zueinandergebracht. Dadurch wird eine bessere Darstellung des Rachenraums und des
Sinus sphenoidalis ermöglicht (Abb. 19, Abb. 20, Abb. 21).
36
Abb. 17: Die anatomischen Verhältnisse zwischen N. opticus, A. cerebri anterior, Tumor und
Tuberculum sellae variieren, abhängig von anatomischen Varianten der suprasellären Region
als auch der raumfordernden Wirkung des Tumors. In jedem Fall werden die am besten
geeigneten „Fenster“ zwischen Chiasma opticum bzw. N. opticus und ACI bzw. ACA gewählt. Hier
werden Beispiele verschiedener Varianten mit Gegenüberstellung des intraoperativen Situs und einer
schematischen Zeichnung dargestellt, aus
Koos WT, Spetzler RF et al. Color Atlas of
Microneurosurgery. Microanatomy, Approaches, Techniques. Volume 1, 2nd Edition, Thieme, 1993
37
Die intrasphenoidalen Septen werden abgefräst, die Leitstrukturen der Schädelbasis werden
visualisiert. Diese sind einfach darzustellen im Fall eines gut pneumatisierten Sinus
sphenoidalis. Im Falle einer nicht ausreichenden Pneumatisierung ist die intraoperative
Fluoroskopie oder die Anwendung einer intraoperativen Navigation sinnvoll.
Die Visualisierung des Tumors, des intrasellären Raums und der medialen Wände des Sinus
cavernosus ist einfacher durch die endoskopische Methode zu erreichen, besonders durch
die neuen „high-definition“ Technologien (Abb. 22).
Abb. 18: Darstellung der Lagerung des Patienten für einen endoskopischen, endonasalen,
transsphenoidalen Eingriff. Der Oberkörper wird hochgelagert,
der Kopf wird nach Inklination,
Neigung nach links und Rotation nach rechts in der Mayfield-Klemme fixiert.
38
Abb. 19: Operative Schritte einer pernasalen, transsphenoidalen
Operation
bis zur
Duraeröffnung. Oben: Blickwinkel des Operateurs (links) und von der Seite (rechts) bei der
osteoklastische Erweiterung der Ostia mittels Kerrison-Stanzen. Der Boden des Sinus sphenoidalis
wird großzügig zur besseren Visualisierung aufgestanzt, Mitte: Sobald die Wand vom Sinus
sphenoidalis entfernt ist, wird die Mukosa mobilisiert und vollständig entfernt. Nur dann werden die
anatomischen Orientierungsmerkmale sichtbar, Unten: Der knöcherne Sellaboden wird mittels
Stanzen und „Highspeed-Drill“ entfernt und die Dura mater dargestellt und kreuzförmig inzidiert, aus
White WL et al. The transsphenoidal approach to pituitary tumors. BNI Quarterly 18(3):20-28, 2002
39
Abb. 20: Operative Schritte einer pernasalen, transsphenoidalen Operation von der
Tumorresektion bis zur Abdeckung der Sella. Oben: Nach der Duraöffnung folgt die Präparation
des Tumors und die Enukleation mittels Kürette, Dissektor und Sauger. Die Mobilisierung des Tumors
erfolgt unter Sicht, was während der endoskopischen Operation nach lateral besonders vorteilhaft im
Vergleich zu der transseptalen mikrochirurgischen Methode ist. Unten: Seitliche Sicht auf die Sella
und den Sinus sphenoidalis nach Verschluss. Im Fall von Liquorfluss intraoperativ oder bei großen
Tumoren, wobei eine Herniation des Chiasma opticum und des Diaphragma sellae nach rostral
vorgebeugt werden muss, erfolgt die Füllung des Sinus sphenoidalis mi tkörpereigenem Bauchfett und
die Abdeckung des sellären und sinusoidalen Fensters mit fibrinogenhaltigen Schwamm (TachoSil®)
und Fibrinkleber, aus White WL et al. The transsphenoidal approach to pituitary tumors. BNI
Quarterly 18(3):20-28, 2002
40
Abb. 21: Intraoperative, endoskopische Ansicht der Schädelbasis bzw. der Sellaregion von
unten nach Entfernung des Ostiums und partieller, dorsaler Septotomie. PS: Planum
sphenoidale, SF: Sellaboden, CP: Processus caroticus (die knöcherne Eindellung, in welcher das
petröse und kavernöse Segment der ACI eingebettet ist), C: Clivus, OCR: Recessus optico-caroticus
(Raum zwischen N. opticus und Siphon der ACI in ihrem klinoidalen Segment), aus Castelnuovo P,
Locatelli D. The endoscopic surgical technique „Two Nostrils – Four Hands“. Endo Press, 2011
3.5.
Postoperatives Management
3.5.1. Klinische Überwachung
Die Patienten wurden für 12 bis 18 Stunden nach der Operation auf der neurochirurgischen
Intensivstation überwacht. Hier werden für die ersten 6 Stunden nach der Operation
stündlich
die
Vigilanz,
der
Visus
und
das
Gesichtsfeld,
die
Trinkmenge
und
Ausscheidungmenge, Serum- und Urinosmolarität, und Serumelektrolyte kontrolliert. Bei
unauffälligem Verlauf und unauffälliger postoperativer cCT-Aufnahme werden die Patienten
2-stündlich überwacht und anschließend auf die Tagesstation verlegt. Dort wird die
Überwachung weiterhin 1 bis 2mal täglich für die nächsten Tage postoperativ fortgeführt.
41
Abb. 22: „High-Definition“ Endoskopie-Turm der Firma Karl Storz®. Apparate für monopolare
und bipolare Koagulation, Lichtquelle, Spülung („clear vision“) und die Möglichkeit einer VideoAufnahme stehen während der Operation zur Verfügung, aus Castelnuovo P, Locatelli D. The
endoscopic surgical technique „Two Nostrils – Four Hands“. Endo Press, 2011
3.5.2. Postoperative radiologische Diagnostik
Unmittelbar postoperativ wurden routinemäßig eine cCT-Aufnahmen 6 Stunden nach der
Operation zum Ausschluss von eventuellen Komplikationen, wie Nachblutung oder
Pneumencephalus durchgeführt. Die erste postoperative Kernspintomographieuntersuchung
mit T1- und T2-gewichteten Aufnahmen, vor und nach Gadolinium-Gabe wurde bei allen
Patienten 3 Monate nach der Operation angefertigt.
3.5.3. Hormonsubstitution
Alle Patienten erhielten während der Operation eine Stressdosis von 100mg Hydrocortison
sowie danach weitere 100mg i.v. in den ersten 24 Stunden nach der Operation. Zusätzlich
wurde ein Substitutionschema mit L-Thyroxin 100µg/d als Einzelgabe und Hydrocortison
100mg/d, verteilt über 3 Gaben während des Tages, eingesetzt. Diese Dosierung wurde
42
innerhalb der ersten 5 Tage nach der Operation bis 60mg/d reduziert. Diese Dosierung
wurde als Substitution weiter für die ersten 5 Wochen postoperativ fortgeführt. Die klinische
und laborchemische endokrinologische Nachuntersuchung erfolgte 6 Wochen nach der
Operation.
Bezüglich der Substitution der neurohypophysären Funktion und der Flüssigkeitsbilanz
wurde bei allen Patienten die Ein- und Ausfuhrmenge engmaschig kontrolliert. Eine
Substitution mit Vasopressin (Minirin) erfolgte nach folgenden Kriterien: 1. Serum Natrium >
150mmol/l
oder
2.
Serumosmolarität
>
310
mosmol/l,
oder
3.
stündliche
Ausscheidungsmenge > 300ml über 3 Stunden mit spezifischem Gewicht des Urins < 1003.
3.6.
Aufarbeitung der histologischen Diagnose
Die histologische Aufarbeitung bestand zum einen aus der intraoperativen Begutachtung
eines Schnellschnitts anhand eines nativen Präparates und der zytologischen Untersuchung
des zystischen Inhaltes (wenn vorhanden), und zum anderen aus der histologischen und
immunohistochemischen Untersuchung von Formalin- und Paraffin- fixiertem Gewebe.
3.7.
Datenerfassung bei der Nachuntersuchung (Follow-up)
Die Erfassung der Daten der Nachuntersuchungen erfolgte anhand der
postoperativen
Arztbriefe der Klinik für Neurochirurgie und der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und
Endokrinologie der MHH.
aktuelle
Zusätzlich wurden die Patienten
Hormonsubstitutiontherapie
der
Patienten
als
telefonisch kontaktiert. Die
auch
die
aktuellsten
ophthalmologischen Befunde wurden im Besonderen berücksichtigt. Die Patienten wurden
im Rahmen der Verlaufskontrolle als auch telefonisch über alltäglichen Tätigkeiten,
Selbstversorgung, Mobilität, Belastbarkeit und Arbeitsfähigkeit gefragt. Gemäß den
Antworten wurden der Allgemeinzustand und die Lebensqualität der Patienten abgeschätzt.
Die Datenbank wurde standarisiert durch die Anwendung des Karnofsky-Index (Karnofsky
performance status scale).
Der Karnofsky-Index dient vor allem der Bewertung der physischen Lebensqualität und
schließt die Selbstständigkeit, die Aktivität im Alltag, die Arbeitsfähigkeit und die Schwere der
Erkrankung mit ein. Im Folgenden werden die einzelnen Abstufungen des Index
beschrieben, die Zahlenangaben verstehen sich in Prozent.
43
100: keine Anzeichen einer Erkrankung, keine Beschwerden.
90: wenige Symptome oder Anzeichen einer Erkrankung in der Lage an normalen Aktivitäten
teilzunehmen.
80: einige Symptome oder Anzeichen einer Erkrankung, mit Anstrengung in der Lage an
normalen Aktivitäten teilzunehmen.
Bei einem Karnofsky-Index von 100 bis 80% sollte der Patient in der Lage sein, an den
normalen Tätigkeiten des Alltags teilzunehmen und einer Tätigkeit nachzugehen. Zudem ist
keine spezielle Hilfe oder Unterstützung notwendig.
70: selbständige Versorgung, normale Aktivitäten und aktive Arbeit nicht möglich
60: gelegentliche Hilfe notwendig, jedoch eigenständige Versorgung bei fast allen
persönlichen Bedürfnissen
50: beträchtliche Hilfe notwendig, gelegentliche medizinische Versorgung
Bei einem Karnofsky-Index von 70 bis 50% ist der Patient nicht mehr in der Lage einem
Beruf oder einer aktiven Arbeit nachzugehen, jedoch versorgt er sich in persönlichen Dingen
fast selbstständig und lebt zu Hause. Unterstützung
in unterschiedlichen Bereichen ist
notwendig.
40: invalide, spezielle Versorgung und Hilfe ist notwendig
30: schwer invalide, stationäre Aufnahme ist eventuell erforderlich
20: schwer erkrankt, stationäre Aufnahme ist dringend erforderlich, lebenserhaltende
Maßnahmen müssen eingeleitet werden
10: sterbend, tödliche Prozesse schreiten schnell voran
0: Tod
Bei einem Karnofsky-Index von 40 bis 10% ist der Patient nicht mehr fähig sich selbst zu
versorgen, institutionelle Hilfe ist notwendig, die Verschlechterung des Krankheitsverlaufs
geht schnell voran.
44
3.8.
Statistische Aufbereitung und Analyse
Die Auswertung der Daten erfolgte anhand des Programms Microsoft EXCEL (Microsoft
Windows XP Professional). Im Rahmen der deskriptiven Statistik und in Abhängigkeit von
der jeweiligen Fragestellung wurden die folgenden statistischen Kennzahlen erhoben:
1. Stichprobenumfang (n), 2. arithmetisches Mittel (x), 3. Standardabweichung (s),
4.
2
Minimum und Maximum . Ferner wurde der Anteilsdifferenzen-Test und x - Test zwischen
den verschiedenen Subgruppen des Stichprobenumfangs mit Hilfe des Programms PRISM 4
(Version 4.01) durchgeführt. Zur Bestimmung von Signifikanzen wurde in jedem Fall eine
Irrtumswahrscheinlichkeit von p<0,05 festgelegt.
45
4. Ergebnisse
4.1.
Übersicht
4.1.1. Seltene Prozesse und Tumorarten der Sellaregion
Insgesamt wurden im Zeitraum von 2006 bis 2012 194 Patienten mit Prozessen in der
Sellaregion in der Neurochirurgischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover
operiert. Von diesen Patienten hatten 122 Patienten ein Hypophysenadenom, 26 Patienten
ein Tuberculum sellae Meningeom und 17 Patienten eine Rathke’sche Zyste oder
Kraniopharyngeom. Schließlich wurden 20 Patienten (~10,3%) mit einem seltenen Prozess
diagnostiziert (Abb.23).
Mit der Definition „seltene Prozesse der Sellaregion“ wurden also nicht-adenomatöse
Läsionen und Tumore bezeichnet, die insgesamt weniger als 10% aller Tumore der
Sellaregion darstellten, und welche präoperativ als gewöhnliche Tumorentitäten der
Sellaregion betrachtet wurden.
Abb. 23: Häufigkeiten der verschiedenen Tumorarten im eigenen Kollektiv von 196 Patienten,
operiert von 2006 bis 2012
4.1.2. Histopathologische Übersicht
Die histopathologische Aufarbeitung ergab eine Differenzierung der seltenen Prozesse der
Sellaregion in 8 verschiedene Gruppen:
46
1.
Xanthogranulome oder Cholesteringranulome (n=6 Patienten, 30%),
2.
Metastasen (n=5 Patienten, 25%),
3.
Gliome des hypothalamo-infundibulären Bereichs (n=2 Patienten, 10%),
4.
Kolloidzysten (n=3Patienten, 15%),
5.
Epidermoidzyste (n=1 Patient, 5%),
6.
Gangliozytom (n=1 Patient, 5%),
7.
Lymphozytäre Hypophysitis (n=1 Patient, 5%), und
8.
Gemischter Keimzelltumor (n=1 Patient, 5%).
Ein Gesamtüberblick zu den o.g. Prozessen mit Berücksichtigung des Alters und
Geschlechts, der Anamnesedauer, als auch der Beschwerden bei der Aufnahme und der
Befunde der klinischen Untersuchung jedes einzelnen Patienten gibt Tabelle 1 (siehe
nächste Seite).
4.1.3. Geschlechtsverteilung
Die geschlechtsspezifische Differenzierung ist in Tabelle 2 dargestellt.
Tumorart
∑
Gesamt
n=20 (100%)
Männer
Frauen
n=10
n=10
(50%)
(50%)
Xanthogranulom (XG)
n=6
4 (67%)
2 (33%)
Metastase (MT)
n=5
2 (40%)
3 (60%)
Gliom (G)
n=2
1 (50%)
1 (50%)
Kolloidzyste (CC)
n=3
1 (33%)
2 (67%)
Epidermoidzyste (EC)
n=1
0 (0%)
1 (100%)
Gangliozytom (GC)
n=1
0 (0%)
1 (100%)
n=1
1 (100%)
0 (0%)
n=1
1 (100%)
0 (0%)
Lymphozytäre
Hypophysitis (LH)
Keimzelltumor (KZ)
Tab.2: Häufigkeiten der Tumorarten nach dem Geschlecht
47
Tab. 1:
Überblick über das Patientenkollektiv unter Angabe des Geschlechts, des Alters, der Anamnesedauer und der klinischen Beschwerden
bzw. Befunde.
Geschle
cht
Anamnesedauer
Patient
(m/w) Histologie
(Monate)
/Alter
(Jahre)
1
w / 66
3
Klinische Symptome und Untersuchungsbefunde
Allgemeine Beschwerden bei
Aufnahme
Visusminderung
GFDoppelbilder Cephalgie Adynamie
Einschränkung
Sehstörung
-
+
-
-
-
12
Libido- /Potenzstörung, Müdigkeit
-
-
-
-
+
1/4
Sehstörung, Amenorhö, Galaktorhö
-
+
+
+
-
12
Sehstörung
-
+
-
-
-
2
m / 55
3
w / 24
4
m / 28
5
m / 29
2
Gedächtnisstörung, Müdigkeit
-
+
-
+
+
6
m / 73
1/10
Hirndruckzeichen
+
NA
NA
NA
NA
7
w / 51
6
Sehstörung, Diplopie, Müdigkeit
+
-
+
-
+
8
w / 63
2
Diplopie
+
+
+
+
-
9
w / 50
6
Diabetes insipidus
-
-
-
-
-
10
m / 44
2
Sehstörung/ Diplopie
+
+
+
+
-
11
m / 58
1
Sehstörung
+
+
-
+
-
12
w/2
6
Schwindel, Hirndruckzeichen
+
+
-
+
+
13
m / 25
1/4
Sehstörung/ Diplopie
+
+
+
-
-
14
m / 49
1/4
Kopfschmerzen
-
-
-
+
-
15
w / 36
1
Gewichtszunahme, Sehstörung
+
-
-
+
+
16
w / 65
24
Sehstörung, Demenz
+
+
-
+
-
17
18
19
20
w / 45
w / 49
m / 56
m / 16
36
12
6
2
Sehstörung, Kopfschmerzen
Sehstörung, Müdigkeit
Diabetes insipidus, Müdigkeit
Sehstörung
+
+
+
+
+
+
+
-
+
+
-
+
+
-
XG
MT
G
CC
EC
GC
LH
KZ
Geschlecht: m-> männlich, w-> weiblich
GF- Einschränkung -> Gesichtsfeldeinschränkung
Histologie: XG-> Xanthogranulom, MT-> Metastase, G-> Gliale Tumore, CC-> Kolloizyste, EC-> Epidermoidzyste, GC-> Gangliozytom
LH-> Lymphozytäre Hypophysitis, KZ-> Keimzelltumor
48
4.1.4. Altersverteilung
Daten zum Patientenalter und zur Häufigkeitsverteilung sind in der Tabelle 1 dargestellt.
Abb.24 zeigt die Verteilung des Patientengutes auf drei Altersklassen. Die Repräsentanz
der jeweiligen Tumorarten in den Altersklassen zeigt, dass Xanthogranulome häufiger
zwischen dem 1. und 30. Lebensjahr und zwischen dem 61. und 90. Lebensjahr auftreten.
Demgegenüber treten Metastasen häufiger zwischen dem 31. und 60. Lebensjahr auf.
Die Abb.24 stellt illustrativ die o.g. Verteilung des Stichprobenumfangs in drei Altersklassen
und die unterschiedlichen Alterseffekte der häufigsten Tumorarten dar.
Abb. 24: Verteilung der seltenen Prozesse in Altersgruppe, insgesamt und nach Diagnose
XG: Xanthogranulom, MT: Metastase, G: Gliale Tumore, CC: Kolloizyste
4.1.5. Anamnesedauer
Die mittlere Dauer der Anamnese bis zur Diagnose betrug 8,7 Monate (+/- 9,7 Monate). Im
Vergleich von Xanthogranulomen und Metastasen zeigte sich ein Unterschied mit einer
insgesamt kürzeren Anamnesezeit bei den schnell wachsenden und infiltrierenden
49
Metastasen. Tabelle 3 zeigt Mittelwerte, Standardabweichung und die Extremwerte der
Anamnesezeiten differenziert nach Tumorarten.
