Aus der Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Universität zu Köln Leiter: Privatdozent Dr. med. C. Albus Klinische Charakteristika, Diagnostik, Therapie und Prognose der psychogenen Bewegungsstörungen – eine systematische Literaturübersicht Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde Der Hohen Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln vorgelegt von David Geronimo Hoffmann aus Bergisch Gladbach Promoviert am 22. Februar 2012 Gedruckt mit der Genehmigung der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln 2012 Druck: DCC Competence Center GmbH, Köln Dekan: Universitätsprofessor Dr. med. Dr. h. c. Th. Krieg 1. Berichterstatter: Privatdozent Dr. med. C. Albus 2. Berichterstatter: Universitätsprofessor Dr. med. L. Timmermann Erklärung Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Dissertationsschrift ohne unzulässige Hilfe Dritter und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe; die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht. Bei der Auswahl und Auswertung des Materials sowie bei der Herstellung des Manuskriptes habe ich Unterstützungsleistungen von folgenden Personen erhalten: Dr. med. Frank Vitinius Weitere Personen waren an der geistigen Herstellung der vorliegenden Arbeit nicht beteiligt. Insbesondere habe ich nicht die Hilfe einer Promotionsberaterin/eines Promotionsberaters in Anspruch genommen. Dritte haben von mir weder unmittelbar noch mittelbar geldwerte Leistungen für Arbeiten erhalten, die im Zusammenhang mit dem Inhalt der vorgelegten Dissertationsschrift stehen. Die Dissertationsschrift wurde von mir bisher weder im Inland noch im Ausland in gleicher oder ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt. Köln, den 14. 07. 2011 David Geronimo Hoffmann Die Erarbeitung des Konzeptes dieser Dissertation erfolgte unter Anleitung von Dr. med. F. Vitinius, Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Universität zu Köln. Die dieser Arbeit zugrunde liegende systematische Literaturrecherche wurde von mir selbst durchgeführt und ausgewertet. Danksagung An erster Stelle möchte ich mich bei meinen Eltern für ihre Unterstützung und Hilfe bedanken, die mich während des gesamten Studiums, wie auch zuvor, begleitet haben und ohne die mir weder ein Studium der Medizin noch diese Dissertation möglich gewesen wäre. Ich danke meinem Doktorvater, Privatdozent Dr. med. C. Albus, für die Überlassung des Themas und Dr. med. F. Vitinius für die gute und zuverlässige Betreuung sowie kompetenten Anregungen und Hilfestellungen bei fachspezifischen Fragen. Danken möchte ich auch D. Hasan für Tipps und Tricks bei der grafischen Gestaltung der Arbeit, die wesentlich zum Gelingen dieser beigetragen haben. Abschließend gilt mein besonderer Dank meinen ehemaligen Kommilitonen, jetzigen Kollegen, aber vor allem Freunden T. Petrat, F. Ullmann und D. Hasan, ohne die das Studium sicherlich nicht das gleiche gewesen wäre. Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis 4 1 Einleitung 5 1.1 Gegenstand der Untersuchung 5 1.2 Ziel und Aufbau der Untersuchung 5 2 Methodik 7 2.1 Datenbanken und Literaturrecherche 7 2.1.1 Datenbanken via MedPilot 10 2.1.2 Suchergebnisse via MedPilot 11 2.2 Suchergebnisse in MEDLINE via Pubmed 19 3 Studienauswertung 22 3.1 Auswahl und qualitative Beurteilung der Studien 22 3.2 Flussdiagramm zum Suchprozess der eingeschlossenen Studien 24 4 Ergebnisse der Studienauswertung 25 4.1 Zur Pathophysiologie der psychogenen Bewegungsstörungen: neurophysiologische Phänomene 4.2 26 Zur Diagnostik von psychogenen Bewegungsstörungen: unterschiedliche Ansätze und Verfahren 31 4.2.1 Bildgebende Verfahren 36 4.2.2 Psychogener Parkinsonismus 37 4.2.3 Psychogener Tremor 40 4.2.4 Evaluation klinischer Diagnosekriterien von psychogenen Bewegungsstörungen 4.3 43 Grundlagen, Symptomatik und klinisches Erscheinungsbild der psychogenen Bewegungsstörungen 44 4.3.1 Studien, die unterschiedliche psychogene Bewegungsstörungen erfassen 1 44 4.3.2 Psychogener Myoklonus 52 4.3.3 Psychogene Gangstörungen 53 4.3.4 Psychogener Tremor 55 4.3.5 Psychogene Dystonie 57 4.3.6 Psychogener Parkinsonismus 59 4.3.7 Motorische Konversionsstörung vs. psychogene nichtepileptische Anfälle 60 4.3.8 Psychogene Bewegungsstörungen und Affekt 62 4.3.9 Psychogene Bewegungsstörungen und intellektuelle Fähigkeiten 63 4.3.10 Psychogene Bewegungsstörungen im interkulturellen Vergleich 64 4.3.11 Psychogene Bewegungsstörungen im Kindes- und Jugendalter 66 4.3.12 Psychogene Bewegungsstörungen und Lebensqualität 69 4.4 70 Therapie und Behandlungsansätze bei psychogenen Bewegungsstörungen 4.4.1 Psychogenene Bewegungsstörungen und Psychotherapie 70 4.4.2 Psychogenene Bewegungsstörungen und Hypnose 71 4.4.3 Psychogene Bewegungsstörungen und Biofeedback 73 4.4.4 Psychogene Bewegungsstörungen und Pharmakotherapie 74 4.4.5 Multimodale therapeutische Ansätze 75 4.4.6 Qualität der medizinischen Versorgung 78 4.5 79 Outcome/Prognose der psychogenen Bewegungsstörungen 4.5.1 Psychogener Tremor 79 4.5.2 Psychogene Dystonie 80 4.5.3 Psychogene Bewegungsstörungen allgemein 81 5 Diskussion 84 5.1 Inhalt und Methodik 84 5.2 Definition und Klassifikation 84 5.2.1 Epidemiologie 85 5.2.1.1 Prävalenz 85 5.2.1.2 Geschlechterverteilung 86 5.2.1.3 Prädisponierende und auslösende Faktoren 87 5.2.1.4 Prädominante Symptome 87 2 5.2.1.5 Interkulturelle Aspekte 88 5.2.2 Ätiologie und Genese 88 5.2.2.1 Koexistierende psychische Krankheitsbilder 88 5.2.2.2 Die komorbiden Krankheitsbilder im Einzelnen 89 5.3 Diagnostik 92 5.4 Spezifische Störungsbilder bei psychogenen Bewegungsstörungen 98 5.4.1 Psychogener Tremor 98 5.4.2 Psychogene Dystonie 100 5.4.3 Psychogener Myoklonus 103 5.4.4 Psychogene Gangstörungen 104 5.4.5 Psychogener Parkinsonismus 105 5.4.6 Psychogene Bewegungsstörungen im Kindes- und Jugendalter 107 5.5 109 Therapie 5.5.1 Interaktion zwischen Arzt und Patient 109 5.5.2 Psychopharmakotherapie 110 5.5.3 Multimodale Ansätze 111 5.5.4 Zusammenfassung 112 5.6 Outcome und Prognose 113 6 Konklusion und Ausblick 116 7 Zusammenfassung 119 8 Literaturverzeichnis 120 9 Anhang 10 Oxford Centre for Evidence-based Medicine – Levels of Evidence 132 Lebenslauf 134 3 Abkürzungsverzeichnis [123I] ß-CIT = [123I] ß-carboxymethyoxy-3-ß-(4-iodophenyl) CET = Computer-Emissions-Tomografie DSM = Diagnostic and Statistical Manual for Mental Disorders EEG = Elektroenzephalografie EMG = Elektromyografie EOG = Elektrookulografie fMRIT = Functional Magnetic Resonance Imaging ICD-10 = International Statistical Classification of Diseases and Related Disorders, Version 10 LFU = Loss to follow up MRT = Magnetresonanztomografie PET = Positronen-Emissions-Tomografie SPECT = Single Photon Emission Computed Tomographie TMS = Transkranielle Magnetstimulation 4 1 Einleitung 1.1 Gegenstand der Untersuchung Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit psychogenen Bewegungsstörungen. Als psychogene Bewegungsstörungen werden verschiedene funktionelle motorische Störungen bezeichnet, denen keine medizinisch erklärbare organische Ursache zugrunde liegt, sondern deren Genese hauptsächlich in intrapsychischen Prozessen zu suchen ist. Sie werden dem Formenkreis der somatoformen bzw. dissoziativen Störungen zugerechnet und umfassen ein breites Spektrum von Symptomen, unter denen Tremor, Dystonie, Gangstörungen, Myoklonie und parkinsonsche Krankheitsbilder die häufigsten sind [40, 44, 159]. Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen leiden häufig unter psychischen CoErkrankungen wie Depression oder Angststörungen und stellen den diagnostizierenden und behandelnden Arzt vor eine schwierige Aufgabe. Trotz ihrer hohen Prävalenz, die sich je nach Studie zwischen 3,5% [84] und 11% [21] unter allen Patienten mit Bewegungsstörungen bewegt, und Schätzungen [21], nach denen bis zu einem Drittel aller neurologischen Patienten medizinisch nicht erklärbare Symptome aufweisen, sind sowohl neurophysiologische Ursachen und Phänomene als auch spezifische diagnostische und therapeutische Ansätze unzureichend erforscht. Die Heterogenität und Komplexität der Symptome sowie häufige CoErkrankungen organischer oder nichtorganischer Ursache erschweren eine allgemeine Erfassung und Erforschung der psychogenen Bewegungsstörungen und machen viele spezifische Studien notwendig, um die Grundlagen der Krankheitsgenese zu verstehen und die diagnostische Genauigkeit sowie den therapeutischen Erfolg zu erhöhen. 1.2 Ziel und Aufbau der Untersuchung Ziel dieser Dissertation ist es, eine methodisch transparente und systematische Literaturübersicht zu erstellen, die die aktuelle Studienlage zum Thema psychogene Bewegungsstörungen vollständig erfasst und in der nachfolgenden Diskussion (Kapitel 5) die wichtigsten Ergebnisse aus Kapitel 4 im Gesamtkontext zueinander in Bezug bringt. 5 Hierzu wurde zunächst eine umfassende und dokumentierte Literaturrecherche in medizinischen und psychologischen Datenbanken durchgeführt und die Abstracts der verfügbaren Studien auf ihre thematische Relevanz hin gesichtet. Im Anschluss wurde die methodische Qualität der ausgewählten Studien mittels einer Checkliste [152] überprüft und anhand der Oxford Centre for Evidence-based Medicine Levels of Evidence [114] bewertet. Aufbau, Methodik, Resultate und Bewertung der einzelnen Studien wurden in Kapitel 4 „Ergebnisse der Studienauswertung“ in einem kurzen, deskriptiven Text zusammengefasst und am Ende des jeweiligen Abschnitts in tabellarischer Form übersichtlich dargestellt. Jeder Studie wurde ein Kommentar des Verfassers angefügt, der auf Besonderheiten, interessante Fakten oder qualitative Stärken bzw. Mängel der jeweiligen Studie hinweist. Die abschließende Diskussion der Studienauswertung in Kapitel 5 beschäftigt sich mit Epidemiologie, Diagnostik, klinischem Erscheinungsbild, Therapie und Prognose der psychogenen Bewegungsstörungen im Allgemeinen und ihren verschiedenen Unterformen im Speziellen. Hierbei werden die Ergebnisse der ausgewerteten Studien sowie Expertenmeinungen und der aktuelle Wissensstand aus Sekundärliteratur aufgegriffen und kritisch reflektiert, sodass ein differenzierter Überblick über den Themenkomplex psychogene Bewegungsstörungen gegeben wird. 6 2 Methodik 2.1 Datenbanken und Literaturrecherche Die Auswahl der für die Literaturrecherche relevanten Datenbanken wurde in Absprache mit dem betreuenden Experten für das Dissertationsthema „Psychogene Bewegungsstörungen/Konversionsstörungen“ getroffen. Des Weiteren wurden Datenbankinformationen des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) [31] berücksichtigt. Die Recherche in den Datenbanken erfolgte ebenso ohne zeitliche Limitierung wie ohne Einschränkung der Publikationssprache. Suchende war der 30.12.2009. Bei der Auswahl der Dokumente wurden nur in Deutsch und Englisch abgefasste Texte berücksichtigt; bei anderssprachigen Dokumenten erfolgte eine Auswertung der Abstracts, sofern diese in englischer Sprache vorlagen. Tab. 2.1 Suchtermini „Freie Suche“ (FS) Suchtermini psychogene Bewegungsstörungen psychogenic movement disorders psychogener Tremor psychogenic tremor psych* psychia* psychoso* Die Literatursuche erfolgte über die Suchmaschinen MedPilot (http://www.medpilot.de) [99] und PubMed (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/) [149], wobei in MedPilot zunächst die Suchfunktion „Freie Suche“ mit den themenrelevanten Suchtermini (Bsp.: FS= „psychogenic movement disorders“; s. Tabelle 2.1, S. 7) verwendet wurde. Um die Suche weiter einzugrenzen und die Suchergebnisse zu spezifizieren, wurden die Sucheinschränkungen „Titelsuche“ (TI; s. Tabelle 2.2, S. 8), Trunkierungen (Bsp.: FS= „psych*“; s. Tabelle 2.3, S. 8) und Boole´sche Operatoren (Bsp.: „movement disorders“ AND „psychiatry“) verwendet. 7 Tab. 2.2 Suchtermini „Titelsuche“ (TI) Suchtermini psychogenic movement disorders psychogene Bewegungsstörungen psych* psychia* psychoso* Nach Durchsicht der Abstracts der für die Arbeit relevanten Publikationen wurde zusätzlich die Suchfunktion „Related articles“ verwandt sowie die Literaturangaben der gesichteten Quellen auf weitere themenrelevante Literatur hin kontrolliert. Tab. 2.3 Trunkierungen Trunkierungen psych* psychia* psychoso* Tab. 2.4 Boole´sche Operatoren Boole´sche Operatoren AND OR Bei der Suche mit PubMed wurde zuerst mit den gleichen Begriffen wie bei der Suche mit MedPilot gearbeitet (s. Tabelle 2.1, S. 7). Des Weiteren wurden MeSH Terms (Medical Subject Headings) der U.S. National Library of Medicine verwendet (Bsp.: „psychomotor disorders“; s. Tabelle 2.5, S. 9), die mittels diverser Subheadings (Bsp.: „diagnosis“; s. Tabelle 2.6, S. 9) eingegrenzt wurden. 8 Tab. 2.5 Verwendete MeSH Terms MeSH Terms psychomotor disorders conversion disorders psychophysiological disorders Tab. 2.6 Verwendete Subheadings MeSH Terms diagnosis epidemiology ethnology etiology pathology therapy Eine weitere Einschränkung und Spezifizierung der Suche, um relevante klinische Studien zu finden, wurde zusätzlich über die Suchfunktion „Limits“ erreicht, bei der die Auswahl der Dokumente nach diversen Einschlusskriterien eingegrenzt wurde (Bsp.: „Randomisierte und kontrollierte Studie“; s. Tabelle 2.7, S. 9). Tab. 2.7 Sucheinschränkungen („Limits“) in PubMed MeSH Terms randomized controlled trial case reports clinical trial clinical trial phase I clinical trial phase II clinical trial phase III clinical trial phase IV comparative study controlled clinical trial multicenter study twin study validation studies 9 2.1.1 Datenbanken via MedPilot Folgende Datenbanken dienten als Ausgangspunkt für die Literaturrecherche mithilfe der Suchmaschine MedPilot (www.medpilot.de) [99], wobei Publikationen ohne Einschränkung der Publikationssprache und zeitliche Begrenzung des Publikationsdatums bis Dezember 2009 gesucht wurden*: BIOSIS Previews als Nachweise der internationalen Literatur aus Biologie (Zoologie, Botanik, Mikrobiologie), Human- und Veterinärmedizin, Biochemie, Pharmakologie, Toxikologie und Umweltforschung mit Schwerpunkt Nordamerika und Europa CCMed (Current Contents Medicine) mit Literaturnachweisen aus deutschsprachigen Zeitschriften zu Medizin und Gesundheitswesen Cochrane Library – Central (Central Register of Controlled Trials) als Bibliografie kontrollierter klinischer Studien Cochrane Library – CDSR (Cochrane Database of Systematic Reviews) als Datenbank für formal und strukturell standardisierte Übersichtsarbeiten DARE (Database of Abstracts of Reviews of Effects) als Datenbank mit strukturierten Zusammenfassungen weltweiter systematischer Übersichtsarbeiten EMBASE (Excepta Medica Database) als Datenbank mit Nachweisen internationaler Literatur und dem Schwerpunkt Europa ISTPB + ISTP/ISSHP (Index to Scientific and Technical Proceedings) und ISSHP (Index to Social Sciences and Humanities Proceedings) als Datenbank mit Informationen über internationale Konferenzen zu Natur-/Biowissenschaften und Sozialwissenschaften PsycINFO mit Nachweisen internationaler Literatur zur Psychologie und psychologierelevanten Gebieten PSYNDEX mit Angaben zu deutsch- und englischsprachigen Publikationen aus deutschsprachigen Ländern und dem Bereich Psychologie SciSearch mit Nachweisen der weltweit veröffentlichten Literatur aus den gesamten reinen und angewandten Naturwissenschaften, der Technik und Medizin XTOXLINE mit Datenbeständen („Subunits“) unterschiedlicher Größe und Spezifität von verschiedenen Herstellern * Nach www.dimdi.de [32]. 10 In den Tabellen 2.8 bis 2.29 im Abschnitt 2.1.2 sind Gesamttrefferzahl und Aufteilung der Gesamttreffer auf die verschiedenen Datenbanken dargestellt. Hierbei ist zu beachten, dass es zu gemeinsamen Schnittmengen der Gesamttreffer kommen kann, da in den verschiedenen Datenbanken oftmals identische Artikel aufgelistet sind. Datenbanken, bei denen die Suchanfrage nicht zu einem Treffer führte, werden in der entsprechenden Tabelle nicht aufgeführt. Bei einer Trefferzahl < 200 pro Suchbefehl wurden die Abstracts aller Treffer gesichtet; lag die Trefferzahl über 200 wurden lediglich die Titel der Treffer gesichtet und versucht, die Suche mit weiteren Suchfunktionen einzugrenzen und zu spezifizieren. 3.1.2 Suchergebnisse via MedPilot Die „Freie Suche“ mit psychogene Bewegungsstörungen (Suchbefehl: FS= „psychogene“ +FS= „bewegungsstörungen“) für deutschsprachige Literatur zum Thema ergab 11 Treffer (s. Tabelle 2.8, S. 11). Tab. 2.8 (FS= „psychogene“ +FS= „bewegungsstörungen“) Datenbank Treffer CCMed EMBASE 2 1 PSYNDEX 8 Die „Titelsuche“ für deutschsprachige Literatur mit dem Suchbegriff psychogene Bewegungsstörungen (Suchbefehl: TI= „psychogene“ +TI= „bewegungsstörungen“) brachte lediglich 2 Treffer (s. Tabelle 2.9, S. 11). Tab. 2.9 (TI= „psychogene“ +TI= „bewegungsstörungen“) Datenbank Treffer CCMed 2 Die Ausweitung der Recherche auf englischsprachige Dokumente erfolgte in der „Freien Suche“ mit psychogenic movement disorders (Suchbefehl: FS= „psychogenic“ +FS= „movement“ +FS= „disorders“) und brachte 2266 Treffer (s. Tabelle 2.10, S. 12). 11 Tab. 2.10 (FS= „psychogenic“ +FS= „movement“ +FS= „disorders“) Datenbank Treffer BIOSIS CCMed Cochrane Central EMBASE ISTPB + ISTP/ISSHP PsycINFO 133 1 2 130 103 1461 PSYNDEX SciSearch XTOXLINE 229 190 17 Um die Suchergebnisse weiter einzugrenzen, wurde auch hier die „Titelsuche“ (Suchbefehl: „TI= „psychogenic“ +TI= „movement“ +TI= „disorders“) verwendet, was zu 201 Treffern (s. Tabelle 2.11, S. 12) führte. Tab. 2.11 (TI= „psychogenic“ +TI= „movement“ +TI= „disorders“) Datenbank Treffer BIOSIS CCMed EMBASE ISTPB + ISTP/ISSHP PsycINFO PSYNDEX SciSearch 21 1 36 45 26 8 64 Um weitere themenrelevante Dokumente zu finden, wurden nun wiederum in der Funktion „Freie Suche“ die Suchbegriffe mit den Trunkierungen (s. Tabelle 2.3, S. 8) kombiniert. Die Suche mit psych* bewegungsstörungen (Suchbefehl: FS= „psych*“ +FS= „bewegungsstörungen“) erbrachte 148 Treffer (s. Tabelle 2.12, S. 12). Tab. 2.12 (FS= „psych*“ +FS= „bewegungsstörungen“) Datenbank Treffer CCMed EMBASE PsycINFO PSYNDEX 20 7 10 111 12 Die Suche mit psychia* bewegungsstörungen (Suchbefehl: FS= „psychia*” +FS= „bewegungsstörungen“) ergab 56 Treffer (s. Tabelle 2.13, S. 13). Tab. 2.13 (FS= „psychia*“ +FS= „bewegungsstörungen“) Datenbank Treffer CCMed EMBASE PsycINFO PSYNDEX 11 6 2 37 Auf die Suchanfrage psychoso* bewegungsstörungen (Suchbefehl: FS= „psychoso*” +FS= „bewegungsstörungen“) gab es 34 Treffer (s. Tabelle 2.14, S. 13). Tab. 2.14 (FS= „psychoso*“ +FS= „bewegungsstörungen“) Datenbank Treffer PSYNDEX 34 Um eine größere Abdeckung des Suchraums bei der Recherche nach englischsprachigen Dokumenten vorzunehmen, wurden auch die englischen Suchbegriffe mit den jeweiligen Trunkierungen in der Suchfunktion „Freie Suche“ kombiniert. Die Suche mit psych* movement disorders (Suchbefehl: FS= „psych*“ +FS= „movement“ +FS= „disorders“) führte zu 24755 Treffern (s. Tabelle 2.15, S. 13). Tab. 2.15 (FS= „psych*“ +FS= „movement“ +FS= „disorders“) Datenbank Treffer BIOSIS CCMed Cochrane Central 10849 1 313 CDSR DARE EMBASE ISTPB + ISTP/ISSHP PsycINFO PSYNDEX SciSearch XTOXLINE 48 22 2662 458 6225 1231 1584 1362 13 Die Trefferzahl bei der Suche mit psychia* movement disorders (Suchbefehl: FS= „psychia*“ +FS= „movement“ +FS= „disorders“) für Literatur aus dem Themengebiet der Psychiatrie ergab 15591 Treffer (s. Tabelle 2.16, S. 14), während die Suche nach Literatur aus dem psychosozialen, psychosomatischen und psychologischen Themenbereich mit psychoso* movement disorders (Suchbefehl: FS= „psychoso*“ +FS= „movement“ +FS= „disorders“) insgesamt 1202 Treffer (s. Tabelle 2.17, S. 14) ergab. Tab. 2.16 (FS= „psychia*“ +FS= „movement“ +FS= „disorders“) Datenbank Treffer BIOSIS Cochrane Central CDSR DARE EMBASE ISTPB + ISTP/ISSHP 10206 118 3 11 2222 230 PsycINFO PSYNDEX 1335 196 SciSearch XTOXLINE 828 442 Tab. 2.17 (FS= „psychoso*“ +FS= „movement“ +FS= „disorders“) Datenbank Treffer BIOSIS Cochrane Central DARE 224 8 5 EMBASE ISTPB + ISTP/ISSHP 135 17 PsycINFO PSYNDEX SciSearch XTOXLINE 264 406 96 47 Aufgrund der hohen Trefferzahlen wurde auch hier die Sucheinschränkung „Titelsuche“ verwendet, was bei psych* movement disorders (Suchbefehl: TI= „psych*“ +TI= „movement“ +TI= „disorders“) zu einer Eingrenzung auf 405 Treffer (s. Tabelle 2.18, S. 15) führte. Die Titelsuche mit psychia* movement disorders (Suchbefehl: TI= „psychia*“ +TI= „movement“ +TI= „disorders“) brachte 83 Treffer (s. Tabelle 2.19, S. 15), während psychoso* movement 14 disorders (Suchbefehl: TI= „psychoso*“ +TI= „movement“ +TI= „disorders“) zu 11 Treffern führte (s. Tabelle 2.20, S. 15). Tab. 2.18 (TI= „psych*“ +TI= „movement“ +TI= „disorders“) Datenbank Treffer BIOSIS 51 Cochrane Central EMBASE ISTPB + ISTP/ISSHP PsycINFO PSYNDEX SciSearch 3 81 57 63 17 109 XTOXLINE 24 Tab. 2.19 (TI= „psychia*“ +TI= „movement“ +TI= „disorders“) Datenbank Treffer BIOSIS 15 Cochrane Central EMBASE 1 19 ISTPB + ISTP/ISSHP PsycINFO 6 13 PSYNDEX SciSearch XTOXLINE 1 22 6 Tab. 2.20 (TI= „psychoso*“ +TI= „movement“ +TI= disorders“) Datenbank Treffer BIOSIS 1 EMBASE ISTPB + ISTP/ISSHP 2 1 PsycINFO PSYNDEX SciSearch XTOXLINE 2 2 2 1 Die weitere Suche nach Literatur zum Dissertationsthema „Psychogene Bewegungsstörungen“ konzentrierte sich nun auf einen wichtigen Aspekt des Themenkomplexes, den „psychogenen Tremor“. Vorgehensweise und Datenbanken waren hierbei identisch. 