Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium jeweils Dienstag, 13:15 –14:45 Ort: TUM, Garching, PhHS3 Vorlesung: Günther Hasinger (MPE) [email protected] Tel: 089/30000-3401 http://www.mpe.mpg.de/~ghasinger Vertretung: Werner Becker (MPE), Friedrich Kupka (MPA) Dank an Herrn Kupka/Herrn Becker: Vorlesungen WS03/04 & 04/05 E.A. Dorfi (IfA, Univ. Wien) für zahlreiche Folien und Folienvorlagen (einige auf Englisch) 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 1 5.1 ISM – Historische Einleitung • • • • • • • • • • • • • Dunkelwolken Stationäre Ca H+K-Linien in spektroskopischen Doppelsternen (Hartmann, 1904) Kosmische Strahlung (Hess, 1912) Galaktische Reflexionsnebel, z.B. Pleiaden (Hubble, 1922) Emissionsnebel, Nebulium-Linien [O II], [O III ] (1927) Interstellare Verfärbung H〈-Nebel um O- und B-Sterne (Struve) Theorie der H II-Regionen (Strömgren 1938) Theorie der 21 cm Hyperfeinstrukturlinie von H (1944) Entdeckung der 21 cm-Linie des neutralen Wasserstoffs (1951) Molekulare Linien CO, NH3 (1968) Ultraviolett + Röntgenstrahlung Îheißes Gas (1969) Gammastrahlung von der Milchstraße (1979) 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 2 Radio Multiwellen Himmel Microwave Effelsberg, Parkes soft X-ray ROSAT NIR Hard X-ray COBE/DIRBE COBE DMR HEAO-1 visual 26Al FIR Comptel IRAS mid-IR 14.11.2006 Gamma Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. COBE/DIRBE 3 EGRET 21 cm 2.6 mm 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 4 5.2 Bedeutung der ISM: Recycling von Materie Old Stars White Dwarf Young Stars PN SNR Neutron Star Black Hole ISM, ISC 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 5 5.3 Komponenten der ISM – Gas und Staub: Mehrere Phasen mit verschiedenen Dichten und Temperaturen – Strahlungsfelder: Große lokale Variation; Ionisation; Absorption – Geschwindigkeitsfelder: Großräumige Strömungen ebenso wie turbulente Strömungen auf kleinen Skalen – Magnetfelder: Geordnet auf großen Skalen, aber ebenso auch turbulente Komponenten – Kosmische Strahlung: Hochenergieteilchen mit Energien jenseits der thermischen Geschwindigkeiten, erzeugen Druck -3 Alle haben vergleichbare Energiedichten ~ 1eV cm ➔ 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 6 Die Gesamtmasse des Interstellaren Mediums in der Milchstraße entspricht ca. 15% der Masse der Sterne, typisch für Spiralgalaxien 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 7 5.3.1 ISM: Dynamisches Gleichgewicht Magnetic Cosmic Plasma Radiation fields Rays Plasma shocks condensation evaporation phases Magnetic fields wave dissipation magnetic braking plasma waves dynamo conductivity process pressure reconnection dissipation ionization absorption dust reddening Radiation heating cooling emission 21cm line Synchrotron emission Faraday rotation Zeemaneffect polarisation synchrotron Comptoneffect reemission dust heating waves gyration spallation acceleration Gamma-Rays generation of waves Čerenkov γ-emission Bremsstrahlung 14.11.2006 – viele Wechselwirkungen zwischen allen Komponenten sollten zu einer gewissen Gleichverteilung der Energie führen – permanenter Austausch, Zufuhr und Verlust von Energie, Materie und Impuls – Bewegungen durch galaktische Rotation, Materieeinfall/-ausstrom – große Anzahl an Instabilitäten (thermal, gravitativ, magnetisch) – chemische Gradienten – sich entwickelndes, nicht-statisches Medium Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 8 5.3.2 Multiphasen ISM – Radiatives Kühlen im Gleichgewicht mit ISM-Aufheizung: loss = gain Radiative Cooling net heating Multiphase Zone – Druckgleichgewicht zwischen den xxxverschiedenen Phasen: P = nkT xxxist konstant ! net cooling Equilibrium – 2 Phasen sind stabil: