DFP-Literaturstudium Parasitäre pulmonale Affektionen nach Auslandsaufenthalt state of the art Nicht nur in sozioökonomisch unterentwickelten Ländern, auch in industrialisierten Ländern ist eine parasitäre Infektion der Lungen möglich. Klinik, Symptomatik und Therapie von parasitären pulmonalen Affektionen. Von Heinrich Stemberger* 32 arasitäre Infektionen können die Lungen als präpatente Infektion passager, als primäres Zielorgan oder im Rahmen von Komplikationen befallen (Tab. 1). Dabei ist bei solchen Zuständen ein vorangegangener Aufenthalt in einem sozioökonomisch unterentwickelten Land nicht Vorbedingung; ein Teil dieser Parasiten wird auch im Umfeld der industrialisierten Länder übertragen (Tab. 2). Das Wissen um die Infektionswege ist der Schlüssel zur Expositionsprophylaxe. Sie sind höchst unterschiedlich und reichen P von der simplen oralen Aufnahme von Wurmeiern bis hin zum aktiven Eindringen infektiöser Larven durch die intakte Haut (Tab. 3). Krankheitsbilder Das eosinophile Lungeninfiltrat Die meisten der sogenannten Geohelminthen haben obligat eine extraintestinale, unter anderem auch durch die Lunge führende Entwicklung der endgültigen Ansiedlung im Darm als adulte Würmer vorgeschaltet. Im Fall einer Infektion mit Ascaris und den Hakenwürmern Ankylostoma duodenale und Necator americanus dauern diese Zustände nur wenige Tagen an und sind von einer signifikanten Eosinophilie bei noch normalem IgE-Spiegel begleitet. 12 • 25. Juni 2004 DFP-Literaturstudium die in ihrer Summe das klinische Bild der Larva migrans visceralis bestimmt. Ein Großteil der Infektionen mit Toxocara-Larven verläuft klinisch stumm. In diesen Fällen, die zufällig diagnostiziert werden (Eosinophilie und positive Serologie), spricht man von Toxocarose. Die Epidemiologie erklärt zwanglos, daß Kleinkinder einen Großteil der Patienten mit Larva migrans visceralis ausmachen (unhygienische Haltung von jungen Hunden und Kleinkindern, kontaminierte Sandkästen in öffentlichen Parkanlagen). Die Symptomatik besteht in asthmoider fieberhafter Bronchitis; das Lungenröntgen zeigt kleinfleckige, weich zeichnende Infiltrate, das Labor eine Leukozytose bis 50.000/µl mit massiver Eosinophilie und IgE-Vermehrung. Die Serologie (ELISA mit S/E-Antigen) sichert die Diagnose. Von längerer Persistenz sind die Infiltrate durch die Larven von Toxocara canis Ätiologie parasitärer Lungenaffektionen und T. cati sowie durch Strongyloides stercoralis bei immuninKrankheitserscheinungen durch Helminthen kompetenten Personen. Da der mit Lunge als definitives Zielorgan im Rahmen von Komplikationen im Präpatenzstadium klinische Stellenwert dieser InHyperinfektion mit Strongyloides Echinococcus granulosus Toxocara sp fektionen bedeutender ist als (Hundebandwurm) (Hunde- und Katzenspuljene der flüchtigen Infiltrate, Tropische Eosinophilie durch wurm) werden die detailliert beschrieWuchereria bancrofti Paragonimus sp ben. Infektion mit Toxocara Fast alle Welpen werden mit einer intestinalen Infektion durch Toxocara canis geboren und scheiden die Eier dieses Spulwurms bis zur fünften Le- Ascaris lumbricoides (Spulwurm) Hakenwürmer (Ankylostoma, Necator) Strongyloides (Zwergfadenwurm) 12 • 25. Juni 2004 (Lungenegel) Dirofilaria sp (Hundeherzwurm) Schistosoma (S. mansoni, S. japonicum, S. intercalatum) Tab. 1 state of the art benswoche in großer Zahl aus. Nach zwei bis vier Wochen im Freien haben sich in den Eiern invasionstüchtige Larven entwickelt, die nach oraler Aufnahme durch den Menschen eine Teilentwicklung durchmachen und die zur Invasion von Leber, Lunge und in der Folge aller Gewebe führen kann. Eine We i t e r entwicklung zum adulten Wurm findet im Menschen nicht statt. Die Wurmlarven lösen eine entzündlich-allergische Gewebsreaktion aus, 33 DFP-Literaturstudium Infektion mit Strongyloides stercoralis Geomedizinische Aspekte pulmologisch bedeutsamer Helminthen Diese Wurmspezies zeichnet sich dadurch aus, dass