Tumorart
n
Anamnesezeit
Standardabweichung
Extremwerte in
in Monaten
in Monaten
Monaten
Mittelwert (x)
(s)
Xmin - Xmax
XG
6
4,9
5,1
0,1 - 12
MT
5
3,4
2,2
1-6
G
2
3,2
2,9
0,3 - 6
CC
3
8,4
11
0,3 - 24
EC
1
36
-
-
GC
1
12
-
-
LH
1
6
-
-
KZ
1
2
-
-
∑
20
8,7
9,7
0,1 - 36
Tab. 3: Anamnesezeit bis zur Diagnose mit Mittelwert, Standardabweichung und Extremwert im
Verhältnis zur Tumorart
XG: Xanthogranulom, MT: Metastase, G:Gliale Tumore,CC:Kolloizyste, EC:Epidermoidzyste,
GC:Gangliozytom, LH: Lymphozytäre Hypophysitis, KZ: Keimzelltumor
4.1.6. Leitsymptome und begleitende Symptomatik
Die am häufigsten genannten Symptome waren Sehstörungen, die bei 55% aller Patienten
auftraten. Von vergleichbar großer Bedeutung waren
Kopfschmerzen bei 50% und
allgemeine Beschwerden (Adynamie, Müdigkeit, Allgemeinzustandverschlechterung und
Schwindelgefühl) bei 35%. Zur Beurteilung der Unterschiede der Symptome bei den
verschiedenen Tumorarten wurden zwei Gruppen gebildet, eine Gruppe mit infiltrativen
Tumoren/Läsionen (hierzu gehören Metastasen, Gliome, Keimzelltumore und Hypophysitis)
und eine zweite Gruppe mit nichtinfiltrativen, verdrängenden Tumoren (Xanthogranulome,
Kolloidzysten, Epidermoidzyste und Gangliozytom).
Signifikante Unterschiede in Abhängigkeit von der Tumorart fanden sich hinsichtlich des
Auftretens von Doppelbildern. Patienten mit infiltrativen Tumoren hatten mit 50% verglichen
mit der Gruppe der nicht-infiltrativen Tumore (0%) deutlich häufiger dieses Symptom
50
(p<0,001). Abbildung 25 stellt die Häufigkeiten verschiedener Symptome für die beiden
Gruppen mit infiltrativen und nicht-infiltrativen Tumoren zusammen.
6
5
4
3
2
Nicht infiltrative Tumore
1
Infiltrative Tumore
0
Abb. 25: Symptomhäufigkeit in Abhängigkeit von der Tumorart
4.1.7. Ophthalmologischer Befund und postoperative Entwicklung
Unter den 20 an seltenen Tumoren der Sellaregion operierten Patienten waren bei 13
Patienten (65%) Gesichtsfeldausfälle zu verzeichnen. Ferner zeigte sich ebenfalls bei 13
Patienten eine Visusminderung bei der präoperativen Untersuchung. Die nach Tumorgröße
differenzierten Gesichtsfeldausfälle wurden zusammengestellt. Es fand sich jedoch keine
statistisch signifikanten Unterschiede, trotz des zu erwartenden Trends für einen größeren
Anteil von Gesichtsfeldausfällen bei Tumoren mit größerem Durchmesser mit konsekutiver
Anhebung oder Verdrängung des Chiasma opticums oder der Nn. optici.
Im
Gegensatz
dazu
zeigte
die
Differenzierung
der
Patienten
mit
präoperativer
Visusminderung nach Tumorart einen signifikanten Unterschied zwischen der Gruppe mit
infiltrativen und nicht-infiltrativen Prozessen. Bei Patienten mit infiltrativen Prozessen der
Sellaregion lag bei 85% eine Visusminderung vor, wohingegen bei den nicht-infiltrativen
Tumoren nur 45% eine solche hatten (p=0,0085). Dies bedeutet, dass infiltrative Prozesse
der Sellaregion häufiger durch Visusminderung auffällig werden im Vergleich zu den nicht
infiltrativen Prozessen.
51
Bei der Analyse der postoperativen Besserung sowohl der Visusminderung als auch der GFEinschränkung zeigte sich, dass
ein signifikant größerer Teil der Patienten mit nicht-
infiltrativen Prozessen eine Besserung der Symptome postoperativ erfuhr im Vergleich zu
den Patienten mit infiltrativen Prozessen (p=0,0106). In Tabelle 4 werden die präoperativen
ophthalmologischen Symptome und die Anzahl der Patienten mit postoperativer Besserung
gezeigt.
Präoperativ
Postoperativ
Tumorart
Besserung
Visusminderung
GF-Einschränkung
XG
1
4
-/4
MT
4
3
-/-
G
2
2
1/-
CC
2
1
2/1
EC
1
-
1/-
GC
1
1
1/1
LH
1
1
-/1
KZ
1
1
NA
∑
n= 13
n= 13
-
Visus / GF-Einschr.
Tab. 4: Visusminderung und GF-Einschränkungen präoperativ.Zum direkten Vergleich ist die Anzahl
der Patienten mit postoperativer Besserung des Visus und der Gesichtsfeldseinschränkung
dargestellt: In Blau, Patienten mit nicht-infiltrativen Prozessen. In Rot, Patienten mit infiltrativen
Prozessen.
XG:
Xanthogranulom,
MT:
Metastase,
G:
Gliale
Tumore,
CC:
EC: Epidermoidzyste, GC: Gangliozytom, LH: Lymphozytäre Hypophysitis, KZ: Keimzelltumor
Kolloizyste,
Abbildung 26 visualisiert die prozentualen Anteile der Patientengruppen mit infiltrativen
gegenüber nicht-infiltrativen Prozessen mit Visusminderung und Gesichtsfeldseinschränkung
als auch der Patienten, die postoperativ eine Besserung zeigten. Hier wird wiederum
deutlich, dass eine Visusminderung häufiger bei infiltrativen Prozessen war, und dass eher
Patienten mit nicht-infiltrativen Prozessen von der Operation profitieren.
52
Gesichtsfeldeinschränkung
Infiltrative Tumore
Visusminderung
Nicht infiltrative Tumore
postoperative Besserung
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Abb. 26: Prozentualer Anteil der Patienten mit präoperativer Visusminderung und GFEinschränkung und Anteil der postoperativen Besserung nach Einteilung in infiltrative und
nicht-infiltrative Prozesse
4.1.8. Präoperative Hormondiagnostik und postoperative Entwicklung
Eine präoperative Hormoninsuffizienz fand sich bei 13 Patienten (65%). Insgesamt trat
präoperativ bei 8 Patienten ein Hormonmangel einer Achse auf, bei 2 Patienten ein
Hormonmangel zweier Achsen und bei einem Patienten ein Hormonmangel dreier Achsen.
In 7 Fällen und damit am häufigsten insuffizient war die gonadotrope Achse, während bei 3
Patienten der thyreotrope, bei 2 Patienten der kortikotrope und bei einem Patienten der
somatotrope Regelkreis ausgefallen waren. Eine Insuffizienz der Neurohypophyse konnte
präoperativ bei zwei Patienten festgestellt werden. Bei einem Patienten konnte die
Hormondiagnostik aufgrund der akuten klinischen Verschlechterung und der dringlichen
Operation nicht durchgeführt werden. Eine Begleithyperprolaktinämie wurde bei insgesamt 4
Patienten (20%) präoperativ diagnostiziert. Bei diesen Patienten lag 1 Xanthogranulom, 1
Metastase, 1 Epidermoidzyste und 1 Gangliozytom vor.
Postoperativ, im Langzeitverlauf, war bei 14 Patienten (70%) eine Hormoninsuffizienz zu
verzeichnen. Das entspricht einem Anstieg um 15 Prozent im Vergleich zur präoperativen
Situation. Der postoperative Hormonstatus entspricht hier der aktuellsten Nachkontrolle im
Rahmen des Follow-up.
53
Abbildung 27 zeigt die Entwicklung der Insuffizienz der jeweiligen Hormonachsen im
postoperativen Verlauf im Vergleich zur präoperativen Situation. Hier wird deutlich, dass
insbesondere die Steigerung der Ausfälle der kortikotropen Achse um 35 Prozent und der
thyreotropen Achse um 30 Prozent post operationem zu der genannten Erhöhung führten.
Zum Verlust der gonadotropen Achse kam es nur bei einem Patienten (5%). Die Häufigkeit
einer Insuffizienz der somatotropen Achse und auch der Neurohypophyse mit Diabetes
insipidus stieg um jeweils 25%.
10
9
8
7
6
präoperativ
5
postoperativ
4
3
2
1
0
C-Achse
T-Achse
G-Achse
S-Achse
ADH
Abb. 27: Übersicht der Anzahl von Patienten mit Hormonachseninsuffizienzen im Vergleich,
präoperativ und postoperativ (Follow-up = 53 Monate im Mittelwert)
Tabelle 5 gibt einen Überblick über die Befunde der endokrinologischen Untersuchung
präoperativ und postoperativ bei der letzten Nachkontrolle des Follow-Ups nach Tumorart für
jeden einzelnen Patienten.
Abbildung 28 zeigt eine detaillierte Zusammenstellung des Status der Hormonachsen
präoperativ im Vergleich zu postoperativ während der Nachuntersuchungszeit. Hier werden
die Patienten je nach maximalem Tumordurchmesser in zwei Gruppen aufgeteilt. Die erste
Gruppe bilden Patienten mit Tumoren mit einem Durchmesser bis zu 20mm. Die zweite
Gruppe bilden diejenigen mit einem Tumor, der größer als 20mm ist. Zwischen den beiden
Gruppen
lässt
sich
endokrinologischen
ein
signifikanter
Ergebnisse
eruieren.
Unterschied
Patienten
bezüglich
mit
der
postoperativen
größeren Tumoren
zeigen
postoperativ häufiger eine Verschlechterung der endokrinen Funktion der Hypophyse,
unabhängig vom Ausgangsbefund und vom histologischen Befund.
54
Tab. 5: Überblick über die Hormondiagnostik der Patienten prä- und postoperativ aufgegliedert nach der Histologie
präoperative Hormondiagnostik
postoperative Hormondiagnostik
Patient Histologie
C-Achse
T-Achse
G-Achse
S-Achse
ADH
Sekundäre
HyperPRL
C-Achse
T-Achse
G-Achse
S-Achse
ADH
XG
NA
NA
+
+
+
NA
NA
NA
+
NA
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
7
8
9
10
11
MT
-
+
+
+
+
-
-
+
-
+
-
+
NA
+
+
+
NA
+
+
+
NA
+
NA
+
+
NA
12
13
G
+
-
+
-
-
-
-
-
+
-
+
+
+
-
+
-
+
-
14
15
16
CC
+
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
17
18
19
20
EC
GC
LH
KZ
+
+
-
-
+
+
+
-
+
+
-
+
-
+
+
-
+
+
NA
+
NA
+
+
NA
+
+
NA
+
+
NA
1
2
3
4
5
6
C-Achse: corticotrope Achse, T-Achse: thyreotrope Achse, G-Achse: gonadotrope Achse, S-Achse: somatotrope Achse, ADH: antidiuretisches
Hormon, Hyper-PRL: Hyperprolaktinämie, verschattete Zellen und + : Insuffizienz, helle Zellen und - : Intakte Funktion
XG-> Xanthogranulom, MT-> Metastase, G-> Gliale Tumore, CC-> Kolloizyste, EC-> Epidermoidzyste, GC-> Gangliozytom, LH-> Lymphozytäre
Hypophysitis, KZ-> Keimzelltumor
55
5
4
3
präoperativ
postoperativ
2
1
0
1 Achse
A.
2 Achsen
3 Achsen
4 Achsen
ADH
intakt
Hormoninsuffizienz bei Tumoren 1-20mm präoperativ im Vergleich zu postoperativ
4
3
präoperativ
2
postoperativ
1
0
1 Achse
B.
2 Achsen
3 Achsen
4 Achsen
ADH
intakt
Hormoninsuffizienz bei Tumoren 21-46mm präoperativ im Vergleich zu postoperativ
Abb. 28: Zwei Diagramme mit schematischer Darstellung der endokrinologischen Funktion prä- und
postoperativ für Tumore kleiner (A) und größer (B) als 20mm.
56
4.1.9. Wachstumsmuster und weitere radiologische Eigenschaften
Nachfolgend
werden
Wachstumsmuster,
Tumorgröße
und
weitere
radiologische
Eigenschaften erörtert. Tabelle 6 gibt einen Gesamtüberblick unter Berücksichtigung des
„bright spot“ Zeichens in den präoperativen MRT-Aufnahmen, zystischer Anteile,
Verkalkungen und die Infiltration des Sinus cavernosus.
Es wird deutlich, dass ein signifikant größerer Anteil von Patienten mit Metastasen der
Sellaregion ein unterschiedliches Wachstumsmuster zeigt, eher im Bereich 3 und 4, das
heißt im dorsalen intrasellären Bereich und im suprasellären retroinfundibulären Bereich
(p=0,0025). Metastasen zeigen ein unterschiedliches „sella-remodelling“ mit Wachstum im
hinteren
Bereich
des
Sellabodens
und
im
Clivus,
im
Gegensatz
zu
den
Hypophysenadenomen. Dies ist ein nützlicher radiologischer Befund zur Differenzierung von
Metastasen und Hypophysenadenome. Ferner zeigen Metastasen häufiger eine Infiltration
des Sinus cavernosus.
Bezüglich des „bright spot“ Zeichens in der nativen T1-gewichteten MRT Aufnahme lassen
sich Prozesse mit Affektion der Neurohypophyse von den anderen Prozessen differenzieren.
Bei Xanthogranulomen stellte sich ein „bright spot“ in 5 von 6 Fällen nicht dar. Im Gegensatz
dazu wiesen andere zystische Prozesse, wie Kolloidzysten, zystische supraselläre Gliome
und Keimzelltumore dieses Zeichen auf. Schließlich ist bei Metastasen und einer
Hypophysitis, die primär die Neurohypophyse affektieren, das „bright spot“ nicht darstellbar.
Dieses
Zeichen
kann
auch
differentialdiagnostisch
zur
Unterscheidung
Wachstumsmusters von intrasellär nach suprasellär oder umgekehrt eingesetzt werden.
des
57
Tab. 6: Überblick über die Lokalisation, Größe, das Wachstumsmuster und die neuroradiologischen Eigenschaften der Tumore
Max.
TumorPatient Histologie Lokalisation Tumorgröße
ausdehnung
(mm)
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
Signalverhalten in der MRT
Intensität
KMIntensität
in T1WI
Aufnahme
in T2WI
nativ
Bright
spot
Zyste Verkalkung
Sellaremodeling
Infiltration
Sinus
cavernosus
ss
12
2
hyper
hyper
+
+
is+ss
20
2+3
hyper
+
hypo
+
+
is+ss
17
2
hyper
hyper
+
XG
is+ss
38
2+4
hyper
hyper
+
+
ss
38
2
hyper
hyper
+
+
ss
44
2
hyper
hyper
+
ss+is
13
2
iso
+
iso
is+ss
26
3+4
iso
+
hyper
+
MT
is+ss
10
3
hypo
+
iso
is+ss
21
3
iso
+
iso
is
38
3+4
iso
+
iso
+
+
ss+is
46
2
hypo
+
hyper
+
+
G
ss
15
1
hypo
+
hyper
+
ss
19
2
iso
iso
+
CC
ss
20
2
hypo
hyper
+
+
ss
9
1
iso
iso
+
EC
ss+is
38
2
hyper
hyper
+
+
GC
is
10
4
hypo
iso
+
LH
is+ss
10
3
hyper
+
iso
+
KZ
ss
40
2
hyper
+
hyper
+
+
Lokalisation: is: intrasellar, ss: suprasellar
Wachstumsbereich -> 1: suprasellär präinfundibulär, 2: suprasellär retroinfundibulär, 3: intrasellär Neurohypophyse, 4: intrasellär
Adenohypophyse
Signalverhalten in der MRT -> hyper: hyperintenses Signal im Vergleich zum Marklager, iso: isointenses Signal, hypo: hypointenses Signal
Bright spot -> charakteristische Aufhellung der intakten Neurohypophyse gegenüber der Adenohypophyse, in den nativen MRT T1WI Sequenzen
Sella-remodeling: Erweiterung oder knöcherne Destruktion im Bereich der Sella bzw. des Sellabodens
XG-> Xanthogranulom, MT-> Metastase, G-> Gliale Tumore, CC-> Kolloizyste, EC-> Epidermoidzyste, GC-> Gangliozytom
LH-> Lymphozytäre Hypophysitis, KZ-> Keimzelltumor
+
+
+
+
-
58
Die Tabelle 7 enthält eine detaillierte Zusammenstellung der einzelen Patienten mit der
histologischen Diagnose, der Tumorausdehnung, mit dem angewendeten operativen
Zugang, den operationsbedingten Komplikationen und mit dem Ausmass der Tumorresektion
in direktem Vergleich zu den Langzeit-Ergebnissen während der Nachbeobachtungszeit, zur
Dauer des Follow-Up und zum Karnofsky-Index Wert bei der aktuellsten Nachkontrolle.
4.1.10 Operationsmethoden
Bei der Methode der Operation wurde einmal das gesamte Patientenkollektiv ausgewertet
und zum anderen jeweils zwischen der transkraniellen mikrochirurgischen und transnasalen
endoskopischen Methode unterschieden. Mit Hilfe der transkraniellen Methode wurden
insgesamt 12 Patienten (60%) operiert, in endoskopischer pernasaler transsphenoidaler
Technik 7 Patienten (35%) und schließlich wurde 1 Patient (5%) mit einer kombinierten
Methode, sowohl transkraniell als auch transsphenoidal, in 2 Sitzungen operiert.
Im Gesamtkollektiv wurde bei 7 Patienten (35%) der Tumor vollständig entfernt. Eine
subtotale Resektion ergab sich bei insgesamt 13 Patienten (65%). Kein Patient dieses
Kollektivs erhielt lediglich eine Biopsie zur Klärung der Tumordignität.
Wenn der chirurgische Zugang getrennt betrachtet wird, wurde bei der transkraniellen
mikrochirurgischen Methode eine Tumorkomplettresektion bei 6 von insgesamt 12 Patienten
(50%) vorgenommen.
Bei den endoskopischen transsphenoidalen Operationen erfolgte nur bei einem Patienten
(≈14%) eine Tumorkomplettresektion. Eine subtotale Resektion wurde bei 6 Patienten
(≈86%) durchgeführt. Bei dem Patienten mit einer kombinierten Operationsmethode in 2
Sitzungen wurde der Tumor subtotal reseziert.
Insgesamt wurde mit der transkraniellen Methode häufiger eine Komplettentfernung im
Vergleich zur endoskopischen transsphenoidalen Methode erreicht.
59
Tab. 7: Zusammenstellung der Histologie, der Tumorausdehnung, des operativen Zugangs, der postoperativen Komplikationen, der LangzeitErgebnisse, der Follow-Up Dauer, des Karnofsky-Index Werts nach Langzeitverlaufskontrolle und der Häufigkeit von Tumorrezidive bzw.
Tumorrestprogress.
Ergebnisse nach
Langzeitverlaufskontrolle
TumorOper.