Interstellare xxxWolken um 100 K und warmes xxxMedium um 10000 K – Heißes Medium nur mit Aufheizung 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 9 5.3.3 ISM Phasen: Thermisches Gas – Interstellares Medium tritt in mehreren Phasen auf, die im Druckgleichgewicht sind: P = nkT – – Neutraler Wasserstoff – CNM: Cold, neutral Medium: Interstellare Wolken, 10 δ T[K] δ 100, meiste Masse, Radio- und IR-Beobachtungen WNM, WIM: Warm Neutral (Ionised) Medium: deren Ränder sowie H IIRegionen, TΗ10000 K, optische und UVBeobachtungen HIM: Hot Ionised Medium: dünnes heißes Gas produziert von Supernova Remnants 6 (SNRs), T ε10 K, meistes Volumen, Röntgenbeobachtungen – ISM hauptsächlich kontrolliert durch die ROSAT: Diffuse Röntgenemission 14.11.2006 Star-Formation-Rate (SFR) oder, genauer, durch die Supernova-Rate Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 10 5.3.4 ISM Phasen: Ionisierter Wasserstoff SHASSA (2001): Hα-Karte der Milchstraße – – H〈-Karte des Südhimmels bei 656.3nm, typische Auflösung: 0.8'/pixel Mehrere dynamische Strukturen in der ISM: Galaktische Ebene, stellare Winde, SNRs, Filamente, ionisiertes Gas über der galaktischen Ebene, etc. 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 11 5.4 Molekülwolken • • • • • • • • • Dunkelwolken, absorbieren das Licht der dahinterliegenden Sterne Hauptkonstituenten: molekularer Wasserstoff (H2) kann nur sehr schwer entdeckt werden Andere Moleküle als Tracer: CO Rotationsübergang (2.6mm); Hauptisotop 12CO, 13CO weniger häufig und kann deshalb selbst in den dichtesten Wolken noch gemessen werden Weitere Moleküle: Wasser (H2O), Cyanid (HCN), selbst Ethylalkohol (CH3CH2OH) Die Temperatur der MW ist extrem niedrig: 3–20 K Kleine MW haben Massen von 102–104 M und Größen von 1–10 pc Große MW haben Massen von 105–106.5 M und Größen von 10–60 pc Die Geschwindigkeitsdispersion der Wolken ist durch Turbulenz gegeben und skaliert mit der Größe der Wolke. Druck muß durch Gravitation ausgeglichen werden: MW scheinen etwa im Virial-Gleichgewicht zu sein. 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 12 5.4 Molekülwolken Bok-Globulen: Barnard 68 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 13 5.4.1 Abschattung von Sternen 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 14 5.4.2 Molekülwolken: CO-Karte der Galaxis – Doppler-Effekt der (J=1-0) CO-Line (l=2.6 mm) aufgetragen Dame gegen et al., 2001 – – – die Galaktische Länge zeigt die galaktische Dynamik Struktur und Bewegung der Spiralarme deutlich sichtbar Mehrere Riesenmolekülwolken (giant molecular clouds: GMC) mit Massen M ~ 104-6 M und Dimensionen R ~ 50…200 pc Zentrale Bewegungen mit hohen Geschwindigkeiten weisen auf große Massenkonzentration innerhalb der innersten Regionen hin 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 15 5.5 Interstellarer Staub • Interstellarer Staub besteht aus Silikatkörnern (ähnlich wie normaler Strandsand oder Vulkanasche) und Ruß (ähnlich wie die Auspuffgase eines Dieselmotors) Dieses Diagramm vergleicht die Infrarot-Spektren vom Staub im Orion-Nebel (unten) und dem Auspuff eines Dieselmotors (oben). Beide Spektren zeigen prominente Emissions-Strukturen bei 6.2 und 7.6μm, die man mit den Laborspektren sogenannter ”Polyzyklischer Aromatischer Hydrocarbonate” (PAH) – bekannten carcinogenen Stoffen – erklären kann. 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 16 5.5 Interstellarer Staub • Interstellarer Staub wird in den äußeren Atmosphären von Roten Riesen erzeugt und in den letzten Phasen ihrer Entwicklung in den interstellaren Raum abgeblasen. Das Infrarotspektrum des Roten Riesen HD 44179 hat die gleichen Emissionslinien bei 6.2 und 7.8 ⎧m wie der Staub im Orion-Nebel Vergleich der Infrarotspektren von Staub in der Atmosphäre eines Roten Riesensterns (oben) mit dem Laborspektrum von „Coronen“, einer Sorte von PAH. Infrarot-Beobachtungen zeigen auch, daß die Staubkörner in den dichten Molekülwolken oft mit Eis überzogen sind, wie H2O (Wassereis) und CO2 (Trockeneis). 