Neuroanatomische Untersuchungen zur Immunhistochemie und

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Zusammenfassung
Im Vogelgehirn erfolgt die Verarbeitung visueller Informationen hauptsächlich über
zwei aufsteigende Sehbahnen, dem tectofugalen und dem thalamofugalen
System. Das tectofugale System verläuft von der Retina über das kontralaterale
Tectum opticum zum thalamischen Nucleus rotundus und von dort ausgehend
zum telencephalen Ectostriatum. Während die Projektionen vom Tectum opticum
zum Nucleus rotundus bereits in zahlreichen Untersuchungen beschrieben
wurden, waren mögliche Assoziationen des Nucleus subpraetectalis zum
tectofugalen System bislang weitesgehend spekulativ.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es daher, die Konnektivitäten des Nucleus
subpraetectalis insbesondere zum tectofugalen System bei der Taube Columba
livia
zu
untersuchen.
Charakterisierungen
dieses
Desweiteren
Kernes
sollten
mögliche
immunhistochemische
exzitatorische
und/oder
inhibitorische Signalflüsse in diesem System näher analysieren.
Die Konnektivitäten wurden mit Hilfe der beiden neuronalen Tracer Biotin-DextranAmin (BDA) oder der Choleratoxin ß-Untereinheit (CtB) untersucht. Die Tracer
wurden dazu in insgesamt 10 Tieren mit Hilfe einer stereotaktischen Einrichtung in
den Nucleus subpraetectalis injiziert. 3-7 Tage nach den BDA-Injektionen wurden
vornehmlich anterograde Markierungen im Nucleus rotundus detektiert, jedoch
zeigten sich auch Anfärbungen im Tectum opticum. Mit dem Tracer CtB wurden
neben den anterograden Signalen im Nucleus rotundus auch deutliche retrograde
Markierungen im Tectum opticum nach 3-5 Tagen offenbar. Am Injektionsort
wurden mit beiden Substanzen somatische Markierungen der Neuronen des
Nucleus subpraetectalis sowie des Neuropil beobachtet. Im Nucleus interstitiopraetecto-subpraetectalis fanden sich zahlreiche Fasermarkierungen jedoch nur
vereinzelt somatische Anfärbungen. Retrograde Markierungen im Tectum opticum
waren ebenfalls durch somatische und Neuropil-Anfärbungen gekennzeichnet,
während anterograd im Nucleus rotundus vermutlich axonale Terminalien
dargestellt wurden. Außerdem konnten Konnektivitäten zum Nucleus praetectalis
aufgezeigt werden.
Bei diesen insgesamt ausschließlich ipsilateralen Markierungen wurde im Tectum
opticum nach BDA-Injektionen ein dorso-ventral zunehmender Gradient markierter
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Somata in der Schicht 13 beobachtet, ohne Unterschiede in der rostro-caudalen
Ausdehnung. Im Nucleus rotundus waren hingegen caudal Terminalien im
ausschließlich lateralen Anteil dieses Kerns markiert, während im rostralen
Nucleus rotundus Terminalien im gesamten Kerngebiet beobachtet wurden.
Die immunhistochemischen Untersuchungen des Nucleus subpraetectalis dienten
desweiteren dazu, mögliche inhibitorische und exzitatorische Signalflüsse in
diesen Kernen zu analysieren. In der vorliegenden Untersuchung wurden dazu
spezifische Antikörper gegen die ? -Untereinheit des GABAA-Rezeptors, das für die
GABA-Synthese
erforderliche
Enzym
Glutamat-Decarboxylase
(GAD),
die
Glutamat-Rezeptoruntereinheit GluR4, sowie das Calcium-bindende Protein
Parvalbumin eingesetzt. Somatische Markierungen von Neuronen des Nucleus
subpraetectalis wurden gezeigt für den GABAA-Rezeptor, GAD, GluR4 und
Parvalbumin, wobei die Antikörper gegen den GABAA-Rezeptor, GAD und
Parvalbumin auch das Neuropil im Nucleus subpraetectalis anfärbten.
Eine weiterhin durchgeführte quantitative Auswertung dieser Immunmarkierungen
stellte die Verteilung dieser Proteine im Bezug zur Anzahl an Neuronen in der
rostro-caudalen Ausdehnung des Nucleus subpraetectalis dar. Hierbei zeigte sich,
daß die Antikörper gegen den GABAA-Rezeptor, GAD und Parvalbumin eine
konstante
Verteilung
in
der
rostro-caudalen
Ausdehnung
des
Nucleus
subpraetectalis aufwiesen, wobei etwa zwei-drittel aller Neurone immunpositiv auf
alle genannten Antikörper reagierten. Dagegen fand sich beim Antikörper gegen
GluR4 ein Ansteigen der immunpositiven Zellen von caudal nach rostral um den
Faktor 2,5. Es wurden keine links-rechts Unterschiede in der Expression dieser
Antigene beobachtet.
Diese Daten der Konnektivitätsuntersuchungen sowie der immunhistochemischen
Studien wurden im Bezug bereits bekannter Informationen in einem Modell zum
Einfluß des Nucleus subpraetectalis auf die mögliche Signalverarbeitung im
tectofugalen
System
zusammengefaßt.
Demnach
erhält
der
Nucleus
subpraetectalis direkten Eingang von tectalen Schicht 13 Neuronen. Da die
tectalen Schicht 13 Neuronen kein GAD exprimieren, während der exzitatorische
Neurotransmitter Glutamat in dieser tectalen Schicht nachgewiesen wurde, ist es
wahrscheinlich, daß der afferente Eingang des Nucleus subpraetectalis
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exzitatorisch auf den GluR4 exprimierenden Neuronen terminiert. Aufgrund der
GAD und GABAA-Rezeptor Expression im Nucleus subpraetectalis sind
intrinsische inhibitorische Wechselwirkungen möglich, gleichwohl die GADSynthese auch im Zusammenhang mit einer vermutlich inhibitorischen Projektion
des Nucleus subpraetectalis auf den Nucleus rotundus zu sehen ist. In der
vorliegenden Arbeit wie auch in zuvor durchgeführten Untersuchungen wurde
gezeigt, daß der Nucleus rotundus Glutamat-Rezeptoren ebenso wie GABARezeptoren synthetisiert.
Anhand dieser Daten sind zwei parallele Projektionen visueller Informationen vom
Tectum opticum zum Nucleus rotundus denkbar. Die erste, bereits ausführlich
beschriebene Projektion, verläuft direkt von den tectalen Schicht 13 Neuronen, um
exzitatorisch auf rotundalen Neuronen zu terminieren. Dieser monosynaptische
Weg ist vermutlich sehr schnell. Bei der zweiten Projektion hingegen wird
möglicherweise eine Kopie der Informationen von den tectalen Schicht 13
Neuronen zum Nucleus subpraetectalis gesandt, und anschließend in diesem über
noch nicht näher identifizierbare intrinsische Signalwege verarbeitet. Von diesem
Kerngebiet aus wird die Information anschließend zum Nucleus rotundus
weitergeleitet, vermutlich mit inhibitorischer Wirkung. Es handelt sich bei diesem
Signalweg um einen polysynaptischen Weg, der vermutlich gekennzeichnet ist
durch eine langsamere, und damit zeitlich spätere inhibitorische Wirkung auf den
Neuronen des Nucleus rotundus. Dieser Signalfluß könnte somit eine
modulatorische Wirkung des Nucleus subpraetectalis auf die Signalverarbeitung
im tectofugalen System darstellen.
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