15 Tab. 2.21 (FS= „psychogene“ +FS= „bewegungsstörungen“) Datenbank Treffer BIOSIS EMBASE PsycINFO PSYNDEX 1 1 1 1 Die Recherche nach deutschsprachiger Literatur in der „Freien Suche“ mit dem Suchbegriff psychogener Tremor (Suchbefehl: FS= „psychogener“ +FS= „tremor“) erbrachte lediglich 4 Treffer (s. Tabelle 2.21, S. 16). Tab. 2.22 (FS= „psychogenic“ +FS= „tremor“) Datenbank Treffer BIOSIS Cochrane Central EMBASE ISTPB + ISTP/ISSHP PsycINFO PSYNDEX SciSearch XTOXLINE 68 1 133 30 189 5 113 14 Auf eine Spezifizierung der Suche mittels der Funktion „Titelsuche“ wurde aufgrund der geringen Trefferzahl verzichtet und die Suche nach englischsprachiger Literatur mit psychogenic tremor (Suchbefehl: FS= „psychogenic“ +FS= „tremor“) begonnen. Dieser Suchbefehl führte zu 553 Treffern (s. Tabelle 2.22, S. 16) und wurde anschließend mit der „Titelsuche“ (Suchbefehl: TI= „psychogenic“ +TI= „tremor“) eingegrenzt, was zu 113 Treffern führte (s. Tabelle 2.23, S. 16). Tab. 2.23 (TI= „psychogenic“ +TI= „tremor“) Datenbank Treffer BIOSIS EMBASE ISTPB + ISTP/ISSHP PsycINFO PSYNDEX SciSearch XTOXLINE 20 25 17 11 2 37 1 16 Zur größeren Abdeckung des Suchraums wurde nun zunächst in der „Freien Suche“ mit psych* tremor gesucht (Suchbefehl: FS= „psych*“ +FS= „tremor“), was zu einer Trefferanzahl von 12737 führte (s. Tabelle 2.24, S. 17). Tab. 2.24 (FS= „psych*“ +FS= „tremor“) Datenbank Treffer BIOSIS CCMed Cochrane Central CDSR DARE EMBASE ISTPB + ISTP/ISSHP PsycINFO PSYNDEX SciSearch XTOXLINE 2525 18 258 11 15 6667 112 1426 52 682 8 Die „Freie Suche“ mit psychia* tremor (Suchbefehl: FS= „psychia*“ +FS= „tremor“) ergab 8319 Treffer (s. Tabelle 2.25, S. 17). Tab. 2.25 (FS= „psychia*“ +FS= „tremor“) Datenbank Treffer BIOSIS CCMed 2226 17 Cochrane Central CDSR 103 1 DARE EMBASE ISTPB + ISTP/ISSHP PsycINFO 12 5232 35 204 PSYNDEX SciSearch 9 241 XTOXLINE 239 Die „Freie Suche“ mit psychoso* tremor (Suchbefehl: FS= „psychoso*“ +FS= „tremor“) ergab 314 Treffer (s. Tabelle 2.26, S. 18). 17 Tab. 2.26 (FS= „psychoso*“ +FS= „tremor“) Datenbank Treffer BIOSIS Cochrane Central DARE EMBASE ISTPB + ISTP/ISSHP PsycINFO 23 4 2 211 6 23 PSYNDEX SciSearch XTOXLINE 9 28 8 Um die hohen Trefferzahlen einzugrenzen, wurden nun die Suchbefehle auch in der „Titelsuche“ verwendet. Psych* tremor (Suchbefehl: TI= „psych*“ +TI= „tremor“) ergab dabei 180 Treffer (s. Tabelle 2.27, S. 18). Tab. 2.27 (TI= „psych*“ +TI= „tremor“) Datenbank Treffer BIOSIS Cochrane Central EMBASE 26 1 45 ISTPB + ISTP/ISSHP PsycINFO PSYNDEX SciSearch XTOXLINE 21 24 3 52 8 Die „Titelsuche“ mit psychia* tremor (Suchbefehl: TI= „psychia*“+TI= „tremor“) reduzierte die Trefferzahl auf 15 (s. Tabelle 2.28, S. 18). Tab. 2.28 (TI= „psychia*“ +TI= „tremor“) Datenbank Treffer CCMed EMBASE ISTPB + ISTP/ISSHP PsycINFO SciSearch XTOXLINE 2 5 1 3 3 1 18 Die „Titelsuche“ mit psychoso* tremor (Suchbefehl: TI= „psychoso*“ +TI= „tremor“) erbrachte 18 Treffer (s. Tabelle 2.29, S. 19). Tab. 2.29 (TI= „psychoso*“ +TI= „tremor“) Datenbank Treffer BIOSIS EMBASE 1 3 ISTPB + ISTP/ISSHP PsycINFO PSYNDEX SciSearch XTOXLINE 1 1 9 3 8 3.2 Suchergebnisse in MEDLINE via Pubmed Zur weiteren Suche von Literatur zum Dissertationsthema „Psychogene Bewegungsstörungen“ wurde nun die Datenbank MEDLINE (MEDical Literature Analysis and Retrieval System OnLINE) [98] benutzt, wozu die englischsprachige Meta-Datenbank der „U.S. National Library of Medicine“ PubMed (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/) [149] verwendet wurde. Die Suchergebnisse sind in Tabelle 2.30 (s. S. 20) zusammengefasst. Im ersten Schritt wurde zunächst mit dem Suchbegriff psychogenic movement disorders begonnen, der zu 283 Treffern führte, von denen wiederum 72 Reviews waren. Die Suche mit psychogenic tremor erbrachte 96 Treffer (12 Reviews) Die Inhalte der Reviews, die sich mit psychogenen Bewegungsstörungen befassten, wurden bei der Diskussion (Kapitel 5) berücksichtigt, wegen mangelnder Evidenz jedoch nicht in die Studienauswertung (Kapitel 4) aufgenommen. Nun wurde explizit nach Studien zum Dissertationsthema gesucht. Hierzu wurde die Sucheinschränkung „Limits“ (s. Tabelle 2.7, S. 9) mit dem Suchbegriff psychogenic movement disorders verwendet. Diese Suche ergab 123 Treffer, davon 11 Reviews. Die Suche nach psychogenic tremor ergab bei identischer Limitierung 37 Treffer (5 Reviews). Metaanalysen zum Thema psychogene Bewegungsstörungen konnten nicht gefunden werden. Zur weiteren Spezifizierung wurde im nächsten Schritt nun der Thesaurus MeSH (Medical Subject Headings) verwendet. Als MeSH Term wurde zunächst psychomotor disorders (Suchbefehl: „psychomotor disorders“ [Mesh]) verwendet, was zu 8952 Treffern (1001 Reviews) führ19 te. Um die Suche zu präzisieren, wurden nun die verschiedenen MeSH Terms kombiniert. Psychomotor disorders AND movement disorders (Suchbefehl: „psychomotor disorders“ [Mesh] AND „movement disorders“ [Mesh]) ergab 788 Treffer, davon 100 Reviews. Psychomotor disorders AND conversion disorders (Suchbefehl: „psychomotor disorders“ [Mesh] AND „conversion disorders“ [Mesh]) ergab 20 Treffer, davon 3 Reviews. Psychomotor disorders AND psychophysiological disorders (Suchbefehl: „psychomotor disorders“ [Mesh] AND „psychophisiological disorders“ [Mesh]) führte zu 64 Treffern, davon 5 Reviews. Im weiteren Verlauf wurde psychomotor disorders durch die Kombination mit verschiedenen Subheadings spezifiziert und so explizit nach Literaturthemen gesucht, die in der Dissertation wichtige Schwerpunkte bilden. Als Erstes erbrachte psychomotor disorders AND diagnosis Tab. 2.30 Suchergebnisse in MEDLINE via PubMed Einschränkungen Suchtermini Treffer (Reviews in Klammern) psychogenic movement disorders 283 (72) psychogenic tremor 96 (12) * psychogenic movement disorders 123 (11) * psychogenic tremor 37 (5) psychomotor disorders 8952 (1001) psychomotor disorders AND movement disorders 788 (100) psychomotor disorders AND conversion disorders 20 (3) psychomotor disorders AND psychophysiological disorders 64 (5) psychomotor disorders AND diagnosis 2777 (274) psychomotor disorders AND epidemiology 622 (63) psychomotor disorders AND drug therapy 1184 (200) psychomotor disorders AND ethnology 17 psychomotor disorders AND etiology 4177 (461) psychomotor disorders AND pathology 302 (46) psychomotor disorders AND psychology 1256 (115) psychomotor disorders AND therapy 2265 (383) * Sucheinschränkung: Clinical Trial, Meta-Analysis, Randomized Controlled Trial, Case Reports, Clinical Trial, Clinical Trial Phase II, Clinical Trial Phase III, Clinical Trial Phase IV, Comparative Study, Controlled Clinical Trial, Multicenter Study, Twin Study, Validation Studies. 20 (Suchbefehl: „psychomotor disorders/diagnosis“ [Mesh]) 2777 Treffer, davon waren 274 Reviews. Psychomotor disorders AND epidemiology ergab 622 Treffer, bei 63 Reviews.Psychomotor disorders AND drug therapy (Suchbefehl: „Psychomotor disorders/drug therapy“ [Mesh]) ergab 1184 Treffer, bei 200 Reviews. Die Suche nach kulturellen Aspekten wurde mit psychomotor disorders AND ethnology (Suchbefehl: „psychomotor disorders/ethnology“ [Mesh]) ausgeführt und ergab 17 Treffer. Um Informationen und Studien zur Ätiologie der psychogenen Bewegungsstörungen zu finden, wurde psychomotor disorders AND etiology (Suchbefehl: „psychomotor disorders/etiology“ [Mesh]) verwendet. Die Trefferzahl lag hier bei 4177, 461 Reviews. Weiterhin wurde mit psychomotor disorders AND pathology gesucht (Suchbefehl: „psychomotor disorders/pathology“ [Mesh]), was zu 302 Treffern, davon 46 Reviews führte. Für Literatur aus dem Bereich der Psychologie wurde mit psychomotor disorders AND psychology (Suchbefehl: „psychomotor disorders/psychology“ [Mesh]) 1256 Treffer erzielt, davon 115 Reviews. Schließlich brachte die Suche zu Therapien psychomotorischer Störungen mit psychomotor disorders AND therapy 2265 Treffer, davon 383 Reviews (Suchbefehl: „psychomotor disorders/therapy“ [Mesh]). 21 3 Studienauswertung 3.1 Auswahl und qualitative Beurteilung der Studien Um dem Anspruch einer hochwertigen, exakten und gleichzeitig transparenten und nachvollziehbaren Literaturübersicht gerecht zu werden, wurden die ausgewählten Studien anhand einer Checkliste von van Tulder et al. [152] (s. Tabelle 3.1, S. 22) auf ihre methodische Qualität hin überprüft, deren Auswahl sich auf die Empfehlung von Juni et al. [72] gründet. Basis dieser Checkliste sind die Kriterien der Cochrane Collaboration [22] zur Anfertigung einer systematischen Literaturübersicht. Hoher methodischer Qualität entsprechen hierbei zum Beispiel kontrollierte randomisierte Studien oder prospektive Kohortenstudien. Tab. 3.1 Checkliste zur Bewertung der methodischen Qualität von Studien (van Tulder et al. 2003 [152]) Nr. Methodisches Merkmal 1. Beschreibung der Randomisierung: adäquat – nicht adäquat – unklar 2. Verdeckte Zuteilung zu den Studienarmen 3. Intention-to-Treat-Analyse bei randomisierten Studien 4. Verblindung der Teilnehmer: ja, nein, unklar 5. Verblindung der Behandler: ja, nein, unklar 6. Verblindung der Auswertung: ja, nein, unklar 7. Loss to follow-up: < als 20% Abbrecher und fehlende Daten sind adäquat 8. Einsatz von validierten Fragebögen und/oder strukturierten Interviews 9. Informierte Einwilligung 10. Angabe von Ein- und Ausschlusskriterien Die Merkmale 1 bis 10 dienten der Beurteilung von kontrollierten randomisierten Studien, während bei nichtkontrollierten randomisierten Studiendesigns die Merkmale 4 bis 10 zur Beurteilung der methodischen Qualität herangezogen wurden. Bei anderen Studiendesigns wurden die unter den Ziffern 8–10 aufgelisteten Qualitätsmerkmale berücksichtigt. Ausgehend von der Zielstellung der vorliegenden Untersuchung, einen Gesamtüberblick über die 22 aktuelle Studienlage zum Thema psychogene Bewegungsstörungen zu geben, stellte sich bei dem Versuch einer vereinheitlichten Bewertung der methodischen Qualität der Studien das Problem ihrer Heterogenität in Bezug auf Fragestellung, Methodik und Durchführung. So ist es z.B. schwer, eine Studie zur Bewertung des Erfolges einer medizinischen Intervention mit einer Studie zu epidemiologischen Charakteristika einer Krankheit bezüglich ihrer Qualität zu vergleichen, da die Anforderungen, um einer qualitativ hohen Wertigkeit gerecht zu werden, bei diesen Studientypen völlig unterschiedlich sind. Nach ausführlicher Sichtung von Literatur zu Bewertungssystemen und Klassifikationen von Studien wurden die S2e-Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurorehabilitation [116] verwendet, die sich an den Oxford Centre for Evidence-based Medicine Levels of Evidence [114] orientieren. Dieses Bewertungssystem wird nach Meinung des Verfassers am ehesten dem Anspruch einer objektiven und übersichtlichen Evidenzklassifizierung der einzelnen Studien gerecht und ermöglicht es, die methodische Qualität der einzelnen Studien sicher zu erfassen. So wurde jeder besprochenen Studie ein kurzer Kommentar angefügt, der neben inhaltlichen Anmerkungen oder der Meinung des Verfassers auf methodische Stärken und Schwächen der Studie hinweist. Die jeweilige Level-Klassifizierung wurde vorangestellt. Zu dieser und der daraus resultierenden Evidenzklassifizierung siehe Tabelle „Oxford Centre for Evidence-based Medicine – Levels of Evidence” im Anhang (S. 131). Des Weiteren ist zu beachten, dass bei der Auswertung der Studien und der Zusammenfassung ihrer Ergebnisse das Augenmerk auf der Fragestellung bzw. der primären Zielvariablen der Studie lag und nicht immer alle Gesichtspunkte einer Studie aufgeführt wurden. So finden sich z.B. auch in Studien mit sehr kleinen Fallzahlen unter den Ergebnissen Angaben zum durchschnittlichen Alter oder zur Geschlechterverteilung der Studienteilnehmer; da sie aber aufgrund der kleinen Stichprobe von geringer Relevanz sind, werden sie in der Studienzusammenfassung nicht angegeben. 23 3.2 Flussdiagramm zum Suchprozess der eingeschlossenen Studien Infrage kommende Studien anhand der Abstracts der Datenbanken (n=104) Ausschlussgründe: Qualitativ unzureichende Studie Fallkontrollstudie Case Report Ausführliche Prüfung des Originalartikels (n=89) Ausschlussgründe: Psychogene Bewegungsstörungen nicht Hauptthema Artikel nicht in deutscher oder englischer Sprache verfügbar Potenziell geeignete Studien (n=58) 1 Studie zu Bewegungsstörungen und psychogenen nichtepileptischen Anfällen wurde ausgeschlossen, da keine klare Differenzierung der Bewegungsstörungen in organische und psychische Störungen erfolgte SStörungen Berücksichtigte Studien (n=57) 24 4 Ergebnisse der Studienauswertung Fahn u. Williams [43] veröffentlichten 1988 eine Kriterienliste zur diagnostischen Klassifizierung von Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen (s. Tabelle 4.1, S. 25), die in Fachkreisen internationale Anerkennung genießt und den Bezugsrahmen für viele Studien und Artikel bildet. Sie wird hier zum besseren Verständnis der einzelnen Studien vorangestellt. Tab. 4.1 Diagnostische Stufen der psychogenen Bewegungsstörungen (Fahn u. Williams [43]) 1. Dokumentierte psychogene Bewegungsstörung Eines der folgenden Kriterien trifft zu: - Komplette Remission durch Psychotherapie - Komplette Remission durch Suggestion (inklusive Physiotherapie) - Komplette Remission nach Placebogabe - Beschwerdefreiheit, wenn unbeobachtet 2. Klinisch gesicherte psychogene Bewegungsstörung Wechselnde Symptomatik im zeitlichen Verlauf oder Störungsbild weicht von bekannten Bewegungsstörungen deutlich ab zusätzlich eines der folgenden Kriterien: - Sicher psychoreaktive neurologische Symptomatik - Vielfältige somatoforme Beschwerden - Deutliche psychiatrische Störung - Verschwinden der Symptomatik bei Ablenkung - Exzessive allgemeine Bewegungsverlangsamung 3. Wahrscheinliche psychogene Bewegungsstörung a. Wechselnde Symptomatik im Verlauf oder Störungsbild weicht von bekannten Bewegungsstörungen deutlich ab b. Konstante organisch wirkende Symptomatik zusätzlich deutliche Minderung der Beschwerdesymptomatik bei Ablenkung (falls ungewöhnlich bei organischer Ätiologie) c. Konstante organisch wirkende Symptomatik zusätzlich sicher psychoreaktive neurologische Symptomatik d. Konstante organisch wirkende Symptomatik zusätzlich vielfältige somatoforme Beschwerden 4. Mögliche psychogene Bewegungsstörung Konstante organisch wirkende Symptomatik zusätzlich unspezifische psychische Auffälligkeit 25 4.1 Zur Pathophysiologie der psychogenen Bewegungsstörungen: neurophysiologische Phänomene Prospektive Studien (a) → Symptom-Studie Level 3b. Den Zusammenhang von Bereitschaftspotenzial im EEG und psychogenem Myoklonus untersuchten Terada et al. [143] in ihrer Studie aus dem Jahre 1995 an 6 Patienten, die unter unwillkürlichen, ruckartigen Zuckungen litten (s. Tabelle 4.2, S. 29). Ihre Merkmale stimmten mit den Kriterien des psychogenen Myoklonus in Anlehnung an Monday u. Jankovic [103] überein; so hatten sie weder eine positive neurologische (Familien-) Anamnese noch zeigten sich paroxysmale Anomalitäten im EEG. Sie wurden mittels „jerklocked back averaging“-Methode untersucht, um ein eventuell vorhandenes Bereitschaftspotenzial und damit eine mögliche Willkür der Bewegung auszumachen. Hierzu wurden die Zuckungen („jerks“) sowie willkürliche Imitationen der Zuckungen mittels EEG, EOG und EMG gemessen. 5 der 6 Patienten zeigten beim myoklonischen Zucken ein langsames und negatives EEG-Potenzial, das dem EMG-Beginn 0,7 bis 2,1 Sekunden vorausging. Bei dem Patienten, der kein langsames, dem Jerk vorausgehendes EEG-Shift zeigte, konnte ein Bereitschaftspotenzial festgestellt werden, wenn er willkürliche Bewegungen ausführte, die den Myoklonus imitieren sollten. Kommentar: Die geringe Zahl der untersuchten Patienten und das Fehlen einer Kontrollgruppe mindern die Aussagekraft der Ergebnisse. (b) → Symptom-Studie Level 3b. Mit möglichen Unterschieden der pathophysiologischen Ursachen bei der Entstehung von psychogenem Tremor befasste sich eine Studie, die Raehtjen et al. [125] im Jahre 2004 publizierten (s. Tabelle 4.2, S. 29). Es wurden 15 Patienten mit psychogenem Tremor in beiden Händen untersucht, diagnostiziert in Übereinstimmung mit dem Consensus Statement of the Movement Disorder Society [29]. Der posturale Tremor der Hände wurde mit Akzelerometer und EMG im Sitzen gemessen, und die ermittelten EMG-Messwerte der beiden Körperseiten wurden einer Kohärenzanalyse unterzogen. 7 der 15 Patienten zeigten eine signifikante Kohärenz der Tremoroszillationen beider Hände, bei 8 Patienten waren die Oszillationen unterschiedlich. Dabei zeigten die beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf klinische Merkmale, Tremoramplitude oder Tremorfrequenz. 26 Kommentar: Die Ergebnisse lassen keine gültige Aussage über pathophysiologische Entstehungsmechanismen des psychogenen Tremors zu. (c) → Differenzialdiagnose-Studie Level 3b. Kumru et al. [81] setzten sich in ihrer 2004 publizierten Studie mit dem Phänomen auseinander, dass Patienten mit psychogenem Tremor eine vorübergehende Remission bzw. Milderung desselben zeigen, wenn sie willkürliche Bewegungen mit der kontralateralen Hand ausführen (s. Tabelle 4.2, S. 29). 