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 17 • • Die Extinktionskurve des Staubes steigt in erster Näherung linear mit der Wellenlänge. Dies wird durch die Mie-Streuung verursacht, bei der die Staubteilchen in etwa die Größe der Wellenlänge haben (RayleighStreuung geht mit ⎣-4 !). Sterne erscheinen deshalb durch Staub „gerötet“. Das UV-Maximum bei 2200 Å wird vermutlich durch Graphitstaub verursacht. 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 18 5.5 Interstellarer Staub Pferdekopfnebel Dunkelwolke aus Staub vor einem Reflexionsnebel (Reflexionsnebel: Durch einen oder mehrere Sterne beleuchteter Nebel, wobei die StrahlungsEnergien zur Ionisation nicht ausreichend sind.) 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 19 5.5 Interstellarer Staub • Staubkörner sind „nadelförmig“ und richten sich deshalb im Magnetfeld der Galaxie aus. Das Licht der Sterne ist dementsprechend polarisiert. 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 20 5.5 Interstellarer Staub XMM-Newton Beobachtungen des interstellaren Staubes Röntgenstreuung durch Staubkörner auf der Sichtlinie Erstmalige Entdeckung von spektralen Signaturen des Staubes durch XMM-Newton 0.3-2 keV Cyg X-2 Streuung ist effizienter bei weichen Energien 14.11.2006 Am besten passendes Compound: Mg2SiO4 (olivine) Costantini et al. 2003 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 21 • Röntgenstreuung durch Staub: ein Staubkorn absorbiert eine elektromagnetische Welle und strahlt sie quasi-sphärisch wieder ab. F(E): Henke atomarer Streufaktor ~ Z außerhalb von Kanten Wirkungsquerschnitt: F(E) 2 ( ) Z ρ: Dichte der Staubkörner a: Größe der Staubkörner 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 22 • Der Beobachter sieht um eine Röntgenquelle herum einen „Halo“ aus gestreuten Röntgenphotonen. S(E): Röntgen-Quellspektrum N(a): Verteilung der Korngrößen F(z): Verteilung des Staubes entlang der Sichtlinie 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 23 Chandra • XMM-Newton Da die Oberflächenrauhigkeit der Röntgenspiegel eine instrumentelle Streuung der Punktbildfunktion erzeugt, muß diese abgezogen werden. 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 24 2 Halo Scattering Factor (F(E)/Z) • Energy (keV) Der Henkesche atomare Streuquerschnitt ist in erster Näherung proportional zur Atomzahl Z. An den atomaren Kanten zeigt er jedoch deutliche Variationen. Dies kann zur chemischen Analyse des Staubes benutzt werden, wie bei den XMM Beobachtungen. 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 25 5.6 Kühles, neutrales Gas – Das diffuse interstellare Medium wurde 1904 durch Hartmann am Großen Refraktor in Potsdam anhand von stationären Linien in spektroskopischen Doppelsternen entdeckt. – Die meisten Linien bewegten sich durch die Dopplerverschiebung mit der Sternperiode, aber die durch das interstellare Gas auf der Sichtline verursachten Ca H+K und die Na D Linien veränderten sich nicht. Die stationären Linien zeigen signifikante Feinstruktur, die andeutet, daß das Gas klumpig ist. – Satellitenbeobachtung blauer Sterne zeigen eine große Vielfalt interstellarer Absorptionslinien im UV: Ly α, N, O, Mg, Si, S, Ar, Fe, die eine Bestimmung der chemischen Häufigkeit erlauben. – Die Metallhäufigkeiten sind etwas niedriger als die solaren Häufigkeiten. Zusätzlich sind einige schwere Elemente (diejenigen mit niedrigen Ionisationsenergien oder hohen Kondensationstemperaturen signifikant seltener. Diese kondensieren auf Staubteilchen. 