65 Fragen (und Antworten) zur Europäischen Rechtsgeschichte

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65 Fragen (und Antworten) zur Europäischen Rechtsgeschichte
1. Unter welchen Voraussetzungen entsteht Gewohnheitsrecht? Welche Rolle
spielt Gewohnheitsrecht heute?
Die frühe Zeit kannte keine bewusste Rechtsetzung oder Gesetzgebung.
Das Recht war vertreten als allgemein anerkannte
Rechtsanschauung, trat in den gelebten Ordnungen zutage und
entwickelte sich als ungeschriebenes Gewohnheitsrecht.
Heute gilt Gewohnheitsrecht zwar als verbindlich, ist aber nirgendwo
schriftlich fixiert.
2. Definieren sie „objektives Recht“ und „subjektives Recht“ !
Objektives Recht ist die Summe aller Rechtsnormen. Subjektives Recht
folgt aus Rechtsvorschriften, die ausschließlich einzelne schützen wollen.
3. Wissen Sie, wie sich der Übergang von den segmentären Gesellschaften zu
den Protostaaten vollzogen hat?
Die Segmentären Gesellschaften waren bereits sesshaftes Volk. Der
Übergang zum Protostaat wird in zwei Theorien beschrieben:
Nach der Eroberungstheorie waren zum einen der Glauben (er sollte auch
anderen, nicht “glaubenden” Menschen, verkündet werden)
ausschlaggebend und zum anderen Überbevölkerung im Heimatgebiet
sowie die Aridisierung. Es begann eine Völkerwanderung, mit dem Ziel
neue Weidegründe zu finden. Diese waren jedoch schon besetzt. So blieb
den Neuankömmlingen nur die Möglichkeit der Eroberung. Sie bildeten
eine Oberschicht und neue Herrschaftsstruktur.
Die hydrologische Theorie dreht sich im wesentlichen um die
Bewässerung von Feldern. Sesshafte Stammesverbände mussten zur
Stillung des Bedarfes nahe am Wasser fruchtbare Acker anlegen. So
bildeten sich immer größere Verbände die schließlich zu Städten wurden
und somit auch ein Bedürfnis an Organisation hatten.
4. Welche Rolle spielt der „Richter“ in segmentären Gesellschaften, welche
Rolle spielt er in den Protostaaten?
Der Richter in den segmentären Gesellschaften leitet seine Autorität von
dem Parteiwillen ab. Er tritt, wenn die Parteien dies wollen, als Mediator
bzw. Schiedsrichter auf.
Der Richter in einem Protostaat hat die alleinige Entscheidungsfunktion, er
urteilt und muss seine Autorität nicht von den Parteien abhängig machen.
5. Nennen sie die vier Entwicklungsstufen des römischen Rechts!
Recht der Frühzeit, Recht der Republik, Recht der Klassik, Recht der
Nachklassik.
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6. Skizzieren sie die ständische Gliederung Roms in der Frühzeit!
Patrizier (Enge Familienbande, wohlhabend)
Plebejer (lockere Familienbande, weniger wohlhabend)
Patrizier und Plebejer bilden das Patronat
Unfreie (Sklaven)
7. Wann und unter welchen Bedingungen ist das sog. XII – Tafel- Gesetz
entstanden?
Das Zwölftafelgesetz ist 451 v. Chr. Entstanden. Es wurde von zehn
Patriziern verfasst. Es ist als Höhepunkt des Streits zwischen Patriziern
und Plebejern hervorgegangen. Bis dahin wendeten Patrizier
Gewohnheitsrecht oft zu Ihren Gunsten an.
Es gab kein schriftliches Recht, da nur die Pontifees sich mit Recht
auskannten. Die Plebejer konnten sich mit Ihrer Forderung nach
schriftlichen Recht durchsetzen.
8. Nennen sie Quellen des klassischen römischen Rechts!
Beschlüsse der plebs (plebiscita)
Senatsbeschlüsse (senatus consulta)
Kaisergesetze (constitutiones principum)
Edikte der Magistrate, (edicta) insb. der Prätoren
Gutachten der Rechtsgelehrten (responsa prudentium)
9. In seiner Schrift „Germania“ berichtet Tacitus vom germanischen „Thing“.
Welche Aufgabe hatte das „Thing“?