TumorPostoperative
Patient Histologie
ausdehnung Zugang resektion Komplikationen endokrinologisch
ophthalmologisch
(Achsen(Visus/Gesichtsfeld)
Insuffizienz)
1
2
tk
GTR
unauf / bes
2
Adjuvante
Therapie
LangzeitFollow-Up
Nachkontrolle/ Lebensqualität Rezidiv/
Follow-up
KarnofskyProgress
(Monate)
Index (%)
-
53
90
n
2+3
ts
STR
-
C
unauf / unauf
-
52
90
n
2
tk
STR
-
C+ADH
unauf / bes
-
44
90
n
2+4
ts
STR
-
C+T+G+S
unauf / bes
-
55
80
n
5
2
tk
GTR
-
C+T+G+S+ADH
unauf / bes
-
76
100
n
6
2
tk
STR
sh + hi
C+T+G+S+ADH
stb / NA
-
3 - lffu
NA
NA
7
2
tk+ts
STR
lf
C+T+G+S+ADH
schl / stb
radio
52
70
j
8
3+4
ts
STR
-
T+G
stb / stb
radio
3 - lffu
NA
NA
3
ts
STR
-
ADH
schl / stb
radio + chemo
26
80
n
10
3
tk
STR
-
T+G
NA /NA
-
5
†
NA
11
3+4
ts
STR
sh + lf + men + sep
NA
NA / NA
-
1
†
NA
2
tk
STR
men + sep
C+T+G+S+ADH
stb /stb
chemo
22
†
j
1
tk
STR
-
T
bes / stb
radio
53
70
n
2
tk
GTR
sh
-
unauf / unauf
-
56
90
n
2
tk
GTR
-
-
bes / unauf
-
63
80
n
1
tk
GTR
-
-
bes / bes
-
70
50
n
17
EC
2
tk
GTR
C+T+G+S+ADH
bes / unauf
86
90
18
GC
4
ts
GTR
G+S
bes / bes
30
100
19
LH
3
ts
STR
C+ADH
stb / bes
kortikosteroide
24
80
20
KZ
2
tk
STR
ka + hydro
NA
NA / NA
radio + chemo
9
†
Histologie: XG-> Xanthogranulom, MT-> Metastase, G-> Gliale Tumore, CC-> Kolloizyste, EC-> Epidermoidzyste, GC-> Gangliozytom, LH-> Lymphozytäre
Hypophysitis, KZ-> Keimzelltumor
Tumorausdehnung: 1: suprasellär präinfundibulär, 2: suprasellär retroinfundibulär, 3: intrasellär Neurohypophyse, 4: intrasellär Adenohypophyse
Operativer Zugang: tk-> transkraniell, ts-> transsphenoidal, Tumorresektion: GTR-> gross total resection, STR-> subtotal resection
Komplikationen: sh-> subdurales Hygrom, hi-> Hirninfarkt, lf-> Liquorfistel, men-> Meningitis, sep-> Sepsis, hydro-> Hydrocephalus, ka-> Krampfanfälle
Achse-Insuffizienz: C: corticotrope Achse, T: thyreotrope Achse, G: gonadotrope Achse, S: somatotrope Achse, ADH: antidiuretisches Hormon
Visus/Gesichtsfeld: unauf-> unauffällig, bes-> Besserung, stb->stabil, schl->Verschlechterung
Adjuvante Therapie: radio-> Bestrahlung, chemo-> Chemotherapie lffu: lost for follow-up, † : Exitus letalis, NA: not available, j: ja, n: nein
n
n
j
j
3
4
9
12
13
XG
MT
G
14
15
16
CC
60
Bei Betrachtung der angewendeten Operationsmethode in Relation zur Tumorausdehnung
bzw. des Wachstumsmusters (gemäß der schon ausgeführten Methode der Einteilung der
Sellaregion in 4 Quadranten) zeigte sich, dass Tumore mit einem Hauptwachstum
suprasellär, prä- oder retroinfundibulär (Quadrant 1 + 2) überwiegend transkraniell reseziert
wurden.
Bezüglich des Zusammenhangs zwischen Tumorgröße und Ausmass der Resektion wurden
die Patienten des Kollektivs erneut in zwei Gruppen verteilt. Der ersten Gruppe gehören
Patienten mit einem Tumordurchmesser bis 20mm und der anderen Gruppe Patienten mit
einem Tumordurchmesser über 20mm an. Insgesamt wurden 11 Patienten mit einem Tumor
≤ 20mm und 9 Patienten mit einem Tumor > 20mm operiert. In der ersten Gruppe wurde bei
5 Patienten (≈46%) eine GTR durchgeführt, wobei in der zweiten Gruppe bei nur 2 Patienten
(≈22%) eine GTR gelungen war.
Bei der Betrachtung aller o.g. Faktoren wurde die mittlere Größe der Tumore, die
transkraniell operiert wurden, mit den Tumoren, die endoskopisch transsphnoidal operiert
wurden, verglichen. In der mikrochirurgisch transkraniell operierten Gruppe betrug der
Mittelwert 26,6mm und in der endoskopisch transsphenoidal operierten Gruppe 21,7mm.
Somit waren die Tumore bei den endoskopisch transsphenoidal operierten Patienten im
Schnitt kleiner als bei transkraniell operierten Patienten.
4.1.11 Operationsbedingte Morbidität nach Operationsmethode und Histologie
In den ersten zwei Wochen post operationem wurden die häufigsten Komplikationen
registriert. Am häufigsten traten mit jeweils 3 Fällen (15%) subdurale Hämatome und eine
Rhinoliquorrhö auf, gefolgt von Meningitis in 2 Fällen (10%) und Hydrozephalus
malresorptivus, symptomatische Epilepsie und Sepsis in je 1 Fall (5%). In einem Fall trat ein
Apoplex mit Thalamusinfarkt auf.
Die subduralen Hygrome wurden bei allen Fällen konservativ behandelt und klinisch
beobachtet,
ohne
dass
eine
Re-Operation
zur
Entlastung
erforderlich
war.
Die
Rhinoliquorrhö wurde mittels Lumbaldrainage-Anlage und Antibiotika erfolgreich behandelt.
In einem Fall war die Re-Operation mit transnasaler Deckung der Liquorfistel und
Obliteration mit Bauchfett erforderlich.
Der Patient mit einem postoperativen Hydrocephalus malresorptivus wurde mit der Anlage
eines ventrikuloperitonealen Shunts erfolgreich behandelt.
61
Bei Betrachtung der Komplikationen im Patientenkollektiv wurden keine statistischen
Zusammenhänge aufgrund der geringen Fallzahlen ermittelt. Nichtdestotrotz ist auffällig,
dass die Komplikationen eher bei den Fällen mit einer Tumorausdehnung in dem
Quadranten 2 auftraten. Zusätzlich ließ sich kein Zusammenhang der Komplikationsrate mit
der Operationsmethode oder der Tumorgroße eruieren. Die Komplikationen scheinen
häufiger
nach
Operationen
für
infiltrative
Läsionen
bzw.
Tumore
aufzutreten.
Erwartungsgemäß ist die Komplikation einer Liquorfistel nach transsphenoidaler Operation
höher, jedoch scheint es tendenziell häufiger nach transsphenoidaler Operation für maligne
Tumore aufzutreten.
Im gesamten Patientengut fand sich keine unmittelbar durch die Operation bedingte
Mortalität, ebenso wurden keine narkosebedingten Komplikationen beobachtet.
4.1.12 Anschlusstherapien
Bei der Auswertung der Anschlusstherapie wurde jeweils die Einzeltherapie in Form einer
Radiatio oder Chemotherapie sowie die Kombination der beiden Behandlungen und die
kortikosteroide Therapie berücksichtigt.
Von den 20 in die Studie integrierten Patienten wurden im Erfassungszeitraum 5 Patienten
(25%) bestrahlt. Es handelte sich bei 3 von 5 Patienten um sellären Metastasen (diese
Patienten bekamen eine stereotaktische kleinvolumige fraktionierte Bestrahlung mit
Einzeldosis von 2Gy und 30 bis 39Gy Gesamtdosis im Bereich der Hypophyse), 1 Patient mit
Gliom (stereotaktische hypofraktionierte Bestrahlung der Tumorregion mit
insgesamt
49,6Gy) und 1 Patient mit einem gemischten Keimzelltumor in der Sellaregion
(Ganzhirnbestrahlung mit 24,4Gy und fraktionierte Bestrahlung des Tumorbettes mit
insgesamt 54,4Gy). Die Indikation zur Radiatio wurde aufgrund der histopathologischen
Diagnose und bei subtotaler Resektion mit Resttumoren gestellt.
Von den 20 Patienten erfolgte bei 4 Patienten adjuvant eine Chemotherapie. Dazu gehörten
zwei Patientinnen mit einer Metastase, ein Patient mit Gliom und ein Patient mit einem
Keimzelltumor. Die Patientinnen mit einer Metastase wurden systemisch mit FEC (5Fluorouracyl + Epirubicin + Cyclophosphamid) behandelt. Der Patient mit einem Gliom erhielt
Vincristin und Carboplatin (gemäß SIOP-low grade glioma Study 2003) und der Patient mit
Keimzelltumor wurde mit einem Zyklus Ifosfamid/Cyclofosfamid behandelt.
62
4.1.13 Auswertung der Lebensqualität / des Outcomes
Zur Auswertung der Lebensqualität wurde die Periode zwischen dem Zeitpunkt der
Operation und der letzten aktuellen Erfassung der klinischen Situation der Patienten
betrachtet und als Follow-up definiert. Es wurde einmal mit Hilfe eines Telefoninterviews die
aktuelle Situation der Patienten erfasst und mit den vorliegenden Informationen aus den
Patientenakten ergänzt.
Bezüglich der Follow-up Dauer zeigt sich ein mittleres Follow-up von 43,2 Monaten. Die vier
Patienten, die im Verlauf verstorben sind, wurden im Verlauf bis zum Zeitpunkt des Exitus
verlaufskontrolliert. In diesen Fällen war das Follow-up erwartungsgemäß wesentlich kürzer,
im Einzelnen jeweils 1, 5, 9 und 22 Monate. Nach Ausschluß dieser Patienten betrug der
Mittelwert der Follow-up Dauer 52,9 Monate.
Der postoperative Karnofsky-Index wurde im Rahmen der klinischen Nachkontrollen
erhoben. Schließlich wurde die Information der letzten klinischen Untersuchung und
Beurteilung mittels eines
Fragebogens über
die Mobilität,
die Belastbarkeit, die
Alltagstätitgkeiten und die Arbeitstätitgkeit aktualisiert.
Im Gesamtkollektiv erhielten 4 Patienten (20%) einen Wert von 80%. 5 Patienten (25%)
wurden mit einem Wert von 90% eingestuft. Einen Karnofsky-Index von 100% und 70%
hatten jeweils 2 Patienten (10%). Eine Einstufung von 50% wurde bei einem Patienten
vorgenommen, wobei in diesem Fall die deutlich eingeschränkte Lebensqualität bei
demenzieller Erkrankung schon präoperativ vorbekannt gewesen war. Bei 2 Patienten wurde
keine verlässliche Langzeitverlaufskontrolle durchgeführt und somit konnte kein KarnofskyIndex erhoben werden und die Patienten wurden als „lost for follow-up“ eingestuft.
Schließlich zeigten sich im Langzeitverlauf aufgrund der malignen und fortschreitenden
Grunderkrankung 3 Patienten mit Exitus letalis und in einem Fall zeigte sich ein prolongierter
postoperativer Verlauf mit Sepsis und Multiorganversagen und der Patient verstarb 1 Monat
nach der Operation. Somit bekamen diese Patienten im Verlauf einen Karnofsky-Index von
0%. Erwartungsgemäß ist insgesamt im Schnitt der Karnofsky-Index bei Patienten mit nichtinfiltrativen Tumoren deutlich besser im Langzeitverlauf im Vergleich zu Patienten mit
infiltrativen Tumoren.
Bei Betrachtung der Operationsmethode als auch des Ausmasses der Tumorresektion (GTR
oder STR) zeigen sich keine Unterschiede zwischen transkranieller und transsphenoidaler
Methode.
Der maximale Durchmesser des Tumors weist ebenfalls keinen Zusammenhang mit dem
Outcome in der Nachbeobachtungszeit auf.
63
Schließlich scheint nach Betrachtung der verschiedenen Faktoren, dass die histologische
Diagnose der einzige mit dem Outcome korrelierbare Faktor ist, unabhängig von
Tumorgröße,
Region
der
Ausdehnung,
Operationsmethode
oder
Ausmass
der
Tumorresektion.
4.1.14 Rezidivtumore nach Histologie und nach Ausmass der Tumorresektion
Der postoperative Verlauf hinsichtlich des Auftretens von Tumorprogress oder Rezidiv wird in
Tabelle 8 in Zusammenhang mit der histologischen Diagnose, der Operationsmethode und
dem Ausmass der Tumorresektion dargestellt.
Insgesamt 4 Patienten (20%) entwickelten einen Progress von Resttumoren während der
Nachbeobachtungszeit. In einem Fall hat dieser Restprogress zur erneuten Operation
geführt. Bei diesen Patienten wurde der Progress im Rahmen der Verlaufskontrolle
postoperativ kernspintomographisch festgestellt. Darunter befand sich eine Patientin mit
suprasellärer Mammakarzinom-Metastase, die in zwei Sitzungen sowohl transkraniell als
auch transsphenoidal subtotal reseziert wurde. Der Resttumorprogress ist unter der
adjuvanten Therapie aufgetreten. Bei dem zweiten Fall war ein Gliom transkraniell subtotal
lreseziert gewesen. Hier ist der Progress innerhalb von 12 Monaten unter dualer adjuvanter
Therapie aufgetreten. Der dritte Fall war eine lymphozytäre Hypophysitis, wobei eine
Entlastung der flüssigen Komponente über einen transsphenoidalen Zugang vorgenommen
wurde. Innerhalb von 6 Monaten kam es zum Rezidiv intrasellär, welcher durch eine erneute
transsphenoidale Operation erfolgreich operiert wurde. Das Zeitintervall bis zur Rezidiv-OP
war 12 Monate. Der letzte Fall, war ein Patient mit Keimzelltumor suprasellär. Initial war der
Patient transkraniell subtotal reseziert worden. Nach einer Beobachtungszeit von 6 Monaten
ist ein Rezidiv unter dualer adjuvanter Therapie aufgetreten. Aufgrund des schlechten
Allgemeinzustands wurde auf eine Re-Operation verzichtet. Bei den restlichen Patienten der
Studie zeigten sich nach langer Nachbeobachtungszeit keine Hinweise auf ein Restprogress
oder Rezidiv.
Bei Betrachtung des gesamten Patientenkollektivs zeigte sich, dass der Tumorprogress und
Tumorrezidiv tendenziell mit der Histologie korrelierte, ohne dass ein signifikanter
Zusammenhang mit dem Ausmass der Resektion, der Operationsmethode, der Tumorgröße
oder der Region der Tumorausdehnung bestand. Es ist wenig überraschend, dass alle 4
Rezidive unter der Gruppe der infiltrativen Tumore zu finden waren. Im Gegensatz dazu, war
64
im Rahmen der kernspintomographischen Kontrollen von Patienten mit nicht-infiltrativen
Tumoren kein Rezidiv oder Restprogress zu sehen.
4.2 Einteilung der Ergebnisse nach histologischen Kriterien
4.2.1 Selläres Xanthogranulom oder Cholesteringranulom
Bei vier Männern und zwei Frauen wurde die Diagnose eines Xanthogranuloms gestellt. Das
Durchschnittsalter betrug 46 Jahre. Bei der klinischen Erstvorstellung litten die Patienten an
Sehstörungen und unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit und Kopfschmerzen.
Bei den 5 Patienten mit Sehstörungen fand sich bei jeweils einem Patienten eine
Visusminderung und Doppelbilder und bei vier Patienten Gesichtsfelddefekte.
Eine endokrine Dysfunktion wurde bei 4 Patienten festgestellt (67%). Insbesondere zeigte
sich
ein
Hypogonadismus
in
drei
Fällen,
sekundäre
Hyperprolaktinämie
oder
Hyperparaprolaktinämie in drei Fällen und Hyposomatotropismus in einem Fall.
In der präoperativen bildgebenden Diagnostik wurden diese Tumore als Kraniopharyngeome
oder Zysten der Rathke’schen Tasche eingestuft. Der durchschnittliche Tumordurchmesser
lag bei 25,2 mm. Die Lokalisation war bei allen Patienten suprasellär, in drei Fällen zeigte
sich eine intraselläre Ausdehnung. Eine zystische Komponente war bei 4 Fällen vorhanden
und eine Verkalkung nur bei drei Fällen.
Bezüglich der Signalintensität in den kernspintomographischen Aufnahmen stellten sich die
Xanthogranulome bei allen Patienten hyperintens im Vergleich zum Hirnparenchym
(Marklager) in den T1-gewichteten Sequenzen dar. Bei 5 Patienten war die Signalintensität
hyperintens in der T2-gewichteten Sequenz und hypointens bei einem Patienten. In diesem
Fall war keine zystische Komponente vorhanden und die cCT Aufnahme ergab eine
ausgedehnte Verkalkung. Hier zeigte sich auch eine Erweiterung der Sella („sellaremodeling“). Eine Anreicherung nach Gadolinium-Gabe war in zwei Fällen sichtbar.
Zwei Patienten, deren Tumore einen intrasellären Anteil und Ausdehnung in Region 2 und 3
oder 4
zeigten, wurden über einen endonasalen, transsphenoidalen Zugang mit der
endoskopischen Methode operiert. Die anderen vier Patienten, bei denen der Tumor sich
ausschließlich in der Region 2 befand, wurden über einen transkraniellen Zugang operiert.
65
Abb. 29: Sagittale und transversale MRT-Aufnahmen in T1WI nach Gadolinium Applikation und
T2WI eines 28-jährigen Patienten mit Xanthogranulom. a.-d.: Gut abgrenzbare Raumforderung mit
intra- und suprasellärer Ausdehung und ein „sella-remodelling“. Zystischer Anteil mit hyperintensem
Signal in T1WI und T2WI als auch solider Anteil, inhomogen und ohne Anreicherung nach Gd-Gabe.
Das Bild ähnelt der Darstellung eines adamantinomatösen Kraniopharyngeoms, e.-f.:Postoperative
sagittale
und
koronare
Hypophysenstiels.
MRT-Aufnahme
mit
Entlastung
des
Chiasma
opticum
und
des
66
Bei den beiden Patienten, die über einen transsphenoidalen endoskopischen Zugang
operiert wurden, wurde eine subtotale Resektion durchgeführt. Bei den anderen 4 Patienten,
die mikrochirurgisch transkraniell operiert wurden, wurden zwei totale und zwei subtotale
Resektionen
vorgenommen.
Die mittlere
Follow-up
Zeit
betrug
56 Monate.
Der
Durchschnittswert des Karnofsky-Index betrug 79% nach 56 Monaten. Ein Patient konnte
nicht weiter verlaufskontrolliert werden und wurde als „lost for follow up“ eingestuft. Dieser
Patient hatte einen prolongierten postoperativen Verlauf auf der Intensivstation aufgrund
eines Teritorialinfarkts. 4 Patienten (66,6%) zeigten während des postoperativen Verlaufs
eine Besserung der visuellen Defizite, in einem Fall mit präoperativem Hypogonadismus
zeigte sich ebenfalls eine Besserung der endokrinen Funktion. Bei einem Patienten blieben
die visuellen Defizite unverändert und 4 Patienten entwickelten postoperativ eine partielle
adenohypophysäre Insuffizienz.
Bei zwei Patienten trat unmittelbar postoperativ
ein
Diabetes insipidus auf und bestand weiterhin während des Follow-up. Im Zeitraum der
postoperativen Nachkontrollen zeigte sich kein Zeichen eines Tumorrezidivs oder einer
Progredienz des bekannten Tumorrests.
Abb. 30: Die histopathologische Aufarbeitung eines Xanthogranuloms mit HE-Färbung. Hierbei
ergibt sich Narbengewebe mit lymphoplasmatozellulärer Infiltration, Hämosiderin Ablagerungen als
auch Clolesterinkristalle mit Fremdkörper-Riesenzellen.
4.2.2 Metastase in der Sellaregion
Die Gruppe der Metastasen ist heterogen. Bei drei Patientinnen handelte es sich um
Metastasen eines Mamma Karzinoms, bei einem Patienten lag die Metastase eines
Plattenepithelkarzinoms vor, und bei einem weiteren ein Nierenzellkarzinom. Das
67
Durchschnittsalter bei Diagnose der Metastase betrug 53 Jahre. Drei Patienten wurden mit
Visusminderung und Gesichtsfeldeinschränkung auffällig.
Abb. 31: Koronare und sagittale MRT-Aufnahme einer 50-jährigen Patientin mit Metastase eines
Mammakarzinoms in der Sellaregion, a+b.: Hier zeigt sich eine homogene Anreicherng nach
Gadolinium Gabe, eine Auftreibung des Hypophysenstiels mit Ausdehnung des Tumors nach
suprasellär retrochiasmatisch und hauptsächlich eine Tumorausdehung in der Region 3, c+d: In den
sagittalen T1WI Aufnahmen ist das fehlende „bright spot“ Zeichen der Neurohypophyse auffällig und
richtungsweisend für die Affektion der Neurohypophyse.
.