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 26 5.6.1 Die Hyperfeinstrukturline des Wasserstoffs – Da die Dichte des interstellaren Mediums sehr niedrig ist (ca. 1 cm-3) finden Stöße zwischen Wasserstoffatomen sehr selten statt (ca. alle 500 Jahre). – Wegen der niedrigen Temperaturen (~100 K) reicht die bei einer Kollision übertragene Energie nicht, um die Elektronen aus dem Grundzustand zu heben. – Übergänge zwischen Hyperfeinstruktur-Niveaus der Elektronen im Grundzustand können jedoch angeregt werden. Der wichtigste Übergang ist der des Wasserstoffs: – Dies ist ein verbotener Übergang mit einer Lebensdauer von 11 Millionen Jahren! Dennoch, nachdem die Gesamtzahl von HI-Atomen in einer Säule von 1 cm2 und einer Länge von 1pc bereits > 1018 ist und die Stöße dafür sorgen, daß die beiden Energieniveaus etwa gleich stark bevölkert sind, gibt es genügend Wasserstoffatome für diesen Übergang. – Die 21cm-Linie des Wasserstoffs wurde 1944 von van der Hulst vorhergesagt und im Jahr 1951 entdeckt. – Die Analyse der Geschwindigkeitsverteilung der H I-Emission ist die wichtigste Methode, die Rotationsgeschwindigkeiten von Spiralgalaxien und Irregulären zu bestimmen. 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 27 – Struktur unserer Milchstraße in der 21cm-Linie 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 28 5.7 Das warme ISM: HII-Regionen – Radio-Emission von kaltem CO-Gas in Richtung Orion. Rot und Blau geben die Dopplergeschwindigkeiten des Gases an. 14.11.2006 Der Infrarothimmel im Sternbild Orion. Die helle Emission kommt von Staubteilchen, die durch Sternenlicht aufgeheizt sind. Die blauen Punkte geben die Position der hellsten Sterne an, Beteigeuze ist oben in der Mitte. Der Orion-Nebel ist der helle gelbe Fleck unterhalb der „Gürtelsterne“ des Orion. Dies ist eine typische H II-Region (ionisierter Wasserstoff). In der Nähe befindet sich eine Dunkelwolke. Das grüne Rechteck zeigt den Ausschnitt des Bildes daneben. Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 29 HST – – VLT Der Orionnebel in optischem Licht, vom Hubble Space Telescope aus. Der Balken links unten ist eine Gasfront von der Seite aus gesehen. Dieses Gas glüht, weil es von den vier heißen “Trapezsternen” unmittelbar links der Mitte ionisiert wird. Der Orionnebel im infraroten Licht. Der Balken links unten ist weniger auffällig, aber man sieht einen hellen Nebel oben rechts der im optischen Bild nicht sichtbar ist. Infrarote Emissionslinien von Wasserstoffmolekülen, die von einem darin eingebetteten leuchtkräftigen Stern weggeblasen werden, sind orange dargestellt. 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 30 5.8 Das heiße ISM: Supernovae 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 31 5.8.1 SNR Entwicklung ESN = 1051 erg n0 = 1cm-3 – SN-Explosionsenergie ESN teilt sich radiative losses auf auf kinetische und thermische Energie und kosmische Strahlung; Explosionsmasse: Me, thermal energy cosmic ray energy – – Freie Expansion (Sedovphase) “Sweep-up time”: tsw = 210 Me, -5/6 n0-1/3 ESN-1/2 yr ESN = 1051 erg n0 = 1cm-3 tcool 14.11.2006 – Abkühlzeit (cooling time): tcool = 1.4•104 n0-7/11 ESN2/11 yr – – – dazwischen: Abbremsung danach: Energie wird abgestrahlt Auflösung ins ISM nach ca. 106 a Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 32 5.8.2 SNRs: Crab-Nebel VLT – Chandra Der Crab Nebel, Überrest einer 1054 explodierten Supernova. Das blaue Licht stammt von diffuser Synchrotronstrahlung, rotes von gasreichen Filamenten mit einem Emissionslinienspektrum. 