Das Thing war die Versammlung der Waffentragenden Männer. Dort
wurden Häuptlinge gewählt, es wurde über Krieg und Frieden entschieden
und wichtige Entscheidungen wurden dort gefällt. Es diente als Gericht,
auch wurde das „Thing“ für magische
Zwecke genutzt.
10. Lex Ribuaria und Lex Alamannorum gehören zu den sog. „Leges“
(„Volksrechten“). Um was handelt es sich bei diesen Rechtsquellen des
Frühmittelalters?
Bei den Leges handelt es sich um Stammesrecht, das verschriftlicht
worden ist.
Die Leges besteht aus germanischen Recht mit Einflüssen vom römischen
Recht. Es sind sog. Bußgeldkataloge.
11. In der Strafrechtsgeschichte ist im Zusammenhang mit dem frühen
Mittelalter häufig von „Erfolgshaftung“ die Rede. Was ist damit gemeint?
Unter Erfolgshaftung versteht man, dass für den äußeren Erfolg gehaftet
wird. Der Täter der den Erfolg herbeigeführt hat, wird bestraft, unabhängig
von Fahrlässigkeit und Anstiftung.
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Nur die objektiven Tatbestandsmerkmale werden untersucht, die
subjektiven außer Acht gelassen.
12. Was versteht man unter „Höchstpersönlichkeit“ des Lehens? Was versteht
man unter „Leibeszwang“?
Unter Höchstpersönlichkeit des Lehens versteht man dass der Lehen nicht
weitergegeben werden kann. Das Lehen bezieht sich auf ein
höchstpersönliches Rechtsgeschäft. Der Vasall ist seinem Lehnsherrn zu
Treue verpflichtet.
13. Wie ist eine frühmittelalterliche „Grundherrschaft“ organisiert?
Bei der Grundherrschaft besitzt der Herr einen Fronhof. Dies ist der Sitz
des Grundherren. Diesen Fronhof lässt er zum einen mit Sklaven
bearbeiten und zum anderen von Bauern an die er Land verleiht. Die
Bauern müssen dem Grundherren Abgaben in Form von Naturalien
leisten. Der Grundherr hatte auch eine eigene Gerichtsbarkeit, er war
entweder der König, die Kirche oder der Adel.
14. Wie stellen sie sich das Verfahren vor der Gericht des Graugrafen vor?
Gaugraf ist nicht Richter, hat aber Verfahrensleitende Funktion, er eröffnet
das Verfahren.Neben ihm sitzen die Schöffen.
Gerichtsfrieden: Gaugraf gebietet Frieden, d.h. alle müssen ihre Waffen
vor Gericht abgeben.
Klage wird vom Kläger erhoben
Nachdem die Klage erhoben worden ist, wird der Beklagte verurteilt. Erst
nach dieser Verurteilung kann er versuchen sich zu entlasten. Die
Beweislast liegt beim Beklagten.
Beweise: rational=Urkunden, irrational= Zeugen (Zeugen haben nicht die
Funktion den Tathergang zu bezeugen, sondern die Glaubwürdigkeit des
Beklagten zu versichern, (Leumundszeugen))
Das Urteil: Folter, Gottesurteil (Sehr häufig, z.B. Kesselprobe)
15. Aus welchen Teilen setzt sich das Corpus Iuris Civiles des oströmischen
Kaisers Justinian ( 528-533 nach Christus) zusammen und welche Bedeutung
hat dieses Gesetzgebungswerk für die europäische Rechtskultur?
die Institutionen (Institutiones)
die Digesten (Digesta oder Pandectae)
der Codex
Sie waren die Grundlage der Rezeption des römischen Rechts.
16. Im um 1220/1230 aufgezeichneten „Sachsenspiegel“ findet sich folgende
Wendung: „Zwei Schwerter überließ Gott auf Erden, um die Christenheit zu
schützen: Dem Papst das geistliche, dem Kaiser das weltliche.“.
Wie unterscheidet sich die hier wiedergegebene kaiserliche Lesart der sog.
Zwei – Schwerter – Lehre von der päpstlichen Lesart?