Eine okulomotorische Störung mit Diplopie war bei zwei Patienten vorhanden. Zwei
Patienten beklagten Kopfschmerzen, bei einem waren klinische Zeichen eines Diabetes
insipidus vorhanden. Desweiteren wurde eine endokrine Funktionsstörung bei vier Patienten
festgestellt
(Hypothyroidismus
bei
2
Patienten,
Hyperprolaktinämie be jeweils einem Patienten) .
Hypogonadismus
und
sekundäre
68
In der präoperativen Kernspintomographie waren die Tumore isointens in den T1- und T2gewichteten Sequenzen mit Anreicherung nach Gadolinium Gabe. Der durchschnittliche
Tumordurchmesser betrug 23mm. Die Lokalisation war in allen Fällen intrasellär, davon
zeigte sich in 3 Fällen eine supra- und paraselläre Ausdehnung.
Zwei Patienten mit einer großen extrasellären Ausdehnung des Tumors wurden über einen
transkraniellen Zugang operiert, zwei Patienten wurden endoskopisch über einen pernasalen
transsphenoidalen Zugang und ein Patient über eine kombinierte Methode in zwei Sitzungen
operiert. Bei
4 Patienten wurde eine subtotale Resektion und in einem Fall eine
makroskopische Totalentfernung durchgeführt. Bei dem Patienten mit präoperativer
Manifestation eines Diabetes insipidus, blieb die Symptomatik postoperativ unverändert.
Ferner zeigte sich bezüglich der visuellen Defizite eine Verschlechterung bei 2 Patienten.
Die Follow-up Zeit für die zwei Patienten mit einem guten klinischen Verlauf betrug 52 und
26 Monaten, in einem Fall war der Patient nach der postoperativen 3-Monatskontrolle nicht
nicht mehr zur Nachuntersuchung erschienen. Bei dem ersten Patienten erfolgte eine
kombinierte adjuvante Therapie mit Radio-Chemotherapie. Bei dem zweiten Fall erfolgte,
solange es aus der Dokumentation nachvollziehbar war, lediglich eine Chemotherapie. Zwei
lethalen Fälle liegen in dieser Patientengruppe vor. In einem Fall handelte es sich um einen
prolongierten postoperativen Verlauf auf der Intensivstation mit sekundärer Komplikation von
Sepsis und SIRS bei postoperativer Meningitis und in anderem Fall um einen rasanten
Progress der Grunderkrankung und Allgemeinzustangsverschlechterung. In dem Zeitraum
des Follow-ups wurde in einem Fall eine Größeprogredienz des Tumorrests trotz
postoperativer Anschlusstherapie festgestellt.
Abb. 32: Die histologische Aufarbeitung einer sellären Metastase. Links: Die PanzytokeratinFärbung erlaubt die Differenzierung zwischen Tumor- und Hypophysenzellen. Die Tumorzellen werden
markiert und Hypophysenzellen lassen sich heller darstellen, Rechts: Die Synaptophysin-Färbung
markiert im Gegenteil das hypophysäre Grundgerüst und die Tumorzellen bleiben unverfärbt.
69
4.2.3 Supraselläres Gliom
Dieser Gruppe gehören 2 Patienten, ein 2-jähriges Kind und ein 25-jähriger Mann, an. Beide
erhielten die histologische Diagnose eines pilozytischen Astrozytoms WHO Grad I. Das Kind
hatte eine längere Anamnesedauer (6 Monate) und wurde stationär mit beginnenden
Hindruckzeichen und einem Tumor von 46mm Durchmesser aufgenommen. Der 25-jährige
Patient wurde durch Sehstörung und Diplopie auffällig. Die Hauptausdehnung des ersten
Tumors war in der Region 2 und des zweiten in der Region 1. Die MRT-Aufnahme ergab den
typischen Befund einer randständigen KM-Anreicherung mit zentralem zystischem Anteil
ohne Verkalkung und ohne Verlust des „bright spot“ Zeichens. Bei vorliegender Diploplie
zeigte sich eine Infiltration des Sinus cavernosus. Die endokrinologische Untersuchung war
unauffällig bei dem 25-jährigen Patienten. Bei dem Kind bestand eine Beeiträchtigung der Cund T-Achse.
Beide Patienten wurden über einen transkraniellen Zugang operiert. Postoperativ zeigte sich
ein stabiler ophthalmologischer Befund. Es bestand ein Panhypopituitarismus beim Kind und
eine Besserung des Visus mit lediglich Beeinträchtigung der T-Achse bei dem 25-jährigen
Patienten.
Das Kind wurde adjuvant mittels Chemotherapie mit Vincristin und Carboplatin (gemäß
SIOP-low grade glioma Study 2003) behandelt. Der 25-jährige Patient wurde mit
stereotaktischer hypofraktionierter Bestrahlung der Tumorregion mit
behandelt.
insgesamt 49,6Gy
70
Abb. 33: Sagitalle und axiale MRT-Aufnahme in T1WI nach Gd-Gabe eines 25-jährigen Mannes
mit einem suprasellären Gliom. a.-b.: Es zeigt sich eine inhomogene KM-Anreicherung und
Tumorausdehnung suprasellär, ventral des Hypophysenstiels, in der Region 1. Die Darstellung der
Hypophyse ist unauffällig und es zeigt sich keine Erweiterung der Sella. Der Tumor ist zwischen
Chiasma opticum und Tuberculum sellae lokalisiert bei sehr guter Pneumatisierung des Sinus
sphenoidalis und der dorsalen Ethmoidalzellen. In diesem Fall für die Wahl des operativen Zugangs ist
das anatomische Verhältnis des Tumors zum Chiasma opticum und die anatomische Variante
desselben in Relation zum Tuberculum sellae (pre- oder post-fixed Chiasma opticum), c.-d.: Die
postoperativen Aufnahmen zeigen den Status nach STR-Entfernung des o.g. Tumors. Hier zeigt sich
kein Zeichen von Komplikation und Erhaltung des Hypophysenstiels.
In beiden Fällen wurde eine STR durchgeführt. Die histologische Aufarbeitung des Tumors
bei dem 25-jährigen Patienten ergab den typischen Befund eines niedriggradigen
neuroepithelialen
Tumors.
Er
erhielt
im
Verlauf
eine
Bestrahlung
und
seine
Nachbeobachtungszeit betrug 53 Monate. Bei der letzten Nachkontrolle hatte er einen
71
Karnofsky-Index
von
70%.
Die
engmaschigen
MRT-Kontrollen
zeigen
einen
zufriedenstellenden Befund ohne Hinweis auf Resttumorprogress.
Die histologische Aufarbeitung des zweiten Tumors gestaltete sich prolongiert und
kompliziert, da die Komponente und die immunohistochemische Positivität für einen
glioneuronalen Tumor im Präparat prominent waren. Schließlich wurde die endgültige
Begutachtung eines pilozytischen Astrozytoms WHO Grad I festgelegt. Im Veraluf zeigte der
Tumor einen rasanten Progress. Unter kombinierter Therapie mit Radio-Chemotherapie
zeigte sich innerhalb von 6 Monaten ein großes Rezidiv des Tumors und das Kind verstarb
nach 22 Monaten Verlaufskontrolle. Bei dem Kind zeigte sich im postoperativen Verlauf eine
Liquorfistel mit Meningitis, die konservativ antibiotisch behandelt wurde.
Abb. 34: Histologische Aufarbeitung eines glioneuralen Tumors suprasellär. Links: Die MassonGoldner Färbung ergibt Anteile eines Tumors von sehr heterogenem Aufbau. Es finden sich kompakte
fasserreiche
Anteile
mit
astrozytären
Zellelementen
sowie
vereinzelten
Rosenthal-Fasern.
Aufgelockerter fibrillärer Hintergrund. Zusätzlich finden sich Zellen, die in der Routinefärbung an
Neurozyten erinnern. Vereinzelte rosettenartige Formationen, Rechts: Immunohistochemisch ergibt
sich eine Synaptophysin-Positivität und starke GFAP-positive Tumorkomponente und Reaktivität der
neuronalen Zellkomponente für MAP2. Die Proliferationsrate liegt bei maximal 5%. Daher wurde die
Diagnose eines glioneuronalen Tumors gestellt.
4.2.4 Kolloidzyste der Sellaregion
Eine Kolloidzyste der Sellaregion fand sich in drei Fällen, einem Mann und zwei Frauen, mit
einem
Durchschnittsalter
Kopfschmerzen
und
von
50
Müdigkeit
Gesichtsfeldeinschränkung,
bei
Jahren.
vor.
allen
Bei
3
Bei
allen
zwei
Patienten
lagen
Sehstörungen,
Patienten
eine
zeigte
sowie
sich
eine
Visusminderung.
Eine
Endokrinopathie lag bei einem Patienten vor (Hypocortisolismus). Der mittlere maximale
Durchmesser war 15mm. Die Lokalisation war in allen Fällen suprasellär.
72
Radiologisch zeigten alle drei Tumore ein isointenses Signal sowohl in den T1- als auch in
den T2-gewichteten Sequenzen ohne Anreicherung nach Gadolinium-Gabe.
Sämtliche Patienten wurden über einen transkraniellen Zugang operiert. Eine totale
Resektion wurde in allen Fällen vorgenommen. Die Nachbeobachtungszeit betrug für die drei
Patienten jeweils 56, 63 und 70 Monate. Der mittlere postoperative Karnofsky-Index der
Patienten war 70%. Hier ist erwähnenswert, dass in einem Fall der KI schon präoperativ auf
50% beschränkt war aufgrund einer demenziellen Erkrankung. In der Zeit der Nachkontrolle
zeigte sich kein Tumorrezidiv. Visusminderung und Gesichtsfeldeinschränkung hatten sich
bei zwei Fällen gebessert und blieben in einem Fall unverändert.
Abb. 35: Die histologische Aufarbeitung einer Kolloidzyste. Mit Hämatoxylin-Eosin-Färbung (HEFärbung links und rechts mit Vergrößerung) lässt sich der zystische Anteil mit dem kolloidalen Inhalt
und dem kubischen-
bzw. Zylinder-Epithel mit Zilien und Becherzellen darstellen. Einige lockere
lymphozytäre Infiltrate in der fibrosierten Wand sprechen eher für Zysten der Rathke’schen Tasche,
jedoch können diese auch bei Kolloidzysten vorhanden sein. Allerdings lassen sich bei Kolloidzysten
keine Plattenepithelmetaplasien, wie bei den Rathke’schen Zysten, nachweisen.
73
Abb. 36: Koronare und sagittale MRT-Aufnahmen in T1WI vor und nach Gadolinium Applikation
bei einer 36-jährigen Patientin mit einer suprasellären Kolloidzyste. a.-d.: Umschriebene
Raumforderung mit ausschließlich suprasellärer Ausdehnung in der Region mit Verlagerung des
Hypopphysenstiels nach ventral. Weder Anreicherung des zystischen Inhalts noch der Zystenwand
nach Gadolinium-Gabe, was von der Darstellung von Rathke’schen Zysten unterscheidet. e.-f.:
Postoperative Aufnahmen in T1WI. Deutliche Entlastung des Hypophysenstiels und Darstellung des
normalen „bright spot“ Zeichens der Neurohypophyse.
74
4.2.5 Epidermoidzyste der Sellaregion
Hier handelt es sich um eine 45-jährige Patientin, die mit unspezifischen Symptomen wie
Kopfschmerzen auffällig wurde. Eine subjektive Visusminderung oder Sehstörung wurde
anamnestisch nicht angegeben. Die präoperative ophthalmologische Untersuchung ergab
keine objektivierbaren Auffälligkeiten. Die endokrinologische Abklärung stellte eine
Insuffizienz der korticotropen und gonadotropen Achsen als auch eine sekundäre
Hyperprolaktinämie fest.
Der maximale Tumordurchmesser betrug 32mm mit ausschließlich supra- und retrosellärer
Lokalisation. Der Tumor zeigte ein hyperintenses Signal in den T1- und T2-gewichteten
Sequenzen ohne Anreicherung nach Gadolinium Gabe. Eine zystische Komponente war
vorhanden. Die cCT Aufnahme zeigte Zeichen einer Verkalkung. Der Tumor wurde über
einen transkraniellen Zugang mikrochirurgisch komplett reseziert.
Die Länge der Nachkontrolle betrug 75 Monate. Der Karnofsky-Index war 90% bei der
Verlaufskontrolle. Klinisch gab die Patientin eine Besserung der Kopfschmerzsymptomatik
postoperativ an. Endokrinologisch bestand eine Insuffizienz der korticotropen, thyreotropen
und gonadotropen Achse der Adenohypophyse und zusätzlich eine substitutionsbedürftige
neurohypophysäre Funktionsstörung.
Während der Nachbeobachtung zeigte sich kein
Anhalt für ein Tumorrezidiv.
Abb. 37: Die histologische Aufarbeitung einer Epidermoidzyste. Epidermoidzyste mit Auskleidung
durch mehrschichtiges Plattenepithel und begrenzt mit angedeuteten Verhornungen. Die Umgebung
zeigt ein wechselnd dichtes Fasernetzwerk, Erythrozyten und Cholesterinkristalle. Wenn diese Zysten
rupturieren und Detritus in die Umgebung austritt, kann sich eine chemisch-toxische lokale
Entzündung bzw. Meningitis entwickeln.
75
Abb. 38: MRT-Aufnahmen in T2WI und T1WI nach Gadolinium-Gabe bei einer 45-jährigen
Patientin mit einer suprasellären Epidermoidzyste. a.-d.: Präoperative Aufnahmen zeigen den
soliden intrasellären Anteil und
zystischen Hauptanteil mit Audehnung in der Region 2. Die
Inhomogene Anreicherung und ein hyperintenses Signal in T1WI und T2WI sprechen für einen
proteinreichen Inhalt. Knotenförmige hypointense Strukturen in T2WI sprechen für Verkalkungen. e.-f.:
Die postoperative Aufnahmen zeigen den Status nach GTR.
76
4.2.6 Selläres Gangliozytom
Bei einer Patientin wurde ein selläres Gangliozytom diagnostiziert. Die präoperativen
klinischen
Symptome
waren
eine
subjektive
Visusminderung
und
Gesichtsfeldseinschränkungen als auch Kopfschmerzen. Die neuroendokrine Funktion zeigte
einen Hypogonadismus, Hyposomatotropismus und eine sekundäre Hyperprolaktinämie.
Der maximale Durchmesser des Tumors war 12mm. Der intraselläre Tumor war isointens in
den T1- und T2-gewichteten Sequenzen ohne Anreicherung nach Gadolinium-Gabe. Der
Tumor wurde über einen transsphenoidalen Zugang endoskopisch operiert. Es wurde eine
totale Resektion durchgeführt.
Die Dauer des Follow-up betrug 30 Monate. Die Lebensqualität und der Allgemeinzustand
waren
postoperativ
Visusminderung
und
unbeeinträchtigt
mit
einem
Gesichtsfeldeinschränkung
Karnofsky-Index
waren
im
von
Verlauf
100%.
Die
rückläufig.
Endokrinologisch besserte sich der präoperativ bestandene Hypogonadismus. Im Zeitraum
der postoperativen Follow-up Kontrollen zeigte sich kein Zeichen eines Tumorrezidivs.
Abb. 39: Histologische Aufarbeitung eines intrasellären Gangliozytoms. Links: Neben lobulär
angeordnetem Drüsengewebe der Adenohypophyse von regelhaftem Aufbau ergibt sich gliales
Gewebe mit großen, bizarren Ganglienzellen mit intranukleären Valkuolen und lymphozytärem Infiltrat.
Rechts: Die Immunohistochemie zeigte sich positiv für Prolaktin und S100 und negativ für die Reihe
der hormonaktiven Hypophysenadenome und Synaptophysin. Daher wurde hier die Diagnose eines
Prolaktin-positiven Gangliozytoms der Adenohypophyse gestellt.
77
Abb. 40: Sagittale und koronare MRT-Aufnahmen in T1WI nativ und nach
Gadolinium
Applikation und in T2WI bei einer 49-jährigen Patientin mit einem intrasellären Gangliozytom.
a.: In dieser Aufnahme lässt sich eine gut umschriebene Raumforderung, scharf abgrenzbar vom
Hypophysengewebe eruieren. Trotz der Größe des Tumors intrasellär ist kein „sella-remodeling“
(Erweiterung der Sella/ des Sellabodens) darstellbar, b.: In den koronaren Aufnahmen ist die laterale
Lokalisation des Tumors intrasellär mit klarer Abgrenzung zur Hypophyse und eine diskrete Hebung
des Diaphragma sellae mit nach oben konvexer Ausdehnung eruierbar, c.: Die Differenzierung des
Ursprungs des Tumors von der Adenohypophyse lässt sich mit der Darstellung des „bright spot“ in den
nativen T1WI Aufnahmen nachvollziehen, als Zeichen der intakten Neurohypophyse, d.: In den
koronaren T2WI Aufnahmen zeigt sich die laterale Lokalisation mit konvexer Abgrenzung sowohl nach
suprasellär als auch nach lateral in Richtung Sinus cavernosus ohne Infiltration desselben. Die o.g.
Eigenschaften unterstützen die differentialdiagnostische Abgrenzung zu Hypophysenadenomen.
78
4.2.7 Lymphozytäre Hypophysitis
Eine
lymphozytäre
Hypophysitis
wurde
bei
einem
56-jährigen
Mann
mit
einer
Anamnesedauer von 8 Monaten diagnostiziert. Präoperativ fanden sich eine Sehstörung,
Kopfschmerzen und eine vermehrte Harnausscheidung. Endokrinologisch wurde ein
Diabetes insipidus und ein Hypogonadismus festgestellt. Der raumfordernde Prozess wurde
primär aufgrund der randständigen Anreicherung nach Gadolinium-Gabe als intrasellärer,
hypophysärer Abszess angesehen. Der maximale Durchmesser der Läsion lag bei 15mm.
Der primär intraselläre Prozess zeigte eine Ausdehnung suprasellär entlang des
Hypophysenstiels.
Kernspintomographisch
tendenziell eher hyperintense Darstellung
bestand
eine inhomogen
isointense
und
in den T1-gewichteten Aufnahmen, sowie
hypointense Darstellung in den T2-gewichteten Sequenzen. Der Patient wurde über einen
transsphenoidalen Zugang endoskopisch operiert. Es erfolgte eine Komplettresektion des
Befundes.
Der Follow-up beträgt 24 Monate. Der Karnofsky-Index war bei der
Verlaufskontrolle 80%. Primär zeigte sich eine Besserung des Diabetes insipidus unmittelbar
postoperativ, anschließend kam es innerhalb der ersten 3 Monate postoperativ zu einem
Rezidiv mit erneuter Verschlechterung des Diabetes insipidus. Während dieser Zeit wurde
der Patient antibiotisch wegen der Verdachtsdiagnose eines Abszesses behandelt. Er erhielt
keine Therapie mit Kortikosteroiden. Die Defizite des Sehapparates hatten sich postoperativ
gebessert, jedoch zeigte sich im weiteren Verlauf eine Verschlechterung der Insuffizienz des
Hypophysenvorderlappens. Daraufhin wurde der Patient erneut operiert mit Ausräumung der
zystischen Formation und anschließender Therapie mit Kortikosteroiden. Darunter zeigt sich
bis zu der aktuellen Follow-up Untersuchung kein Zeichen eines Rezidivs.
Abb. 41: Histologische Aufarbeitung einer lymphozytären Hypophysitis. Links: HE-Färbung
ergibt eine dichte lymphozytäre und geringe plasmazelulläre Infiltration des Hypophysenparenchyms
im Bereich der Pars intermedia und Pars tuberalis. Rechts: die Immunohistochemie ergibt eine dichte
Infitration von CD3-positiven Lymphozyten, die eher T-Zell als B-Zell dominiert und fokal akzentuiert
sind. Eine Erkrankung aus dem histiozytären Formenkreis wurde zudem immunohistochemisch
(CD1a, S100) ausgeschlossen.