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 33 5.8.2 SNRs: Crab-Nebel Chandra 14.11.2006 HST Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 34 5.8.3 SNRs: Synchrotronstrahlung – Typische Synchrotron–Radiospektren von zwei Supernova Überresten 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 35 5.8.4 SNRs: Cassiopeia-A Chandra 14.11.2006 optical Einführung in die Astrophysik X-ray colour image KapitelChandra 5: Interstellares Medium. Sternund Planetenentstehung. 36 5.8.5 SNRs: Tycho ROSAT XMM-Newton Überrest der SN von 1572 (die von Tycho Brahe entdeckt wurde) 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 37 5.8.6 SNRs: Cygnus-Loop optical HST 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 38 5.8.7 SNRs: ROSAT-Himmel Zahlreiche galaktische Röntgenquellen stammen von SNRs 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 39 5.8.8 Neutraler Wasserstoff: galactic worm GW 123.4-1.5 – – – CGPS, English et al., 2000 Motions within Halo SN-shell SNe 14.11.2006 – – Ausströmungen neutralen Wasserstoffs bis zu 340 pc über der galaktischen Ebene, Ekin mehrere 1051 erg Massenabschätzung für ausströmendes Material: MH ~ 105 M Bildung durch wiederholte Supernova Explosionen, sogenannte “Superbubbles”, “chimneys”, “worms” Ausbruch in den galaktischen Halo entlang des vertikalen Druckgradienten, sogenannte “champagne-flows” “Galactic fountain” oder “galactic wind” Gal.Halo Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 40 5.8.9: SNRs: Galaktischer Wind in M82 –Etwa 50 SNR wurden mittels Radiodaten innerhalb der zentralen kiloparsec Region identifiziert –SN-Rate von der Größe 0.05 / a –Masse mit einem dichten Ring (COMessungen) von ~ 5•107 M –Mittlerer Öffnungswinkel: 30º –Mittlere Gastemperatur: ~ 5•106 K –Kollimierte Ausströmung, sogenannter Superwind –Rolle von Magnetfeldern und kosmischen Strahlen ? Subaru+Geometry (Götz et al.1990) SNR (Muxlow et al.1994) 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 41 5.8.10: SNRs: Lokale ISM – Sonnensystem am Rand eines alten – – – – 14.11.2006 gestreckten SNR geringer Dichte, gefüllt mit Röntgenstrahlung emittierendem Gas: Die “lokale Blase” (Local Bubble), n ~ 0.05-0.07 cm-3 Orion-Nebel: nächste Sternentstehungsregion Scorpius-Centaurus: nächste OBAssoziation Mehrere Molekülwolken, eingebettet in warmes, diffuses Gas Sonnenbewegung: Local Standard of Rest (LSR): v =16.5 km s-1, l=53º, b=25º Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 42 5.9 Kosmische Strahlung 1879 Kathodenstrahlen (W. Crookes, Goldstein) 1897 e/m des Elektrons (J.J. Thomson; 1901 W. Kaufmann) 1895 Entdeckung der Röntgenstrahlen (W.C. Röntgen) 1896 Entdeckung der natürlichen Radioaktivität (Becquerel, Curie) 1910 Eiffelturm Höhen-Experiment (Wulf) 1912 Bemannter Ballonflug: extraterrestrische Strahlung (Hess, Kolhörster) 1925 Kosmische Strahlung Cosmic Rays benannt durch Millikan 1929 Erste photographische Abbildung eines Schauers (Skobeltsyn) Entwicklung des Geiger-Müller Zählers 1930 Entdeckung des Neutrons (Bothe, Becker, Joliot-Curie) Entdeckung des Positrons (Millikan; Blackett+Occhialini) 1936 Entdeckung von Müonen (Anderson+Neddermeyer) 1947 Entdeckung von Kaonen, Λ, und Pionen 1952 Entdeckung von Ξ und Σ 1953 Beschleuniger übernehmen, Kosmische Strahlung ➔ Astrophysik 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 43 5.9 Kosmische Strahlung Hess in der Gondel seines Heißluftballons (1912) www.astroteilchenphysik.de 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 44 5.9 Kosmische Strahlung 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 45 5.9 Kosmische Strahlung: Spektrum 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 46 5.10 Galaktisches Magnetfeld – interstellares Magnetfeld: Stärke einige Mikrogauss – eingefroren