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Zur Zeit des Hochmittelalters herrschten Machtkonflikte zwischen
Kaisertum und Kirche (Papst). Dies spiegelte sich auch in der ZweiSchwerter – Lehre wieder. Der Kaiser interpretierte die Erzählung so, dass
der Gott die zwei Schwerter jeweils dem Papst und dem Kaiser gab. Beide
waren demnach gleichberechtigt, der Kaiser hatte
die weltliche Macht, der Papst die geistliche, sie waren also folglich beide
Vasallen Gottes. Der Papst war der Ansicht, Gott gab dem Papst beide
Schwerter , dieser reichte das weltliche an den Kaiser weiter. Der Kaiser
war folglich Vasall des Papstes, der Papst Vasall Gottes.
17. Was ist „Reziprozität“?
Reziprozität bedeutet dass eine Gabe und Gegengabe gefordert wird
(Gabentausch, Austauschprinzip). Dadurch wird die Gleichheit der
Verteilung von Eigentum erreicht.
18. Ab dem Jahr 3000 v. Chr. bilden sich Frühformen der Staatlichkeit aus.
Können Sie erklären, wie es dazu kommen konnte?
Frühformen von Staatlichkeit entstehen dadurch, dass sich über die
ursprünglich herrschaftslosen Segmente eine Obrigkeit legt. Die Ursache
dafür ist nach der Theorie von Ibn Chaldun die Unterwerfung von friedliche
Ackerbauern durch kriegerische Hirtenvölker, wodurch sich eine
Kriegerkaste entwickelte.
19. Nennen Sie die drei wesentlichen Ursprünge der europäischen
Rechtskultur.
antikes Römisches Recht (Antike)
Kirchenrecht (Christentum)
germanische Rechtstradition
20. Die römische Bevölkerung war ständisch gegliedert. Nennen Sie die
Bevölkerungselemente.
In der ständischen Gliederung Roms gab es zunächst die Patrizier. Das
Haupt der patrizischen Familie war mit einer umfassenden Gewalt über
alle von ihm abstammenden Personen versehen.
Zusammen mit den Plebejer (einem weniger straff organisierten und
weniger wohlhabenden Familienstand) bilden die Patrizier das Patronat.
Wahrscheinlich existierten auch Sklaven.
21. Erläutern Sie den Begriff „manus“!
„Manus“ heißt wörtlich übersetzt „Hand“, aber im XII Tafelgesetz bedeutet
es soviel wie „Verfügungsgewalt“ über etwas haben. Z.B. hatte der Mann
die manus über der Frau. Wenn sich die Frau dieser Verfügungsgewalt
entziehen wollte, musste sie jährlich 3 Nächte abwesend vom Haus des
Mannes verbringen.
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22. Strebte Augustus eine absolute Monarchie an? Worauf beruhte der
Machtzuwachs des Augustus?
Augustus’ Monarchie ist aus dem Bürgerkrieg 27 v. Chr. entstanden, um
dem Schicksal Caesars zu entgehen, der sich offen zum König ausrufen
lassen wollte. Augustus wollte keine absolute Monarchie. Das wird
dadurch deutlich, dass er für sich nur 2 der herkömmlichen Befugnisse in
Anspruch nahm: Zum einen den Oberbefehl über das Heer, sowie die
Herrschaft über die Provinzen an den Grenzen des Reiches. Zum anderen
genoss er die Unverletzlichkeit der Person und das Vetorecht. Somit hatte
er zwar viel Macht, aber er blieb trotzdem Teil der vorhandenen Struktur.
23. Die Entwicklung des Rechts wäre in Westeuropa ohne Kaiser Justinian I.
wohl anders verlaufen. Warum?
Weil er es war, der das „Corpus Iuris Civilis“ kodifiziert hat. Er begann mit
Beginn seiner Regierungszeit (528 n. Chr.) mit der Sammlung aller
Niederschriften von Rechten und brachte sie in diesem Werk zusammen.
Es war dann geltenden Rechts bis ca. 1900. Diese
Langlebigkeit beruhte auf der Abstraktheit der Normen und der
Anpassbarkeit auf alle Lebensformen.
24. Aus welchen Bestandteilen setzt sich das C.I.C. zusammen? Was ist der
Inhalt dieser Teile?
Das C.I.C besteht zunächst aus den Institutionen (4 Bücher). Sie galten
als Anfängerlehrbuch, was auf den Institutionen des Gaius aufgebaut war.
Darauf folgten die Digesten (50 Bücher).
Sie stellten eine Sammlung des Juristenrechts dar.