79
Abb. 42: Sagittale und koronare MRT-Aufnahmen in T1WI nach Gd-Gabe und in T2WI eines 56jährigen Patienten mit Hypophysitis. a.-c.: Eine randständige KM-Anreicherung im Bereich der
dorsalen Sella mit Ausdehnung entlang des Hypophysenstiels und Auftreibung desselben ist zu
sehen. Das fehlende „bright spot“ Zeichen spricht für eine Affektion der Neurohypophyse, d.: Die
Auftreibung des Hypophysenstiels mit Anhebung des Chiasma opticum ist in den koronaren
Aufnahmen beurteilbar, e.-f.: In den postoperativen Aufnahmen zeigt sich eine gute Entlastung dorsal
intrasellär und deutliche Rückbildung der Auftreibung des Hypophysenstiels.
80
4.2.8 Gemischter Keimzelltumor in der Sellaregion
Bei einem 16-jährigen Patienten wurde der seltene Befund eines gemischten, nicht
germinomatösen Keimzelltumors mit teratoiden und rhabdoiden Komponenten diagnostiziert.
Es bestanden über mehrere Monate zunehmende Sehstörungen. Die neuroendokrine
Funktion war präoperativ unauffällig.
Kernspintomographisch war der Tumor inhomogen sowohl in den T1- als auch in den T2gewichteten Sequenzen. Nach Gadolinium-Gabe fand sich eine intensive Anreicherung,
ferner zystische Komponente. Der maximale Durchmesser des Tumors betrug 36mm, die
Lokalisation war sellär und suprasellär.
Die Tumorresektion erfolgte über einen
transkraniellen Zugang mit subtotaler Resektion.
Postoperativ zeigte sich endokrinologisch ein Panhypopituitarismus mit Substitutionsbedarf
aller Achsen der Adeno- und Neurohypophyse. Klinisch fand sich primär ein stabiler Befund
hinsichtlich der visuellen Defizite, allerdings zeigte sich eine rasche Progredienz des
Resttumors trotz postoperativer Anschlusstherapie mit Chemotherapie (Ifosfamid und
Cyclofosfamid mit jeweils 1 Zyklus) und Bestrahlung (Ganzhirnbestrahlung mit 24,4Gy und
fraktionierte Bestrahlung des Tumorbettes mit insgesamt 54,4Gy). Im Weiteren trat eine
progressive Verschlechterung des Allgemeinzustands auf mit Exitus letalis 9 Monate nach
der Operation.
Abb. 43: Histologische Aufarbeitung eines gemischten Keimzelltumors. In der HE-Färbung und
Masson-Goldner-Färbung zeigen sich kleinherdig stark atypische pleomorphe Kerne mit prominenten
Nukleolen, dichtes lymphozytäres Infiltrat mit aktiven Keimzentren, multiple Zysten mit zylindrischem
Epithel und glattmuskuläre Züge und diffus eingestreute unreife Zellformen. Diese zeigten sich smAktin positiv und positiv auf Reaktion mit Desmin. Schließlich wurde die Diagnose eines malignen
gemischten
Keimzelltumors
entsprechend
einem
Rhabdomyosarkoms und Dysgerminoms gestellt.
malignen
Teratom
mit
Anteilen
eines
81
Abb. 44: MRT-Aufnahmen eines 16-jährigen Patienten mit der Diagnose eines gemischten
Keimzelltumors. Initial wurde der Tumor als Kraniopharyngeom fehldiagnostiziert. a.-d.:
Aufnahme zeigt einen teilsoliden, teilzystischen Tumor mit Flüssigkeitspiegelbildung, die für eine
Einblutung spricht. Homogene KM-Anreicherung der soliden Anteile. Raumfordernde Wirkung und
Verlagerung des Bodens des dritten Ventrikels bis zum Foramen Monroi, wohingegen keine
Erweiterung der Sella und eine normale Hypophyse zur Darstellung kommt, e.-f.: Postoperative
Aufnahme mit Entlastung des dritten Ventrikels und mit kleinem Resttumor links.
82
5.
Diskussion
5.1. Seltene Tumoren in der Sellaregion
Die Tumore der Sellaregion respräsentieren eine große und heterogene Gruppe. In großen
Studien machen die raumfordernden Prozesse der Sellaregion ca. 10-15% aller
intrakraniellen Tumore aus (Sautner et al. 1993). Hypophysenadenome stellen ca. 90-92%
aller Tumore der Sellaregion dar. Ca. 8% dieser Tumore waren konsekutiv nichtadenomatöse Tumore der Sellaregion. In einer Serie von 911 transsphenoidal operierten
Tumoren befanden sich lediglich 83 nicht-adenomatöse Tumore (7,9%) (Freda et al. 1999).
Valassi et al. 2010 berichteten ebenfalls über nicht-adenomatöse Tumore, die ca. 8-10%
des gesamten Kollektivs (1469 Patienten) repräsentierten. Im Einklang dazu sind auch die
Zahlen einer anderen Studie von Koutourousiou et al. 2010 mit 300 Patienten, wobei hier
die nicht-adenomatösen Tumore 9,7% des Kollektivs respräsentierten.
Erwähnenswert ist, dass in diesen großen Patientenserien die Patienten hauptsächlich über
einen transsphenoidalen Zugang operiert wurden. Das bedeutet, dass diese Tumore einem
bestimmten Wachstumsmuster in der Region 1 und 4 folgten, bei denen eine
transsphenoidale Operation vorteilhaft ist.
In unserer Studie wurden alle raumfordernden Prozesse in der Sellaregion als eine
anatomische Einheit mit gemeinsamer Lokalisation betrachtet und beinhalteten Tumore mit
unterschiedlichem Wachstumsmuster (Region 1 bis 4). In unserer Serie von 196 Patienten
befanden sich 125 Hypophysenadenome (ca. 64%). Somit waren ca. 36% aller
raumfordernden Prozesse der Sellaregion nicht-adenomatös. Unter diesen befanden sich
noch Meningeome, Kraniopharyngeome und Rathke’sche Zysten als häufige Entitäten.
Diese raumfordernden Prozesse wurden aus unserer näheren Analyse ausgeschlossen und
die restlichen histologisch seltenen Entitäten zusammengefasst. Dieses Vorgehen erklärt
die Diskrepanz der Zahlen in unserer Patientenserie im Vergleich zur o.g. Literatur. Die
Reihenfolge der Häufigkeit der nicht-adenomatösen Prozesse ist im Einklang mit der o.g.
Literatur (Sautner D et al, 1993; Freda PU et al, 1999; Fatemi N et al, 2008, Valassi E et
al, 2010). Die Gruppe der „seltenen Prozesse der Sellaregion“ bestand aus:
- Knochentumore, wie z.B. Chordome oder Chondrosarkome
- zystische Tumore oder andere Zysten, wie Epidermoide, Kolloidzysten oder
Arachnoidalzysten
- Metastasen
- primäre entzündliche Veränderungen, wie Hypophysitis
83
- sekundäre entzündliche Veränderung als Manifestation von systemischen Erkrankungen,
wie Sarkoidose oder Langerhans’scher Histiozytose
- Keimzelltumore, wie Germinome oder nicht germinomatöse Keimzelltumore,
- gliale Tumore des Infundibulums und der Hypophyse, wie Pituizytome (Infundibulome) oder
Gangliozytome.
Eine weitere Klassifikation der Prozesse der Sellaregion erfolgt nach ihrer neoplastischen
Natur. Gemäß dieser Verteilung berichtet Saeger et al. 2003 in der Analyse einer großen
Patientenserie mit Tumoren der Sellaregion, unabhängig vom operativen Zugang oder von
Tumorausdehung,
dass
in
ca.
10%
aller
Prozesse
der
Sellaregion
mit
einem
nichtneoplastischen Prozess gerechnet werden muss. Diese Zahlen sind im Einklang mit
unserer Studie.
Konklusiv wird sowohl in unserer Studie als auch nach Interpretation der Ergebnisse der
Literatur gesehen, dass die Häufigkeit der nicht-adenomatösen Prozesse in der Sellaregion
höher ist als bisher vermutet, und bis zu 35% aller Prozesse der Sellaregion betragen kann.
Abgesehen
von
den
bekannten
und
bereits
beschriebenen
Kraniopharyngeomen,
Meningeomen und Rathke’schen Zysten stellten in unserer Studie die restliche Entitäten ca.
10% aller Prozesse dar. Daher sollten diese Entitäten in der Differentialdiagnose der
Prozesse in der Sellaregion mitberücksichtigt werden.
Fatemi et al. 2008 hat eine große Studie mit 881 Patienten, die an Prozessen der
Sellaregion operiert wurden, veröffentlicht. Hierbei wurde über eine Serie von 81 Patienten
mit
seltenen
sellären
Tumoren
berichtet.
Das
macht
ca.
10%
des
gesamten
Patientenkollektivs aus ähnlich wie bei anderen publizierten Serien (Glezer A et al, 2008).
Bezüglich der histologischen Diagnose ist in der vorliegenden Studie die Inzidenz der
Xanthogranulome unter den seltenen Prozessen der Sellaregion deutlich höher im Vergleich
zu den o.g. Fallserien. Xanthogranulome wurden bislang nur in vereinzelten kleinen Serien
von maximal 5 Patienten beschrieben (Reithmeier T et al, 2002; Jung CS et al, 2006; Liu
ZH et al, 2008; Sugata S et al, 2009; Kamoshima Y et al, 2011; Amano K et al, 2013;
Müller HL et al, 2012). Dies könnte an der relativ aktuellen Beschreibung der
Xanthogranulome als separate Entität (Paulus W et al, 1999) liegen. In anderen großen
Serien wurden die Xanthogranulome unter den Kraniopharyngeomen oder den Rathke’schen
Zysten kategorisiert (Sautner D et al, 1993; Freda PU et al, 1999; Fatemi N et al, 2008,
Valassi E et al, 2010).
84
In unserem Patientenkollektiv zählte zu den häufigsten Symptomen mit 55% die Sehstörung,
gefolgt von Kopfschmerz, der bei 50% der Patienten vorlag. Ein weiteres häufiges Symptom
war die Adynamie mit Antriebslosigkeit und Leistungsknick.
Sautner et al. 1993 berichteten über Sehstörung und Cephalgie als Hauptsymptome bei
nicht-adenomatösen Prozessen der Sellaregion. In der Arbeit von Freda et al. 1999 wird
jedoch Kopfschmerz als kardinales Hauptsymptom nicht erwähnt. Ähnliche Ergebnisse
zeigte die Arbeit von Valassi et al. 2010 und Koutourousiou et al. 2010.
Weitere
Symptome, wie Diplopie mit Affektion der Hirnnerven III, IV und VI, Libidostörung,
mnestische Störung und Amenorrhö werden sowohl in unserer Fallserie als auch in den o.g.
großen Studien angegeben. Ein Diabetes insipidus wurde bei der Arbeit von Freda et al.
1999 in 6% der Patienten und in der Studie von Koutourousiou et al. 2010 in 10% der
Patienten diagnostiziert. In unserer Studie ließ sich bei 2 Patienten (10%) ein DI eruieren.
Insgesamt besteht in unserer Studie als auch in der Literatur ein breites Symptomspektrum,
welches sich jedoch in der Kernsymptomatik gut vergleichen lässt und sich in ähnlicher
Verteilung in vielen Studien repräsentiert.
Die endokrinologische Aufarbeitung der Patienten ergab in erster Linie eine Beeinträchtigung
der G-Achse in 8 Fällen, eine sekundäre Hyperprolaktinämie in 4 Fällen, und seltener der C-,
T- und S-Achse. Ähnliche Ergebnisse bezüglich Hyperprolaktinämie und Hypopituitarismus
liefern die Studien von Freda et al. 1999, Valassi et al. 2010 und Koutourousiou et al.
2010.
Bezüglich der ophthalmologischen Befunde zeigte sich in den o.g. großen Studien keine
signifikanten Zusammenhänge der Visusminderung oder Gesichtsfeldeinschränkung mit den
verschiedenen histologischen Entitäten. Im Gegensatz dazu zeigte die Analyse der
Ergebnisse unserer Studie einen signifikanten Zusammenhang der Prävalenz der
Visusminderung bei den infiltrativen Prozessen der Sellaregion. Das bedeutet, dass bei
Patienten mit
histologischem
Befund eines infiltrativen Prozesses
eine häufigere
Beeinträchtigung des Visus vorlag. Bezüglich der Gesichtsfeldeinschränkung bestand kein
signifikanter Unterschied zu den nicht-infiltrativen Tumoren.
85
5.2 Besonderheiten bei seltenen Tumoren der Sellaregion
Die Sellaregion ist ein umschriebener Bereich der Schädelbasis, der wichtige neurovaskuläre
und neuroendokrine Strukturen enthält. Die Beeinträchtigung des Chiasma opticum durch
raumfordernde
Prozesse
führt
zur
Einengung
des
Gesichtsfeldes
und
zu
einer
Visusminderung. Die Affektion der Hypophyse, des Hypophysenstiels und des Hypothalamus
führt zu Hormonstörungen und unspezifischer Symptomatik, wie Kopfschmerz und
Adynamie. Diese Symptomatik tritt überlappend bei verschiedenen Prozessen durch den
raumfordernden Effekt auf (Shin JL et al, 1999).
Obwohl die seltenen Prozesse der Sellaregion klinisch durch ähnliche Symptome wie bei
Hypophysenadenomen und anderen häufigeren Prozessen der Sellaregion auffällig werden,
sind klinische Verläufe, intraoperative Befunde und Prognose sehr unterschiedlich. (Laws
ER Jr et al, 2011; Valassi E et al, 2010).
Die Problematik der seltenten Prozesse der Sellaregion besteht in der sehr variablen
Histologie, die sich von benignen und langsam wachsenden bis zu hochmalignen Läsionen
erstreckt.
Des
Tumorkonsistenz,
Weiteren
zeigen
sie
Wachstumsmuster,
unterschiedliche
Adhärenz
und
Eigenschaften
bezüglich
Ummauerungstendenz
der
umgebenden Strukturen. Diese Eigenschaften spielen eine kardinale Rolle bei der
Entscheidung über den operativen Zugang oder das chirurgische Resektionsausmass (Laws
ER Jr et al, 2011; Zada G et al, 2010; Zada G et al, 2011).
Die seltenen Prozesse der Sellaregion können von den Hypophysenadenomen und weiteren
häufigeren Prozessen dieser Region nicht immer anhand der präoperativen klinischen,
laborchemischen und apparativen Diagnostik unterschieden werden (Jagannathan J et al,
2007; Abele TA et al, 2012; Lucas JW et al, 2012; Hess CP et al, 2012; Rao VJ et al,
2008).
Aufgrund der sehr individuellen Ausgangssituation der Patienten ist eine prinzipielle
Therapieempfehlung oft nicht möglich und es muss in jedem einzelnen Fall die richtige
Behandlungsstrategie abgewogen werden.
Eine Vielzahl von Prozessen der Sellaregion benötigt nicht immer eine aggresive
Tumorresektion mit GTR, sondern kann auch mit Hilfe der weniger invasiven Methoden
teilreseziert werden mit dem Ziel der schnelleren Ausheilung und des schnellen Einsatzes
der adjuvanten Therapie.
86
5.3 Operative Strategien
Das Ziel einer Operation bei Tumoren in der Sellaregion ist zum einen die Bestätigung einer
konkreten histopathologischen Diagnose, zum anderen die Entlastung der Strukturen des
Sehapparates,
des
Hypothalamus
und
der
infundibulohypophysären
Achse.
Die
Entscheidung über den geeigneten operativen Zugang und die operativen Zielen werden
individuell nach Berücksichtigung der Lokalisation, der Konsistenz, der Größe und der
vermutlichen Entität des Tumors festgelegt.
Bei seltenen Tumoren der Sellaregion gibt es eine Reihe von Faktoren, die bei der
präoperativen Planung berücksichtigt werden müssen. Große supraselläre Ausdehnung in
den Regionen 1 und 2, mit Affektion des Infundibulums, des Bodens des dritten Ventrikels
oder des Chiasma opticums und der supraclinoidalen Segmente der ACI bzw. eventuelle
Adhärenz mit der A. cerebri anterior und den kleinen Ästen zur Vorsorgung des Chiasmas
sprechen für einen transkraniellen Zugang. Verkalkungen, Affektion der N. optici oder
Ausdehnung lateral der Mittellinie sind ebenfalls Faktoren, die für einen transkraniellen
Zugang mit mikrochirurgischer Methode sprechen. Im Gegensatz dazu können Tumore, die
in der Mittellinie wachsen, ohne seitliche Ausdehnung, ohne Ausdehnung in den Regionen 1
und 2 und ggf. mit Ausdehnung in der Region 4, d.h. ventral intrasellär mit sogennantem
„Sella-remodeling“ und mit zystischen Komponenten, auch über den transnasalen Weg
reseziert werden (Zada G et al, 2011).
Es ist generell üblich, ausschließlich intraselläre und adenomatöse Tumore der Sellaregion
über einen endonasalen, transsphenoidalen Zugang mit der mikrochirurgischen oder
endoskopischen Methode zu operieren. Die Entscheidung zwischen dem transseptalen
mikrochirurgischen oder endonasal endoskopischen Zugang wird abhängig von den
anatomischen Gegebenheiten und letztlich der Erfahrung des Operateurs getroffen. Im Fall
einer ausgeprägten Septumdeviation oder im Fall von hypertrophierten Schleimhäuten
endonasal und Hyperostose des Ostiums sphenoidale und des Sellabodens wird eine
transseptale mikrochirurgische Technik bevorzugt. Hierfür ist ebenfalls der Abstand zwischen
der ACI auf beiden Seiten ein entscheidender Faktor zur Entscheidung der geeigneten
Methode zwischen transseptaler und endonasaler Methode (Zada G et al, 2011;
Cappabianca P et al, 2008).
Bei anatomischen Besonderheiten ist die intraoperative
Neuronavigation eine nützliche Assistenz für die Planung des geeigneten Trajektoriums.
Ebenso hilfreich kann sie für die sichere Resektion von Prozessen mit lateraler Ausdehnung
in den Sinus cavernosus oder Cavum Meckeli als auch bei Ausdehnung nach ventral in den
kraniofaszialen Bereich und in die Orbitaspitze und nach dorsal bis in den kranialen Drittel
des Clivus sein (Nakamura M, Krauss JK, 2010; Nakamura M et al, 2009).
87
In den letzten Jahren werden in manchen Kliniken vermehrt transnasale endoskopische
Operationen durchgeführt, auch bei Tumoren, welche primär besser transkraniell zugänglich
wären. Es bleibt unklar, ob dieser Zugang in einer verminderten Komplikationsrate und
einem
verbesserten
Langzeitergebnis
resultiert.
Manche
Komplikationen,
wie
das
postoperative Auftreten einer Liquorfistel sind sogar eher häufiger. Sicherlich ist auch ein
gewisser „hype“ zu beobachten vor dem Hintergrund,
den Patienten einen scheinbar
weniger invasiven Eingriff anzubieten.
In Einklang mit der aktuellen Literatur zeigte die Analyse der postoperativen Komplikationen
in unseren Fällen keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Komplikationrate und
der Operationsmethode, der Tumorgröße und der Tumorhistologie (Komotar RJ et al, 2012;
Laws ER Jr et al, 2011). Nichtdestotrotz besteht die Tendenz einer höheren
Wahrscheinlichkeit einer Liquorfistel nach transsphenoidalen Operationen, insbesondere bei
malignen Tumoren.
Wie bereits ausgeführt, ist eine vollständige Resektion bei Tumoren der Sellaregion, die
infiltrativ wachsen, wie beispielsweise Metastasen, oftmals nicht möglich. In diesen Fällen
werden die Patienten adjuvant behandelt. Beim Versuch einer kompletten Resektion ist
postoperativ mit einer deutlichen Verschlechterung des neuroendokrinologischen Profils zu
rechnen wohingegen kaum eine relevante Besserung der visuellen Defizite zu erreichen
wäre. Ιn diesen Fällen mit primär intrasellärer Ausdehnung wird eine endoskopische
transsphenoidale Operation zur Diagnosesicherung und Dekompression empfohlen.