7 Patienten mit psychogenem Tremor, 11 Patienten mit Parkinsonismus und 10 gesunde, einen Tremor imitierende Probanden wurden gebeten, auf einen visuellen Reiz hin einen Knopf zu drücken, und zwar einmal in Ruhe und einmal aus einer bestimmten Position heraus. Die Autoren maßen Änderungen in Amplitude und Frequenz der Tremoroszillationen der kontralateralen Hand, die bei dieser ballistischen Bewegung geschahen. Die Ergebnisse zeigten eine signifikante (p<0,001) Reduktion der Tremoramplitude oder einen vorübergehenden Stillstand bei den Patienten mit psychogenem Tremor und den gesunden Probanden, nicht jedoch bei den Patienten mit parkinsonschem oder essentiellem Tremor. Kommentar: Das Aussetzen des psychogenen Tremors bei kontralateralen ballistischen Bewegungen kann als wichtiges Indiz bei der Unterscheidung zwischen diesem und anderen Tremorformen dienen. Sie unterstützt auch die Hypothese einer Distraktibilität des psychogenen Tremors. (d) → Differenzialdiagnose-Studie Level 3b. Espay et al. [38] verglichen 2006 die elektrophysiologischen Unterschiede zwischen Patienten mit diagnostizierter unilateraler psychogener Dystonie (Diagnose nach Fahn u. Williams [43]) und Patienten mit organisch bedingter Dystonie sowie einer Kontrollgruppe gesunder Patienten (s. Tabelle 4.2, S. 29). Ziel der Untersuchung war die Überprüfung der Hypothese, dass ein anomaler sensorischer Input, der mit den Haltungsstörungen bei psychogener Dystonie assoziiert ist, zu plastischen kortikalen Veränderungen ähnlich denen bei organisch bedingter Dystonie führt. Bei allen Probanden wurden kortikale und spinale Hemmkreise sowie kortikale, mit willkürlichen Bewegungen assoziierte Aktivität unter TMS gemessen. Zur Bestimmung der intrakortikalen Hemmung und intrakortikalen Bahnung wurden die mittels TMS evozierten motorischen Potenziale am kontralateralen Handmuskel gemessen. Weitere Messparameter waren die kortikale Innervationsstille („silent period“) und die kutane Innervationsstille im EMG sowie die reziproke Hemmung des Nervus 27 medianus (Hoffman-Reflex) durch Stimulierung des Nervus radialis. Um Veränderungen der kortikalen Aktivität im Zusammenhang mit willkürlichen Bewegungen zu bestimmen, wurde die Messgröße Bereitschaftspotenzial im EEG ermittelt. Kortikale Hemmung, intrakortikale Hemmung bei kurzen und langen Stimulusintervallen und kortikale Innervationsstille waren sowohl bei psychogener als auch bei organisch bedingter Dystonie reduziert. Die kutane Innervationsstille war sowohl bei organisch bedingter als auch psychogener Dystonie erhöht, während die reziproke spinale Hemmung des Unterarms ausschließlich bei psychogener Dystonie reduziert war. Die Autoren kommen zum Ergebnis, dass Dystonien psychogenen Ursprungs und organischen Ursprungs ähnliche neurophysiologische Anomalien aufweisen. Kommentar: Kritisch zu bemerken bleibt, dass eine vergleichende elektrophysiologische Untersuchung der kontralateralen, von der Dystonie nicht betroffenen Seite nicht vorgenommen wurde. (e) → Differenzialdiagnose-Studie Level 3b. Eine weitere Studie von Kumru et al. [82] von 2007 beschäftigte sich mit dem Phänomen der „Dual Task Interference“ bei Patienten mit psychogenem Tremor (s. Tabelle 4.2, S. 29). Damit ist der Tatbestand gemeint, dass gesunde Menschen im Allgemeinen Schwierigkeiten haben, Bewegungen unterschiedlicher Rhythmik simultan auszuführen. Die Autoren überprüften die Hypothese, dass Patienten mit psychogenem Tremor ebenfalls Effekte der „Dual Task Interference“ aufweisen, um so eine diagnostische Abgrenzbarkeit zu organisch bedingtem Tremor zu ermöglichen. Hierzu wurden 6 Patienten mit psychogenem Tremor, 9 mit Parkinson-Erkrankung und vorrangig unilateralem Tremor, 11 mit essentiellem Tremor und eine Kontrollgruppe mit 10 Probanden untersucht. Die Teilnehmer der Studie wurden aufgefordert, auf ein visuelles Signal hin möglichst schnell einen Knopf zu drücken. Dieser Vorgang wurde einmal in Ruheposition und anschließend während einer angeleiteten Tremorbewegung der kontralateralen Hand durchgeführt. Die Reaktionszeiten wurden mittels EMG und Akzelerometer bestimmt. Die Studie zeigte, dass die Reaktionszeiten während kontralateraler Tremorbewegung bei Patienten mit psychogenem Tremor sowie gesunden Probanden signifikant verlängert waren (p<0,01 für beide Gruppen). 28 Tab. 4.2 Studienübersicht: Pathophysiologie der psychogenen Bewegungsstörungen: neurophysiologische Phänomene Autoren Stichprobe Design Methodik Ergebnisse/Kernaussage Prospektive Studien Terada et 6 Patienten mit Querschnittsstudie; Jerk-locked back 5 Patienten zeigten Bereitschaftspotenzial vor al. 1995 psychogenem keine Kontrollgruppe; averaging myoklonischer Zuckung und nicht vor intentionaler [150] Myoklonus keine Verblindung Level 3b Zuckung angegeben Raethjen et 15 Patienten mit Querschnittsstudie; Messung des posturalen 7 Patienten zeigten signifikante Kohärenz zwischen al. 2004 psychogenem keine Kontrollgruppe, Tremors; Vergleich der den beiden Händen, 8 Patienten zeigten keine [125] Tremor beider keine Verblindung beiden Körperhälften Kohärenz Level 3b Hände angegeben mittels Kohärenzanalyse Kumru et 7 Patienten mit Querschnittsstudie Messung von Frequenz Vorübergehendes Sistieren des psychogenen al. 2004 psychogenem mit Kontrollgruppe; und Amplitude des Tremors bei kontralateralen Bewegungen; kein [81] Tremor, 11 Kontrollgruppe ge- Tremors bei kontralate- Sistieren bei parkinsonschem oder essentiellem Level 3b Patienten mit sund; nicht adjustiert; ralen, ballistischen Tremor Parkinson und 10 keine Verblindung Bewegungen Patienten mit angegeben essentiellem Tremor Espay et al. 10 Patienten mit Querschnittsstudie Messung von kortikaler Psychogene Dsytonie und organisch bedingte 2006 [38] diagnostizierter mit Kontrollgruppe; Hemmung, Dystonie zeigten ähnliche neurophysiologische Level 3b unilateraler Kontrollgruppe ge- intrakortikaler Hem- Besonderheiten psychogener sund, altersadjustiert; mung bei kurzen und Dystonie und 8 keine Verblindung langen Patienten mit angegeben Stimulusintervallen, organisch beding- kortikaler „silent ter Dystonie period“, reziproker spinaler Hemmung des Unterarms; Vergleich psychogene Dystonie vs. organisch bedingte Dystonie Kumru et 6 Patienten mit Querschnittsstudie Messung der Reaktions- Signifikante Abnahme der Reaktionszeit bei kontra- al. 2007 psychogenem mit Kontrollgruppe; zeit in Ruhe und bei lateraler Tremorbewegung bei Kontrollgruppe und [82] Tremor, 9 mit M. Kontrollgruppe ge- Tremorbewegung der Patienten mit psychogenem Tremor im Vergleich Level 3b Parkinson und sund mit 10 Proban- kontralateralen Hand zu Patienten mit essentiellem Tremor oder unilat. Tremor, den; nicht adjustiert; 11 mit essentiel- keine Verblindung lem Tremor angegeben parkinsonschem Tremor 29 Liepert et 4 Patienten mit Kontrollierte Messung von motori- Die Hemmung der kortikospinalen Erregbarkeit bei al. 2008 funktioneller Querschnittsstudie; scher Reizschwelle, der visuellen Vorführung von Bewegungen ist ein [94] Parese der linken gesunde, altersadjus- intrakortikaler Hem- elektrophysiologisches Korrelat zu der Unfähigkeit Level 3b oberen Extremi- tierte Kontrollgruppe; mung, intrakortikaler des Patienten, willkürliche Bewegungen auszufüh- tät keine Verblindung Bahnung in Ruhe; ren angegeben Messung der kortikospinalen Erregbarkeit bei Imagination von Bewegungen Bei den Patienten mit parkinsonschem Tremor und essentiellem Tremor konnten keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden. Kommentar: Die Ergebnisse zeigen eine Übereinstimmung mit dem Konzept der „Dual Task Interference“ und legen nahe, dass der psychogene Tremor Charakteristika von willkürlichen Bewegungen aufweist. Um diesbezüglich signifikantere Aussagen treffen zu können, bedarf es jedoch weiterer Studien. (f) → Symptom-Studie Level 3b. Liepert et al. [94] untersuchten 2008 bei 4 Patienten die möglichen Zusammenhänge von psychogenen Bewegungsstörungen und der physiologischen Erregbarkeit des Motorkortex sowie der kortikospinalen Leitungsbahnen mittels TMS (s. Tabelle 4.2, S. 29). Zum Zeitpunkt der Untersuchung wurde bei den 4 Patienten eine funktionelle Parese der linken oberen Extremität diagnostiziert und die ICD-10-Diagnose „Dissoziative Störung“ bzw. DSM-IV-Diagnose „Konversionsstörung“ gestellt. Somatische Ursachen wurden durch ein MRT des Schädels und des Rückenmarks, Liquordiagnostik, somatosensorisch evozierte Potenziale, motorisch evozierte Potenziale, Überprüfung der peripheren Sensibilität und EMG-Untersuchung ausgeschlossen. Untersucht wurden motorische Reizschwelle, intrakortikale Hemmung und intrakortikale Bahnung in Ruhe. Die kortikospinale Erregbarkeit wurde durch Einfachimpuls-TMS in Ruhe und bei visueller Vorführung von Adduktion des Zeigefingers gemessen. Die gemessenen Werte des betroffenen Muskels wurden mit den Messungen des gesunden Muskels der kontralateralen Extremität sowie den Werten einer Kontrollgruppe verglichen. Es zeigte sich, dass in der Gruppe der gesunden Probanden die visuelle Vorführung von Bewegungen zu einer Zunahme der kortikospinalen Erregbarkeit führte. Bei den Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen führte die bildliche Vorführung von 30 Bewegungen des Zeigefingers zu einer signifikanten Abnahme der kortikospinalen Erregbarkeit im Vergleich zur gesunden Seite und zur Kontrollgruppe. Kommentar: Die These des Autors, dass die Unterdrückung der kortikospinalen Erregbarkeit bei visueller Vorführung von Bewegungen ein elektrophysiologisches Korrelat seiner Unfähigkeit zu willkürlichen Bewegungen darstellt, muss durch Studien mit größerer Fallzahl überprüft werden. 4.2 Zur Diagnostik von psychogenen Bewegungsstörungen: unterschiedliche Ansätze und Verfahren Prospektive Studien (a) → Diagnose-Studie Level 3b. Ein weiterer Test zur Diagnose von nichtorganischen Bewegungsstörungen war Gegenstand der Studie von Ziv et al. [162] aus dem Jahre 1998 (s. Tabelle 4.3, S. 32). Die Autoren entwickelten einen quantitativen, computerbasierten Test auf Grundlage des Hoover-Tests, der das Ausmaß unwillkürlicher Bewegung der Gliedmaßen bei kontralateralen Bewegungen bestimmt. In der Studie wurde eine 9 Patienten umfassende Gruppe mit nichtorganischer Mono- oder Hemiparese mit einer siebenköpfigen Patientengruppe mit organisch bedingter Parese der unteren Extremität sowie einer zehnköpfigen Kontrollgruppe verglichen. Der Hoover-Test wurde normal durchgeführt; anstatt der subjektiven Bewertung durch den Untersucher wurde jedoch eine digitale Messung vorgenommen. Die isometrische Kraft des Arms bzw. des Beins wurde bei maximaler willkürlicher Extension und bei Flexion der kontralateralen Gliedmaßen gemessen. Aus den beiden Größen „Maximale unwillkürliche Kraft/Maximale willkürliche Kraft“ wurde ein Quotient IVVR („maximal involuntary/voluntary force ratio“) gebildet, der zum Vergleich zwischen den Gruppen diente. Die Ergebnisse zeigten, dass der Quotient der Patienten mit nichtorganischen Bewegungsstörungen im Vergleich zu den beiden anderen Gruppen signifikant erhöht war (p<0,001). Kommentar: Die geringe Fallzahl schränkt die Aussagequalität der Ergebnisse ein. Insgesamt aber eine aufgrund der Quantifizierung von vormals subjektiven Daten interessante Studie, deren elektrophysiologischer Ansatz weitere Beachtung verdient. 31 Tab. 4.3 Studienübersicht: Unterschiedliche diagnostische Ansätze und Verfahren Autoren Stichprobe Design Methodik Ergebnisse/Kernaussage Prospektive Studien Ziv et al. 9 Patienten mit nicht- Querschnittsstudie; Kombination von Signifikante Unterschiede zwischen Patienten 1998 [162] organischer Mono- keine Verblindung Hoover-Test mit mit nichtorganischen Bewegungsstörungen und Level 3b oder Hemiparese; 7 angegeben elektromyogra- organischen Bewegungsstörungen bzw. Kont- fischer Messung rollgruppe Patienten mit organischer Mono- oder Hemiparese McAuley et 25 Patienten mit Querschnittsstudie Untersuchung und 100%ige Übereinstimmung zwischen klinischer al. 2004 [96] neurologischer mit Kontrollgruppe; Bestätigung der Diagnose und Ergebnissen des Coherence Level 3b Verdachtsdiagnose Kontrollgruppe mit Diagnose nach Entrainment Test psychogener Tremor 10 Probanden; MDS Consensus oder dystonischer gesund; nicht adjus- Statement und Tremor tiert; keine Verblin- modifizierten dung angegeben Diagnosekriterien in Anlehnung an Fahn u. Williams; Durchführung des Coherence Entrainment Test und Vergleich der Ergebnisse mit zuvor gestellter klinischer Diagnose Piboolnurak 71 Patienten; davon 23 Querschnittsstudie Messung des Angaben zur diagnostischen Validität des Tests: et al. 2005 mit psychogenem mit Kontrollgruppe; Tremors mit - Sensitivität = 0,870 [115] Tremor, 22 mit M. Kontrollgruppe mit Akzerelometer - Spezifität = 0,982 Level 3b Parkinson, 11 mit 21 Probanden; und Oberflächen- - positiver Vorhersagewert = 0,800 Dystonie und 15 mit gesund; alters- und EMG; quantitative - negativer Vorhersagewert = 0,955 essentiellem Tremor geschlechtsad- Tremoranalyse; justiert; keine Ver- Entwicklung eines blindung angegeben „Tree-Based“Algorithmus zur Diagnostik des psychogenen Tremors anhand der erhobenen Daten 32 Hinson et al. Patienten mit psycho- Kohortenstudie; Entwicklung einer Die PMD-Skala erfasst die komplexen Bewegun- 2005 [62] genen Videoanalyse; „Scale „Rating Scale“ für gen von PMDs adäquat und kann zur Bewertung Level 2b Bewegungsstörungen Responsiveness“- psychogene von PMDs und der Wirksamkeit von Interventi- Testung durch Bewegungs- onsstrategien verwendet werden verblindeten Unter- störungen; Analy- sucher vor und nach se der Videos und dreimonatiger Bewertung nach Behandlung der „Rating Scale“ durch 3 voneinander unabhängigen Untersuchern; Bestimmung von Validität und „Scale Responsiveness“ Okun et al. 9 Patienten mit ver- Querschnittsstudie; Durchführung des Der Chair Test kann diagnostische Informatio- 2007 [109] schiedenen Gangstö- keine Verblindung Chair Test nach nen liefern, seine Validität muss aber noch in Level 5 rungen psychogener angegeben Paul Blocq in prospektiven Studien mit quantitativen Metho- Genese und 9 Patien- Patientengruppe den verifiziert werden ten mit organisch und Kontrollgrup- bedingter Gangstörung pe; qualitativer Vergleich und Bewertung der Ergebnisse (b) → Differenzialdiagnose-Studie Level 3b. Eine Studie von McAuley et al. [96] aus dem Jahre 2004 befasste sich mit der Differenzierung von psychogenem und dystonischem Tremor mithilfe des Coherence Entrainment Test (CET) (s. Tabelle 4.3, S. 32). Beim „Entrainment Test“ wird der Patient gebeten, mit einer Hand eine rhythmische Bewegung in einer vom Tremor leicht unterschiedlichen Frequenz auszuführen, und es wird beobachtet, ob die andere Hand sich diesem Rhythmus anpasst. Physiologischer Hintergrund ist, dass gesunde Probanden und Patienten mit psychogenem Tremor nicht in der Lage sind, über einen längeren Zeitraum gleichzeitig rhythmische Bewegungen der Extremitäten durchzuführen, deren Oszillationsfrequenzen von der des Tremors abweichen. Personen mit organischem Tremor können dies jedoch. Der Test wurde bei 25 Patienten mit Verdacht auf psychogenen oder dystonischen Tremor sowie einer Kontrollgruppe von 10 Personen durchgeführt, deren Mitglieder versuchen sollten, zwei Rhythmen unterschiedlicher Frequenzen durchzuführen. Nach vorangehender klinischer Untersuchung wurde in Übereinstimmung mit den Diagnosekriterien nach 33 Fahn/Williams bei 6 Patienten klinisch gesicherter dystonischer Tremor und bei 5 Patienten wahrscheinlicher dystonischer Tremor diagnostiziert. 5 Patienten zeigten klinisch gesicherten psychogenen Tremor, 3 wahrscheinlichen psychogenen Tremor. 2 Fälle wurden als klassischer essentieller Tremor eingestuft, während man bei 4 anderen Patienten keine gesicherte klinische Diagnose stellen konnte. Die Zuteilung erfolgte in Übereinstimmung mit dem MDS Consensus Statement, einer Kriterienliste, die von Deuschl et al. [29] entwickelt wurde und ähnliche Unterscheidungsmerkmale zur Differenzierung zwischen psychogenem und organisch bedingtem Tremor enthält wie die Diagnosekriterien von Fahn u. Williams (Variabilität des psychogenen Tremors in Frequenz, Richtung und Amplitude, Ablenkbarkeit, Entrainment etc.). Für die Diagnose des psychogenen Tremors wurden weiterhin die Diagnosekriterien nach Fahn u. Williams [43] zugrunde gelegt und für dystonischen Tremor Diagnosekriterien, die die Autoren nach Elble [35] und eigenen klinischen Beobachtungen aufgestellt hatten. Die während des „Entrainment Test“ durchgeführten Messungen mittels EMG und Akzelerometer wurden anschließend einer Kohärenzanalyse unterzogen. Die Studie zeigt eine vollständige Übereinstimmung der Testergebnisse mit der zuvor gestellten klinischen Diagnose, d.h., es konnte bei jedem Probanden exakt zwischen organischem und psychogenem Tremor differenziert werden. Kommentar: Eine Studie, die zeigt, dass der CET ein wichtiges diagnostisches Hilfsmittel bei der diagnostischen Unterscheidung zwischen psychogenem und organischem Tremor sein kann. (c) → Diagnose-Studie Level 3b. Piboolnurak et al. [115] präsentierten in ihrer Studie 2005 einen statistischen „Tree-Based“-Algorithmus zur Unterstützung bei der Diagnosesicherung „psychogener Tremor“ (s. Tabelle 4.3, S. 32). Die Patienten präsentierten zum Zeitpunkt der Untersuchung verschiedene Tremorformen, deren Spektrum von psychogenem Tremor nach Fahn u. Williams [43] über parkinsonschen Tremor und dystonischen Tremor bis hin zum essentiellen Tremor reichte. Die Analyse des Tremors erfolgte zunächst über EMG und Akzelerometer, woraufhin anhand der erhobenen Messdaten mithilfe des Softwareprogramms S-Plus Statistics ein „Tree-Based“-Algorithmus entwickelt wurde. Dieser wurde nun als alleiniges Diagnoseinstrument bei der erneuten Untersuchung der Patienten verwendet und die hierbei erhobenen Daten mit den vorherigen klinischen Diagnosen verglichen. Der Algorithmus zur Klassifikation des psychogenen Tremors wies dabei eine Sensitivität von 34 0,870, eine Spezifität von 0,982, einen positiven Vorhersagewert von 0,800 und einen negativen Vorhersagewert von 0,955 auf. Kommentar: Neuartiger statistisch diagnostischer Test, der Hilfe bei einer objektiven Diagnosestellung des psychogenen Tremors leisten könnte. Die Ergebnisse müssen in weiteren Studien validiert werden. (d) → Diagnose-Studie Level 2b. Hinson et al. [62] entwickelten 2005 eine „Rating Scale“ für psychogene Bewegungsstörungen (s. Tabelle 4.3, S. 32). Sie wurde anhand einer Videoanalyse von 88 Patienten mit der Diagnose „Psychogene Bewegungsstörung“ durch 3 unabhängige Beobachter erstellt. Im ersten Schritt wurden 10 verschiedene Phänomene von Bewegungsstörungen (Ruhetremor, Aktionstremor, Dystonie, Chorea, Bradykinesie, Myoklonus, Tic, Athetose, Ballismus, Inkoordination), 2 Funktionsstörungen (Gang und Sprache) sowie 14 von den Störungen möglicherweise betroffene Körperregionen beurteilt und ein Bewertungsspiegel („Total Phenomology Score“) erstellt. Im zweiten Schritt wurden die Störungen von Gang und Sprache auf Präsenz, Schweregrad, Dauer und Grad der Einschränkung untersucht und einem weiteren Bewertungsspiegel („Total Function Score“) zugeordnet. Die Summe der beiden Scores bildet schließlich den „Total Psychogenic Movement Disorder [PMD] Score“. Die Ergebnisse zeigten eine sehr gute Interrater-Reliabilität für die Beurteilung des Vorliegens der verschiedenen Erscheinungsformen (K=0,63 bis 0,86). Die Kendall- Übereinstimmungskoeffizienten für den „Total Phenomology Score“, den „Total Function Score“ und den „Total PMD Score“ lagen bei 0,92, 0,93 und 0,91. Die Spearman-Korrelation zwischen den Beobachtern bewegte sich zwischen Werten von 0,86 bis 0,90. Nach drei Monaten erfolgte eine verblindete Auswertung der Videoaufnahmen von 9 Patienten, deren Symptome sich unter nicht näher benannten neuropsychiatrischen Interventionen nach Angaben ihrer behandelnden Ärzte sowie des Global Assessment of Function Score [18] gebessert hatten. Die Auswertungsergebnisse wurden wiederum mit den Ergebnissen der „Rating Scale“ verglichen. Der mittlere „Total PMD Score“ sank von 71,2 vor der Behandlung auf 29 nach der Behandlung (p=0,020). Der mittlere „Total Function Score“ sank von 7,4 auf 2,1 (p=0,014). Dies zeigte die Reaktionsfähigkeit der Skala auf Veränderungen, die Resultate von neuropsychiatrischen Interventionen waren. Kommentar: Die Interrater-Reliabilität der PMD-Skala, einfache Handhabung und gute Reaktionsfähigkeit unterstützen die These der Autoren, dass „die PMD-Skala die komplexen Bewe35 gungen der psychogenen Bewegungsstörungen adäquat erfasst und als Bewertungsinstrument für diese sowie die Beurteilung von Interventionsstrategien verwendet werden kann“ [62]. (e) → Diagnose-Studie Level 5. Okun et al. [109] evaluierten in ihrer Studie von 2007 den Chair Test zur Diagnose psychogener Gangstörungen, der bereits 1888 von Paul Blocq [17] in einer Fallbeschreibung von Patienten mit Astasie-Abasie-Syndrom etabliert wurde (s. Tabelle 4.3, S. 32). 