Weiterhin war der Codex (12 Bücher) enthalten, der eine Sammlung des
Kaiserrechts beinhaltete. Schließlich bestand es noch aus Novellen,
welche die kaiserlichen Erlasse Justinians zum Inhalt hatten.
25. Die Germania des Tacitus gilt in der Forschung als Quelle von
zweifelhaftem Wert.Warum?
Den Berichten des Tacitus darf man nicht mehr unbesehen glauben, weil
er selbst nie in Bayern oder Baden Württemberg gewesen ist und die
Germanen wahrscheinlich auch zu gut „weggekommen“ sind, da er den
Römern einen Sittenspiegel vorhalten wollte.
26. Welche Ursachen hatte es, dass den Franken der Aufbau eines Großreichs
gelang?
Die Franken unternahmen viele Eroberungen und dehnten somit ihren
Machtbereich (erst nach Westen und dann Spanien und Osten) aus.
Dabei haben sie aber ihr Ursprungsgebiet nie wirklich verlassen und
hatten somit eine zentrale und feste Machtbasis.
27. Welche Grundsätze der Königwerdung gab es in fränkischer Zeit?
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751 wurde der letzte Merowinger König vom karolingischen Hausmeier
abgesetzt. (Thronsturz bzw. Putsch)
Bei den Franken gab es aber eigentlich eine Mischform von Wahl und
Erbmonarchie. Es gab zwar eine Wahlmonarchie, aber da das Wahlrecht
nur bei den Nachkommen bestand, kann man gleichzeitig von einer
Erbmonarchie sprechen. Bei mehreren Söhnen kam es zur Reichsteilung,
was zu Machtverlust und Streitigkeiten untereinander führte.
28. Was war das Vorbild für die Grundherrschaft?
Die Domänenwirtschaft spätrömischer Provinzen war Vorbild für die
Grundherrschaft. In der Versorgungslage, in der sich das röm. Reich zur
Zeit des Dominats durch Landflucht und
Verwüstung germanischer Stämme befand, wurde Land an kapitalkräftige
Pächter vergeben. Parzellenbauern bearbeiteten dieses Land und waren
an die Scholle gebunden und mussten dem Herrn Abgaben zahlen.
Darauf baut die Fränkische Grundherrschaft auf, denn
Grundherrschaft ist das Überlassen von Land gegen Dienste.
29. Wie waren die Grundherrschaften organisiert?
Es gab in den Grundherrschaften zunächst den Frohnhof (das war der
Sitz/ das Gut des Grundherrn). Der Grundherr bewirtschaftete selbst
Äcker (= Salland) einerseits mit eigenen Sklaven (unfrei), andererseits
wurden auch Landteile an bäuerliche Familien verliehen.
Diese haben ihre eigenen Hofstellen, welche zwar frei waren, unterlagen
aber bestimmten Weisungen des Grundherren (z.B. durften sie das Land
nicht verlassen und mussten Abgaben in Form von Naturalien an ihren
Herrn leisten). Grundherr ist entweder der König (Königsgut), die Kirche
oder ein Adliger.
30. Was ist mit „Reichskirche“ gemeint?
Die Reichskirche ist ein Bindeglied zwischen Staat und Kirche. Sie war
eine vom Papst unabhängige Landeskirche, die zunehmend in die
staatliche Ordnung eingebunden wurde. Die
Bischhöfe sind die engsten Berater des Königs und die Kirche übt eine
eigene Gerichtsbarkeit aus. Es gelingt ihr eigene Rechtsvorstellungen
durchzusetzen (Kirchenrecht). Somit dominiert geistliches Recht über
weltlichen Recht.
31. Wie schätzen Sie die Bedeutung der Städte im Frühmittelalter ein?
Städte im Frühmittelalter sind eigentlich Ruinen alter Städte der Antike, die
von den Germanen überrannt worden sind. Sie werden für dörfliche
Lebensweise (Bauern) genutzt, es gibt aber noch kein Stadtrecht.
32. Was sind die Anfänge des Lehenswesens? Wie ist es aufgebaut?
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Ursprünglich gab es zwei wesentliche Elemente:
die Vasalität, bei der der Herr Schutz und
Unterhalt des Vasallen gegen Gehorsam und (militärische) Dienste
übernahm (=personenrechtlich) und das Benefizium, bei dem der Herr
Land zur Nutzung gegen Unterstützung und Gehorsam überträgt (=
sachenrechltich).