in der Dünndarmmucosa adulte Weibchen (zwei Millimeter lang; 0,05 Millimeter dick) leben, die hier voll embryonierte Eier ablegen. Bei besonders prädisponierten Personen kann es in der Frühphase der Infektion zum Auftreten einer asthmoiden Bronchitis, zu Fieber und zu radiologisch nachweisbaren interstitiellen Infiltraten kommen. Noch im Darm schlüpfen penetrationstüchtige Larven (220 µ x 15 µ), die von hier aus hämatogen in die Lunge kommen und dort über den tracheo-oesophagealen Weg wiederum als adulte Weibchen in den Darm gelangen. Das bedeutet: einmal infiziert, immer infiziert. Der immunkompetente Endwirt setzt jedoch der Vermehrung von Strongyloides enge Grenzen, sodass die Strongyloidiasis häufig unbemerkt bleibt. Bei immunsupprimierten Personen kann diese Endoautoinfektion durch Strongyloides allerdings ungehemmt ablaufen; es kommt zur Hyperinfektion. Der klinische Verlauf ist durchaus dramatisch: unstillbare Diarrhoen mit Exsiccosegefahr; massive pneumonische Infiltrate bis hin zur respiratorischen Insuffizienz. Diagnose: Nachweis von Wurmlarven in Stuhl und Sputum. state of the art Paragonimiasis 34 Die Infestation des Menschen mit dem Lungenegel ist an kulinarische Traditionen geknüpft (Essen von rohen Süßwasserkrabben und -krebsen), welchen sich die wenigsten Touristen anschließen. Die Lungenegelerkrankung ist somit keine klassische reisemedizinische Diagnose, sondern eher bei Zuwanderern aus den Endemiegebieten (Ost- und Südostasien, tropisches Afrika und Südamerika) anzutreffen. Die natürlichen Endwirte sind hunde- Infektionsmöglichkeiten nur in sozioökonomisch unterentwickelten Ländern der warmen Klimazonen auch in Industriestaaten Hakenwürmer Toxocara sp. Strongyloides stercoralis Ascaris Paragonimus Echinococcus granulosus Schistosoma sp Dirofilaria Wuchereria bancrofti Tab. 2 und katzenähnliche Raubtiere, die in der gleichen Weise wie der Mensch die adulten Egel in den Lungen beherbergen und die Eier mit dem Bronchialsekret und dem Kot ausscheiden. Die Entwicklung zur infektionstüchtigen Larve ist zur Gänze an Süßwasser gebunden, wo die Wimpernlarven aus den Eiern schlüpfen, die in aquatische Schnecken eindringen. tische Symptome mit reichlicher putrider Expektoation, immer wieder durch Lungenabszesse kompliziert. Das Lungenröntgen zeigt ein buntes Nebeneinander von Infiltraten, Einschmelzungen, Fibrosen, Atelektasen und vikariierenden Emphysemen. Die Diagnose wird durch den Einachweis in Sputum und Stuhl gesichert. Tropische Eosinophilie Im Darm des Menschen exzystiert die Metazerkarie, durchdringt die Darmwand, wandert durch die freie Bauchhöhle, durchdringt das Zwerchfell und gelangt so in die basalen Lungengeschoße. Hier reift der Egel zum adulten Tier (20x10 Millimeter) heran und beginnt zwei bis drei Monate nach der Infektion mit der Eiablage. Das Lungengewebe reagiert mit Infiltration, Einschmelzung bis hin zur Kavernenbildung. Ein Drainagebronchus befördert das nekrotische Material zusammen mit den Eiern des Egels zur Trachea und beziehungsweise über den enteralen Umweg ins Freie. Bei jahrelangem Bestehen der unbehandelten Paragonimiasis stellen sich fibröse Prozesse und schließlich die Verkalkung der Läsionen ein. Dieses Zustandsbild steht mit einer Infektion mit Wuchereria bancrofti in gesicherter Kausalbeziehung. Es handelt sich dabei um den Erreger der lymphatischen Filariose, die in den tropischen Regionen von Afrika, Amerika, Ozeanien und Asien übertragen wird. Die Infektion kann ein breites Spektrum sehr unterschiedlicher Krankheitsbilder verursachen. An einem Ende des Spektrums steht das “Filarienfieber”. Diese Ausformung der lymphatischen Filariose findet sich bei den Ortsansäßigen, die seit Generationen dieser Infektion ausgesetzt sind. In ihrer klassischen Ausprägung entsteht bei jahrelang unbehandelter Infektion durch irreversible Lymphstauungen die Elephantiasis vorwiegend der unteren Extremitäten und des Genitales. Die