9 Patienten mit der Diagnose psychogene Gangstörung nach Hayes et al. [61] wurden zuerst gebeten, acht bis zehn Meter geradeaus zu gehen, sich dann herumzudrehen und wieder auf den Untersucher zuzugehen. Dieser Gehversuch wurde einmal wiederholt. Dann wurden die Patienten gebeten, sich auf einen Stuhl mit Rollen und Rückenlehne zu setzen und diesen in zwei Durchgängen jeweils acht bis zehn Meter vorwärts bzw. rückwärts zu bewegen. Eine Kontrollgruppe von 9 Patienten mit Gangstörungen nichtpsychogener Ursache durchlief den gleichen Versuch, und die qualitativen Ergebnisse wurden festgehalten und verglichen. Die Studie zeigte, dass 8 von 9 Patienten mit psychogenen Gangstörungen bei der Fortbewegung des Stuhls im Sitzen deutlich verbesserte motorische Fähigkeiten im Vergleich zur Bewegung im Stehen zeigten, während bei den Patienten der Kontrollgruppe kein qualitativer Unterschied zwischen Gang und Fortbewegung des Stuhls bestand. Kommentar: Eine Studie, deren qualitativ eindeutige Ergebnisse weitere Studien zur objektiven Bestimmung von Sensitivität und Spezifität des Tests rechtfertigen, da dieser im klinischen Alltag leicht anzuwenden ist und bei entsprechender Verifizierung eine Hilfe für den Untersucher darstellen könnte. 4.2.1 Bildgebende Verfahren Prospektive Studien → Diagnose-Studie Level 3b. Stone et al. [140] verglichen 2007 mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRIT) Muster zerebraler Aktivierung bei 4 Patienten mit einer unilateralen Schwäche des Fußgelenks aufgrund einer motorischen Konversionsstörung und 4 gesunden Kontrollpatienten, die eine unilaterale Schwäche simulierten (s. Tabelle 4.4, S. 37). 36 Beide Gruppen aktivierten den Motorkortex kontralateral zum „schwachen“ Bein weniger stark als den Motorkortex kontralateral zum „normalen“ Bein. Die Patienten mit Konversionsstörung aktivierten ein Netzwerk von Arealen, das das Putamen und den Gyrus lingualis bilateral sowie den linken inferioren Gyrus frontalis und die linke Insula mit einschloss. Gleichzeitig kam es zu einer Deaktivierung des mittleren und orbitofrontalen Kortex. Die Kontrollpatienten zeigten dagegen eine Aktivierung der supplementären kontralateralen motorischen Areale. Kommentar: Die Studienergebnisse zeigen, dass fMRIT einen diagnostisch wertvollen Ansatz zur Erforschung der neuronalen Grundlagen einer motorischen Konversionsstörung darstellt. Die geringe Fallzahl erfordert jedoch weitere Studien. Tab. 4.4 Studienübersicht: Bildgebende Verfahren Autoren Stichprobe Design Methodik Ergebnisse/Kernaussage Prospektive Studien Stone et al. 4 Patienten mit Kontrollierte Funktionelle Magnetresonanz- Patienten mit unilateraler Schwäche bei 2007 [140] unilateraler motori- Querschnittsstudie; tomografie (fMRIT) motorischer Konversionsstörung zeigen ein Level 3b scher Konversions- Kontrollgruppe bestimmtes Muster neuronaler Aktivierung, störung des Fußge- nicht adjustiert; das teilweise mit denen simulierender lenks; 4 gesunde, keine Verblindung Patienten übereinstimmt, teilweise jedoch die gleiche Störung angegeben auch verschieden ist simulierende Patienten 4.2.2 Psychogener Parkinsonismus Prospektive Studien (a) → Diagnose-Studie Level 1b. Eine weitere Möglichkeit zur diagnostischen Unterscheidung von idiopathischem und nichtidiopathischem Parkinsonismus untersuchten Müller et al. [106] 2002 in einer Studie zur olfaktorischen Funktion bei 50 Patienten mit Parkinson-Syndrom (s. Tabelle 4.5, S. 38). Bei 29 Patienten war ein Morbus Parkinson diagnostiziert, während bei 21 die Diagnose zum Testzeitpunkt noch ausstand. Die Patienten wurden zu Beginn der Studie einer Geruchsschwellenbestimmung sowie Tests zur olfaktorischen Identifikation und Diskrimination unterzogen. Alle Patienten durchliefen intensive neurologische Diagnostik inklusive PET-Scans, und nach einem Follow-up von 6 bis 12 Monaten wurde die definitive Diagnose 37 durch einen den Ergebnissen der olfaktorischen Tests gegenüber verblindeten Untersucher gestellt. Die Ergebnisse zeigten, dass 19 Patienten mit idiopathischem Parkinsonismus unter Anosmie litten, während 18 eine starke bis mittlere Hyposmie aufwiesen. 7 der 8 Patienten mit diagnostizierter multipler Systematrophie hatten ebenfalls eine Hyposmie. Alle anderen Patienten mit Parkinson-Syndrom (darunter 1 Patient mit psychogenem Parkinsonismus) zeigten keine olfaktorischen Defizite. Kommentar: Die Studienergebnisse machen deutlich, dass olfaktorische Tests eine wichtige Rolle in der Unterscheidung zwischen idiopathischem und nichtidiopathischem Parkinsonismus spielen können. Der geringe Anteil an Patienten mit psychogenem Parkinsonismus in dieser Studie lässt jedoch keine gültige Aussage bezüglich der Unterscheidung idiopathischer Parkinsonismus vs. psychogener Parkinsonismus zu. Tab. 4.5 Studienübersicht: Psychogener Parkinsonismus Autoren Stichprobe Design Methodik Ergebnisse/Kernaussage Prospektive Studien Müller et al. 29 Patienten mit M. Kohortenstudie; Klinische Untersu- 37 Patienten mit M. Parkinson und 7 von 8 Patien- 2002 [106] Parkinson, 21 Patien- Follow-up nach chung; umfassende ten mit multipler Systematrophie zeigten olfakto- Level 1b ten mit unklarem 6–12 Monaten; Parkinson-Diagnostik; rische Defizite; andere Parkinson-Formen zeigten Parkinson-Syndrom Untersucher ver- olfaktorische Tests keine olfaktorischen Defizite bei Untersuchungs- blindet Goldstandard-Diagnose vs. klinische Diagnose beginn Jennings et 35 Patienten mit Kohortenstudie; Klinische Untersu- al. 2004 [70] Verdacht auf Parkin- Follow-up nach 6 chung; [ I] ß-CIT und zeigt Nichtübereinstimmung in 25,7% der Fälle; Level 1b sonismus Monaten; Untersu- SPECT; Goldstandard- Goldstandard-Diagnose vs. bildgebende Diagnose cher verblindet Diagnose zeigt Nichtübereinstimmung in 8,7% der Fälle 123 Benaderette 9 Patienten mit Querschnittsstudie; Klinische Untersu- 6 Patienten mit Diagnose psychogener Parkinso- et al. 2005 Verdacht auf psycho- verblindete Unter- chung; elektrophysio- nismus, 3 Patienten mit Diagnose psychogener [11] genen Parkinsonis- sucher logische Untersu- Parkinsonismus und Parkinsonismus; Kombination Level 2b mus 123 chung; [ I]-FP-CIT- der 3 Untersuchungsmethoden erhöht die diag- SPECT-Untersuchung nostische Genauigkeit bei der Unterscheidung zwischen psychogenem Parkinsonismus und psychogenem Parkinsonismus und Parkinsonismus (b) → Diagnose-Studie Level 1b. Mit der diagnostischen Genauigkeit von [123I] ß-CIT und SPECT zur Unterscheidung von organischem Parkinsonismus und anderweitig induziertem Parkinsonismus beschäftigte sich auch eine Studie von Jennings et al. [74] aus dem Jahre 2004 (s. Ta38 belle 4.5, S. 38). Hierzu wurden 35 Patienten mit Verdacht auf Parkinson-Syndrom klinisch untersucht und die Diagnose „Parkinson-Syndrom positiv“ oder „Parkinson-Syndrom negativ“ gestellt. Anschließend wurden die [123I] ß-CIT- und SPECT-Untersuchungen durchgeführt und anhand der Resultate dieser bildgebenden Verfahren ebenfalls eine Diagnose gestellt. In einer Follow-up-Untersuchung nach 6 Monaten wurde eine erneute klinische Diagnose durch einen den bildgebenden Verfahren gegenüber verblindeten Untersucher gestellt, was dem Goldstandard für die Diagnose des M. Parkinson entspricht. Im Vergleich zwischen GoldstandardDiagnose und erster klinischer Diagnose zeigte sich eine Inkongruenz in 25,7% der Fälle (Sensitivität: 0,92; Spezifität: 0,30), während eine fehlende Übereinstimmung mit der bildgebenden Diagnose lediglich in 8,7% der Fälle (Sensitivität: 0,92; Spezifität: 1,00) auftrat. Kommentar: Die Studie zeigt, dass die beschriebene bildgebende Diagnostik mittels [ 123I] ß-CIT und SPECT ein wichtiges Verfahren zur Unterscheidung von organischem und anderweitig induziertem Parkinsonismus darstellt. (c) → Diagnose-Studie Level 2b. Benaderette et al. [11] untersuchten in ihrer Studie aus dem Jahre 2005 die Übereinstimmung von klinischer, elektrophysiologischer und [123I]-FP-CITSPECT-Diagnose bei 9 Patienten, die mit Verdacht auf psychogenen Parkinsonismus überwiesen worden waren (s. Tabelle 4.5, S. 38). Sie gingen der Frage nach, inwieweit die Kombination dieser drei Methoden die diagnostische Genauigkeit erhöhen kann. Vor der elektrophysiologischen Untersuchung und der SPECT wurden alle Patienten klinisch untersucht und einer der drei Gruppen, „Parkinson-Erkrankung“, „psychogener Parkinsonismus“ oder der Kombination aus beidem, zugeordnet. Die klinische Beurteilung des psychogenen Parkinsonismus erfolgte nach einer modifizierten Kriterienliste in Anlehnung an Fahn et al. [43]. Eine ParkinsonErkrankung wurde nach den Kriterien der „U.K. Parkinson’s Disease Society Brain Bank“ [165] diagnostiziert. 7 Patienten zeigten Tremor als prädominierendes Symptom, 2 akinetische Symptomatik. Die Patienten mit prädominierendem Tremor wurden zusätzlich mittels Akzelerometer und EMG untersucht. Die elektrophysiologischen Untersuchungen zeigten bei 5 Patienten mit Tremor Charakteristika des psychogenen Tremors. Die SPECT-Untersuchung zeigte bei 5 Patienten Auffälligkeiten, wie z.B. eine verminderte Aufnahme des Kontrastmittels im linken Putamen. Als Enddiagnose wurde unter Berücksichtigung der Ergebnisse aller 3 Untersuchungsformen bei 6 Patienten psychogener Parkinsonismus und bei 3 Patienten eine Kombination aus psychogenem Parkinsonismus und Parkinsonismus festgestellt. 39 Kommentar: Die Ergebnisse zeigen, dass die Kombination von klinischer, elektrophysiologischer und [123I]-FP-CIT-SPECT-Untersuchung die Exaktheit in der diagnostischen Unterscheidung von psychogenem Parkinsonismus und der Kombination aus Parkinsonismus und psychogenem Parkinsonismus erhöht. Die geringe Fallzahl schränkt ihre Aussagekraft jedoch ein. 4.2.3 Psychogener Tremor Prospektive Studien (a) → Differenzialdiagnose-Studie Level 1b. Deuschl et al. [30] untersuchten in ihrer 1998 publizierten Studie diagnostische und pathophysiologische Aspekte des psychogenen Tremors (s. Tabelle 4.6, S. 42). Hierzu wurden 25 Patienten mit einbezogen, bei denen nach einer modifizierten Kriterienliste in Anlehnung an Fahn u. Williams [43] psychogener Tremor diagnostiziert worden war. Die Patienten wurden klinisch untersucht, einem standardisierten Interview unterzogen und durchliefen elektrophysiologische Tests (quantitative Akzelerometrie). Für einige elektrophysiologische Tests dienten 8 Patienten mit parkinsonschem Tremor und 8 Patienten mit essentiellem Tremor als Kontrollgruppe. Bei 64% der Patienten wurde ein Follow-up durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten bei 19 Patienten einen prädominierenden Tremor im rechten Arm. Besonderes Augenmerk galt dem Phänomen der Koaktivierung, die bei allen untersuchten Patienten festgestellt werden konnte und neben der Abwesenheit von Tremor der Finger als konsistentestes Merkmal zur Abgrenzung von organischem Tremor diente. Ablenkbarkeit (Abnahme der Symptomatik bei Ablenkung der Aufmerksamkeit des Patienten) konnte bei 19 von 22 Patienten festgestellt werden, während die Reduktion der Tremoramplitude oder der Wechsel der Tremorfrequenz bei mentalen oder motorischen Aufgaben bei 22 Patienten präsent war. 19 Patienten wurden psychologisch untersucht, wobei lediglich bei 3 Patienten eine histrionische Persönlichkeitsstörung vorlag, 6 Patienten unter Depressionen litten und 3 Patienten die diagnostischen Kriterien für eine Somatisierungsstörung erfüllten. 16 Patienten wurden einer quantitativen Tremoranalyse mittels Akzelerometrie unterzogen. Bei Belastung der ausgestreckten Hände mit Gewicht (500 bis 1000 g) kam es bei 11 Patienten zu einer Zunahme der Tremoramplitude. Kommentar: Die Ergebnisse zu physiologischen Charakteristika des psychogenen Tremors finden auch praktische Anwendbarkeit in mehreren klinisch-diagnostischen Tests [26a]. 40 (b) → Differenzialdiagnose-Studie Level 3b. Zeuner et al. [161] beschäftigten sich in ihrer Studie aus dem Jahre 2002 mit der Akzelerometrie als diagnostischem Verfahren zur Unterscheidung von psychogenem und essentiellem bzw. parkinsonschem Tremor (s. Tabelle 4.6, S. 42). Hierzu wurde der posturale Tremor am Handgelenk von 6 Patienten mit psychogenem, 11 mit essentiellem und 12 mit parkinsonschem Tremor gemessen. Die Messung erfolgte an einer Hand in Ruhe und bei Klopfbewegung der kontralateralen Hand zu einem auditiven Reiz von 3 und 4 oder 5 Hz. Patienten mit psychogenem Tremor zeigten signifikant größere Variabilität der Tremorfrequenz bei Klopfbewegungen bei 3 Hz im Vergleich zu parkinsonschem Tremor (p=0,003) und essentiellem Tremor (p=0,001). Kommentar: Die Untersuchung, die sich das Prinzip der Ablenkbarkeit des psychogenen Tremors zunutze macht, zeigt, dass die Akzelerometrie als diagnostisches Instrument zur Unterscheidung verschiedener Tremorformen verwendet werden könnte; die Ergebnisse der Studie müssen jedoch in weiteren Studien mit größerer Fallzahl bestätigt werden. (c) → Differenzialdiagnose-Studie Level 3b. Die Unterscheidung zwischen psychogenem und essentiellem Tremor war 2007 Inhalt einer Studie von Kenney et al. [74] (s. Tabelle 4.6, S. 42). Von der Hypothese ausgehend, dass sich psychogener Tremor von essentiellem Tremor durch variable Amplitude und Frequenz, Ablenkbarkeit, „Entrainment“ und Suggerierbarkeit unterscheidet, überprüften die Autoren Sensitivität und Spezifität dieser Parameter. Hierzu wurden Daten von 45 Patienten in Bezug auf Tremorbeginn, spontane Remission, Familienanamnese und Arbeitsanamnese erhoben sowie Videoprotokolle der Untersuchung hinsichtlich Ablenkbarkeit, „Entrainment“ und Suggerierbarkeit ausgewertet. 33 Patienten erfüllten die Kriterien für essentiellen und 12 für psychogenen Tremor. Die Ergebnisse verdeutlichten signifikant, dass Patienten mit psychogenem Tremor einen plötzlichen Beginn (p=0,03), spontane Remission (p=0,03) und kürzere Tremordauer (p=0,001) aufwiesen, wobei der essentielle Tremor häufiger in der Familienanamnese (p=0,001) anzutreffen war. Ablenkbarkeit durch alternierendes Klopfen mit den Fingern (p=0,01) und mentale Konzentration (p=0,01) traten häufiger beim psychogenen Tremor auf. 41 Tab. 4.6 Studienübersicht: Psychogener Tremor Autoren Stichprobe Design Methodik Ergebnisse/Kernaussage Prospektive Studien Deuschl et 25 Patienten Kohortenstudie; Standardisiertes Interview; klinische „Koaktivierung“, „Ablenkbarkeit“ al. 1998 mit psychoge- keine Verblindung Untersuchung; Akzelerometrie und Abwesenheit von Tremor der [30] nem Tremor angegeben; Follow- Finger als besondere Merkmale; up 6 bis 96 Monate; Abnahme der Tremoramplitude bei LFU 36% zusätzlicher Belastung durch Ge- Level 1b wicht; Prädominanz des Tremors im rechten Arm Zeuner et 6 Patienten mit Querschnittsstudie; Messung mit Akzelerometer in Ruhe und Psychogener Tremor zeigt größere al. psychogenem keine Verblindung bei Klopfbewegung der kontralateralen Frequenzwechsel als essentieller 2003 Tremor; Patien- angegeben Hand zu akustischem Reiz Tremor (p=0,001) und parkinson- [161] ten mit essenti- Level 3b ellem Tremor; scher Tremor (p=0,003) 12 Patienten mit parkinsonschem Tremor Kenney et 33 Patienten Querschnittsstudie; Standardisiertes Interview; standardisierte Plötzlicher Beginn und Spontanre- al. 2007 mit essentiel- Videos randomi- Videoanalyse mission sowie Ablenkbarkeit und [74] lem Tremor und siert; Auswerter Suggerierbarkeit sind gute Prädikto- Level 3b 12 mit psycho- verblindet ren des psychogenen Tremors und genem Tremor helfen bei diagnostischer Unterscheidung zum essentiellen Tremor Weiterhin schienen Suggerierbarkeit im Stimmgabeltest (p=0,04) und Verschlimmerung des Tremors unter Hyperventilation (p=0,06) das Auftreten von psychogenem Tremor zu begünstigen. Kommentar: Ungleiche Größe der untersuchten Gruppen und geringe Fallzahl der Patienten mit psychogenem Tremor mindern insgesamt die Aussagekraft der Ergebnisse. 42 4.2.4 Evaluation klinischer Diagnosekriterien von psychogenen Bewegungsstörungen Retrospektive Studien → Diagnose-Studie Level 3b. Shill et al. [135] untersuchten in ihrer Studie 2006 die klinischen Diagnosekriterien für psychogene Bewegungsstörungen, indem sie die von Fahn u. Williams 1988 [43] erstmalig veröffentlichten Kriterien um einige diagnostische Aspekte (wie z.B. ein einer Bewegung vorausgehendes Bereitschaftspotenzial im EEG bei psychogenem Myoklonus) erweiterten und auf ihre Spezifität und Sensitivität überprüften (s. Tabelle 4.7, S. 43). Hierzu wurden die Patientenakten von 29 Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen gesichtet und mit 50 Patienten mit organisch bedingten Bewegungsstörungen verglichen. Verglichen wurden hier sowohl Daten zur Auftretenshäufigkeit als auch spezielle Befunde der klinischen Untersuchung und der Krankengeschichte. Den Ergebnissen nach lag die Spezifität der angewandten Diagnosekriterien für „klinisch wahrscheinliche“ psychogene Bewegungsstörungen bei 100% und die Sensitivität bei 83%. Für „mögliche“ psychogene Bewegungsstörungen lag die Sensitivität bei 97% und die Spezifität bei 96%. Tab. 4.7 Studienübersicht: Evaluation klinischer Diagnosekriterien Autoren Stichprobe Design Methodik Ergebnisse/Kernaussage Retrospektive Studien Shill et al. 29 Patienten mit Kohortenstudie; Patientenakten; Die Diagnosekriterien sind einfach anzuwenden 2006 [135] psychogenen Bewe- keine Verblin- Fahn/Williams-Kriterien und verfügen über eine hohe Spezifität und Level 3b gungsstörungen; 50 dung angegeben um diagnostische As- Sensitivität zur Diagnostik von psychogenen pekte erweitert Bewegungsstörungen Patienten mit organischen Bewegungsstörungen Weitere signifikante Ergebnisse der Studie waren der hohe weibliche Anteil (p=0,001) und das Auftreten von neurologischen Erkrankungen in der Familie (p=0,01) in der psychogenen Gruppe gegenüber der Kontrollgruppe. Kommentar: Die Studie zeigt, dass die Fahn/Williams-Kriterien bzw. ihre Erweiterung in Abwesenheit eines Goldstandards für die Diagnose „Psychogene Bewegungsstörung“ eine wichtige diagnostische Grundlage bilden. 