Die Verschmelzung von Vasalität und Benefizium führte dann zur
Entwicklung des Lehenswesens im eigentlichen Sinne. Der Lehensherr
verleiht also Land zur Nutzung gegen Gehorsam, Unterstützung und
(militärische) Dienste.
33. Skizzieren Sie die Arbeitsweise von Glossatoren. Worin besteht der
Unterschied zu Kommentatoren?
Glossatoren sammeln und systematisieren Quellen des Rechts. So hatte
z.B. auch Gratian das Bedürfnis sich mit Kirchenrecht in seinem Dekret
um 1140 zu beschäftigen. Da es aber das Problem gab, dass Quellen
aufgrund von Entstehungszeit und –ort unterschiedlich sind, musste man
sich entscheiden, was nun gelten soll oder die Quellen so auslegen, dass
sie das Gleiche meinen. Um aber Widersprüche aufzuheben, wurden
Randbemerkungen (Glossen)
angefertigt. Diese Arbeitsweise wird dann auch im weltlichen Recht so
übernommen und die Glossatoren beginnen an sog. Rechtsschulen zu
arbeiten.
Kommentatoren (Postglossatoren) gehen systematischer vor als
Glossatoren und formulieren ganze Rechtssätze. Sie werden auch als
Rechtsberater und Gutachter tätig.
34. Wie erfolgte die Rechtsfortbildung des röm. Rechts von den Bolongner
Juristen?
Die Bolongner Juristen besuchten neben der Rechtsschule auch eine sog.
Artistenschule (Artis liberalis). Dort wurden ihnen bestimmte Fähigkeiten
(= die 7 freien Künste, wie z.B. Rethorik und Dramatik) beigebracht.
Die Glossatoren in Bolongna haben einen guten Ruf und locken schnell
Studenten aus ganz Europa an. Da sie aber nach ihrem Studium wieder
zurück in ihre Heimat gehen und dort das gelernte (röm. Recht) auch
anwenden, verteilt sich das röm. Recht schnell in weiten Teilen Europas
(Mobiliät) und es bildet sich ein Juristenstand aus.
35. Was ist mit Rezeption des röm. Rechts gemeint? Wer sträubte sich
dagegen?
Rezeption wird mit „Übernahme“ übersetzt. Die Verwendung des Begriffs
passt aber auf die Gebiete nicht, in denen das röm. Recht bereits
kontinuierlich galt, wie z.B. im Siedlungsbereich der Westgothen
(Südfrankreich und Nordspanien) und in Italien.
Hier könnte man dann eher von einer Renaissance des röm. Rechts
sprechen.
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Die Rezeption verläuft überall unterschiedlich, führt aber zu dem gleichen
Ergebnis, dass das röm. Recht überall Einfluss nimmt (in einigen Gebieten
stärker, in anderen schwächer). Es wird entweder komplett neu eingeführt,
oder (da wo es bereits gilt) vertieft.
Zum einen sträubte sich der Papst gegen die Unterrichtung von röm.
Recht in Frankreich, weil durch das hohe Interesse an der
Rechtswissenschaft die Universität kaum noch theologische
Absolventen hatte. Zum anderen war der König von England ebenfalls ein
Gegner des röm. Rechts, weil er dieses als Machteinschränkung ansah.
Da der englische Adel sehr konservativ ist, wehrte er sich gegen die
Durchsetzung röm. Rechts und deshalb blieb der Einfluss dessen auch
sehr gering.
36. Was ist die Lotharische Legende?
Die Lotharische Legende stellt eine Erklärung dar, warum in Deutschland
das Corpus Iuris Civilis komplett übernommen wurde und besagt, dass
Kaiser Lothar III. 1137 die Digesten zum Reichsgesetz erhoben haben
soll. Das wurde aber im 16. Jh. durch Hermann Conring,
dem Begründer der „deutschen Rechtsgeschichte“, widerlegt.
37. Nennen Sie die Quellen, die über das frühmittelalterliche Recht Aufschluss
geben!
Als Quellen des frühen Mittelalters sind zunächst die „leges“ (= Gesetze)
zu nennen. Das waren z.B. Gesetze der Westgoten (Lex Romana
Visigothorum) oder der Franken (Lex Salica).