klinische Symptomatik ist wenig auffällig: Husten, Fieber, gelegentlich Hämoptoe, die sich nach körperlicher Belastung verstärkt. Nach vielen Jahren überwiegen bronchoekta- Am anderen Ende des Spektrums findet sich die tropische Eosinophilie, als Ausdruck überschießender Immunantwort vom Th2-Typ gegen die in der Übertragungswege pulmologisch bedeutsamer Helminthen Orale Eiaufnahme Orale Aufnahme von Wurmlarven Ascaris Paragonimus sp. Übertragung durch Arthropodenstiche Eindringen von Wurmlarven durch die intakte Haut aus dem Boden aus dem Süßwasser Toxocara sp. Wuchereria Necator Schistosoma sp. Echinokokkus Dirofilaria sp. Ancylostoma Strongyloides Tab. 3 12 • 25. Juni 2004 DFP-Literaturstudium Lunge befindlichen Mikrofilarien. Diese Patienten leiden unter teils obstruktiven, teils restriktiven Lungenfunktionsstörungen; nicht selten findet sich eine generalisierte Adenopathie. Radiologisch zeigen sich teils interstitielle Infiltrate, teils miliare Verschattungen, vorwiegend basal und in den Mittelgeschoßen. Das Labor zeigt eine exzessive Eosinophilie und IgE-Vermehrung. Die Diagnose wird serologisch abgesichert; der Nachweis von Mikrofilarien im Blut ist obligat negativ. Pulmonale Bilharziose Die Einbeziehung der Lunge in das Krankheitsgeschehen der Darm- und Leberbilharziose ist im fortgeschrittenen Stadium der massiven und jahrelang unbehandelten Infektion mit Schistosoma mansoni und Schistosoma japonicum möglich. Erst dann können die Eier der Parasiten über porto-cavale Anastomosen in das Gefäßsystem der Lunge eingeschwemmt werden. Die im pulmonalen Kapillarbereich sequestrierten Schistosomeneier lösen die Bildung von Eigranulomen aus. Die isolierte pulmonale Bilharziose kommt so gut wie nie vor; fast immer ist sie mit einer ausgeprägten Leberfibrose mit portaler Hypertension verbunden, einer schweren Anaemie und auch einer renalen Insuffizienz. Klinisch entsteht eine interstitielle Fibrose mit pulmonaler Hypertension. Radiologisch ähnelt der Befund der Miliartuberkulose. Das Labor zeigt eine deutliche Eosinophilie, IgE-Vermehrung, Anämie, Hypoproteinämie. Die Diagnose wird durch den Einachweis im Stuhl, die Serologie und eventuell histologisch gesichert. sten ist die Lunge der primäre Sitz der Zyste. Zysten in anderen Geweben und Organen sind selten. Das Zystenwachstum ist langsam (selten mehr als zwei Zentimeter Zunahme des Durchmessers pro Jahr) und die Reaktion des Wirtsorganismus auf die Metazestde Herdförmige parasitäre pulmonale Affektionen Zystische Echinokokkose Infektionen mit der Metazestode (Finne) des Hundebandwurms Echinococcus Granulosus sind in Industrieländern relativ selten (1/100.000/Jahr in Österreich); in Ländern mit intensiver Schafzucht häufig (in ruralen Gegenden der Andenstaaten sind bis zu sechs Prozent Zystenträger). Der infizierte Hund scheidet die graviden Endglieder des Bandwurmes (der weniger als ein Zentimeter lang ist) aus, die Eier gelangen so in die Umwelt und sind sofort infektionstüchtig. Durch die akzidentielle Aufnahme der Eier (unter anderem mit kontaminiertem rohen Gemüse) wird die junge Larve frei, bohrt sich in die Darmmukosa ein und verschafft sich so Zutritt zu den abfließenden Blut- und Lymphgefäßen des Darms. Zumeist bleiben sie im Leberfilter hängen und wachsen dort zur blasigen Finne heran. Etwa 70 Prozent aller Zysten sind somit in der Leber lokalisiert. Bei 25 Prozent der Zy- kaum vorhanden. So dauert es viele Jahre, bis sich die Zyste durch ihre Raumforderung bemerkbar macht. In der Regel ist die Entdeckung der Metazestode in der Lunge einem Zufallsbefund zu verdanken.Klinische Symptome können bei großen Zysten entstehen: Husten, Hämoptyse, Atemnot Differenzialdiagnosen 1. "Typische" Pneumonie durch Staphylokokken, state of the art Klebsiellen, Serratia spp., Enterobacter spp. und Anaerobier 36 2. "Atypische" Pneumonien durch Chlamydien, Mykoplasmen, Legionellen 8. Durch Umweltstoffe: a) Tryptophan (Eosinophilie-Myalgie-Syndrom) b) Kokaininhalation c) Marihuana 3. Virale Pneumonien d) Diesel und Benzindämpfe 4. Tuberkulose e) Sandstrahlgeräte 5. Pneumonien durch opportunistische Infektionen bei HIV-Infizierten f) Metalle (Zink, Beryllium, Chrom) 9. Prolongierte Eosinophilie ohne Asthma (Allergene wie unter Punkt 7) 6. Aspergillose 10. Pulmonale Eosinophilie mit Asthma 7. Durch Medikamente: 11. Pulmonale Eosinophilie mit Polyarteriitis nodosa a) Nitrofurantoin b) Penicilline (Churg-Strauss-Syndrom) 12. Maligne Tumore c) Tetracycline a) Schaumzellkarzinom d) Sulfonamide b) Adenokarzinom e) Aspirin c) Riesenzellkarzinom f) Belcomethason d) Sarkome g) Cromolyn e) Lymphome 12 • 25. Juni 2004 DFP-Literaturstudium Dirofilariose Die pulmonale Dirofilariose entsteht durch die Ansiedelung der semiadulten Nematode Dirofilaria immitis im Lungengewebe. Ausnahmsweise kann der Sitz dieser Filarie auch subkutan sein, wodurch ein entzündlicher Knoten mit einem Durchmesser von ein bis drei Zentimetern entsteht. Klinisch ist die pulmonale Dirofilariose ganz in der Regel asymptomatisch. Die Diagnose wird zufällig radiologisch gestellt. Es zeigt sich ein scharf begrenzter Rundherd (wie eine Münze). Die parasitologische Absicherung erfolgt durch den Nachweis der ■ Filarie im Operationspräparat. *) Univ. Prof. Heinrich Stemberger, Leiter des Instituts für Reise- und Tropenmedizin Wien, Lenaugasse 19, A 1080 Wien, Tel. 01/402 68 61-0; Fax DW -30; e-mail:[email protected] Lecture board: Univ. Prof. Dr. Wolfgang Graningner, AKH Wien/Leiter der Universitätsklinik für Infektionskrankheiten; Univ. Prof. Dr. Herwig Kollaritsch, AKH Wien/Leiter der Abteilung für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin am Institut für funktionelle Pathologie der Universität Wien; Univ. Prof. Dr. Hannes Pichler, Kaiser Franz Josef-Spital Wien/Leiter der 4. Medizinischen Abteilung Herausgeber: österreichische akademie der ärzte Diesen Artikel finden Sie auch im Web unter www.arztakademie.at Therapie Toxocara-Infektion: Thiabendazol: 2x täglich 25 mg/kg fünf Tage lang (Mintezol, Minzolum) Albendazol: 2xtäglich 5 mg/kg/Tag fünf Tage lang (Mectizan) Strongyloides Hyperinfektion: Ivermectin: 1xtäglich 200 µg/kg (Stromectol)-acht bis zehn Tage lang Albendazol: 2xtäglich 5 mg/kg/Tag (Mectizan) - zehn Tage lang 1) Die freiwerdende Hydatidenflüssigkeit kann eine schwere Allergie bis hin zum Schock auslösen. 2) Mit der Hydatidenflüssigkeit können Protoscolices ausgeschwemmt werden, die zur metastatischen Absiedelung von weiteren Zysten führen können. Labor: Eosinophilie und IgE-Vermehrung nicht obligat; häufig Vermehrung der Immunglobulinklassen G, M, A. Bildgebende Diagnostik: klar gegen das umgebende Gewebe abgegrenzte zystische Raumforderung variabler Größe (bis 20 Zentimeter Durchmesser und mehr) entweder leer oder gekämmert. Bei älteren Zysten sieht man eine sichelförmige Wandverkalkung. Diagnose: Die positive Serologie sichert die Verdachtsdiagnose. Die Punktion der Zysten ist strengstens kontraindiziert. 12 • 25. Juni 2004 Paragonimiasis: Praziquantel 40 mg/kg als Einmal-Tagesdosis sieben Tage lang (Biltricide,Bayer) Antibiotika zur Behandlung der bakteriellen Begleitinfektion Tropische Eosinophilie: Ivermectin: 200 µg/kg als Einmaldosis (Stromectol) Diäthylcarbamazin: 6 mg/kg/Tag drei Wochen lang (Hetrazan) Pulmonale Bilharziose: Praziquantel 40-50 mg/kg als Einmaldosis; Wiederholung nach sechs Wochen (Biltricide,Bayer) Zystische Echinokokkose: Chirurgisch: Bei großen Zysten unumgänglich a) Zystektomie b) Perizistektomie c) Pneumektomie Chemotherapie mit Albendazol 10-15 mg/Kg/Tag mindestens 3 Monate lang a) bei kleinen Zysten als Mono-Therapie b) bei großen Zysten als prä-und postoperative Therapie dringend empfohlen Dirofilariose: Nur chirurgisch state of the art und Brustschmerzen. Die spontane oder traumatische Ruptur ist aus zwei Gründen ein potentiell gefährliches Ereignis: 37