5.4 Komparative Analyse der seltenen Prozesse der Sellaregion
Das Xanthogranulom oder Cholesteringranulom der Sellaregion ist als eigenständige Entität,
die sich von den bekannten Kraniopharyngeomen unterscheidet, erstmals 1999 von Paulus
klassifiziert und beschrieben worden (Paulus et al, 1999). Im Verlauf wurden nur wenige
Fälle veröffentlicht, weshalb Kenntnisse über
Pathogenese und die besonderen
Eigenschaften der Xanthogranulome eingeschränkt sind (Reithmeier T et al, 2002; Jung
CS et al, 2006; Liu ZH et al, 2008; Sugata S et al, 2009; Kamoshima Y et al, 2011;
Amano K et al, 2013; Müller HL et al, 2012). Die sellären Xanthogranulome sind eine sehr
seltene Entität. In der Arbeit von Paulus et al. 1999 wurde in 33,6% von 110
Kraniopharyngeom-suspekten Tumoren ein selläres Xanthogranulom diagnostiziert. In
88
weiteren Serien fanden sich unter 159 intra- und parasellären Tumoren nur 1,3% selläre
Xanthogranulome (Jung CS et al, 2006) und unter 231 Hypophysenadenomen 2,2% mit
einer xanthogranulomatösen Reaktion (Nishioka H et al, 2010). Selläre Xanthogranulome
treten bei Kindern und im jungeren/mittleren Erwachsenenalter auf. Sie wachsen intrasellär,
oft mit suprasellärer Ausdehung und Kompression des Chiasma opticum, jedoch ohne
Infiltration von Nachbarstrukturen.
In
allgemeinen
verursachen
Xanthogranulome
der
Sellaregion
ausgeprägte
endokrinologische Defizite, meist einen Panhypopituitarismus, seltener einen isolierten
Diabetes insipidus (Amano K et al, 2013).
Das MRT-Signalverhalten sellärer Xanthogranulome ist sehr heterogen. Häufige zystische
Anteile mit xanthochromer Flüssigkeit zeigen ein hyperintenses Signal sowohl in den T1- als
auch in den T2-gewichteten Sequenzen. Cholesterinkristalle kommen hyperintens sowohl in
den T1- als auch in den T2-gewichteten Sequenzen zur Darstellung. Solide Anteile,
hyperintens in T1WI und hypointens in T2WI könnten auf Hämosiderin-haltige oder
granulomatöse Anteile hinweisen (Nishioka H et al, 2010, Neubauer C et al, 2013). Das
Kontrastmittelenhancement kann heterogen, randständig oder negativ sein (Kamoshima Y
et al, 2011).
In den bisher publizierten Fällen wurden keine intrasellären Verkalkungen
beschrieben. In einem Fall unserer Serie zeigte sich jedoch eine intraselläre Verkalkung in
den
präoperativen
cCT-Aufnahmen.
Insgesamt
sind
Xanthogranulome
von
Kraniopharyngeomen und Zysten der Rathke’schen Tasche anhand der MRT-Bildgebung
schwer zu differenzieren. Die Tumore zeigen eine hohe Variabilität in der Bildgebung.
Das typische histologische Ercheinungsbild zeigt Cholesterinkristalle, inflammatorische
lympho-plasmazelluläre Infiltrate, Makrophagen, Hämosiderinablagerungen, FremdkörperRiesenzellen und nekrotische Arelae. Gelegentlich liegen epitheliale Anteile vor.
Die Ätiologie des sellären Xanthogranuloms wird sehr kontrovers diskutiert. Neben einer
eingenständigen Entität wird von anderen Autoren angenommen, dass es sich aus
degenerativ,
chronisch
Kraniopharyngeomen,
inflammatorisch
Rathke-Zysten
oder
oder
hämorrhagisch
seltener
auch
veränderten
apoplektischen
Hypophysenadenomen entwickelt (Paulus W et al, 1999; Nishioka H et al, 2010).
Histologisch
besteht
partiell
eine
Überlappung
mit
der
xanthomatösen
und
xanthogranulomatösen Hypophysitis, die jedoch keine Fibrosen, Hämosiderin oder
Cholesterinkristalle und Fremdkörper-Riesenzellen besitzt (Burt MG et al, 2003). Dagegen
sind in Kraniopharyngeomen teilweise xanthogranulomatöse Veränderungen und in
adamantinomatösen Kraniopharyngeomen auch Cholesterinkristalle nachweisbar. Klinisch
zeigen sich jedoch auch prognostisch klare Unterschiede im Vergleich zu den
Kraniopharyngeomen. Präoperativ bestehende visuelle Defizite bessern sich in der Regel,
89
was sich auch bei unseren Patienten bestätigen liess. Die endokrinologischen Ausfälle
können oft
postoperativ persistieren.
In unserer Serie zeigte sich in zwei Fällen eine
Besserung der Insuffizienz der G-Achse postoperativ, dafür jedoch eine zusätzliche
Insuffizienz
der
C-Achse.
Bei
den
großen
Xanthogranulomen
zeigt
sich
eine
Verschlechterung des endokrinologischen Profils mit zwei Fällen von Panhypopituitarismus.
Diese Ergebnisse sind direkt mit der Größe des Tumors korrelierbar.
Rezidivtumore sind selten, auch bei bekanntem Tumorrest findet sich kaum eine
Wachtumstendenz. In unserer Serie ließ sich diese Tatsache bestätigen, da keinerlei Rezidiv
oder Restprogress während der
Nachbeobachtungszeit auftrat. Diese Eigenschaft
unterscheidet ebenfalls die Xanthogranulome sowohl von Kraniopharyngeomen als auch von
Rathke-Zysten.
Die Haupttumorausdehnung befindet sich in der Region 2 und in zwei Fällen zeigte sich auch
eine Ausdehung intrasellär. Die Therapie der Wahl ist die komplette Resektion, die in einer
guten Prognose resultiert. Angesichts des sehr guten Verlaufs auch im Fall eines Resttumors
sollte hier , insbesondere bei Tumoren in der Region 2 mit engem anatomischen Bezug zu
vitalen Strukturen, und bei Abhärenzen der Kapsel nicht immer die GTR angestrebt werden.
Die Häufigkeit von Metastasen in der Sellaregion bei Patienten, welche über einen
transsphenoidalen Zugang operiert wurden, liegt bei weniger als 1% (Altay T et al, 2012,
Branch CL Jr et al, 1987, Weilbaecher C et al, 2004). In Obduktionsserien zeigte sich
jedoch in ca. 5 bis 26 % der Patienten mit bekanntem Malignom eine selläre Manifestation.
In ca. zwei Drittel dieser Fälle erschien die Hypophyse makroskopisch intakt (Morita A et al,
1998; Teramoto A et al, 1994; Lucas J et al, 2012; Kovacs K et al, 1973).
Malignome, die sich in der Sellaregion manifestieren können, sind in erster Linie
Mammakarzinome und Bronchialkarzinome. Diese Karzinome stellen zusammen mehr als
60% aller Metastasen der Sellaregion. Nichtdestotrotz wurden Metastasen fast jeder Art von
Karzinomen in der Sellaregion beschrieben (Branch CL Jr et al, 1987; Morita A et al,
1998), u.a. von Nierenzellkarzinomen (Spell DW et al, 1998). Die Inzidenz von
Mammakarzinom-Metastasen in der Sellaregion ist signifikant höher als die anderer
Malignome (Morita A et al, 1998). Die Ursache für diese höhere Inzidenz ist bislang nicht
bekannt. Eine Hypothese wäre, dass die hormonreiche Umgebung in der Sellaregion,
insbesondere was das Prolaktin betrifft, ideale Bedingungen für Karzinomzellen des
Mammakarzinoms bereitet.
Oft sind Metastasen im fortgeschrittenen, multimetastasierten Stadium der Erkrankung in der
Sellaregion zu sehen (Morita A et al, 1998; Hägerstrand I et al, 1969; Kovacs K et al,
1973; Marin F et al, 1992; Max MB et al, 1981). In unserem Patientenkollektiv waren die
Metastasen der Sellaregion in 3 Fällen als solitäre Metastase bei vorbekanntem Malignom
90
aufgetreten. In keinem Fall jedoch war die Diagnose der Metastase in der Sellaregion die
erste Manifestation der systemischen Erkrankung, obwohl auch solche Fälle in der Literatur
beschrieben wurden (Altay T et al, 2011; Branch CL Jr et al, 1987).
Metastasen können die Sellaregion durch Streuung über den hämatogenen Weg bzw. über
die Gefäße des Pfortaderkreislaufs, über eine direkte Ausdehnung von der Schädelbasis
oder über eine meningeale Streuung erreichen. Hämatogene Metastasen wurden in der
Literatur überwiegend in der Neurohypophyse beschrieben (Altay T et al, 2011). In einem
Review von 201 Fällen mit Metastasen in der Sellaregion war die Neurohypophyse bei
50,8% involviert, die Adenohypophyse bei 15,4% und beide Hypophysenlappen bei 33,8%
(Max MB et al, 1981). Die beobachtete Differenz bezüglich Adeno- und Neurohypophyse
beruht am ehesten auf der fehlenden direkten arteriellen Gefäßversorgung
der
Adenohypophyse. Eine andere Hypothese geht davon aus, dass metastatische Zellen im
Bereich des primären Gefäßplexus hängen bleiben können, sodass diese nicht weiter die
Adenohypophyse erreichen. Als Folge wurde eine Affektion der Adenohypophyse eher
sekundär durch Metastasen beschrieben, die sich von der Neurohypophyse nach anterior
ausdehnen (Morita A et al, 1998; McCormick PC et al, 1989; Komninos J et al, 2004).
Aufgrund
der
dargestellten
Tumorausdehnung
ist
der
Ausfall
der
Funktion
der
Neurohypophyse mit Diabetes insipidus ein häufiges Symptom der sellären Metastasen. Ein
Diabetes insipidus tritt in ca. 45% der Fälle auf, und fand sich auch bei einem Patienten in
unserer Studie.
Selläre Metastasen zeigen unterschiedliche Eigenschaften in der Bildgebung und bei
fehlenden weiteren intrakraniellen Metastasen wird die Differentialdiagnose erschwert.
Kernspintomographisch zeigen sie meist ein isointenses oder hypointenses Signal im
Vergleich zum Marklager in der T1 gewichteten Sequenz, und ein hyperintenses Signal in
der T2 gewichteten Sequenz. Typischerweise kommt es zu einer Kontrastmittelaufnahme
nach Gadolinium. Das Enhancement kann homogen oder heterogen sein, sowie auch in
manchen Fällen randständig (Lucas J et al, 2012; Abele TA et al, 2012; Morita A et al
1998). Es wurde beschrieben, dass Metastasen, ähnlich wie Hypophysenadenome, eine
„dumb-bell“ Formation durch Einschnürung am Diaphragma sellae haben können. Eventuell
kann eine Infiltration des Sinus cavernosus und des Sinus sphenoidalis vorliegen. Ein Verlust
der für die normale Neurohypophyse typische hellere Signalintensität („bright spot“) wurde
auch bei Patienten mit sellären Metastasen beschrieben. Das schnelle Wachstum dieser
Tumore kann zur Auftreibung des Hypophysenstiels und zu einer knöchernen Destruktion
des Sellabodens führen, im Gegensatz zu langsam wachsenden Tumoren, wie
Hypophysenadenomen (Lucas J et al, 2012; Abele TA et al, 2012).
91
Die Operation ist in der Regel Teil einer multimodalen Therapie mit Resektion,
Strahlentherapie und Chemotherapie (Losa M et al, 1997). Die therapeutische Strategie ist
abhängig von der Symptomatik und der Ausdehnung der systemischen Erkrankung (Ruelle
et al, 1992). Aufgrund der guten Vaskularisierung der Metastasen in der Sella und der
Invasion benachbarter, vitaler Strukturen ist eine GTR meistens nicht möglich (Sioutos P et
al, 1996). Das Ziel der Operation sollte die histologische Diagnose, die Linderung der
Symptome und der Erhalt des Visus sein, auch bei Patienten mit multiplen Metastasen. Die
Effektivität der adjuvanten postoperativen Therapie auf die Überlebenszeit ist in der Literatur
nicht konkludent belegt (Branch CL Jr et al, 1987; Post KD et al, 1988). Die chirurgische
Therapie führt oftmals zu einer Besserung der Symptome, insbesondere von Schmerzen und
visuellen Defiziten (Morita A et al, 1998; Branch CL Jr et al, 1987), jedoch ohne dass es
zu einer Verlängerung der Überlebenszeit kommt.
Die Prognose von Metastasen in der Sella ist erwartungsgemäß aufgrund der aggressiven
Grunderkrankung ungünstig. Diese ist auch abhängig von weiteren co-existenten
Metastasen (Branch CL Jr et al, 1987). Patienten mit solitären Metastasen der Sella
scheinen eine bessere Prognose zu haben (Morita A et al, 1998; Sioutos P et al, 1996).
Die durchschnittliche Überlebenszeit beträgt weniger als 2 Jahre, unabhängig von der
therapeutischen Strategie (Branch CL Jr et al, 1987, Laigle-Donadey F et al, 2005).
In unserer eigenen Serie hatten Patientinnen mit der Diagnose eines Mammakarzinoms eine
längere Überlebenszeit, bei zwei Patientinnen von mehr als 2 Jahren. Dies ist sicherlich auch
auf die verbesserte adjuvante Therapie in den letzten Jahren zurückzuführen. Bei diesen
beiden Patientinnen kam es verzögert zu einer erneuten Verschlechterung des Visus.
Die operative Therapie bei Metastasen der Sellaregion ist sinnvoll zur Diagnosesicherung
und für den Visuserhalt. Eine weitere Besserung der Lebensqualität mit Rückbildung der
Endokrinopathie ist durch die Operation kaum zu erreichen. Eine subtotale Tumorresektion
scheint das sinnvollste operative Ziel in dieser Situation zu sein.
Die Astrozytome bzw. niedriggradige neuroepitheliale Tumore in der Sellaregion können von
der Neurohypophyse, vom Chiasma opticum oder vom Hypothalamus ausgehen.
Pilozytische Astrozytome in der Hypophyse, die als Kraniopharyngeome fehldiagnostiziert
wurden, sind in der Literatur beschrieben (Skipworth JRA et al, 2012; Koeller KK et al,
2004; Burckhard C et al, 2003). Pilozytische Astrozytome treten häufig bei Patienten bis
zum 20. Lebensjahr auf, meistens entlang der Mittelliniestrukturen, z.B. Kleinhirn,
Hirnstamm, Chiasma opticum und Hypophysenstiel. Pilozytische Astrozytome sind selten im
Erwachsenenalter. Unsere Fallserie besteht aus einem 2-jähriges Kind und einem 25-
92
jährigen Erwachsenen.
Die Tumore wurden durch die raumfordernde Wirkung auf den
neurovaskulären Strukturen der Sellaregion auffällig.
Radiologisch waren die Astrozytome aufgrund der ähnlichen anatomischen Lokalisation wie
bei Kraniopharyngeomen schwer zu unterscheiden. Ferner zeigte sich eine Heterogenität mit
fibrotischen, zystischen und verkalkten Anteilen, ähnlich wie bei Kraniopharyngeomen. In
den
MRT-Aufnahmen
zeigte
sich
die
typische
Darstellung
einer
randständig
Kontrastmittelanreichernden Raumforderung mit zentralem zystischem Anteil.
Die Überlebensrate beträgt 95,8% 10 Jahre nach der Resektion. Das Resektionsausmaß
scheint dabei direkt mit einer besseren Überlebensrate und längerer rezidivfreier Zeit zu
korrelieren (Kayama T et al, 1996). Obwohl eine GTR bei pilozytischen Astrozytomen
anzustreben ist, ist die supraselläre Lokalisation mit Beteiligung wichtiger eloquenter
Arealen, wie Hypothalamus und das Chiasma, limitierend und benötigt eine individuelle
Entscheidung des operativen Ziels. In beiden Fällen unserer Serie wurde eine STR
durchgeführt und anschließend nach Sicherung des histologischen Befundes eine adjuvante
Therapie eingeleitet. In dem Fall des älteren Patienten erfolgte eine Radiotherapie und im
Fall des 2-jährigen Kindes zeigte sich eine nicht-konklusive Beurteilung der histologischen
Präparate und der Immunohistochemie, sodass für die erste Zeit der Nachbehandlung die
histologische Diagnose, zwischen pilozytischem Astrozytom WHO Grad I° und einem
Rosettenbildenden glioneuronalen Tumor, nicht
gestellt wurde. Daraufhin erfolgte eine
kombinierte Radio-chemotherapie, jedoch zeigte sich im Verlauf eine Frührezidivierung,
Entartung und konsekutiv eine ungünstige Prognose.
Radiotherapie und Chemotherapie wird im Fall eines Frührezidivs und einer Entartung
eingesetzt. Die Chemotherapie ist die adjuvante Therapie der Wahl bei jungeren Patienten.
Über die Häufigkeit von Kolloidzysten (CC) in der Sellaregion liegen keine Daten vor
(Bladowska J et al, 2010; Nomikos P et al, 1999).
CCs sind langsam wachsende,
gutartige Zysten und repräsentieren 0,2-2% aller intrakraniellen Neoplasien (Bladowska J et
al, 2010; Nomikos P et al, 1999; Teramoto A et al, 1994).
Die typische Lokalisation der Kolloidzyste ist die vordere Hälfte des dritten Ventrikels
(Nomikos P et al, 1999). Die Pathogenese ist bisher unklar. Manche Autoren konstatieren
dass CCs die Folge einer natürlichen Degeneration von Zellen sind, wobei kleine Zysten und
Pseudozysten um den Bereich der Degeneration gebildet werden. Eine andere Hypothese
besagt, dass CCs aus nekrotisierten endokrinen Zellen entstehen, beispielsweise durch
Minderperfusion der Pars intermedia (Nomikos P et al, 1999).
Kolloizysten enthalten
wasserklare, relativ visköse Kolloidsubstanz, im Gegensatz zu den Rathke’schen Zysten
(Nomikos P et al, 1999).
93
In der MRT-Untersuchung zeigen CCs in 50% der Fälle ein hyperintenses Signal in den T1Sequenzen, sonst ein isointenses oder hypointenses Signal. In den T2-Sequenzen zeigen
CCs hauptsächlich eine geminderte Singalintensität. (Tanei T et al, 2006; Hadley DM, 2002;
Joshi SM et al, 2005). Dieses geminderte Signal in der T2-Sequenz zeigt sich meistens im
Zentrum der Zyste, wobei sich die Peripherie tendenziell isointens zeigt. Wie in der Literatur
beschrieben (Nomikos P et al, 1999; Bladowska J et al, 2010) zeigten auch unsere Fälle
kein Enhancement nach Gadoliniumgabe, sowie ein hypo- bzw. isointenses Signal in T1 und
in T2-Wichtung. Im Gegensatz zur Literatur waren bei unseren Fällen die CCs suprasellär
lokalisiert, eine davon präinfundibulär und zwei retroinfundibulär. Die Ausdehnung in den
Regionen 1 und hautpsächlich 2 ohne weitere Ausdehnung in den anderen Quadranten der
Sellaregion (intrasellär) wurde bisher bei Kolloidzysten nicht beschrieben.
Klinisch sind CCs meist asymptomatisch, was auf ihre relativ kleine Größe zurückzuführen
ist, die durchschnittlich 5-15mm beträgt (Nomikos P et al, 1999). Somit werden die CCs
häufig als Zufallsbefund diagnostiziert. Wenn eine endokrine Dysfunktion auffällt, so ist eher
die
gonadotrope
Achse
beeinträchtigt
mit
konsekutivem
hypogonadotropen
Hypogonadismus. Einzelne Fälle von Diabetes insipidus oder Hypophyseninfarkt wurden
ebenfalls beschrieben. Ein Panhypopituitarismus ist extrem selten bei Patienten mit CCs.