Weiterhin geben Aufschluss über das frühmittelalterliche Recht:
die Kapitularien (=Königsgesetze)
Beschlüsse von Kirchenversammlungen
Formelsammlungen (= Sammlungen vorformulierter/anonymisierter
Rechtstexte wie z.B. Klagetexte, Verträge etc.)
die Geschichtsschreibung.
38. Welche Entwicklungsstufen lassen sich vor der Antike unterscheiden?
Man unterscheidet vor der Antike die Entwicklungsstufen der Jäger und
Sammler, der segmentären Gesellschaften (beide gehören zu den
akephalen Gesellschaften) und der Protostaaten (= kephale
Gesellschaften)
39. Was ist die Vulgarisierung des röm. Rechts?
In der Zeit der Nachklassik teilte sich Rom in Westrom und Ostrom.
Vor allem in Westrom kam es zur Vulgarisierung des Rechts. D.h.
Darstellungen wurden einfacher, da auch die Lebensverhältnisse
schlichter wurden, was durch Völkerwanderungen und Kriege mit den
Gemanen kam. Die hochentwickelte Rechtstechnik der klassischen Zeit
wird nicht mehr verstanden und deshalb vereinfacht. Auch in Ostrom kam
es zur Vulgarisierung, jedoch es gab hier auch Ausbildungsanstalten für
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Recht und man beschäftigte sich intensiver mit dem Recht (Kodifikation
Justinians).
40. Was ist unter dem Edikt des Prätors zu verstehen?
Das Edikt des Prätors ist die Rechtsfortbildung durch
Rechtsschutzverheißung des Prätors. Im Edikt des Prätors sind einzelne
Aktionen und Einreden in Mustern vorformuliert.
41. Warum ist Kaiser Konstantin der Große für die Entwicklung des Rechts von
Bedeutung?
Weil er es war, der dem Christentum in der Zeit der Nachklassik die
Schleusen geöffnet hat und unter ihm Rom in West- und Ostrom geteilt
wurde.
Er war außerdem mit verantwortlich für die Institutionalisierung von
Autoritäten und ihrer Gewichtung indem er die Schriften des Papinian als
nicht authentisch bezeichnete und seine Heranziehung vor Gericht
untersagte, hingegen aber alle Schriften des Paulus bestätigte.
42. Was wissen Sie von den Augustinischen Ehegesetzen?
Augustus sah die Gefahr der Überfremdung Roms und bestritt
Bevölkerungspolitik. Da er wollte, das sich die Römer vermehren, stellte er
Heiratsgebote auf. So sollten viele Kinder gezeugt werden, geschah
dieses nicht, drohten hohe Steuern. Die „Pflicht zum Kinderkriegen“
endete bei 3 Kindern bzw. einer bestimmten Altersgrenze. Die Ehegesetze
des Augustus verstoßen aber gegen römische Sittengesetze, da auch
Witwen diesem Gebot folgen mussten.
43. „Recht“ wird gewöhnlich als „Sollensordnung“ umschrieben. Neben dem
Recht steht die Sitte. Worin besteht der Unterschied zwischen Recht und Sitte?
Der Unterschied zwischen Sitte und Recht besteht in den
unterschiedlichen Sanktionsarten.
Bei einem Verstoß gegen eine Sitte erfolgt eine gesellschaftliche Sanktion
(Meidung desjenigen, Ablehnung) demgegenüber, der den Verstoß
begangen hat.
Verstößt jemand jedoch gegen das Recht, kommt es zu einer rechtlichen
Folge, also einer Verurteilung.
Weiterhin ist die Sitte nicht niedergeschrieben, wo hingegen das Recht
jedoch (bis auf das Gewohnheitsrecht) in Gesetzestexten fixiert ist.
44. Seit wann kennt der Mensch die Schrift?
Seit 3500 Jahren ca.
45. Wer gilt als Erfinder der Keilschrift?
Die Sumerer
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46. Was war Anlass für die ersten schriftlichen Aufzeichnungen?
Das Rechnungswesen
47. Gibt es auf der Entwicklungsstufe der Jäger und Sammler „Eigentum“ und
„Erbrecht“?
Auf der Entwicklungsstufe der Jäger und Sammler war die Bedeutung von
Eigentum und Erbrecht sehr gering. Das begründet sich dadurch, dass sie
keine sesshafte Horden waren, sondern häufig den Ort wechselten. Dabei
wäre es nur hinderlich gewesen, viel
„Eigentum“ mitzunehmen. Außerdem wurde alles sofort konsumiert, es
gab also keine Notwendigkeit für Aufbewahrungsgegenstände. Vererbung
ist ebenfalls eher selten, da die wenigen Gegenstände, die man besaß
(z.B. Arbeitsgeräte) oft beim Toten, als letzte Gabe gelassen wurden.