43 4.3 Grundlagen, Symptomatik und klinisches Erscheinungsbild der psychogenen Bewegungsstörungen 4.3.1 Studien, die unterschiedliche psychogene Bewegungsstörungen erfassen Prospektive Studien (a) → Symptom-Studie Level 4 (im Zusammenhang mit der Follow-up-Studie von 1998 [15] als Level 1b zu bewerten). Binzer et al. [16] verglichen in ihrer Studie aus dem Jahre 1997 30 Patienten mit motorischen Funktionsstörungen, denen eine Konversionsstörung zugrunde lag, mit einer dreißigköpfigen Kontrollgruppe mit Bewegungsstörungen organischer Ursache (s. Tabelle 4.8, S. 49). Als Untersuchungsinstrumente für die psychiatrische Diagnose dienten die strukturierten Interviews SCID-I und SCID-II nach DSM-III-R-Kriterien [142, 143]. Die Patienten bewerteten ihr soziales, psychisches und alltägliches Wohlbefinden innerhalb des letzten Jahres mithilfe der Global Assessment of Functioning Scale (GAF) [18], während die Schwere einer möglichen depressiven Symptomatik anhand der Hamilton Psychiatric Rating Depression Scale (HRDS) [58] beurteilt wurde. Das Auftreten von positiven oder negativen Belastungssituationen in Bezug auf Familienleben, Arbeitsleben, finanzielle Situation, Krankheit und Tod wurde in einem semistrukturierten Interview erfasst. Die Patienten mit Konversionsstörungen zeigten mit 33% einen signifikant höheren Anteil an psychiatrischen Co-Erkrankungen nach DSMIII-R, Achse I, im Vergleich zu 10% in der Kontrollgruppe. 50% erfüllten die diagnostischen Kriterien für Persönlichkeitsstörungen nach Achse II, in der Kontrollgruppe waren es 17%. Auch die Ergebnisse der HRDS waren im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant erhöht (p=0,001). Weiterhin zeigte die Studie signifikante Unterschiede im schulischen Bildungsniveau der beiden Gruppen, so konnten lediglich 13% der Patienten mit Konversionsstörungen einen Highschool-Abschluss vorweisen, während es bei den Patienten mit organisch bedingten Bewegungsstörungen immerhin 67% waren. Bezüglich des allgemeinen Wohlbefindens, bewertet mit dem GAF, zeigten sich signifikant schlechtere Ergebnisse bei den Patienten mit Konversionsstörung als bei der Kontrollgruppe (p<0,01), und auch das Auftreten von Belastungssituationen vor Beginn der Symptomatik war gegenüber der Kontrollgruppe signifikant erhöht. Eine logistische Regressionsanalyse zeigte, dass niedriges Bildungsniveau, Vorhandensein einer 44 Persönlichkeitsstörung und ein hoher Wert auf der Hamilton-Depressionsskala signifikant mit motorischen Konversionsstörungen assoziiert sind. Kommentar: Die Studie bestätigt die Ergebnisse anderer Studien [45, 73] bezüglich prädisponierender und begleitender Faktoren bei Patienten mit motorischer Konversionsstörung. (b) → Prognose-Studie Level 1b. Im Jahre 1998 veröffentlichten Binzer et al. [15] eine Followup-Studie, die mit der gleichen Patientenkohorte wie in der vorhergehenden Studie [16] durchgeführt wurde und deren Teilnehmer nach 6 Monaten, 1 Jahr und abschließend nach 2,5 bis 5 Jahren nach Beginn der Symptomatik untersucht wurde (s. Tabelle 4.8, S. 49). Als zusätzliche Messinstrumente zur vorangegangenen Studie wurden der Illness Behaviour Questionnaire (IBQ) [118], Beck’s Hopelessness Scale (BHS) [10], Karolinska Scale of Personality (KSP) [126], Locus of Control (LOC) [34] und der Egna Minnen Beträffand Uppfostran (EMBU) [112] eingesetzt. Bei erneuter Untersuchung nach 2 bis 5 Jahren konnte bei 19 Patienten eine vollständige Heilung und bei 8 eine deutliche Verbesserung festgestellt werden, während lediglich 3 Patienten keine Veränderung oder eine Verschlechterung der Symptomatik aufwiesen. Weitere signifikante Studienergebnisse zeigten einen Zusammenhang zwischen negativer Prognose bezüglich einer Heilung und Persönlichkeitsstörung (v.a. bei DSM-IV, Achse II, Cluster C) (p<0,05), begleitender somatischer Erkrankung, negativen Erwartungen an die Zukunft (respektive niedrigen Punktwerten auf der BHS) (p<0,05) und niedrigem allgemeinem Wohlbefinden (respektive niedrigen Punktwerten auf DSM-IV, Achse V) (p<0,01). Kommentar: Eine Follow-up-Quote von 100% in einem Zeitraum von 2 bis 5 Jahren lässt bei gemeinsamer Betrachtung der beiden Studien einen aufschlussreichen Einblick hinsichtlich der Prognose bei motorischen Konversionsstörungen zu. Jedoch bleibt festzustellen, dass die in der Follow-up-Periode erfolgten therapeutischen Interventionen nicht näher bezeichnet wurden. Limitierende Faktoren bezüglich der Studienqualität sind die relativ kleine Fallzahl und der Fakt, dass das Follow-up-Interview telefonisch durchgeführt wurde. (c) → Prävalenz-Studie Level 1b. Die Studie von Carson et al. [21] aus dem Jahre 2000 beschäftigte sich mit dem proportionalen Anteil von Patienten mit medizinisch nicht erklärbaren Symptomen in neurologischen Kliniken, dem Grund ihrer Überweisung und zugrunde liegenden emotionalen Störungen (s. Tabelle 4.8, S. 49). Hierzu wurden 300 Patienten einer neuro45 logischen Klinik untersucht und bewertet wurde, bis zu welchem Grad die Symptome organisch erklärbar waren. Die Bewertung, inwieweit die Symptome der Patienten „medizinisch erklärbar“ waren, erfolgte durch den untersuchenden Neurologen, der seine Einschätzung auf einer 4-Punkt-Likert-Skala einordnete („nicht erklärbar“, „teilweise erklärbar“, „größtenteils erklärbar“, „vollständig erklärbar durch organische Ursache“). Gesundheitszustand und Grad der Einschränkung aus Sicht des Patienten wurde mit dem SF-36 [154] exploriert, das Vorhandensein von Angststörungen oder Depressionen mit der Primary Care Evolution of Mental Disorders (PRIME-MD) [139]. Nach 6 Monaten wurde eine Follow-up-Untersuchung durchgeführt, bei der die „medizinische Erkärbarkeit“ der Symptome erneut bewertet wurde. Die Ergebnisse zeigten, dass 11% der Patienten Symptome zeigten, die in die Kategorie „nicht durch organische Ursache zu erklären“ fielen. 19% wurden als „teilweise erklärbar“, 27% als „größtenteils erklärbar“ und 43% als „vollständig erklärbar durch organische Ursache“ eingestuft. Ein Vergleich zwischen diesen Gruppen zeigte, dass die mittlere Anzahl von physischen Symptomen sowie Schmerz bei Patienten mit „nicht erklärbarer“ Symptomatik höher war (p<0,0005). Depression und Angststörung waren in diesen Gruppen ebenfalls häufiger anzutreffen. So hatten 70% der Patienten der „nicht erklärbaren“- gegenüber 32% der „vollständig erklärbaren“-Gruppe eine Angststörung oder Depression (p<0,0005). Kommentar: Die Studie gibt Aufschluss darüber, wie groß der Anteil medizinisch nicht erklärbarer Symptome bei Patienten in neurologischen Kliniken ist. (d) → Symptom-Studie Level 3b. 2009 verglichen van Beilen et al. [151] 26 Patienten mit psychogenen (PMD) und 26 Patienten mit neurologisch bedingten Bewegungsstörungen (ND) sowie eine achtzehnköpfige Kontrollgruppe (HC) hinsichtlich Psychopathologie und Simulation (s. Tabelle 4.8, S. 49). Als Untersuchungsinstrumente diente die holländische Adaption der Symptom Checklist 90 (SCL 90) [5], ein 90 Items umfassender Fragebogen zur Exploration körperlicher und psychischer Beschwerden. Zur Erfassung möglicher Simulation wurden der Amsterdamse Korte Termijn Geheugen Test [125] und das Structured Inventory of Malingered Symptomatology (SIMS) [136] verwendet. Die Ergebnisse zeigten, dass eine große Anzahl beider Patientengruppen Punktwerte über dem Cut-off für Psychopathologie aufwies. Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen machten hierbei den signifikant größten Anteil aus (P=0,000 für PMD: ND + HC; P=0,009 für PMD: ND). Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch der Test zur Überprüfung von Simulation (SIMS) (P=0,001 für PMD: ND + HC; P=0,012 für PMD: 46 ND). In beiden Patientengruppen korrelierte psychologischer Disstress mit dem Grad der Simulation. Kommentar: Aus den Ergebnissen der Studie kann abgeleitet werden, dass es keine kausale Verknüpfung zwischen psychologischem Disstress und psychogenen neurologischen Störungen gibt. Sie legen aber nahe, dass mit großer Wahrscheinlichkeit ein Teil der psychologischen Beschwerden Folgen einer Erkrankung sind. Retrospektive Studien (a) → Prognose-Studie Level 2b. Lempert et al. [90] untersuchten in ihrer 1990 veröffentlichten Studie Auftretenshäufigkeit und klinisches Erscheinungsbild psychogener Störungen bei stationären Patienten einer neurologischen Klinik (s. Tabelle 4.8, S. 49). Hierzu durchsahen sie die Akten von 4470 Patienten. Den Ergebnissen zufolge wurde bei 405 (9%) eine psychogene Ursache festgestellt, wobei bei 82 von 405 (20%) Patienten psychogene Bewegungsstörungen dominierten, die damit der Häufigkeit nach an zweiter Stelle nach dem psychogenen Schmerz folgten. Als häufigste Bewegungsstörungen wurde Astasie-Abasie bei 52 von 405 Patienten, Monoparese (n=31) und Hemiparese (n=20) diagnostiziert. Depression war bei 38% aller Patienten anzutreffen und damit die häufigste psychische Störung, gefolgt von Angststörung (13%). Im Kurzzeit-Outcome1 (5 bis 10 Tage) konnte bei 11% der Patienten eine vollständige Remission, bei 32% eine Verbesserung und bei 57% keine Verbesserung der Symptome festgestellt werden. Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen zeigten eine bessere Prognose als die übrigen (19% vollständige Remission, 35% Verbesserung der Symptome, 47% keine Verbesserung). Ein positives Outcome korrelierte signifikant (p<0,001) mit kurzer Dauer der Symptome. Kommentar: Bei der Studie ist zu beachten, dass sie sich nicht primär mit psychogenen Bewegungsstörungen, sondern mit allen psychogenen neurologischen Störungen befasst. Therapeutische Interventionen, die das Outcome beeinflusst haben könnten, werden nicht näher beschrieben. (b) → Prognose-Studie Level 2b. Die Studie von Factor et al. [40] aus dem Jahre 1995 beschäftigte sich mit Häufigkeit, klinischem Bild und Charakteristika der psychogenen Bewegungsstö- 1 Im int. Sprachgebrauch: „Gesamtergebnis diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen“ [vgl. 78a]. 47 rungen (s. Tabelle 4.8, S. 49). Hierzu wurden aus einer Datenbank mit 842 Patienten mit Bewegungsstörungen diejenigen Fälle ausgewählt, bei denen die definitive oder Verdachtsdiagnose „Psychogene Bewegungsstörung“ vorlag. Krankenakten und Videoaufnahmen dieser Patienten wurden detailliert besprochen und bewertet und die Patienten anschließend gemäß der Klassifizierung nach Fahn u. Williams verschiedenen Diagnosegruppen zugeteilt. Insgesamt wurden bei 28 Patienten (3,3%) psychogene Bewegungsstörungen festgestellt, von denen 14 (50%) als psychogener Tremor definiert wurden. Psychogene Dystonie wurde in 5 (18%), Myoklonus in 4 (14%) und psychogener Parkinsonismus in 2 (7%) der Fälle diagnostiziert. Die 4 übrigen Fälle zeigten Kombinationen der verschiedenen Krankheitsbilder oder waren nicht klassifizierbar. Häufigste klinische Charakteristika waren Ablenkbarkeit (86%), plötzlicher Beginn (54%), selektive Funktionsstörungen und multiple Somatisierungen (36%). Weitere wichtige diagnostische Hinweise waren Anpassung der Tremorfrequenz an andersfrequente Bewegungen der kontralateralen Gliedmaßen, Ermüdung des Tremors und vorangegangene psychische Erkrankungen. Bei 61% der Patienten lag der Erkrankung ein klar definiertes auslösendes Ereignis zugrunde, wobei beruflich bedingte Verletzungen am häufigsten waren. 50% hatten zudem eine psychiatrische Diagnose (meist Depression). 25% präsentierten kombinierte psychogene Bewegungsstörungen und organische Bewegungsstörungen. Kommentar: Der Anteil von 3,3% von Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen ähnelt dem von Fahn [42], der aus einer Population von 3700 Patienten einer neurologischen Klinik 2,1% ermittelte. (c) → Prognose-Studie Level 2b. Williams et al. [159] untersuchten 1995 131 Patienten ihrer Klinik, bei denen psychische Bewegungsstörungen diagnostiziert worden waren, auf klinische Charakteristika, psychische Co-Erkrankungen und Outcome nach verschiedenen therapeutischen Interventionen (s. Tabelle 4.8, S. 49). Die am häufigsten beobachteten Störungen waren Dystonie (59%), Tremor (14%), Gangstörungen (9%) und paroxysmale Dyskinesien (9%); es folgten andere Störungsbilder wie Myoklonus, Blepharospasmus und Parkinsonismus. 13% der Patienten zeigten eine neurologische Co-Erkrankung, wie z.B. Parkinson oder vestibuläre Dysfunktion. Die durchschnittliche Zeit zwischen Beginn der Symptomatik und Diagnose einer psychogenen Erkrankung lag bei 4,9 Jahren. Von 32 Patienten, bei denen die Berichte zurückliegender Arztbesuche vorlagen, waren 75% als neurologisch erkrankt fehldiagnostiziert und behandelt worden. Nach Erklärung dieser Tatsache durch einen Neurologen akzeptierten 70% 48 der Patienten die Möglichkeit einer psychogenen Ursache und erklärten sich bereit, psychologische Hilfe anzunehmen. 79% aller Patienten litten unter multiplen Symptomen. 45% zeigten eine persistierende Symptomatik, 55% intermittierende oder anfallartige Symptome. Die Symptomatik begann bei 60% der Patienten plötzlich und konnte gewöhnlich mit einem auslösenden Ereignis, Stress oder Angst in Verbindung gebracht werden. Klinische Charakteristika, von denen eines oder mehrere bei allen Patienten vorhanden waren, umfassten abrupten Beginn, multiple Symptome, Fluktuation der Symptome, Zunahme der Symptomatik durch Fokussierung, Abnahme durch Ablenkung, Ansprechen auf Placebogabe, assoziierte neurologische Erkrankungen, assoziierte psychische Erkrankungen, Besserung der Symptome durch Psychotherapie und Remission der Symptome, wenn der Patient sich unbeobachtet glaubte. 24 Patienten erklärten sich zu intensiver psychiatrischer Diagnostik und Behandlung bereit. Tab. 4.8 Studienübersicht: Studien, die unterschiedliche psychogene Bewegungsstörungen erfassen Autor Stichprobe Design Methodik Ergebnisse/Kernaussage Prospektive Studien Binzer et al. 30 Patienten mit Kohortenstudie; Klinische Untersu- Niedriges Bildungsniveau, Persönlichkeitsstö- 1997 [16] motorischen Konversi- keine Verblindung chung; strukturiertes rung und Depression sind signifikant mit moto- Level 1b onsstörungen; 30 angegeben Interview (SCID-I; rischer Konversionsstörung assoziiert Patienten mit motori- SCID-II); semistruktu- schen Störungen riertes Interview; organischer Ursache Fragebogen (GAF; HRDS ) Binzer et al. 30 Patienten mit Kohortenstudie; Klinische Untersu- Vollständige Remission bei 19 Patienten, 8 mit 1998 [15] motorischen Konversi- Follow-up nach 6 chung; strukturiertes Verbesserung der Symptomatik, 3 ohne Ver- Level 1b onsstörungen Monaten, 1 Jahr, Interview (SCID-I; besserung bzw. Verschlechterung; ungünstiges 2,5 bis 5 Jahre; LFU SCID-II); semistruktu- Outcome assoziiert mit bestehender Persön- 100%; keine Ver- riertes Interview; lichkeitsstörung, negativen Zukunftserwartun- blindung Fragebgen (IBQ; BHS; gen, begleitender somatischer Erkrankung und angegeben KSP; LOC; EMBU; GAF; schlechtem Allgemeinbefinden HRDS) Carson et al. 300 Patienten mit Kohortenstudie; Klinische Untersu- Bei 11% der Patienten keine nachweisbare 2000 [21] neurologischen Symp- Follow-up nach 6 chung; organische Ursache für die Symptome; von Level 1b tomen Monaten; LFU 18%; strukturiertes Inter- diesen haben 70% eine Angststörung oder keine Verblindung view (PRIME-MD); Depression angegeben Fragebogen (SF 36) 49 van Beilen et 26 Patienten mit Querschnittsstudie; Fragebogen (SIMS; Patienten mit psychogenen Bewegungsstörun- al. 2009 psychogenen Bewe- Vergleichsgruppe AKGT; SCL-90) gen zeigen signifikant mehr psychologische [151] gungsstörungen; 26 alters- und Level 3b Patienten mit organi- geschlechtsadjust- schen Bewegungsstö- iert; keine Verblin- rungen dung angegeben Beschwerden und höheren Grad an Simulation Retrospektive Studien Lempert et 405 Patienten mit Kohortenstudie; al. 1990 [90] psychogenen neurolo- Kurzzeit-Outcome Patientenakte Häufigste psychogene Bewegungsstörung: Astasie-Abasie; Outcome von psychogenen Level 2b gischen Störungen (5 bis 10 Tage) Bewegungsstörungen signifikant besser als bei anderen psychogenen neurologischen Störungen Factor et al. 842 Patienten, davon Kohortenstudie; Datenbank; Patien- Häufigkeit psychogener Bewegungsstörung: 1995 [40] 28 mit psychogenen keine Verblindung tenakte; Videoauf- 3%; häufigste Bewegungsstörung Tremor, Level 2b Bewegungsstörungen angegeben; LFU nahmen gefolgt von Dystonie, Myoklonus, psychogenem 28% Parkinsonismus; 50% der Patienten mit psychiatrischer Diagnose Williams et 131 Patienten mit Kohortenstudie; Patientenakte; klini- Häufigste Bewegungsstörung: Dystonie (59%); al. 1995 psychogenen Bewe- Follow-up bei 24 sche Untersuchung häufigste psychische Störung: Konversionsstö- [159] gungsstörungen Patienten (6 Wo- DSM-IV, Achse I–V rung (75%); multimodale Therapie mit Psycho- Level 2b chen bis 7 Jahre; Ø pharmaka, Psychotherapie, Physiotherapie, 1,8 Jahre) Hypnose, Familientherapie und Placebogabe führte zu vollständiger Remission der Symptome bei 25%, deutlicher Besserung bei 21%, leichter Besserung bei 8%; 33% der Patienten zeigten keine langfristige Besserung Crimlisk et al. 73 Patienten mit Kohortenstudie; Semistrukturiertes 75% der Patienten zeigten psychiatrische 1998 [23] medizinisch nicht Follow-up nach 6 Interview (SADS) Störung, 45% Persönlichkeitsstörung; positives Level 2b erklärbaren motori- Jahren; keine Outcome assoziiert mit kurzer Dauer der Symp- schen Störungen Verblindung ange- tomatik, psychiatrischer Co-Erkrankung und geben; LFU 12% Veränderung des Partnerschaftsstatus während der Follow-up-Periode Hiervon wiesen 75% eine Konversionsstörung, 12,5% eine Somatisierungsstörung und 12,5% eine artifizielle Störung auf. Alle Patienten wiesen mindestens eine DSM-IV-Achse-I-Diagnose auf, wobei affektive Störungen mit 71% am häufigsten waren. Bei 67% konnte eine Persönlichkeitsstörung nach Achse II diagnostiziert werden. Die Therapie bestand bei allen Patienten aus Psychotherapie und zusätzlichen Therapien wie Familientherapie (58%), Hypnose (21%), Physiotherapie (42%) und Placebogabe (3%). 78% erhielten Psychopharmaka. Nach einem 50 durchschnittlichen Follow-up von 1,8 Jahren konnte bei 25% eine vollständige Remission, bei 21% eine starke Verbesserung der Symptome, bei 8% eine leichte Verbesserung festgestellt werden. 