Laborchemisch kann in 72% der Fälle eine Hyperprolaktinämie nachgewiesen werden. CCs
werden häufig durch Kopfschmerzen auffällig, wie auch bei den Patienten in unserer
Fallserie.
Wie in der Literatur beschrieben, zeigte sich auch in unserer Fallserie postoperativ eine
Rückbildung der latenten endokrinologischen Defizite. Bei zwei von drei Fällen findet sich
auch eine Besserung der Gesichtsfeldsausfälle und der Visusminderung. Eine GTR sollte,
falls möglich, angestrebt werden.
Epidermoidzysten (EC) sind entwicklungsbedingte Läsionen, die überall im intrakraniellen
Raum auftreten können. Häufiger werden sie als cerebrale Läsionen in der Region des
Kleinhirnbrückenwinkels diagnostiziert. Nur selten können sie auch in der suprasellären
Zisterne oder in der parasellären Region auftreten (Zada G et al, 2010; Boggan JE et al,
1983; Iaconetta G et al, 2001; Oge K et al, 1991; Sani S et al, 2005; Tatagiba M et al,
2000; Verkijk A et al, 1980). Epidermoidzysten finden sich meistens paramedian im
Gegensatz zu den Dermoidzysten, die hauptsächlich in der Mittellinie lokalisiert sind (Sani S
et al, 2005; Zada G et al, 2010).
Epidermoidzysten machen nur 0,2-0,7% aller Tumoren der Sellaregion (Fatemi N et al,
2008; Saeger W et al, 2007). In der Regel werden die ECs bei Patienten aus der mittleren
Altersgruppe diagnostiziert. Sie werden durch Symptome aufgrund des raumfordernden
Effektes auffällig, z.B. durch Cephalgie und visuelle Störung (Gormley WB et al, 1994;
94
Netsky MG et al, 1998; Yasargil MG et al, 1989). Einige Berichte haben selläre ECs
beschrieben, die klinisch wie ein Hypophysen-Apoplex auffällig wurden (Sani S et al, 2005;
Tuna H et al, 2008). Im direkten Vergleich ist unser Fall durch Cephalgie ohne subjektive
visuelle Symptome auffällig geworden.
Der Inhalt von ECs kann, genauso wie bei anderen epithelialen Zysten der Sellaregion,
indirekt zur sekundären Meningitis, Hypophysitis oder fokalen neurologischen Defizite
führen.
Die üblichen MRT-Sequenzen können nicht zuverlässig für die Differentialdiagnose zwischen
ECs, Dermoiden oder anderen epithelialen Zysten benutzt werden. Aufgrund der typischen
Aufhellung der ECs in der DWI-Sequenz (Diffusions-Sequenz) der MRT können diese in
dieser Sequenz leicht von anderen zystischen Tumoren unterschieden werden (Tsuruda JS
et al, 1990; Chen S et al, 2001).
Sie haben einen hyperintensen Signal in der T2
gewichteten Sequenz und FLAIR (fluid-attenuated inversion recovery) Sequenz. Ferner
zeigen sich ECs hyperintens in der T1-gewichteten Sequenz aufgrund ihrer hohen
Konzentration von Fettgewebe.
Fettsuprimierende Sequenzen können hilfreich für die
Diagnosestellung sein. ECs zeigen keine Aufhellung nach Gadoliniumgabe, im direkten
Gegensatz zu den Hypophysenadenomen (Abele TA et al, 2012). Beim eigenen Fall hatte
die EC, im Einklang zu den oben genannten, ein hyperintenses Signal in der T1- und T2Sequenz und keine KM-Aufnahme. Eine Verkalkung des soliden Anteils des Tumors ist in
einigen Fällen in der Literatur beschrieben (Lucas J et al, 2012) und wurde im eigenen Fall
ebenfalls suprasellär gesehen.
Intraoperativ zeigen sich ECs häufig adhärent, sodass eine GTR nicht in allen Fällen möglich
ist. Eine GTR ist in ca. 42% aller publizierten Fälle mit einer Rezidivrate von 26% im Langzeit
Follow-up beschrieben (Zada G et al, 2010, Gormley WB et al 1994). In unserem Fall ließ
sich die Kapsel der EC und ihr Inhalt gut mobilisieren und entfernen, ohne signifikante
Adhäsionen mit den vitalen vaskulären und nervalen Strukturen. In den postoperativen und
weiteren Nachkontrollen gab es keine Zeichen eines Tumorrezidivs. Nichtdestotrotz zeigte
sich
keinerlei
Verbesserung
der
präoperativen
Endokrinopathie
mit
postoperativ
hinzugekommener Affektion der thyreotropen Achse und Diabetes insipidus. Es scheint,
dass eine GTR bei diesen in der Regel großen und retroinfundibulär bis zum dritten Ventrikel
wachsenden Tumoren mit erhöhter Morbidität postoperativ verbunden ist, unabhängig vom
Adhäsionsgrad der Tumorzyste. Hinsichtlich der mittleren Lebensalter der Patienten und der
Rezidivraten ist eine Teilresektion oder STR ein sinnvolles chirurgisches Ziel .
Die
Operation
und
Resektion
der
EC
ist
die
beste
und
einzige
effektive
Behandlungsmöglichkeit. Weitere adjuvante Maßnahmen haben zu keinerlei signifikanten
Besserung der Tumorkontrolle geführt (Zada G et al, 2010).
95
Obwohl die Hypophyse keine Neuronen enthält, können einige
Tumore der Hypophyse
neuronale Zellen enthalten. Eine kleine Anzahl von publizierten Fällen über Tumore, die
zumindest teilweise aus neuronalen Zellen bestehen, ist in der Literatur bekannt (Geddes JF
et al, 2000). Diese Tumore werden als Gangliozytome bezeichnet. Obwohl die
Gangliozytome ausschließlich aus neuronalen Zellen bestehen können, ist die Mehrzahl
dieser Tumore (65-76%) mit co-existenten Hypophysenadenomen assoziiert. Daher wird von
manchen Autoren der Begriff „mixed gangliocytoma-adenoma“ oder MGA vorgeschlagen.
Die genaue Histogenese dieser Tumore ist bisher umschritten. Manche Autoren schlagen
embryonale Hypophysenzellen mit Eigenschaften zwischen Neuronen und Zellen der
Adenohypophyse als Stammzellen dieser Tumore vor. Andere Autoren plädieren für einen
hypothalamischen Ursprung dieser Tumore (Geddes JF et al, 2000, Kontogeorgos G et al,
2006). Gemäß dieser Hypothese handelt es sich um neuronale Zellen des Hypothalamus,
die in dem adenohypophysären Parenchym während der frühen Phase der Embryogenese
ektopisch geblieben sind (Kontogeorgos G et al, 2006). Eine dritte Hypothese wäre, dass
die neuronalen Zellen der Gangliozytome die Folge einer neuronalen Differenzierung von
vorbestehendem Hypophysenadenom sein könnten (Horvath E et al, 2000; Puchner MJ et
al, 1995; Kontogeorgos G et al, 2006). Die Gangliozytome werden bei Erwachsenen und
überwiegend bei Frauen diagnostiziert (Geddes JF et al, 2000). In unserem Fall war der
Patient im Einklang dazu weiblich und 49 Jahre alt.
Ca. 75% der Patienten mit Gangliozytomen zeigen einen Hormonexzeß, meistens mit
Hypersekretion von HGH, gefolgt von M. Cushing und Hypersekretion von Prolaktin. Es ist
beschrieben, dass die MGA häufiger hormonaktiv im Vergleich zu reinen Gangliozytomen
sind (Puchner MJ et al, 1995; Kontogeorgos G et al, 2006). Im Gegensatz dazu zeigte
sich das Gangliozytom im eigenen Fall hormoninaktiv und es wurde durch subjektive
Visusminderung
auffällig.
Endokrinologisch
zeigte
sich
ein
subklinischer
Hyposomatotropismus, Hypogonadismus und sekundäre Hyperprolaktinämie.
In der Literatur sind die neuroradiologischen Eigenschaften der Gangliozytome und der
MGAs beschrieben. Diese können radiologisch undifferenzierbar im Vergleich zu den
Hypophysenadenomen sein. Diese Tumore zeigen sich kontrastmittel-aufnehmend mit einer
Ausdehnung intrasellär und in manchen Fällen suprasellär. Es ist beschrieben, dass der
supraselläre Anteil dieser Tumore etwas rundlicher zur Darstellung kommt, im Vergleich zu
Hypophysenadenomen. Zusätzlich zeigen Gangliozytome, wenn sie sich nach suprasellär
ausdehnen, nicht das für Hypophysenadenome typische Zeichen einer „Taille“ in der Höhe
des Diaphragma sellae (Towfighi J et al, 1996). Im Einklang dazu zeigte sich in unserem
Fall eine hauptsächlich intraselläre Raumforderung, scharf abgegrenzt und mit „rundlicher“
Form nach suprasellär.
96
Charakteristisch ist, dass keine KM-Anreicherung zu sehen war. In der T1-Sequenzen zeigte
sich ein hypointenses Signal und in T2-Sequenz ein isointenses Signal. GCs ohne
adenohypophysären Anteile, die extrem selten sind, zeigen keine KM-Aufnahme. Andere mit
co-existenten Hypophysenadenomen oder hormonaktiven adenonatösen Anteilen lassen
sich nicht so gut von reinen HAs differenzieren.
Intraoperativ lassen sich die GCs erfahrungsgemäß schwer von Hypophysenadenomen
differenzieren. Im eigenen Fall hat es sich bestätigt, da das GC wie ein Hypophysenadenom
zur Darstellung kam. In diesem Fall wurde das GC endonasal, endoskopisch vollständig
entfernt. Entsprechend der Literatur ist die Operation die Therapie der Wahl, wobei eine
GTR möglich ist. Spezifische Daten über das Outcome sind jedoch nicht vorhanden. Im
eigenen Fall zeigte sich ein sehr guter postoperativer Verlauf, mit Besserung des
Hypogonadismus
und
der
subjektiven
Symptome.
Des
Weiteren
wurde
in
den
Nachkontrollen kein Tumorrezidiv gesehen. Bezüglich des postoperativen Outcomes und der
Rezidivrate könnte hypothetisch ebenfalls die histologische Eigenschaft eine Rolle spielen.
Daraufhin würden die MGAs eher einen klinischen Verlauf, ähnlich wie bei HAs zeigen. Die
reinen GCs, ohne adenohypophysäre Zellen, scheinen eher sekundäre Defizite zu
verursachen.
Die Hypophysitis ist ein seltener klinischer Zustand und repräsentiert ein breites Spektrum
von entzündlichen Prozessen, bei denen die Hypophyse und/oder der Hypophysenstiel
betroffen ist (Caturegli P et al, 2005; Folkerth RD et al, 1998; Gutenberg A et al, 2005;
Laws ER et al, 2006). Die Hypophysitis wird klinisch mit Schwangerschaft und
verschiedenen Autoimmunerkrankungen assoziiert (Asa SL et al, 1981; Goudie RB et al,
1962; Thodou E et al, 1995). Zwei unterschiedliche Hauptkategorien von Hypophysitiden
sind bisher beschrieben: 1. die lymphozytäre Hypophysitis, hauptsächlich in Zusammenhang
mit autoimmunologischen Phänomenen und 2. die granulomatöse Hypophysitis, meistens in
Zusammenhang mit Sarkoidose und anderen systemischen granulomatösen Prozessen
(Folkerth RD et al, 1998; Gutenberg A et al, 2005).
Die lymphozytäre Adenohypophysitis (LAH), mit oder ohne Einbezug des Hypophysenstiels,
und
die
lymphozytäre
Infundibuloneurohypophysitis
(LIN)
sind
seltene
Autoimmunerkrankungen, die sich klinisch unterschiedlich präsentieren können. LAH tritt
meistens bei Frauen peripartal auf und wird durch Hypophyseninsuffizienz auffällig, wobei
bei der LIN ein Diabetes insipidus auftritt. (Fitzpatrick M et al, 1999; Vates GE et al, 2001).
LAH zeigt sich in der MRT als eine diffuse Auftreibung der Hypophyse mit diffuser KMAnreicherung mit Auftreibung und KM-Anreicherung des Hypophysenstiels. Die Auftreibung
des Hypophysenstiels unterscheidet sich von der Darstellung eines Hypophysenadenoms
(Gutenberg A et al, 2005). Bei der LAH zeigt die Sella eine normale Größe. Eine lokale
97
reaktionsbedingte durale KM-Aufnahme als auch Ausdehnung in den Sinus cavernosus
wurde bisher berichtet (Levine SN et al, 1988; Gutenberg A et al, 2005). Die Ausdehnung
in den Sinus cavernosus tritt in der Regel bei Patienten mit granulomatöser Hypophysitis auf.
LIN zeigt sich mit Auftreibung des Hypophysenstiels als auch mit einem Verlust des
typischen „bright spots“ der Neurohypophyse. Diese Befunde sind jedoch unspezifisch
(Levine SN et al, 1988, Gutenberg A et al, 2005). In Fällen von paraneoplastischen
Syndromen kann eine LH auch auftreten (Fitzpatrick M et al, 1999). Im direkten Vergleich
zeigt sich in unserem Fall eine Auftreibung der Hypophyse und des Hypophysenstiels mit
randständiger KM-Aufnahme, die initial den Verdacht auf einen Hypophysenabszess
erweckte. Ferner war keine Erweiterung der Sella zu sehen und keinerlei weitere
Ausdehnung nach lateral in den Sinus cavernosus. Es zeigt sich auch in diesem Fall ein
Verlust des „bright spots“ der Neurohypophyse in den nativen T1-Sequenzen.
Histologisch ist die LH von Infiltrationen durch Lymphozyten in der Hypophyse
charakterisiert. Diese Infiltration scheint eine Autoimmunreaktion auf Antigene der
Hypophyse zu darzustellen (Fitzpatrick M et al, 1999; Zada G et al, 2010).
Bei mehreren Patienten zeigte sich die Hypophysitis mit Hypopituitarismus und/oder
Diabetes insipidus. Symptomatisch wird die Hypophysitis meistens durch Kopfschmerzen,
Übelkeit und die o.g. Endokrinopathie. Bei Hypophysitiden können sich die Symptome unter
symptomatischer Therapie relevant zurückbilden. Die Symptomatik kann jedoch rezidivieren
(Reusch JE et al, 1992; Laws ER Jr et al, 2006). Im Einklang mit der o.g. Literatur wurde
im eigenen Fall der Patient durch Kopfschmerzen, Visusminderung und Diabetes insipidus
auffällig.
Es ist nach Berücksichtigung der Literatur schwierig, die Behandlung der Hypophysitiden zu
verallgemeinern. In Fällen mit hohem klinischen, radiologischen und laborchemischen
Verdacht, ist eine medikamentöse Therapie mit Kortikosteroiden indiziert (Cheung CC et al,
2001; Laws ER Jr et al, 2006). Bei wiederholter Symptomatik ist ebenfalls die Gabe von
Methotrexat sinnvoll. Bei refraktärer Symptomatik oder visueller Symptomatik und
raumforderndem Effekt ist die operative Therapie eine Option. Auch nach operativer
Therapie kann die Symptomatik rezidivieren (Laws ER Jr et al, 2006).
In manchen Fällen können Symptome durch raumfordernden Effekt auftreten. Der Einsatz
von Kortikosteroiden führt häufig zu einer Größenreduktion der aufgetriebenen Hypophyse,
jedoch kann die operative Entlastung in einigen refraktären Fällen mit Chiasmaanhebung
notwendig sein (Lucas JW et al, 2012).
Im Einklang mit den o.g. Indikationen der Literatur zeigte sich in unserem Fall eine deutliche
Besserung der präoperativen visuellen Beschwerden nach der operativen Entlastung des
entzündlichen Gewebes und konsekutiven Dekompression der Fossa hypophysialis.
98
Zusätzlich zeigte sich eine vorübergehende Verbesserung des Diabetes insipidus
postoperativ.
Im Hinblick auf die o.g. Literatur, den Verlauf des eigenen Falles und der Pathogenese der
Symptomatik bei LH scheint die operative Therapie eine größere Rolle zu haben als bisher
gedacht. Bei fehlenden pathognomonischen Zeichen und breiter Differenzialdiagnose ist in
mehreren Fällen eine histologische Aufarbeitung des sellären Prozesses notwendig (Laws
ER Jr et al, 2006; Leung GK et al, 2004). Auch in Fällen, wo die Symptomatik und weitere
radiologische Faktoren typisch für LH sind, kann die Entlastung der Sella durch die
Dekompression für die Kontrolle der Symptome sinnvoll sein (Laws ER Jr et al, 2006;
Leung GK et al, 2004). Die unmittelbar postoperativ gebesserte Symptomatik kann jedoch
wieder im Verlauf rezidivieren. In den meisten Fällen mit Hypopituitarismus und Diabetes
insipidus wird sich die Endokrinopathie postoperativ nicht zurückbilden. Aufgrund dieser
Tatsache muss die Indikation für eine Operation bei LH ohne visuelle Symptome kritisch
beurteilt werden.
Die intrakraniellen Keimzelltumore sind seltene maligne Tumore, die nur 0,1 bis 2% aller
primären intrakraniellen Neoplasien ausmachen. Sie bestehen aus Zellnestern, die bei der
Migration zur Genitalleiste (Crista gonadalis) während des embryonalen Zeitraums
fehlgeleitet wurden. Primäre Mittellinientumore oder Keimzelltumore werden kategorisiert in
Teratome,
Germinome,
Embryonalzell-Karzinome,
Choriokarzinome,
Tumore
des
endodermalen Sinus und schließlich gemischte Keimzelltumore. Reine Germinome stellen
ca. 65% aller intrakraniellen Keimzelltumore dar und nicht-germinomatöse Keimzelltumore
machen die große Mehrzahl der restlichen 35% dieser Tumore aus (Hooda BS et al, 1999).
Bei unserem Fall handelt es sich um einen gemischten nicht-germinomatösen Keimzelltumor
mit Anteilen eines malignen Teratoms und eines Dysgerminoms. Solche Tumore werden
hauptsächlich in der Pinealisregion diagnostiziert. Die primäre Diagnose in der Sellaregion,
wie in unserem Fall, ist in der Literatur in nur 4,6% aller gemischten Keimzelltumore
beschrieben (Jennings MT et al, 1985).
Keimzelltumore sind primär Tumore die im Kindesalter auftreten, hauptsächlich im Alter
zwischen 10 und 12 Jahren. Reine Germinome treten bei älteren Patienten im Vergleich zu
den nicht-germinomatösen Tumoren auf. Diese Tumore treten zweimal so häufig bei
Männern als Frauen auf, wenn sie in der Pinealisregion lokalisiert sind. Bei suprasellärer
Lokalisation treten die Keimzelltumore etwas häufiger bei Frauen auf (Hooda BS et al,
1999).
Die meisten Keimzelltumore entstehen entweder am Boden des dritten Ventrikels oder am
Infundibulum. Somit werden die Patienten häufig mit endokrinen Defiziten auffällig, vor allem
mit Diabetes insipidus. Diese Symptomatik ist durch die Infiltration oder Kompression des
99
Hypophysenstiels oder der Neurohypophyse verursacht. Andere endokrine Defizite sind
Hypopituitarismus bei Kinder und Erwachsenen sowie Hypogonadismus bei Erwachsenen.
Ferner wurden Hyperprolaktinämie und frühzeitige Pubertät beschrieben.
Große
supraselläre Tumore können erst mit visuellen Defiziten und Diplopie auffällig werden (Frank
G et al, 1992; Endo T et al, 2002; Cho DY et al, 1997).
Einige Serum-Marker oder Liquor-Marker können in der Differentialdiagnose hilfreich sein.
Mit ihrer Bestimmung kann die Diagnose von Keimzelltumoren festgestellt werden. Hierbei
kann eine Sezernierung von α-fetoprotein (AFP) oder ß-human chorionic gonadotropin (ßHCG) bei mehreren Subtypen von Keimzelltumoren festgestellt werden (Hooda BS et al,
1999; Packer RJ et al, 2000).