Die Gleichheit in der Verteilung von Eigentum wurde durch Reziprozität
erreicht.
48. Es lassen sich historisch prinzipiell drei Strategien friedlicher
Konfliktbeilegung unterscheiden. Nennen Sie diese Strategien.
Die erste Möglichkeit der friedlichen Konfliktlösung bietet das sog.
„Palaver“, d.h. die Gruppe setzt sich zusammen, um eine Lösung zu
finden.
Weiterhin gibt es die Mediation. D.h. dass ein Dritter zur Lösung des
Konfliktes eingeschaltet wird, der dann zwischen den Parteien vermittelt
(=Mediator).
Weiter gibt es noch den obrigkeitlichen Richterspruch. Hier beruht die
Autorität des Richters nicht mehr auf dem Willen der Beteiligten sondern
auf Herrschaft.
49. Nach den römischen Geschichtsquellen fällt die Gründung Roms in
welches Jahr?
753 v. Chr.
50. Es wird angenommen, dass Rom eine etruskische Gründung ist. Welche
Indizien stützen diese Annahme?
Indizien dafür sind z.B. etruskische Funde in römischen Gebieten.
Weiterhin übernahmen die Römer einiges aus der etruskischen Kultur.
In Rechtsquellen spiegelt sich außerdem wieder, dass die Römer die
Schrift der Etrusker übernommen haben.
51. Nennen Sie die Organe des altrömischen Staates.
Zum altrömischen Staat gehörten zunächst der König (rex), der
Heerführer, oberster Priester und Gerichtsherr war.
Weiterhin gab es den Senat, der sich aus den Häuptern der patrizischen
Familien zusammensetze.
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Und schließlich gab es noch die Volksversammlung der waffentragenden
Männer.
52. In den Geschichtsquellen wird von Gesetzen der altrömischen Könige
berichtet. Heute nimmt man an, dass es sich um Schöpfungen der „pontifices“
gehandelt hat. Wer waren die pontifices?
Die pontefices waren Priester. Sie waren in einem Gremium
zusammengefasst und ihre Aufgabe bestand vor allem in der
Überwachung religiöser Vorschriften. Sie verwalteten das Recht und
gaben auch Auskunft darüber.
53. Das XII-Tafel-Gesetz stammt aus welchem Jahr?
451 v. Chr.
54. In XII-Tafeln IV 4 heißt es: „Wenn der Vater seinen Sohn dreimal zum Kauf
gegeben hat, sei der Sohn frei von väterlicher Gewalt.“ Wie deuten Sie den
Text?
Der Sohn steht unter der väterlichen Gewalt, d.h. der Vater kann ihm
Aufgaben und Weisungen erteilen, die er zu befolgen hat. Mit „zum Kauf
geben“ ist hier sicherlich gemeint, dass der Vater seinen Sohn jemand
anderem als Arbeiterkraft zur Verfügung stellt, also ihn als Leiharbeiter
außer Haus gibt. Ist dies dreimal geschehen, verliert der Vater seine
Gewalt über den Sohn.
55. Der römische Jurist Gauis erwähnt sechs unterschiedliche Quellen des
römischen Zivilrechts (ius civile). Nennen Sie wenigstens drei dieser Quellen!
Das Zivilrecht des römischen Volkes besteht aus:
Gesetzen
Plebisziten
Senatsbeschlüssen,
Kaiserkonstitutionen
Edikten
den Gutachten der Rechtsgelehrten.
56. Von einem germanischen „Strafrecht“ zu sprechen ist problematisch.
Wieso?
Es ist problematisch von einem germanischen Strafrecht zu sprechen, weil
die Straftaten zu dieser Zeit nicht von Amtswegen (wie heute), sondern
von Privatpersonen verfolgt wurden. Es gab die private Rache, aber
häufiger kam es vor, dass Bußen bezahlt wurden, doch diese hatten
sowohl strafrechtlichen als auch zivilrechtlichen Charakter.
57. Die „fränkischer Zeit“ wird in die merowingische und die karolingische
Epoche unterteilt. Grenzen Sie die beiden Epochen näher ein.