in die ionisierte Komponente – durch Stöße an neutrales Gas gekoppelt – Energiedichte vergleichbar mit der turbulenten Energiedichte des Gases; – deshalb dynamisch relevant 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 47 5.11 ISM: Zusammenfassung – Die ISM ist hoch inhomogen und besteht aus mehreren Phasen, daher Gastemperaturen zwischen 10 K und 106 K – Masse der ISM in unserer Galaxis um 109 M – Die meiste Masse ist in der kalten Phase enthalten, der Großteil des Volumens ist von heißem Gas erfüllt – Energiedichten aller Komponenten (Gas, Strahlung, Bewegung, Magnetfelder, Kosmische Strahlung) vergleichbar: ~1eV cm-3 – Druck in unserer Galaxis: P ~ nT ~ 3000 cm-3 K mit großen lokalen Abweichungen, z.B. H II-Regionen, Schocks, SNR, ... – Quellen der ISM: Stellare Winde, SN-Explosionen, Einfall aus dem galaktischen Halo oder dem intergalaktischen Medium – Senken der ISM: Sternbildung, Akkretion, galaktischer Wind 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 48 5.12 Sternentstehung: M16 im Sternbild Adler Im Laufe von mehreren Millionen von Jahren kann diese Gas/Staub/Molekülwolke Tausende von Protosternen hervorbringen (evaporating gaseous globules – EGGs, d=7000 Lj). 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 49 5.12.1 Sternentstehung: Überblick – Interstellare Wolken: offenbar geschieht Fragmentation („JeansMasse” interstellarer Wolken groß gegen stellare Massen) – Transport von Drehimpuls nötig: spezifischer Drehimpuls: J / MISC ~ 1024 cm2/s, aber J / MMS ~ 1017 cm2/s (Doppelsterne, Magnetfelder) – Sterne entstehen dann aus einem Gravitationskollaps innerhalb interstellarer Wolken und werden meistens in „Haufen” geboren – 1. Phase: Kollaps auf einen hydrostatischen Kern – 2. Phase: Weitere Massenakkretion, Material fällt mit Überschallgeschwindigkeit ein; Einfall von Materie endet an einer fast stationären Schockfront; Leuchtkraft primär durch Akkretion – 3. Phase: Quasistatische Kontraktion, Deuteriumbrennen, Bildung von Jets und Winden 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 50 5.12.2 Sternentstehung: Konzepte und Schlußfolgerungen – Fragmentation: da Masse interstellarer Wolken (ISC = interstellar cloud) größer als Masse einzelner Sterne – Virialtheorem: keine gleichmäßigen Übergänge, hoch nicht-linearer Prozeß – Minimale Masse: bestimmt durch Energieverluste;Übergang von isothermer in adiabatische Kontraktion – Magnetisches Bremsen: Verlust von Drehimpuls zur Überwindung der Zentrifugalbarriere notwendig – Ausbildung protostellarer Scheiben: Bildung von Planeten innerhalb dieser Scheiben 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 51 Dynamische Zeitskala 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 52 Jeans-Masse 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 53 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 54 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 55 5.12.7 Kollapsmindestmasse und Globulen Temperatur 1 Atom/cm3 100 Atome/cm3 10 000 Atome/cm3 10 K 880 M 88 M 8.8 M 100 K 28 000 M 2 800 M 280 M ● Die Jeans-Massen sind also offensichtlich wesentlich größer als die Massen von Einzelsternen ! ● Eine weitere Möglichkeit zur Sternentstehung besteht in heißen Emissionsnebeln. Diese enthalten einen heißen O-Stern, der den Nebel anregt und ihm eine Temperatur von etwa 10000 K gibt. ● Die heiße Nebelfront bildet an den kalten Gasen der Umgebung Einschnürungen, (sogen. Elefantenrüssel), die sich allmählich völlig abschnüren können und zu sogenannten Globulen werden. 