Aufgrund der Tendenz der Keimzelltumore, häufig über den Liquorweg zu metastasieren, ist
eine Bildgebung der ganzen Neuroachse und eine Liquoruntersuchung obligat. In der MRT
kann nicht verlässlich zwischen den verschiedenen Subtypen von Keimzelltumoren
differenziert werden. Ein Zeichen, das frühzeitig erkennbar ist, ist der Verlust des „bright
spots“ der Neurohypophyse in der T1WI Sequenz. Dies ist von einer Auftreibung des
Hypophysenstiels begleitet.
Diese bildmorphologischen Zeichen können auch bei
idiopathischem Diabetes insipidus, selläre granulomatösen Prozessen und lymphozytäre
Hypophysitis vorhanden sein. Aufgrund dessen ist eine engmaschige bildgebende
Verlaufskontrolle empfehlenswert. Die großen suprasellären Keimzelltumore haben keine
spezifische Darstellung und können meistens nicht von anderen Tumoren der Sellaregion
differenziert werden. Sie stellen sich als kontrastmittelaufnehmende solide Tumore, die auch
zystischen und verkalkten Anteile haben können, dar. Bei größeren Tumoren kann auch eine
Invasion in den Sinus cavernosus auftreten (Oishi M et al, 1989; Greiner FG et al, 1999;
Sumida M et al, 1995).
Reine Germinome sind radiosensitiv und lassen sich durch Bestrahlung effektiv behandeln.
Sie haben eine bessere Prognose im Vergleich zu den nicht-germinomatösen Tumoren. Nur
40-50% der nicht-germinomatösen Tumore lassen sich nur durch Bestrahlung effektiv
kontrollieren (Packer RJ et al, 2000).
Die nicht-germinomatösen
Tumore
werden
individuell behandelt, in Abhängigkeit von den verschiedenen Bestandteilen des gemischten
Keimzelltumors. Eine ausführliche immunohistochemische Untersuchung ist in solchen
Fällen von kardinaler Bedeutung um die tumorösen Zellen zu identifizieren und die Subtypen
der Tumorzellen zu erkennen. Die Prognose hängt wesentlich von der Kombination der
Subtypen der Keimzelltumore ab. Im Gegensatz zu den reinen Germinomen, ist eine
100
kombinierte Radio-Chemotherapie und chirurgische Resektion notwendig und die Prognose
ist deutlich ungünstig. Die 3-Jahre Überlebensrate beträgt 9-27% (Kyritsis AP et al, 2010).
5.5 Schlussfolgerung
Die
seltenen
raumfordernden
Prozesse
der
Sellaregion
bestehen
aus
vielen
unterschiedlichen Entitäten, die sich radiologisch und laborchemisch von den häufigen
Tumoren der Sellaregion nicht einfach unterscheiden lassen. Klinisch werden seltene
raumfordernde Prozesse durch Hormoninsuffizienzen, Sehstörungen und unspezifische
Symptome auffällig, ähnlich wie Hypophysenadenome und andere häufigere Tumorentitäten
der Sellaregion. Im Vergleich weisen sie jedoch unterschiedliche Eigenschaften hinsichtlich
des intraoperativen Befundes und der postoperativen Ergebnisse auf.
Das selläre Xanthogranulom ist eine eigenständige und seltene Entität. Es ähnelt dem
Kraniopharyngeom und in machen Fällen der Rathke-Zyste sowohl klinisch, histologisch und
bildmorphologisch, hat jedoch eine bessere Prognose und niedrigere Rezidivierungsrate.
Die infiltrativen bzw. malignen und rasch wachsenden Prozesse der Sellaregion verursachen
häufiger eine Visusminderung und nicht nur Gesichtsfeldeinschränkungen, und zeigen
postoperativ
eine
nur
geringgradige
Besserung
der
Sehstörungen
und
oft
eine
Verschlechterung der endokrinologischen Funktion.
Der postoperative endokrinologische Status scheint hauptsächlich von der Größe des
Tumors und sekundär von der histologischen Diagnose abhängig zu sein.
Das Wachstumsmuster der intrasellären infiltrativen Tumore zeigt sich unterschiedlich im
Vergleich zu den Hypophysenadenomen. Ein Sella-Remodelling mit knöcherner Destruktion
des Clivus und fehlender Erweiterung des Sellabodens spricht eher für selläre Metastasen.
Der operative Zugang zur Resektion sollte individuell nach Berücksichtigung von mehreren
Faktoren entschieden werden. Hier spielt die Lage des raumfordernden Prozesses eine
entscheidende Rolle. Unverzichtbare Voraussetzung ist die Abklärung einer eventuellen
systemischen Erkrankung mit Manifestation in der Sellaregion.
Dieser Faktor ist
entscheidend, um die operativen Ziele zu definieren und die weitere Therapie zu planen.
Insgesamt ist die Inzidenz der nicht-adenomatösen seltenen raumfordernden Prozesse der
Sellaregion höher als bisher vermutet, und sollte in die differentialdiagnostische Beurteilung
bei sellären Prozessen mit einbezogen werden.
101
6. Zusammenfassung
Einleitung: Die Sellaregion ist ein umschriebener Bereich der Schädelbasis, der wichtige
neurovaskuläre und neuroendokrine Strukturen enthält. Die Tumore, die am häufigsten in der
Sellaregion auftreten, sind die Hypophysenadenome und andere nicht-adenomatöse
Neoplasien wie Meningeome, Kraniopharyngeome, Zysten der Rathke‘schen Tasche,
Chordome und Chrondrosarkome. Eine besondere Gruppe von raumfordernden Prozessen
der
Sellaregion
sind
die
„seltenen“
unterschiedlichen Entitäten bestehen.
raumfordernden
Prozesse,
die
aus
vielen
Obwohl diese klinisch durch ähnliche Symptome
auffällig werden und sich radiologisch und laborchemisch von den häufigen Tumoren nicht
einfach unterscheiden lassen, sind ihre klinische Verläufe, intraoperativen Befunde und
Prognosen sehr unterschiedlich. Die vorliegende Arbeit stellt eine retrospektive Studie dar, in
der alle Patienten eingeschlossen wurden, die im Zeitraum von 2006 bis 2012 in der
Medizinischen Hochschule Hannover an seltenen Läsionen der Sellaregion operiert wurden.
Ziel der Arbeit war es, die klinischen, radiologischen und laborchemischen Eigenschaften
und die gewählten Behandlungsstrategien und operativen Ergebnisse im Langzeitverlauf zu
bewerten. Ferner, wurden die spezifischen Eigenschaften jeder einzelnen Entität und die am
besten geeigneten Behandlungsstrategien analysiert.
Methoden:
Im Zeitraum von 2006 bis 2012 wurden insgesamt 194 Patienten mit sellären
Prozessen operiert.
Bei 20 Patienten ergab die histopathologische Auswertung eine per
definitionem in dieser Region seltene Entität. Die Studiengruppe bestand aus zehn Männern
und zehn Frauen. Das Durchschnittalter der Patienten betrug im Mittel 44,2 Jahre, bei den
Frauen lag das Durchschnittsalter bei 45,1 Jahre und bei den Männern bei 43,3 Jahre. Der
jüngste Patient wurde mit 2 Jahren operiert, der älteste Patient mit 73 Jahre. Mit Hilfe der
mikrochirurgischen
transkraniellen
Methode
wurden
12
Patienten
operiert,
die
endoskopische pernasale transsphenoidale Methode kam bei 7 Patienten zum Einsatz. Bei
einem Fall wurde eine kombinierte Methode in zwei Sitzungen angewendet. Die Follow-up
Dauer betrug im Schnitt 52,9 Monate. Die postoperative Lebensqualität und somit das
Outcome wurde im Rahmen der klinischen Nachkontrolle mit dem Karnofsky-Index (KI)
erhoben. Die Analyse des Wachstumsmusters der raumfordernden Prozesse erfolgte durch
die Einteilung der Sellaregion in 4 Quadranten. Die histopathologische Aufarbeitung ergab
eine Differenzierung der seltenen Prozesse in 8 verschiedenen Gruppen: Xanthogranulome
oder Cholesteringranulome (n=6 Patienten, 30%), Metastasen (n=5 Patienten, 25%),
Gliome des hypothalamo-infundibulären Bereichs (n=2 Patienten, 10%), Kolloidzysten (n=3
Patienten, 15%), Epidermoidzyste (n=1 Patient, 5%), Gangliozytom (n=1 Patient, 5%),
102
Lymphozytäre Hypophysitis (n=1 Patient, 5%) und gemischter Keimzelltumor (n=1 Patient,
5%).
Ergebnisse:
Zur Beurteilung der Ergebnisse in Abhängigkeit von der Histologie wurden
zwei Gruppen gebildet, eine Gruppe mit infiltrativen und eine zweite Gruppe mit
nichtinfiltrativen Prozessen. Die mittlere Anamnesedauer bis zur Diagnose betrug 8,7
Monate. Die häufigsten Symptome waren Sehstörungen und Kopfschmerzen sowie
allgemeine Beschwerden, z.B. Adynamie, festzustellen. Doppelbilder traten bei den
infitrativen Prozessen signifikant häufiger im Vergleich zu den nicht-infiltrativen Läsionen auf
(p<0,001). Eine Visusminderung wurde in der Gruppe der infiltrativen Prozessen auch
signifikant häufiger diagnostiziert (p=0,0085). Endokrinologisch zeigte sich präoperativ die GAchse, gefolgt von der T-Achse und C-Achse am häufigsten beeinträchtigt.
Ein signifikant größerer Anteil von Patienten mit Metastasen zeigte ein unterschiedliches
Wachstumsmuster,
eher
im
dorsalen
intrasellären
Bereich
und
suprasellären
retroinfundibulären Bereich (p=0,0025). Das „bright spot“ Zeichen der Neurohypophyse in
der
nativen
T1WI
konnte
differentialdiagnostisch
zur
Unterscheidung
des
Wachstumsmusters eingesetzt werden.
Bei 7 Patienten wurde eine GTR durchgeführt und eine subtotale Resektion bei 13 Patienten.
Insgesamt wurde mit der transkraniellen Methode im Vergleich zur endoskopischen
transsphenoidalen Methode häufiger eine GTR erreicht. Kleinere Tumore (bis 20mm
Durchmesser) wurden häufiger komplett reseziert. Die endoskopisch operierten Tumore
waren im Schnitt kleiner (21,7mm) im Vergleich zu den transkraniell operierten Tumoren
(26,6mm).
Eine postoperative Besserung von Sehstörungen war bei nicht-infiltrativen Prozessen im
Vergleich zu infiltrativen Prozessen signifikant häufiger zu verzeichnen (p=0,0106).
Die C-Achse zeigte sich postoperativ am empfindlichsten mit 7 Fällen eines neuen
postoperativen Hypocortisolismus. Insgesamt zeigten Patienten mit größeren Tumoren
(>20mm Durchmesser) postoperativ häufiger eine Verschlechterung der endokrinen Funktion
der Hypophyse, unabhängig vom Ausgangsbefund und vom histologischen Befund.
Postoperative Komplikationen traten eher in den Fällen mit Tumorausdehnung in der Region
2 und bei infitrativen Prozessen auf, unabhängig von der Tumorgröße. Erwartungsgemäß
war die Komplikationsrate mit Liquorfistel nach transsphenoidaler Operation höher.
Die histologische Diagnose bestimmte maßgeblich die Gesamtprognose des Patienten.
Schlussafolgerung:
Die seltenen raumfordernden Prozesse der Sellaregion lassen sich
radiologisch
meisten
in
den
Fällen
schwer
von
den
häufigeren
Tumorentitäten
unterscheiden. Die Inzidenz der seltenen nicht-adenomatösen Prozesse, u.a. der
103
Xanthogranulome als eine relativ aktuell beschriebene eigenständige Entität, ist höher als
bisher vermutet und sollte in die differentialdiagnostische Beurteilung von sellären Prozessen
mit einbezogen werden. Die sorgfältige Beurteilung und Gesamtschau der klinischen und
radiologischen Details können hilfsreich für die Unterscheidung zwischen infiltrativen und
nichtinfiltrativen nicht-adenomatösen Tumoren sein. Der operative Zugang sollte individuell
nach Berücksichtigung von mehreren Faktoren entschieden werden. Das Wachstumsmuster
und die Lage der Läsion spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Unverzichtbar ist die
Abklärung einer eventuellen systemischen Erkrankung mit einer Manifestation in der
Sellaregion.
104
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120
8. Abkürzungsverzeichnis
µg
microgram
A.
Arteria
Abb.
Abbildung
ACA
Arteria cerebri anterior
ACI
Arteria carotis interna
ACTH
Adrenocorticotropes Hormon
ADH
Antidiuretisches Hormon / Vasopressin
AFP
Alpha-1-Fetoprotein
AHI
Arteria hypophysialis inferior
AHS
Arteria hypophysialis superior
bes.
Besserung
ß-HCG
beta-Human Chorionic Gonadotropin
B-Zell
B-Lymphozyte
bzw.
beziehungsweise
ca.
zirka
C-Achse
corticotrope Achse
cCT
kraniale Computertomographie
CD1a
CD1a-Protein der Oberfläche der T-Lymphozyten
CD3
CD3-Antigen
chemo
Chemotherapie
CLIP
Corticotropin-like intermediate lobe peptide
CN
cranial nerve
CP
Kraniopharyngeom
CRH
Corticotropin-releasing Hormon
d
Tag
Diaph.
Diaphragma sellae
EC
Epidermoidzyste
Fis.
Fissura
FSH
Follikelstimulierendes Hormon
fT3
freies Triiodthyronin
fT4
freies Thyroxin
G-Achse
gonadotrope Achse
GC
Gangliozytom
Gd
Gadolinium
GF
Gesichtsfeld
121
GFAP
Saures Gliafaserprotein (glial fibrillary acidic protein)
ggf.
gegebenenfalls
GH
Somatotropin
GIH
Somatostatin
GnRH
Gonadotropin-releasing Hormon
GRH
Somatotropin-releasing Hormon
GTP
Guanosintriphosphat
GTR
gross total resection
Gy
Gray
HA
Hypophysenadenom
HE-Färbung
Hämatoxylin-Eosin Färbung
hi
Hirninfarkt
hydro
Hydrocephalus
hyp.
hypophyseal
hyper
hyperintenses Signal in der Kernspintomographie
Hyper-PRL
Hyperparaprolaktinämie
hypo
hypointenses Signal in der Kernspintomographie
i.v.
intravenös
IGF-1/-2
Insulin like growth factor -1/ -2
is
intrasellär
iso
isointenses Signal in der Kernspintomographie
j
ja
ka
Krampfanfall
KI
Karnofsky-Index
KM
Kontrastmittel
KZ
Keimzelltumor
LAH
Lymphozytäre Adenohypophysitis
lf
Liquorfistel
lffu
lost for follow up
LH
Luteinisierendes Hormon
Lig.
Ligamentum
LIN
Lymphozytäre Infundibuloneurohypophysitis
m
männlich
M.
Musculus
MGA
mixed gangliocytoma-adenoma
MAP2
microtubule-associated protein 2
Men
Meningitis
122
ml
Milliliter
mm
Millimeter
MRT
Magnetresonanztomographie
MSH
Melanocyte Stimulating Hormon
MT
Metastase
n
Stichprobenumfang
N.
Nervus
NA
not available
Nn.
Nervi
OCR
Recessus optico-caroticus
OP
Operation
p
Irrtumswahrscheinlichkeit
POMC
Proopiomelanocortin
PRL
Prolaktin
Proc.
Processus
PS
Planum sphenoidale
radio
Bestrahlung
RCC
Zyste der Rathke’schen Tasche
RT
Rathke’sche Tasche
s
Standartabweichung
S-Achse
Somatotrope Achse
schl.
Veschlechterung
sep.
Sepsis
SF
Sellaboden
sh
Subdurales Hygrom
SIRS
Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom
ss
suprasellär
stb.
stabil
STR
subtotal resection
sup.
Superior
T1WI/T2WI
T1-/T2-gewichtete Sequenz in der Kernspintomographie
Tab.
Tabelle
T-Achse
Thyreotrope Achse
tk
transkraniell
TRH
Thyreotropin-releasing Hormon
ts
transsphenoidal
TSH
Thyreoidea-stimulierendes Hormon / Thyreotropin
123
T-Zell
T-Lymphozyte
unauf.
unauffällig
V1
Nervus ophthalmicus
V2
Nervus maxillaris
w
weiblich
WHO
world health organisation
x
Arithmetisches Mittel
XG
Xanthogranulom
xmin und xmax
kleinster und größter Extremwert der Stichprobe
z.B.
zum Beispiel
†
Exitus letalis
124
9. Danksagung
Mein aufrichtiger, herzlicher Dank geht an Herrn Prof. Dr. Makoto Nakamura für die
Überlassung des Themas und die optimale Betreuung, vor allem für die Unterstützung bei
der Realisierung meiner Ideen und Vorstellungen und für die stets angenehme
Zusammenarbeit.
Prof.
Nakamura
geleitete
richtungsweisender, entscheidender Hilfestellung
mich
sowohl
als
Doktorvater
mit
und mit dem wertvollen Korrekturlesen
meiner Arbeit als auch als Lehrer in meinen anfänglichen und weiteren Schritten in dem
Gebiet der Neurochirurgie.
Weiterhin gilt mein besonderer und inniger Dank meinem Chef, Herrn Prof. Dr. Joachim K.
Krauss, Direktor der Klinik für Neurochirurgie der MHH. Prof. Krauss machte mir es möglich,
diese Dissertation und meine Facharztausbildung an der neurochirurgischen Klinik
durchzuführen und er stand mir immer mit Rat und Tat zur Seite. Mit seinen viel
hervorbringenden Ideen, seiner ständigen Ansprechbarkeit und unermüdlichen Hilfe als auch
mit seinen Ratschlägen und produktiver Kritik konnte ich zum einen das Ziel dieser
Dissertation erreichen, zum anderen enormes klinisches Wissen erlernen.
Zudem möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Christian Hartmann, Institut für Pathologie /
Schwerpunktprofessur für Neuropathologie, für seine große Geduld und Hilfsbereitschaft und
seinen Einsatz bei der Gewinnung und Aufarbeitung des histologischen Bildmaterials,
bedanken.
Meinen Eltern, Antonia und Petros Petrakakis, gilt mein tiefstempfundener Dank für all das,
was Sie mir ermöglicht haben und für das, was mir dadurch erst möglich wird.
126
Erklärung n. § 2 Abs. 2 Nr. 6 & 7 der Promotionsordnung
Ich erkläre, dass ich die der Medizinischen Hochschule Hannover zur Promotion eingereichte
Dissertation mit dem Titel:
“ Diagnostik, operative Therapie und
postoperative Ergebnisse
bei seltenen raumfordernden Prozessen
der Sellaregion „
in der Klinik für Neurochirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover unter Betreuung
von Herrn Prof. Dr. Makoto Nakamura mit der Unterstützung durch Prof. Dr. Joachim K.
Krauss ohne sonstige Hilfe selbst durchgeführt und bei der Abfassung der Dissertation keine
anderen als die dort aufgeführten Hilfsmittel benutzt habe.
Die Gelegenheit zum vorliegenden Promotionsverfahren ist mir nicht kommerziell vermittelt
worden. Insbesondere habe ich keine Organisation eingeschaltet, die gegen Entgelt
Betreuerinnen und Betreuer für die Anfertigung von Dissertationen sucht oder die mir
obliegenden Pflichten hinsichtlich der Prüfungsleistungen für mich ganz oder teilweise
erledigt.
Ich habe diese Dissertation bisher an keiner in- oder ausländischen Hochschule zur
Promotion eingereicht. Weiterhin versichere ich, dass ich den beantragten Titel bisher nicht
erworben habe.
Hannover, November 2014
Ioannis Petrakakis
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