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Merowingische Zeit: ca. 500 – 751 (Absetzung des letzten
Merowingerkönigs Childerich III)
Karolingische Zeit: 751 – 888 (Absetzung Karl III)
58. Zu den Rechtsquellen der fränkischen Zeit gehören sog. „Volksrechte“
(leges). Was zeichnet den Gesetzgebungsstil dieser Quellen aus?
Die Volksrechte (leges) waren meist Aufzeichnungen von
Gewohnheitsrecht mit dem Einfluss römischen Rechts. Die Normen in der
Lex Salica zum Beispiel sind nicht abstrakt, sondern sehr speziell. Sie
wurden nach Sachverhalten, die bereits passiert waren ausgerichtet.
Außerdem wird bei den Delikten auch unterschieden um welche Sache es
sich handelte, der Diebstahl von geopferten Schweinen wurde höher
bestraft als der von nicht geopferten Schweinen.
59. In die fränkische Zeit fallen die Anfänge des Lehenswesens. Was ist der
Auslöser dafür?
Die Anfänge des Lehenswesens gehen zurück in die Merowingerzeit.
Unter den Karolingern entwickelte es sich zu seiner endgültigen Form.
Das Lehenswesen hat im Gegensatz zur
Grundherrschaft (die ein Instrument für die Organisation der Arbeit von
Bauern war) eine politische Aufgabe. Es sollte die Existenz von Kriegern
sichern. Der Vasall musste seinem Herrn für das Lehen in den Krieg
folgen.
60. Angesichts der Gerichtsbarkeit lassen sich für das Frühmittelalter drei
Ebenen unterscheiden. Welche?
Die drei Ebenen der Gerichtsbarkeit sind im Frühmittelalter:
das Gaugericht
das Königsgericht
die Grundherrschaft
61. Die vor den frühmittelalterlichen Gerichten auftretenden Zeugen werden
gewöhnlich als „Leumundzeugen“ bezeichnet. Was bedeutet das?
Der Leumundzeuge, kann die begangene Tat nicht bezeugen oder
Aussagen darüber machen, vielmehr bezeugt er, dass der Angeklagte ein
ehrenhafter Mensch ist und vor Gericht nicht lügen würde.
62. Was ist die „Laieninvestitur“?
Die Einsetzung eines Bischofs durch den Kaiser.
63. In welchem Sinne hat das Wormser Konkordat von 1122 den
„Investiturstreit“ zwischen Kaiser und Papst beigelegt?
Das Wormser Konkordat ist ein Vertrag zwischen Kaiser Heinrich V. und
dem Papst. Er besagt dass die Bischöfe weiterhin Vasallen des Königs
bleiben, er sie aber nicht mehr in sein
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Amt einsetzt, sondern sie werden vom Klerus und vom Volk gewählt und
vom Papst eingesetzt. Kommt es zu einer Gleichheit im Wahlergebnis
bestimmt der Kaiser.
64. Für das Heilige Römische Reich Deutscher Nation unterscheidet man heute
zwischen „Frührezeption“ und „Hauptrezeption“. Was ist damit gemeint?
In der Frührezeption (bis zum ausgehenden 15. Jh.) erfolgte die
Übernahme des römischen Rechts nur in geringem Maße. Entscheidend
für die Rechtspflege ist die Rechtskenntnis von
Laien, wo hingegen der Einfluss wissenschaftlich ausgebildeter Juristen
eher gering ist.
Römisches Recht gilt hier nur subsidiär. Also existiert das römische Recht
zwar bereits in der Theorie, jedoch wird es in der Praxis noch nicht
umgesetzt.
Ab ca. 1500 kam es dann zur Hauptrezeption. Die Rechtspraxis wird nun
maßgeblich vom römischen Recht beeinflusst. Ursache dafür war die
Ausbildung einer Zentraljustiz (Reichskammergericht).
65. Welche Elemente machen für das Mittelalter die „Stadt im Rechtssinn“
aus?
Die Stadt im Rechtssinn ist eine Stadt mit eigenem Stadtrecht und eigener
Gerichtsbarkeit.
In der Stadt zu leben, bedeutete für die Leute vom Land auch Freiheit,
denn wer nicht von seinem Grundherren während einer bestimmten Frist
zurückgefordert wurde, war frei.
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