21% zeigten zu Beginn eine Verbesserung, dann jedoch eine Rückkehr der Symptome, und 12% zeigten keine Verbesserung. Kommentar: Die Studie enthält umfangreiche Daten zu Alters- und Geschlechterverteilung, klinischen Charakteristika und Prognose von psychogenen Bewegungsstörungen. (d) → Prognose-Studie Level 2b. Eine Follow-up-Studie von Crimlisk et al. [23] aus dem Jahre 1998 beschäftigt sich mit psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen sowie Stabilität der Diagnose und Prognoseindikatoren von Patienten mit „medizinisch nicht erklärbaren“ motorischen Störungen (s. Tabelle 4.8, S. 49). Hierzu wurden 73 Patienten, von denen 48% fehlende motorische Funktionen (z.B. Hemiplegie) und 52% gesteigerte motorische Aktivität (z.B. Tremor, Dystonie) aufwiesen, nach 6 Jahren einer Follow-up-Untersuchung unterzogen. Die neurologische Diagnose wurde anhand einer Untersuchung durch einen Neurologen gestellt, während die psychiatrische Diagnose mithilfe eines standardisierten Interviews, des Schedule for Affective Disorders and Schizophrenia (SADS) [36], gestellt wurde. Den Ergebnissen zufolge wiesen lediglich 3 Patienten neurologische Neuerkrankungen auf, die die vorangegangene Symptomatik erklärten. 75% der Patienten zeigten psychiatrische Störungen, wobei bei 33% die Diagnose zeitlich mit den motorischen Störungen zusammenfiel. Bei 45% der Patienten wurde eine Persönlichkeitsstörung festgestellt. Signifikante Faktoren für ein positives Outcome waren: Symptomdauer < 1 Jahr bei Vorstellung im Krankenhaus (p=0,018), psychiatrische Diagnose nach SADS in zeitlichem Zusammenhang mit Auftreten der Symptomatik (p=0,025), Veränderung des Partnerschaftsstatus während der Follow-up-Periode (p=0,0075). Ein ungünstiges Outcome wurde mit finanziellen Unterstützungsleistungen zum Zeitpunkt der Aufnahme ins Krankenhaus (p=0,03) und bevorstehenden Gerichtsverfahren (p=0,066) assoziiert. Kommentar: Ein im Vergleich zu anderen Studien [45, 166] niedriges LFU erhöht die Relevanz der Ergebnisse. 51 4.3.2 Psychogener Myoklonus Prospektive Studien → Symptom-Studie Level 2b. Monday et al. [103] versuchten in ihrer 1992 publizierten Studie klinische Charakteristika des psychogenen Myoklonus herauszufinden und Positivkriterien zu beschreiben, die zur Etablierung der Diagnose dienlich sind (s. Tabelle 4.9, S. 53). Hierzu wurden aus einer Gruppe von 212 Patienten mit Myoklonus 18 ausgewählt, bei denen die Diagnose psychogener Myoklonus gestellt wurde. 9 Patienten wurde in einem einfach verblindeten Versuch eine saline Placebolösung injiziert. Zuvor war ihnen erklärt worden, dass diese den Myoklonus eventuell verstärken würde und, falls dies der Fall wäre, eine zweite Injektion zur Verbesserung notwendig wäre. Die Placeboversuche wurden gefilmt und ausgewertet. Um die Diagnose psychogener Myoklonus zu etablieren, mussten bei den Patienten myoklonische Bewegungen vorhanden sein, die inkonsistent oder inkongruent mit somatischem Myoklonus waren und mindestens zwei der folgenden Charakteristika aufwiesen: verminderte Bewegung bei Ablenkung, Vorhandensein anderer psychogener Symptome, Perioden spontaner Remission, plötzliche Verbesserung der Symptomatik, Ansprechen auf Placebo und Hinweise auf psychopathologische Genese durch vorangegangene Tests oder psychiatrische Krankengeschichte. 13 Patienten wurden stationär und 5 ambulant untersucht. Bei allen Patienten war in umfangreichen Voruntersuchungen organischer Myoklonus ausgeschlossen worden. Die Patienten waren im Durchschnitt seit 36 Monaten erkrankt. Der Myoklonus war bei 10 von ihnen segmental, bei 7 generalisiert und bei einem Patienten fokal vorhanden. Bei 14 Patienten wurde eine Abnahme der Myoklonusamplitude bei Ablenkung beobachtet, 5 zeigten zusätzlich psychogenen Verlust der Sinneswahrnehmung oder Pseudoschwäche („false weakness“). Die Zunahme der myoklonischen Bewegungen unter Stress war bei 15 Patienten zu beobachten. Bei weiteren 6 Patienten kam es zu spontanen Remissionen, die bis zu 10 Stunden dauerten. 14 Patienten wiesen Anzeichen für psychiatrische Co-Erkrankungen, 10 eine dem Beginn des Myoklonus vorausgehende psychiatrische Diagnose auf. Über die Hälfte der Patienten mit adäquatem Follow-up zeigte einen Rückgang der Symptomatik, nachdem sie durch psychoedukative Maßnahmen Einblicke in die psychogenen Mechanismen ihrer Bewegungsstörungen gewonnen hatten. 52 Kommentar: Die geringe Fallzahl und 33% LFU limitieren die Qualität der Studie, deren Ergebnisse jedoch aufgrund fehlender Vergleichsstudien zu psychogenem Myoklonus von Wichtigkeit in Hinblick auf Diagnose und Therapie sind. Tab. 4.9 Studienübersicht: Psychogener Myoklonus Autoren Stichprobe Design Methodik Ergebnisse/Kernaussage Prospektive Studien Monday et 18 Patienten Kohortenstudie; Injektion saliner Klinische Kennzeichen des psychogenen Myoklonus: al. 1992 mit psychoge- einfach verblindeter Placebolösung; Untersu- - Spontanremission [103] nem Myoklo- Placeboversuch; LFU chung und Festlegung von - Ansprechen auf Placebo Level 2b nus 33% Diagnosekriterien - neurologische Co-Erkrankung - psychiatrische Co-Erkrankung Weitere Ergebnisse: 7 von 12 Patienten mit Followup zeigten Verbesserung nach Verstehen der psychischen Genese 4.3.3 Psychogene Gangstörungen Prospektive Studien → Symptom-Studie Level 3b. Lempert et al. [89] untersuchten in ihrer Studie aus dem Jahre 1990 22 Patienten per Videoaufnahme eines standardisierten diagnostischen Programms, das Laufen und Stehen mit geschlossenen und geöffneten Augen, „tandem walking“ (Gehen mit Hilfestellung), Laufen auf Hacken und Zehenspitzen, eine Kniebeuge und den Romberg-Test beinhaltete (s. Tabelle 4.10, S. 54). Zusätzlich wurden 15 Patienten, die die diagnostischen Standards erfüllten, retrospektiv bewertet und in die Studie mit einbezogen. Die Ergebnisse zeigten 6 Charakteristika, die sich alleine oder kombiniert bei 97% der Patienten ausfindig machen ließen: (1) Schwankungen beim Gehen und Stehen, (2) exzessive Verlangsamung der Bewegungen, (3) „psychogener“ Romberg-Test mit Verbesserung bei Ablenkung, (4) unökonomische Haltung mit Verschwendung von Muskelenergie, (5) „Laufen auf Eis“Bewegungsmuster, gekennzeichnet durch kleine, vorsichtige Schritte mit versteiften Gelenken, und (6) plötzliches Einknicken der Knie („buckling of the knee“). Fluktuationen und exzessive Verlangsamung machten hierbei mit 51% bzw. 35% den größten Anteil aus. 10% der Patienten zeigten ein Astasie-Abasie-Syndrom als klinisches Störungsbild. Bei 73% der Patienten konnten verschiedene andere psychogene Symptome festgestellt werden, die von den Autoren als suggestive Charakteristika einer psychogenen Gangstörung klassifiziert wurden. 53 Tab. 4.10 Studienübersicht: Psychogene Gangstörungen Autoren Stichprobe Design Methodik Ergebnisse/Kernaussage Prospektive Studien Lempert et 37 Patienten mit Querschnittsstudie Standardisiertes Unter- Verschiedene Charakteristika typisch für psycho- al. 1990 psychogenen Störun- bei 22 Patienten; suchungsprotokoll mit gene Bewegungsstörungen: Schwankungen beim [89] gen von Stand oder retrospektive Videoaufnahme Gehen und Stehen; exzessive Verlangsamung der Level 3b Gang Studie bei 15 Bewegungen; „psychogener“ Romberg-Test mit Patienten; keine Verbesserung bei Ablenkung; unökonomische Verblindung ange- Haltung mit Verschwendung von Muskelenergie; geben „Laufen auf Eis“-Bewegungsmuster; plötzliches Einknicken der Knie („buckling of the knee“) Retrospektive Studien Baik et al. 279 Patienten mit Querschnittsstudie; Patientenakte; Video- Häufigste psychogene Bewegungsstörung: Tre- 2007 [7] psychogenen Bewe- keine Verblindung analyse mor (32,6%), gefolgt von Dystonie (31,9%) und Level 3b gungsstörungen, angegeben Myoklonus (18,3%); bei Patienten mit psychoge- davon 118 mit isolier- nen Gangstörungen sind die häufigsten Sympto- ten oder kombinier- me starke Verlangsamung des Ganges (18,6%), ten psychogenen dystonischer Gang (17,8%) und Astasie-Abasie Gangstörungen (11,9%) Sie wurden in motorische Symptome („motor symptoms“) und Verhaltensauffälligkeiten („expressive behaviour“) unterteilt. Tremor und Pseudotaxie waren mit jeweils 24% die am häufigsten vertretenen motorischen Symptome, während ein leidender oder gequälter Gesichtsausdruck (40%) und Wehklagen („moaning“ [22%]) die häufigsten Verhaltensauffälligkeiten waren. Kommentar: Die Studie formuliert diagnostisch wichtige Charakteristika der psychogenen Gangstörungen. Retrospektive Studien → Symptom-Studie Level 3b. Die Studie von Baik et al. [7] aus dem Jahre 2007 beschäftigte sich mit psychogenen Gangstörungen und ihren Charakteristika bei Patienten mit unterschiedlichen Formen von psychogenen Bewegungsstörungen (s. Tabelle 4.10, S. 54). Hierzu wurden die Krankenakten und/oder Videoaufnahmen von 279 Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen erneut gesichtet und beurteilt. Es wurden alle Patienten in die Studie eingeschlossen, die die Kriterien für diagnostizierte, klinisch bekannte, wahrscheinliche oder mögliche psychogene Bewegungsstörungen nach Fahn u. Williams [43] erfüllten. Die Patienten 54 wurden in zwei Gruppen unterteilt: In der Gruppe I waren Patienten mit normalem Gang, in der Gruppe II Patienten mit Gangstörungen. Die beiden Gruppen wurden in Subgruppen unterteilt: Gruppe I-1 umfasste Patienten mit normalem Gang und keiner Verschlimmerung anderer psychogener Bewegungsstörungen beim Gehen; Patienten der Gruppe I-2 zeigten Veränderungen der Bewegungsstörungen, die jedoch nicht den Gang betrafen. In Gruppe II-1 waren die Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen und verändertem Gang, während solche mit reinen psychogenen Gangstörungen der Gruppe II-2 zugeteilt wurden. Zwischen Gruppe I und II wurden nun umfangreiche klinische und demografische Daten erhoben und verglichen. Die Ergebnisse machten deutlich, dass Patienten der Gruppe II (psychogene Gangstörung) im Vergleich zu denen der Gruppe I (keine Gangstörung) signifikant häufiger extreme Verlangsamung von Bewegungen, wie z.B. beim Finger-Nase-Versuch oder Auftreten mit dem Fuß (p=0,022), zeigten. Langsamkeit des Ganges war das häufigste Symptom der Patienten aus Gruppe II-1 (psychogene Bewegungsstörung und psychogene Gangstörung), während bei Gruppe II-2 (reine psychogene Gangstörung) starkes Beugen des Knies und Astasie-Abasie dominierten. Kommentar: Die Studie enthält neben den oben beschriebenen Ergebnissen umfangreiche demografische Daten zu Alters- und Geschlechterverteilung sowie klinische Daten zu psychogenen Bewegungsstörungen. Die Retrospektivität der Studie ist als qualitätslimitierender Faktor zu bewerten. 4.3.4 Psychogener Tremor Prospektive Studien → Symptom-Studie Level 3b. Koller et al. [78] diagnostizierten in ihrer Studie 1989 24 Patienten mit psychogenem Tremor und versuchten, einen Überblick über demografische und klinische Charakteristika der Erkrankung zu geben (s. Tabelle 4.11, S. 56). Die Ergebnisse zeigten eine weibliche Prädominanz von 15 weiblichen gegenüber 9 männlichen Patienten. Der Tremor zeigte einen plötzlichen Beginn bei 21 Patienten und fluktuierte bei 4 Patienten. Die mittlere Dauer betrug 3,3 Jahre bei einer Spannweite von 1 Woche bis zu 10 Jahren. Als auslösende Faktoren konnten Kopfverletzungen (n=2), Autounfälle (n=3), virale Infektionen (n=4), Vergiftung mit „Agent Orange“, Rückenverletzung, Einnahme von Neuroleptika und ein abdomi55 naler chirurgischer Eingriff ausgemacht werden. 8 Patienten litten unter einer Konversionsstörung, 8 unter einer Depression, 4 unter einer Angststörung und 2 Patienten simulierten. Bei allen Patienten konnte eine variable Tremoramplitude und Frequenz beobachtet werden, während 91,6% der Patienten weitere variable Charakteristika, wie z.B. Wechsel der Tremorrichtung, zeigten. Klassifiziert nach den Fahn/Williams-Kriterien [43] wurde bei 16 Patienten ein klinisch etablierter und bei 8 Patienten ein klinisch dokumentierter Tremor festgestellt. Kommentar: Als eine der ersten Studien zu psychogenem Tremor konnte sie viele Charakteristika des psychogenen Tremors definieren, die nach wie vor gültig sind. Retrospektive Studien → Symptom-Studie Level 3b. Kim et al. [75] untersuchten in einer Studie aus dem Jahre 1999 klinische Charakteristika und Merkmale des psychogenen Tremors (s. Tabelle 4.11, S. 56). Hierzu werteten sie die Patientenakten von 70 Patienten und zusätzlich Videoaufnahmen von 51 dieser Patienten mit klinisch gesichertem psychogenem Tremor nach Fahn u. Williams [43] aus. Den Ergebnissen zufolge kam es bei 73% der Patienten zu einem plötzlichen Beginn des Tremors, wobei bei 46% mit Beginn bereits die maximale Funktionseinschränkung der betroffenen Körperpartie verbunden war. Der Verlauf war bei 46% der Patienten als gleich bleibend und bei 17% als variabel zu bezeichnen. Spontanes Ende und rekurrierendes Auftreten sowie Ablenkbarkeit, „Entrainment“ und Reaktion auf Suggestion waren weitere charakteristische Merkmale. 39% der Patienten litten unter zusätzlichen psychogenen Bewegungsstörungen, und bei 79% der Patienten konnten zusätzliche funktionelle Störungen wie Schmerz, Insomnie oder Erschöpftheit ohne definierbare organische Ursache diagnostiziert werden. Kommentar: Die sehr hohe LFU-Quote in der Nachbeobachtungsphase von 86% ist ein qualitativ limitierender Faktor. Tab. 4.11 Studienübersicht: Psychogener Tremor Autoren Stichprobe Design Methodik Ergebnisse/Kernaussage Prospektive Studien Koller et al. 24 Patienten Querschnittsstudie; Klinische Untersuchung; Charakteristika: plötzlicher Beginn, auslösendes 1989 [78] mit psychoge- keine Verblindung Patientenakte Ereignis; Konversionsstörung und Depression häu- Level 3b nem Tremor angegeben figste begleitende Erkrankungen 56 Retrospektive Studien Kim et al. 70 Patienten Kohortenstudie; Patientenakte; Videoana- Charakteristika: fokaler Beginn, ausgehend von 1999 [75] mit psychoge- Follow-up Ø 19,4 lyse einer Extremität; spontanes Ende und rekurrieren- Level 3b nem Tremor Monate; LFU 86%; des Auftreten; Ablenkbarkeit, Entrainment und keine Verblindung Ansprechen auf Suggestion; meistens kombiniert angegeben mit anderen psychogenen Bewegungsstörungen 4.3.5 Psychogene Dystonie Prospektive Studien → Interventionsstudie Level 3b. Fahn u. Williams [43] formulierten 1988 ein Stufenschema (s. auch tabellarische Darstellung S. 25) der diagnostischen Sicherheit bei psychogener Dystonie (s. Tabelle 4.12, S. 58). In ihrer Studie stellten sie 21 Patienten vor, die die Kriterien für dokumentierte (n=17) oder klinisch etablierte (n=4) psychogene Dystonie erfüllten. 7 dieser Patienten litten unter paroxysmaler Dystonie. Die epidemiologischen Ergebnisse zeigten eine weibliche Prädominanz im Verhältnis von 19 zu 2. Es ließen sich verschiedene Indikatoren für eine Psychogenität der Dystonie ausmachen. Am häufigsten zu beobachten war die Inkonstanz der Symptome über einen längeren Zeitraum bzw. untypische Bewegungen und Körperhaltung (n=18), gefolgt von Pseudoschwäche („false weakness“) (n=14) und Beginn der Symptomatik in Ruhe (n=11). Schmerz (n=9), der spontan auftrat oder durch passive Bewegungen erzeugt wurde, sowie multiple Somatisierungen (n=8) waren weitere wichtige Charakteristika. Außerdem konnten die Autoren bei den Patienten bizarre Bewegungen (n=7), sensorische Ausfälle (n=5), plötzliche Anfälle (n=5), exzessive Verlangsamung der Bewegungen (n=5) und Abwehrspannung bei leichten Berührungen (n=4) feststellen. Der Beginn der Symptomatik erfolgte meist in den unteren Extremitäten (n=14), wobei der rechte Fuß (n=8) die häufigste Lokalisation darstellte. Bei 13 Patienten breitete sich die Symptomatik auf andere Bereiche des Körpers aus, wobei die zeitliche Dauer hier zwischen wenigen Tagen und 13 Jahren lag. Die Patienten wurden mit verschiedenen bzw. kombinierten Therapiekonzepten behandelt, die Suggestion, Psychotherapie, Physiotherapie, Placebo und medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva einschlossen. Es zeigte sich hierbei, dass vor allem die Suggestion, die Stärkung des Patientenbewusstseins für die Psychogenität seiner Erkrankung und die guten Heilungschancen durch Physio- und Psychotherapie gute Heilungsergebnisse lieferten. So konnte bei 11 von 57 15 Patienten, bei denen Suggestion Teil der Therapie war, eine komplette Remission oder starke Verbesserung der Symptome erzielt werden. Kommentar: Trotz niedriger Fallzahl ist diese Studie wegweisend für Verständnis und Diagnostik der psychogenen Bewegungsstörungen. Die hier erstmalig publizierten diagnostischen Kriterien besitzen bis heute als „Fahn-und-Williams-Kriterien“ Gültigkeit. Retrospektive Studien → Symptom-Studie Level 2b. Mit den klinischen Charakteristika und verschiedenen Formen der psychogenen Dystonie beschäftigten sich Lang et al. [85] in ihrer Studie aus dem Jahre 1995 (s. Tabelle 4.12, S. 58). Hierzu sichteten sie alle Krankenakten von Patienten der vergangenen 10 Jahre, bei denen sie psychogene Bewegungsstörungen diagnostiziert hatten. Tab. 4.12 Studienübersicht: Psychogene Dystonie Autoren Stichprobe Design Methodik Ergebnisse/Kernaussage Prospektive Studien Fahn und 21 Patienten mit Interventionsstudie; Follow-up- Klinische Unter- Weibliche Prädominanz; Inkongruenz der Williams psychogenen Bewe- Dauer nicht adäquat angegeben suchung; Be- Symptome; Suggestion erfolgreiche Be- 1988 gungsstörungen handlung mit handlungsmethode [43] verschiedenen Level 3b therapeutischen Ansätzen Retrospektive Studien Lang et 18 Patienten mit Kohortenstudie; Follow-up-Dauer al. 1995 psychogener Dysto- nicht adäquat angegeben; LFU 55% [85] nie Krankenakte Meist vorangehendes traumatisches Erlebnis; Beginn plötzlich und Verlauf progressiv; Beteiligung der unteren Extremitäten Level 2b häufig 18 Patienten erfüllten die Fahn/Williams-Kriterien [43] für klinisch dokumentierte oder klinisch etablierte psychogene Dystonie und wurden in die Studie mit einbezogen. 14 dieser Patienten gaben ein auslösendes Ereignis im Zusammenhang mit der Erkrankung an, wie z.B. eine lokale Verletzung (n=6) oder einen Autounfall (n=5). Der Beginn war meist plötzlich und der Verlauf rasch progressiv. Im Gegensatz zur idiopathischen Dystonie war eine Beteiligung der unteren Extremitäten häufig (n=12). Es erfolgte bei lediglich 8 Patienten ein Langzeit-Follow-up; die 58 Spannweite reichte hier von kompletter Remission bis vollständiger Persistenz der Symptome Kommentar: Die geringe Fallzahl mindert die Aussagekraft der Ergebnisse. 4.3.6 Psychogener Parkinsonismus Retrospektive Studien → Symptom-Studie Level 3b. Lang et al. [86] veröffentlichten 1995 eine Studie, in der erstmals klinische Charakteristika des psychogenen Parkinsonismus beschrieben und differenzialdiagnostische Aspekte zu organischem Parkinsonismus formuliert wurden (s. Tabelle 4.13, S. 60). Hierzu sichteten sie die Krankenakten dreier medizinischer Versorgungszentren für Bewegungsstörungen. Insgesamt konnten sie bei 7 Männern und 7 Frauen dokumentierten oder klinisch etablierten psychogenen Parkinsonismus diagnostizieren. Bei 12 Patienten konnte ein Ruhetremor festgestellt werden, der sowohl beim Verharren in einer bestimmten Position als auch bei Bewegung die gleiche Amplitude zeigte. Oft variierte er auch in Frequenz und Rhythmus, passte sich der Frequenz anderer Rhythmen an oder nahm bei Ablenkung ab. Eine Rigidität, deren Muskelwiderstand sich bei Ablenkung oder Ausführung synkinetischer Bewegungen abnahm, konnte bei 6 Patienten nachgewiesen werden. Eine Verlangsamung der Bewegungen war bei allen Patienten präsent, zeigte aber ebenso wie die posturale Instabilität (n=12) bizarre und inkonsistente Merkmale. Sensomotorischer Verlust („functional give-way weakness“) und nichtorganische sensorische Störungen waren häufig (n=10). Bei 5 Patienten konnten spontane Remissionen und Remission mit Placebo beobachtet werden. 