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 56 5.12.7 Kollapsmindestmasse und Globulen ● Die nun vorhandenen Einschlüsse kalten Gases im heißen Gas werden sowohl durch den von außen wirkenden Gasdruck des heißen Gases als auch durch die eigene Gravitation zur Kontraktion veranlaßt. ● In diesem Fall ergibt sich für die kritische Masse M des Globuls: wobei Pu der Umgebungsdruck und T die Temperatur des Globuls ist. Mindestmasse für ein Globul damit es kontrahieren kann Temperatur 0.01 Atom/cm3 1 Atome/cm3 100 Atome/cm3 50 K 2300 M 230 M 23 M 100 K 9000 M 900 M 90 M 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 57 5.12.8 Sternentstehung: Pleiaden 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 58 5.12.9 Entstehung eines Sterns mit 1 M aus einem Globul: 1. Globul, wird nach Durchlaufen der nächsten Schritte zu einem Mehrfachstern oder Teil eines Sternhaufens. Der Radius beträgt R ~ 1pc; die Temperatur liegt bei etwa T ~ 10 K. 2. Es folgt eine Phase der langsamen Kontraktion: Gas des Globuls erwärmt sich kaum, da optisch dünn (freiwerdende Energie wird abgestrahlt). Globul teilt sich ggf. in kleinere Fragmente, beisp. in 1 M mit R = 0.5 pc, T ~ 20 K. 3. Nach ~ 500 000 Jahren weiterer Kontraktion kollabiert das Fragment auf einen Radius von R = 0.05 pc (= 2 Mio. R ) mit einer Temperatur von T~100 K. 4. Nun bildet sich im Zentrum ein Kern aus: das Zentrum wird optisch dick (dadurch steigt die Zentraltemperatur Tc und der Zentraldruck Pc). Die Masse des Kerns beträgt M ~ c 0.005 M , der Radius Rc ~ 1000 R und Tc ~ 500 K. 5. Im weiteren Verlauf fällt Materie aus der umgebenden Hülle kontinuierlich auf den Kern, wodurch sich die Temperatur erhöht. Bei T ~ 2000 K dissoziert H2 zu c atomarem Wasserstoff H: hierbei wird viel Energie verbraucht und Tc und Pc bleiben konstant während der nächsten Kontraktionsphase. 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 59 5.12.9 Entstehung eines Sterns mit 1 M aus einem Globul: 6. Der Kern kollabiert so lange weiter bis H2 vollständig dissoziert ist: dann ist Rc~10 R und Tc steigt weiter an (es stellt sich thermisches Gleichgewicht ein). 7. Der Kern bleibt trotz steigender Temperatur unsichtbar, da die Hülle optisch dick ist. 8. Die Hülle heizt sich auf: TH ~ 700 K (➔ Infrarotstern). 9. Die Hülle gibt weiter Materie an den Stern ab und wird allmählich optisch dünn: der Kern erscheint als >> Stern << im Hertzsprung-Russel-Diagramm (HRD). 10. Weitere Kontraktion des Sterns bis zum Erreichen der Hauptreihe im HRD dauert entsprechend der Kelvin-Helmholz-Zeitskala. 11. Im Zentrum finden Kernreaktionen der leichteren Elemente wie Lithium statt. 12. Kurz vor erreichen der Hauptreihe (Beginn des zentralen Wasserstoffbrennens) durchläuft der Stern eine unruhige Phase und wird im Fall massearmer Sterne zu einem ➔ T–Tauri-Veränderlichen. 13. Die verbleibende Hülle / Scheibe bildet eventuell ein Planetensystem. 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 60 Sternentstehung: Animation 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 61 5.12.10 Sternentstehung: Orionnebel Der Orion-Nebel ist ein gas- und staubreiches Sternentstehungsgebiet in ~1500 Lj Entfernung 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 62 5.12.10 Sternentstehung: Orionnebel 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 63 5.12.10 Sternentstehung: Orionnebel Diese HST Aufnahme zeigt Anzeichen von Staub- und Gasscheiben, die die jungen Sterne umgeben 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 64 5.12.11 Sternentstehung: NGC 2264 NGC 2264 ist ein extrem junger Sternhaufen, in dem ähnlich wie im Tarantel-Nebel noch immer eine starke Sternentstehung zu beobachten ist. 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 65 Sternentstehung im Orion-Nebel Bate Movie 14.11.2006 Einführung in die Astrophysik Kapitel 5: Interstellares Medium. Stern- und Planetenentstehung. 66