3 Patienten zeigten eine normale striatale FluordopaAufnahme im PET, und bei einem Patienten, dessen Symptome sich unter Psychotherapie und Haloperidol-Therapie verbessert hatten, konnte eine verminderte Fluordopa-Aufnahme festgestellt werden. Kommentar: Die Tatsache einer Besserung unter Psycho- und Pharmakotherapie bei gleichzeitig verminderter Fluordopa-Aufnahme weist auf eine bestehende Koexistenz von psychogenem und organischem Parkinson hin. 59 Tab. 4.13 Studienübersicht: Psychogener Parkinsonismus Autoren Stichprobe Design Methodik Ergebnisse/Kernaussage Krankenakte Psychogener Parkinsonismus ist eine seltene Bewe- Retrospektive Studien Lang et al. 14 Patienten Querschnittsstudie; 1995 [86] mit psychoge- keine Verblindung gungsstörung; Ruhetremor, Rigidität und posturale Level 3b nem Parkinso- angegeben Instabilität sind charakteristisch; bei 35% Besserung nismus durch Placebo 4.3.7 Motorische Konversionsstörung vs. psychogene nichtepileptische Anfälle Prospektive Studien → Symptom-Studie Level 3b. Im Jahre 2004 publizierten Stone et al. [148] eine Studie, deren Ziel die Überprüfung verschiedener Hypothesen bezüglich charakteristischer Unterschiede zwischen Patienten mit psychogenen nichtepileptischen Anfällen (20) und solchen mit motorischen Konversionsstörungen (20) war (s. Tabelle 4.14, S. 61). Die Annahmen waren, dass Patienten mit psychogenen nichtepileptischen Anfällen im Vergleich eher weiblichen Geschlechts und jüngeren Alters sind, eher eine Borderline-Störung aufweisen, eher sexuellen Missbrauch oder Probleme in der Kindheit erlitten hatten und in jüngerer Zeit häufiger Belastungssituationen („life events“) ausgesetzt waren. Zum Zeitpunkt der Untersuchung lag der Beginn der Symptomatik in der Gruppe der Patienten mit motorischer Konversionsstörung nicht länger als 3 Monate zurück. Informationen zu bisherigen Erkrankungen psychiatrischer oder somatischer Natur sowie Familienanamnese wurden in einem standardisierten Interview erhoben. Die psychiatrische Diagnostik erfolgte mit dem Structured Clinical Interview (SCID) [48] des DSM-IV [2]. Hierbei wurde das SCID-I für klinische Symptomatik und das SCID-II für die Diagnose von Persönlichkeitsstörungen verwendet. Psychologisches, soziales und berufliches „Funktionieren“ der Patienten in den letzten zwei Jahren wurde mithilfe der Global Assessment of Function Scale bewertet (GAF) [18]. Durch die Eltern erfahrene, potenziell traumatische Kindheitserlebnisse wurden anhand des Egna Minnen Beträffande Uppfostran self-rating inventory [112] bestimmt. Das Auftreten von Belastungssituationen 12 bis 4 Monate bzw. 3 Monate vor Beginn der Symptomatik wurde unter Hinzuziehung eines 56-item Life Inventory im Rahmen eines semistrukturierten Interviews [9, 119] bestimmt. Belastungssituationen wurden in den 4 60 Kategorien Arbeit, Familienleben, gesundheitliche Probleme und sonstige Ereignisse mit Bezug zum Wohlbefinden des Patienten erfasst. Die Studie zeigte, dass Patienten mit psychogenen nichtepileptischen Anfällen im Vergleich zu solchen mit motorischer Konversionsstörung im Durchschnitt jünger waren, eher eine Borderline-Störung aufwiesen, weniger elterliche Zuneigung und vermehrt sexuellen Missbrauch in der Familie („incest“) erfahren hatten sowie ein erhöhtes Auftreten von Belastungssituationen in einem 12-Monats-Zeitraum vor Beginn der Symptome erlebt hatten. Tab. 4.14 Studienübersicht: Motorische Konversionsstörung vs. psychogene nichtepileptische Anfälle Autoren Stichprobe Design Methodik Ergebnisse/Kernaussage Prospektive Studien Stone et 20 Patienten mit Querschnittsstudie; Interview (SCID-I; SCID- Patienten mit psychogenen nichtepileptischen al. 2004 psychogenen Auswertung der II); semistrukturiertes Anfällen im Vergleich zu Patienten mit motori- [148] nichtepileptischen Fragebögen ver- Interview; schen Konversionsstörungen signifikant: Level 3b Anfällen, 20 mit blindet Fragebogen (GAF; EMBU- - jünger (p<0,005) self-rating inventory) - eher Borderline-Störung (p<0,05) motorischer Konversionsstörung - weniger elterliche Fürsorge - vermehrt sexueller Missbrauch (p<0,01) - mehr Belastungssituationen in 12 Monaten vor Symptombeginn (p=0,0001) Kommentar: Die Studienergebnisse führen die Autoren zur Diskussion der Frage, ob es sinnvoll ist, psychogene nichtepileptische Anfälle und motorische Konversionsstörungen gemeinsam in die diagnostische Kategorie der Konversionsstörung (nach DSM-IV) einzuordnen, da sich deutliche Unterschiede im psychosozialen Profil der Patienten zeigen bzw. Patienten mit psychogenen nichtepileptischen Anfällen vermehrt andere Symptome, wie z.B. Schmerz, aufweisen. 61 4.3.8 Psychogene Bewegungsstörungen und Affekt Prospektive Studien → Symptom-Studie Level 3b. Seignourel et al. [139] befassten sich 2007 mit der emotionalen Ansprechbarkeit von Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen (s. Tabelle 4.15, S. 62). Hierzu wurden 12 Patienten mit klinisch etablierten psychogenen Bewegungsstörungen nach Tab. 4.15 Studienübersicht: Psychogene Bewegungsstörungen und Affekt Autoren Stichprobe Design Methodik Ergebnisse/Kernaussage Prospektive Studien Seignourel 12 Patienten mit Querschnittsstudie mit Messung des Wim- Patienten mit psychogenen Bewegungsstörun- et al. 2007 PMD; Kontrollgruppe Kontrollgruppe; alters- pernschlagreflexes per gen zeigten erhöhte Schreckreaktion auf positi- [139] (n=12) und geschlechtsadjus- EMG bei Vorführung ve und negative Bilder tiert; keine Verblin- von emotional dung angegeben behafteten Bildern Level 3b Fahn u. Williams und einer zwölfköpfigen Kontrollgruppe jeweils 12 positive, neutrale und negative Bilder aus dem International Affective Picture System [87] in randomisierter Folge gezeigt. Parallel dazu wurde der Wimpernschlagreflex der Probanden auf weiße Lichtsignale per EMG gemessen, um die ausgelöste Schreckreaktion zu verifizieren. Die Patienten bewerteten anschließend jedes Bild mithilfe der Self-Assessment Manikin Rating Scale [19] auf emotionale Wertigkeit (von „unangenehm“, 1, bis „angenehm“, 2) und Erregbarkeit (von „ruhig“, 1, bis „aufgeregt“, 2). Die Kontrollgruppe zeigte das erwartete Reflexmuster mit signifikanter Potenzierung des Reflexes bei negativen und leichter Reflexabnahme bei positiven Bildern. In der Gruppe der psychogenen Bewegungsstörungen führten jedoch sowohl positive als auch negative Bilder zu signifikant größerer Schreckreaktion, wobei die anschließende Bewertung der Bilder sich nicht von der Kontrollgruppe unterschied. Kommentar: Interessantes Ergebnis bezüglich des Zusammenhangs zwischen emotionaler Ansprechbarkeit und psychogenen Bewegungsstörungen. Die Rolle von Emotionen bei psychogenen Bewegungsstörungen sollte in zukünftigen Studien mit größerer Fallzahl weiter erforscht werden. 62 4.3.9 Psychogene Bewegungsstörungen und intellektuelle Fähigkeiten Prospektive Studien → Symptom-Studie Level 3b. In ihrer Studie aus dem Jahre 2009 gingen van Beilen et al. [150] der Frage nach, inwiefern die Intelligenz eine Rolle bei der Entwicklung von Strategien zur Bewältigung von Stress („coping strategies“) bei Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen spielt (s. Tabelle 4.16, S. 63). Hierzu wurden 26 Patienten mit diagnostizierten psychogenen Bewegungsstörungen im Hinblick auf Coping-Fähigkeiten und Intelligenz getestet und die Werte mit denen von 26 Patienten mit neurologischen Bewegungsstörungen sowie einer 18 Patienten umfassenden Kontrollgruppe verglichen. Zur Bestimmung der Intelligenz der Patienten wurde die niederländische Version des National Adult Reading Test (NLV) [127] verwendet. Die Coping-Fähigkeiten wurden anhand der 47 Items umfassenden Utrechtse Coping List (UCL) [130] untersucht, die die Entwicklungsfähigkeit von persönlichen Bewältigungsstrategien bei der Konfrontation mit Problemen bewertet. Tab. 4.16 Studienübersicht: Psychogene Bewegungsstörungen und intellektuelle Fähigkeiten Autoren Stichprobe Design Methodik Ergebnisse/Kernaussage Prospektive Studien van Beilen 26 Patienten mit Kontrollierte Intelligenztest Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen et al. 2009 psychogenen Querschnittsstudie; (Nederlandse Leestes zeigten leicht erniedrigte IQ-Werte und vermin- [150] Bewegungsstörun- keine Verblindung vor Volwassenen [NLV]); derte Coping-Fähigkeiten im Vergleich zu gesun- Level 3b gen; 26 Patienten der Auswerter ange- Fragebogen (Utrechtse den Probanden mit neurologi- geben; Kontrollgrup- Coping Lijst [UCL]) schen Bewegungs- pe alters- und ge- störungen; Kont- schlechtsadjustiert rollgruppe aus 18 Personen Die Ergebnisse zeigten hinsichtlich des Intelligenzquotienten (IQ) signifikante Unterschiede zwischen den drei Gruppen (F=4,5; P=0,015). Demnach wiesen Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen gegenüber der Kontrollgruppe einen leicht erniedrigten IQ sowie verminderte Coping-Fähigkeiten auf, nicht aber gegenüber der anderen Patientengruppe. Die Fähigkeiten zum aktiven Lösen von Problemen waren in der Kontrollgruppe im Vergleich zur Gruppe der Patienten mit psychogenen Bewe63 gungsstörungen signifikant erhöht (t=2,3; P=0,024), im Vergleich zur Gruppe der neurologisch erkrankten Patienten jedoch nicht. Es konnte kein signifikanter Zusammenhang zwischen niedrigerem IQ und niedrigeren Coping-Fähigkeiten nachgewiesen werden. Kommentar: Die Ergebnisse der Studie weichen von denen früherer Untersuchungen [54, 113] ab, die gering entwickelte Coping-Fähigkeiten als Vulnerabilitätsfaktor für die Entwicklung von psychogenen Symptomen ansehen. 4.3.10 Psychogene Bewegungsstörungen im interkulturellen Vergleich Prospektive Studien (a) → Symptom-Studie Level 3b. Cubo et al. [25] untersuchten in ihrer Studie aus dem Jahre 2005 Unterschiede der psychogenen Bewegungsstörungen bei 88 Patienten aus den USA (mittleres Alter 40,3 Jahre) und 48 aus Spanien (mittleres Alter 48 Jahre) hinsichtlich Symptomatik, anatomischer Verteilung und funktioneller Einschränkung, mit dem Ziel der Überprüfung eventueller kultureller Unterschiede (s. Tabelle 4.17, S. 65). Alle Patienten erfüllten die diagnostischen Kriterien für psychogene Bewegungsstörungen nach Fahn u. Williams. Sie wurden per Videoaufnahme sowohl in Ruhe als auch beim Gehen und Sprechen gefilmt. Die Videoaufnahmen wurden daraufhin nach dem Schema der PMD-Scala ausgewertet (s. auch Hinson et al. [62]; Tabelle 4.2, S. 29). Die Ergebnisse zeigten, dass generell eine deutliche Übereinstimmung zwischen den beiden Gruppen vorhanden war. Frauen waren häufiger betroffen als Männer (USA = 72%; Spanien = 73%). Aktionstremor war mit 48% sowohl in der spanischen als auch der amerikanischen Gruppe die am häufigsten beobachtete Bewegungsstörung. US-Patienten zeigten signifikant häufiger multiple Störungen (p=0,02). Die am häufigsten betroffene Körperregion in beiden Gruppen waren die oberen Extremitäten (USA = 74%; Spanien = 58%), gefolgt von den unteren Extremitäten und dem Nacken. Kommentar: Die Studie zeigt, dass im interkulturellen Vergleich kaum Unterschiede bei psychogenen Bewegungsstörungen festzustellen sind. Mögliche verzerrende Effekte in Bezug auf kulturelle Muster der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen und Überweisungsverfahren sollten bei der Bewertung der Ergebnisse beachtet werden. 64 (b) → Symptom-Studie Level 3b. Die Studie von Ertan et al. [37] aus dem Jahre 2009 beschäftigte sich mit den klinischen Charakteristika von Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen in der Türkei (s. Tabelle 4.17, S. 65). Insgesamt wurden 1743 Patienten einer Klinik für Bewegungsstörungen durch einen Spezialisten klinisch untersucht, wobei bei 2,8% (n=49) eine psychogene Ursache festgestellt wurde. 81% der Patienten entsprachen den Fahn/WilliamsKriterien für klinisch etablierte, 16% für klinisch dokumentierte und 2% für klinisch wahrscheinliche Bewegungsstörungen. Ein Psychiater untersuchte die Patienten nach standardisierten DSM-IV-Kriterien auf psychische Erkrankungen. Den Ergebnissen nach waren 34 Patienten weiblich und 15 männlich, 4 der Patienten waren im Kindesalter. Das mittlere Alter bei Beginn der Symptome betrug 41 (weibl.) bzw. 36 (männl.) Jahre in der Gruppe der Erwachsenen und 10 (weibl.) bzw. 9 Jahre (männl.) in der Gruppe der Kinder. In der gesamten Patientengruppe war Tremor (44%) das prädominierende Symptom, gefolgt von Dystonie (24%), Gangstörungen (12%), Parkinsonismus (8%), Chorea (6%) und Tics (4%). Die Symptome entwickelten sich bei 85% akut, und 83% zeigten Verbesserung bei Ablenkung. Tab. 4.17 Studienübersicht: Psychogene Bewegungsstörungen im interkulturellen Vergleich Autoren Stichprobe Design Methodik Ergebnisse/Kernaussage Prospektive Studien Cubo et al. 88 Patienten aus Kontrollierte Videoanalyse; PMD- Klinisches Erscheinungsbild zeigt Ähnlichkeit in 2005 [25] den USA und 48 Querschnittsstudie; Skala Bezug auf Art, anatomische Lokalisation und Level 3b aus Spanien mit keine Verblindung funktionelle Einschränkung der Bewegungsstö- psychogenen angegeben rungen; häufigste Störung: Aktionstremor (48% in Bewegungsstörun- beiden Stichproben) gen Ertan et al. 49 türkische Querschnittsstudie; Klinische Untersuchung; Klinische Charakteristika und Prävalenz ähneln 2009 [37] Patienten mit keine Verblindung standardisiertes Inter- denen aus anderen Kulturkreisen Level 3b psychogenen angegeben view nach DSM-IV Bewegungsstörungen Die psychiatrische Untersuchung ergab Depression (32,6 %), Angststörung (16,3%) und Schizophrenie (4%) als psychische Co-Erkrankungen. Kommentar: Die Studie zeigt, dass Prävalenz und klinische Charakteristika der psychogenen Bewegungsstörungen trotz geografischer und kultureller Unterschiede ähnlich sind. 65 4.3.11 Psychogene Bewegungsstörungen im Kindes- und Jugendalter Prospektive Studien → Interventionsstudie Level 3b. Ahmed et al. [1] befassten sich in ihrer Studie aus dem Jahre 2008 mit organischen und psychogenen Bewegungsstörungen bei Kindern (s. Tabelle 4.18, S. 68). Zu diesem Zweck wurden 34 Kinder mit Bewegungsstörungen in einem Zeitraum von 2 Jahren untersucht. Hierbei konnte bei 11 Kindern die Diagnose psychogene Bewegungsstörung in Übereinstimmung mit den Kriterien nach Fahn u. Williams [43] diagnostiziert werden, wobei 5 die Kriterien für klinisch etablierten und 6 für wahrscheinliche bzw. mögliche psychogene Bewegungsstörungen erfüllten. Mittleres Alter zum Zeitpunkt der Diagnosestellung war 10,5 Jahre. Bei 6 (40%) der Kinder waren Tics das prädominierende Syndrom, während 4 (27%) unter psychogenem Tremor und 1 (6%) Kind unter Myoklonus litt. Nach Angabe der Autoren verschwanden bei allen Kindern die Symptome, wenn sie allein gelassen wurden und sich unbeobachtet fühlten. Weitere beobachtete Charakteristika waren Abnahme der Symptomatik im Schlaf und bei Ablenkung sowie variable Expressivität. Die Patienten erhielten nicht näher bezeichnete Psychotherapie und ein klinisches Follow-up über 1 bis 3 Jahre. Als Outcome konnte bei allen Patienten mit dokumentierten und einem Patienten mit wahrscheinlichen psychogenen Bewegungsstörungen vollständige Remission erzielt werden. Die übrigen Patienten zeigten alle deutliche Besserung bezüglich der Symptomatik. Kommentar: Die Aussagekraft der Ergebnisse bezüglich spezifischer Eigenheiten und Outcome der psychogenen Bewegungsstörungen bei Kindern wird trotz des prospektiven Charakters durch die geringe Fallzahl stark gemindert. Retrospektive Studien (a) → Symptom-Studie Level 3b. Fernandez-Alvarez [45] untersuchte in seiner Studie aus dem Jahre 2005 16 Fälle von psychogenen Bewegungsstörungen bei Kindern (< 18 Jahre), die 2,4% der Kinder mit Bewegungsstörungen in der Klinik ausmachten (s. Tabelle 4.18, S. 68). 13 Fälle (81%) waren Mädchen, und bis auf einen Fall begannen die Symptome bei allen nach dem 10. Lebensjahr. Tremor war mit 68% das dominierende Symptom, gefolgt von Myoklonus. 66 Kommentar: Die Studie lag nur auf Spanisch vor; es wurde lediglich das englischsprachige Abstract ausgewertet. (b) → Symptom-Studie Level 3b. Eine Studie von Ferrara et al. [46] aus dem Jahre 2008 beschäftigte sich mit Häufigkeit, klinischen Charakteristika und Symptomatik von psychogenen Bewegungsstörungen bei Kindern (s. Tabelle 4.18, S. 68). Hierzu werteten die Autoren die Krankenakten und Videoaufnahmen von 54 Kindern (< 18 Jahre) in einer neurologischen Klinik aus, bei denen psychogene Bewegungsstörungen diagnostiziert worden waren. Die Ergebnisse zeigten, dass der Anteil der Kinder mit psychogenen Bewegungsstörungen 3,1% der insgesamt gestellten Diagnosen ausmachte. Das mittlere Alter bei Krankheitsbeginn betrug 14,2 Jahre, und die mittlere Dauer der Symptome während des Evaluationszeitraums betrug 11 Monate. Mädchen waren generell häufiger betroffen als Jungen (77%), bei Patienten unter 13 Jahren zeigte sich allerdings keine geschlechtliche Prädominanz. Psychogener Tremor war mit 65% häufigstes Symptom, gefolgt von Dystonie (43%) und Myoklonus (37%). Meistens war der Beginn plötzlich, anfallartig und durch ein körperliches oder seelisches Trauma ausgelöst. In 52% der Fälle berichteten die Kinder oder ihre Eltern über komorbide Angststörungen, Depression oder persistierende Reizbarkeit. 37% (ausschließlich Mädchen) zeigten Merkmale einer perfektionistischen Persönlichkeit, kombiniert mit hohen schulischen und außerschulischen Leistungen. Bei 91% der Kinder bestanden zusätzliche somatische oder neurologische Beschwerden, wie z.B. Kopfschmerzen (48%) oder chronische Müdigkeit (35%). Es zeigte sich weiterhin, dass das Auftreten von psychogenen Bewegungsstörungen negative Auswirkungen auf die schulische Entwicklung hatte. Häufiges Fehlen in der Schule war bei 50% der Kinder festzustellen, während zum Zeitpunkt der Untersuchung 24% der Kinder zu Hause unterrichtet werden mussten, da die Erkrankung keinen Schulbesuch erlaubte. Ein anderer wichtiger Fakt war die Anzahl von medizinisch nicht notwendigen Interventionen wie Operationen oder medikamentöse Therapie aufgrund von Fehldiagnosen. 12 Kinder hatten zusammengenommen 17 Operationen aufgrund von Symptomen, die mit ihrer psychogenen Erkrankung zusammenhingen. Kommentar: Die Studie liefert wichtige Daten zur schulischen Entwicklung und Fehlbehandlung von Kindern mit psychogenen Bewegungsstörungen, denen in weiteren Studien nachgegangen werden sollte. (c) → Symptom-Studie Level 2b. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Schwingenschuh et al. [131] in ihrer im Jahre 2008 publizierten Studie (s. Tabelle 4.18, S. 68). Sie werteten die Kran67 kenakten von 15 Patienten (< 18 Jahre) mit klinisch dokumentierten oder etablierten psychogenen Bewegungsstörungen nach Fahn u. Williams aus. Mädchen waren häufiger betroffen als Jungen (80%), und der Beginn der Symptomatik lag im Mittel bei 12,3 Jahren, wobei nur 13% der Fälle einen Beginn vor dem 10. Lebensjahr zeigten. Tab. 4.18 Studienübersicht: Psychogene Bewegungsstörungen im Kindes- und Jugendalter Autoren Stichprobe und Design Methodik Ergebnisse/Kernaussage mittleres Alter Prospektive Studien Ahmed et 11Kinder mit Interventionsstudie; Klinische Untersuchung; Patienten zeigen Verbesserung der Symptomatik, al. 2008 [1] Bewegungsstörun- Langzeit-Follow-up 1 umfassende Diagnostik; wenn sie sich unbeobachtet fühlen; psychogene Level 3b gen psychogener bis 3 Jahre; keine Psychotherapie wäh- Bewegungsstörungen bei Kindern zeigen Tendenz Ursache (Ø 10,1 Verblindung angege- rend Dauer des Follow- zur Verbesserung oder Remission bei adäquater Jahre) ben up Psychotherapie oder Suggestion Retrospektive Studien Fernandez- 16 Patienten (Ø Querschnittsstudie; Krankenakte; Videoana- 81% weiblich; Beginn der Symptome nach dem Alvarez 12,9 Jahre) keine Verblindung lyse 10. Lebensjahr; Tremor häufigstes prädominie- 2005 [45] angegeben rendes Syndrom (68%), gefolgt von Myoklonus Level 3b Ferrara et 54 Patienten (Ø Querschnittsstudie; al. 2008 14,2 Jahre) mit keine Verblindung Krankenakte 77% weiblich; Tremor (65%) häufigstes Symptom, gefolgt von Dystonie und Myoklonus; meistens [46] psychogenen angegeben plötzlicher, anfallartiger Beginn und auslösendes Level 3b Bewegungsstörun- Ereignis gen Schwingen- 15 Patienten (Ø Kohortenstudie; schuh et al. 12,3 Jahre) mit Follow-up Ø 3,1 Krankenakte und Gangstörungen; meist plötzlicher anfallarti- 2008 [131] psychogenen Jahre; keine Verblin- ger Beginn und auslösendes Ereignis; höchste Level 2b Bewegungsstörun- dung angegeben Remission unter Therapie bei psychogenem gen 80% weiblich; Dystonie (47%), gefolgt von Tremor Tremor, niedrigste bei Dystonie Bei allen Patienten war der Beginn der Krankheit als abrupt und anfallartig zu beschreiben, während auslösende Faktoren wie Verletzungen oder einschneidende Lebensereignisse lediglich bei 8 (53%) ermittelt werden konnten. Dystonie war mit 47% die häufigste Bewegungsstörung, es folgten Tremor (40%) und Gangstörungen (13%). 9 Kinder (60%) zeigten multiple Bewegungsstörungen. Die Hälfte der Kinder war von den Bewegungsstörungen derart beeinträchtigt, dass sie nicht die Schule besuchen konnten. Die Zeitspanne vom Beginn der Symp68 tomatik bis zur Diagnose „Psychogene Bewegungsstörung“ betrug im Durchschnitt 9,4 Monate, wobei auf umfangreiche diagnostische Methoden wie bildgebende Verfahren, elektrophysiologische und genetische Tests, Bestimmung von Kupfer und Coeruloplasmin im Plasma etc. zurückgegriffen wurde. War die Diagnose gestellt, wurden die Kinder mit einer Kombination von Physiotherapie und Psychotherapie behandelt, lediglich 3 Kinder erhielten Antidepressiva. Nach einem Follow-up von durchschnittlich 3,1 Jahren zeigten 6 Kinder eine vollständige Remission, 6 eine offensichtliche Verbesserung und 3 Kinder keine Veränderung der Symptomatik. Remission wurde hierbei als Abwesenheit der Symptome (> 1 Jahr) definiert. Es konnte weiterhin festgestellt werden, dass sich Tremor (in 5 von 6 Fällen) im Vergleich zu Gangstörungen (in 1 von 2 Fällen) und Dystonie (in 0 von 7 Fällen) am häufigsten zurückbildete. Keines der Kinder unter antidepressiver Medikamententherapie zeigte vollständige Remission. Die Behandlung war umso erfolgreicher, je weniger Zeit zwischen Beginn der Symptomatik und Behandlung vergangen war. Kommentar: Die niedrige Fallzahl schränkt die Aussagekraft der Ergebnisse ein. 4.3.12 Psychogene Bewegungsstörungen und Lebensqualität Prospektive Studie → Symptom-Studie Level 3b. Anderson et al. [4] untersuchten in ihrer Studie aus dem Jahre 2007 den Einfluss von psychogenen Bewegungsstörungen in Hinblick auf den damit einhergehenden Grad der Behinderung, Lebensqualität und Psychopathologie (s. Tabelle 4.19, S. 70). Dazu verglichen sie 66 Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen nach Fahn u. Williams [43] mit 704 an Parkinsonismus erkrankten Patienten. Als Untersuchungsinstrumente dienten ein demografischer Fragebogen, die Older Americans Resources and Services Scale (OARS) [33], der SF-12v2 Health Survey [155] und der Brief Symptom Inventory (BSI-18) [160]. Die OARS ist ein multidimensionaler, 14 Fragen umfassender Fragebogen und erfasst den Grad der Behinderung im alltäglichen Leben. Die Ergebnisse zeigten, dass die Patienten bezüglich der Behinderung ähnliche Niveaus (p=0,490) angaben. In Bezug auf die Lebensqualität und Gesundheit, erfasst mit dem SF-12v2 Health Survey, zeigten Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen ähnliche Werte wie die Parkinson-Patienten hinsichtlich der körperlichen Gesundheit (p=0,652), jedoch signifikant schlechtere bezüglich der psychischen Gesundheit 69 (p<0,001). Bei der Auswertung des BSI-18, einem aus 18 Items bestehenden Fragebogen zur Bewertung von Depression, Angststörungen und Somatisierungsstörungen, zeigten die Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen signifikant höhere Werte bezüglich Disstress (p<0,001), Angststörung (p=0,001), Depression (p<0,001) und Somatisierungsstörungen (p<0,001). Kommentar: Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen die starke Beeinflussung der Lebensqualität durch psychogene Bewegungsstörungen. Tab. 4.19 Studienübersicht: Psychogene Bewegungsstörungen und Lebensqualität Autoren Stichprobe Design Methodik Ergebnisse/Kernaussage Prospektive Studien Anderson 66 Patienten mit Querschnittsstudie; OARS; SF-12v2 Health Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen et al. 2007 psychogenen keine Verblindung Survey; BSI-18 erlebten signifikant stärkere Einschränkungen in [4] Bewegungsstörun- angegeben Level 3b gen; 704 Patienten Disstress, Angststörung, Depression und mit Parkinsonis- Somatisierungsstörungen Bezug auf das geistige Wohlbefinden sowie mus 4.4 Therapie und Behandlungsansätze bei psychogenen Bewegungsstörungen 4.4.1 Psychogene Bewegungsstörungen und Psychotherapie Prospektive Studien → Interventionsstudie Level 2b. Eine klinische Studie von Hinson et al. [64] aus dem Jahre 2006 beschäftigte sich mit der therapeutischen Wirksamkeit psychotherapeutischer Behandlung von Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen (s. Tabelle 4.20, S. 76). Die Studie umfasste 10 Patienten mit Bewegungsstörungen, die die Fahn/Williams-Kriterien [43] für psychogene Ursachen erfüllten. Die Diagnose wurde von einem Spezialisten für Bewegungsstörungen gestellt und durch eine Gruppe von 7 weiteren Ärzten nach Videoansicht bestätigt. Die neuropsychiatrische Testung erfolgte mit der Hamilton Depression Scale (HAM-D) [59], der Beck Anxiety Scale (BAI) [9], dem Minnesota Multiphasic Personality Inventory-2 (MMPI-2) [20], dem Global Assessment of Function (GAF) [18] und einem strukturierten klinischen Interview nach DSM-IV-Kriterien [2]. Die Behandlung bestand aus 12 Wochen psychodynamischer 70 Psychotherapie mit einer einstündigen Sitzung pro Woche. Die Behandlung konnte durch Medikamentengabe von Antidepressiva oder Anxiolytika ergänzt werden, wenn dies nach Ermessen des behandelnden Arztes notwendig schien. Die Bewegungsstörung wurde vor und nach Behandlung gefilmt und von einem verblindeten unabhängigen Untersucher mithilfe der PMD-Skala (s. auch Hinson et al. [62]; Tabelle 4.3, S. 32) evaluiert. Primäre Zielvariable war die Veränderung in der PMD-Skala, sekundäre Zielvariable Veränderungen in GAF, HAM-D und BAI. Alle Patienten stellten sich mit multiplen Bewegungsstörungen vor, wobei psychogener Tremor (n=8) am häufigsten vorkam, gefolgt von Myoklonus (n=6), Dystonie (n=5), Ruhetremor (n=4), Bradykinesie (n=4), Chorea (n=1), Tics (n=1), Sprachstörungen (n=4) und Gangstörungen (n=4). 8 Patienten litten ebenfalls unter psychiatrischen Co-Erkrankungen, wie z.B. Depression oder posttraumatischer Stress-Störung. Die Ergebnisse zeigten eine signifikante Verbesserung (p=0,0195) bezüglich des PMDRS-Scores, dessen Mittelwert nach Behandlung von 71,2 Punkten (s=42,5, R=26 bis 162) auf 29,0 (SD 20,6, R=0 bis 58) sank. Der Mittelwert des PMDRS-Function Score sank signifikant (p=0,0142) von 7,4 (s=6,1, R=0 bis 20) auf 2,1 (s=3,3, R=0 bis 20). Auch die Ergebnisse der Hamilton Depression Score (p=0,009), Beck Anxiety Score (p=0,002) und GAF (p=0,0083) zeigten signifikante Verbesserungen als Folge der therapeutischen Intervention. Kommentar: Ein wesentliches Defizit dieser Studie ist die unzureichende Information über Umfang und Art der begleitenden Psychopharmakotherapie, da ihr Einfluss auf das Behandlungsergebnis nicht auszuschließen ist. 4.4.2 Psychogene Bewegungsstörungen und Hypnose Prospektive Studien (a) → Interventionsstudie Level 1b. Moene et al. [101] beschäftigten sich in einer klinischen Studie 2002 mit dem additiven Effekt von Hypnose bei umfassender Therapie von 45 Patienten mit motorischen Konversionsstörungen nach DSM-III-R (s. Tabelle 4.20, S. 76). Diese erhielten bereits stationär multidisziplinäre Behandlung wie Psychotherapie, Gruppentherapie, kreative Therapie und Physiotherapie. Weiterhin wurde der Frage nachgegangen, ob das Maß der Hypnotisierbarkeit des Patienten einen prädiktiven Wert für das Behandlungsergebnis darstellt und wie effizient das multidisziplinäre Therapieprogramm insgesamt ist. Die Patien71 ten wurden randomisiert einer Hypnose- und einer Kontrollgruppe zugeteilt. Die zusätzliche Hypnosetherapie bestand aus 8 wöchentlichen Sitzungen à 1 Stunde. Die Therapeuten folgten einem Manual, das die zu verwendenden Hypnosetechniken und -strategien vorgab [100a]. Messinstrumente zur Exploration der primären Zielvariable waren die Video Rating Scale for Motor Conversion Symptoms (VRMC) [101], die Symptom Check List (SCL-90) [5], und die „disability code items“ der International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps (ICIDH) [71]. Die Hypnotisierbarkeit des Patienten wurde mit der Stanford Hypnotic Clinical Scale (SHCS) [110] bestimmt. Die Studie konnte keinen signifikanten additiven Effekt von Hypnose auf das Behandlungsergebnis nachweisen. Ebenfalls keine signifikante Korrelation gab es bei der Hypnotisierbarkeit des Patienten in Bezug zum Ergebnis der Behandlung. In Übereinstimmung mit dem VRMC konnte jedoch bei 65,1% aller Patienten eine deutliche Verbesserung nach Beendigung der multidisziplinären Therapie festgestellt werden, bei der Follow-up-Untersuchung nach 6 Monaten waren es sogar 83,7%. Kommentar: Auch wenn kein additiver Effekt von Hypnose nachgewiesen werden konnte, zeigte sich zumindest die Effektivität eines multidisziplinären Therapieansatzes. (b) → Interventionsstudie Level 1b. In einer im Jahre 2003 publizierten Studie von Moene et al. [102] befassten sich die Autoren mit dem therapeutischen Ansatz der Hypnose bei Patienten mit motorischen Konversionsstörungen (s. Tabelle 4.20, S. 76). Insgesamt wurden 49 Patienten in die Studie mit einbezogen, bei denen eine motorische Konversionsstörung oder eine Somatisierungsstörung mit motorischen Störungen nach DSM-III-R-Kriterien diagnostiziert wurde. Die Patienten wurden randomisiert einer Hypnosegruppe oder einer Kontrollgruppe (Warteliste) zugeteilt. Die therapeutische Intervention bestand aus 10 wöchentlichen Sitzungen à 1 Stunde und wurde von erfahrenen Therapeuten mithilfe eines Manuals durchgeführt [100a]. Zwei unterschiedliche Hypnosestrategien zielten auf Symptomminderung („direct symptom alleviation“) und emotionale Einsicht bzw. emotionalen Ausdruck („emotional expression/insight“) ab. Während der Sitzungen wurden die Patienten ebenfalls zum Erlernen von Selbsthypnose angeleitet. Die Untersuchungen wurden 3 bis 5 Tage vor und 3 bis 5 Tage nach Ende der Behandlung durchgeführt. Als Messinstrument diente die Video Rating Scale for Motor Conversion Symptoms (VRMC) [102]. Sie bewertet die Verbesserung der Symptomatik auf einer Punkteskala von 1 bis 7 (< 4 Punkte = keine Verbesserung; > 4 Punkte = Verbesserung). Weitere Messinstrumente waren die International Classification of Impairments, Disa72 bilities and Handicaps (ICIDH) [71], die Symptom Check List (SCL-90) [5] und die Stanford Hypnotic Clinical Scale for Adults (SHCS) [110]. Zudem wurden die Patienten gebeten, ihre Erwartungen an die Behandlung auf einer 10-Punkte-Skala (nach Moene et al.) zu bewerten. Ein klinisches Follow-up wurde nach 6 Monaten nur bei Patienten der Hypnosegruppe durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten signifikante Effekte der hypnosebasierten Behandlung in Bezug auf Verbesserung der Symptomatik und Einschränkung der Lebensqualität. So lag der durchschnittliche Punktwert der VRMC-Skala bei 5,9 (s=1,3) in der Hypnosegruppe und 3,8 (s=1,4) in der Kontrollgruppe (p=0,01; t(41)=5,065). Die Auswertung des strukturierten ICIDH-Interviews zeigte ebenfalls eine signifikante Verbesserung hinsichtlich der gefühlten Einschränkung des Patienten bei körperlichen, alltäglichen und sozialen Betätigungen. Die Evidenz zeigt sich hier in der Verbesserung der Hypnosegruppe und der Kontrollgrupe (t(23)=1,074, p=0,29) im Vergleich zu den Baseline-Werten (t(19)=3,63, p< 0,1). Die Effektgröße der Hypnotisierbarkeit als Prädiktor des Behandlungsergebnisses der beiden Gruppen war nicht signifikant (p=0,88); Hypnotisierbarkeit war jedoch ein besserer Prädiktor als die Erwartung der Patienten an die Behandlung. Kommentar: Die Studie liefert viel versprechende Ergebnisse bezüglich des therapeutischen Effekts von Hypnose. Die Schwächen der Studie liegen in der relativ kleinen Fallzahl sowie der Tatsache, dass die Untersucher zur Diagnose nach DSM-III, Achse I, kein strukturiertes Interview verwendeten. Die Studie gibt insgesamt einen guten Überblick zum Einsatz von Hypnose als therapeutischem Mittel. 4.4.3 Psychogene Bewegungsstörungen und Biofeedback Prospektive Studien → Therapie-Studie Level 4. Levy et al. [92] untersuchten in ihrer Studie aus dem Jahre 2006 die Effektivität von Biofeedback bei der Therapie von psychogenen Bewegungsstörungen vor dem Hintergrund, dass die Patienten häufig Anomalien in den betroffenen Muskelgruppen zeigen, die in manchen Fällen als Auslöser für eine Verschlimmerung der Symptomatik infrage kommen könnten (s. Tabelle 4.20, S. 76). 15 Patienten mit Tremor (n=3), Dystonie (n=6), Stereotypie (n=2), Myoklonus (n=3) und stereotyper Vokalisation (n=1) wurden behandelt. 10 Patienten erhielten eine Kombination aus Biofeedback und pharmakologischer Behandlung, 73 während ein Patient lediglich Biofeedback durchführte. Das Behandlungsergebnis wurde mittels einer Global Clinical Improvement Scale der Autoren bestimmt, die die Verbesserung der Symptome auf einer Skala von 0 bis 4 angibt (0 = keine Verbesserung, 4 = vollständige Remission der Symptome). Es zeigte sich eine Verbesserung der Symptomatik bei 60% der Patienten (n=9), während 20% (n=3) keine Verbesserung zeigten und 3 Patienten die Studie nicht beendeten. Kommentar: Ein Drop-out von 20% bei kleiner Fallzahl mindert die Aussagekraft der Ergebnisse. Diese Studie wurde lediglich als Abstract publiziert. 4.4.4 Psychogene Bewegungsstörungen und Pharmakotherapie Prospektive Studien → Therapie-Studie Level 2b. Die Evaluierung des Behandlungsergebnisses von Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen mit antidepressiv wirkenden Medikamenten war Zweck der Studie von Voon et al. [154] aus dem Jahre 2005 (s. Tabelle 4.20, S. 76). Hierzu wurden 15 Patienten, die die Fahn/Williams-Kriterien [43] für psychogene Bewegungsstörungen erfüllten, initial mit Citalopram (10 mg/d) oder Paroxetin (10 mg/d) behandelt, wobei die Dosis, soweit nötig, auf 40 mg/d angehoben werden konnte. Patienten, die nach 4 Wochen Medikamenteneinnahme kein Ansprechen auf die Therapie zeigten, wurden auf Venlaxafin umgestellt, das initial in einer Dosis von 37,5 mg/d verabreicht wurde, die bei Bedarf auf bis zu 300 mg/d erhöht werden konnte. 3 Patienten erhielten zusätzlich Psychotherapie und ein Patient Familientherapie. Die Untersuchungen wurden zu Beginn und im Durchschnitt 3,1 Monate nach der Behandlung durchgeführt. Die ursprünglich 23 Patienten wurden in eine Behandlungsgruppe (n=15) und Nichtbehandlungsgruppe unterteilt, da 8 Patienten aus verschiedenen Gründen (zu große Entfernung zum Behandler, Ablehnen von medikamentöser oder psychotherapeutischer Behandlung) nicht an der medikamentösen Therapie teilnehmen konnten. Die psychiatrischen Diagnosen basierten auf DSM-IV-Kriterien und wurden in einem offenen und einem semistrukturierten Interview anhand des Mini-International Neuropsychiatric Interview (MINI) [134] gestellt. Depression wurde mithilfe der Montgomery-Asberg Depression Rating Scale (MADRS) [28] untersucht, während das Vorliegen möglicher Angststörungen mit dem Beck Anxiety Inventory (BAI) [9] erfasst wurde. Weiterhin wurden die Global Impressions 74 Severity of Illness-Scale (CGI-S) [55] und Change-Scale (CGI-C) [55] verwendet, um eine Veränderung der motorischen Einschränkungen und des allgemeinen Wohlbefindens zu bewerten. Die Krankheitsprofile der Patienten umfassten Ruhe-, posturalen und Aktionstremor (n=12), Dystonie (n=3), Gangstörungen (n=2), Tics (n=1), Myoklonus (n=1), Tremor und Gangstörungen (n=2), Tremor und Dystonie sowie Tremor und Myoklonus (n=1). Die Ergebnisse zeigten keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Krankheitsprofile zwischen der behandelten und der nichtbehandelten Gruppe. Unter den medikamentös behandelten Patienten verbesserten sich die Werte der MADRS signifikant zu den Baseline-Werten (p<0,01). Es konnten zwei Subgruppen identifiziert werden. Die eine bestand aus 10 Patienten mit motorischen Konversionsstörungen, die andere aus 5 Patienten mit Hypochondrie oder Somatisierungsstörung. In der erstgenannten Gruppe zeigten 7 Patienten komplette Remission der Symptome, während sich in der zweiten Gruppe bei keinem Patienten Besserung zeigte. Kommentar: Die Studie hat methodische Schwächen wie kleine Fallzahl, nicht verblindete Untersucher und einen möglichen verzerrenden Effekt durch die unterstützenden Therapiemaßnahmen (Psychotherapie, Familientherapie) bei insgesamt 4 Patienten, da nicht sicher bestimmt werden kann, inwieweit sie das Behandlungsergebnis beeinflussen. 4.4.5 Multimodale therapeutische Ansätze Prospektive Studien → Interventionsstudie Level 2b. Mit der Entwicklung eines Behandlungsprotokolls für Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen unter Berücksichtigung zugrunde liegender psychiatrischer Erkrankungen befasste sich eine Studie von Thomas et al. [146] aus dem Jahre 2006 (s. Tabelle 4.20, S. 76). 21 Patienten mit klinisch diagnostizierten psychogenen Bewegungsstörungen verschiedener Art wurden von einem Psychiater auf mögliche psychische CoErkrankungen untersucht und anschließend mit verschiedenen Therapieformen behandelt. Die Behandlungsmethoden variierten von Pharmakotherapie (90,4%) über unterstützende Psychotherapie (47,6%) und Biofeedbacktherapie (19%) bis hin zu Hypnose und systematischer Desensibilisierung (4,8%). Ein monatliches Follow-up von durchschnittlich 10,5 Monaten wurde durchgeführt und der Behandlungsfortschritt des Patienten bewertet. Bei 19 der 21 75 Patienten (90,4%) konnten psychische Erkrankungen festgestellt werden, wobei 7 (33%) unter einer nicht näher bezeichneten Angststörung, 4 (19%) unter einer generalisierten Angststörung, 4 (19%) unter einer depressiven Episode („major depression“) und 4 (19%) unter einer nicht näher bezeichneten Depression litten. Bei jeweils 2 (9,5%) Patienten konnte eine posttraumatische Belastungsstörung, Polysubstanzabusus, Dysthymie und Schmerzstörung festgestellt werden. Weitere Diagnosen waren kognitive Störungen (14,3%) und Panikstörung Tab. 4.20 Studienübersicht: Therapeutische Interventionen bei psychogenen Bewegungsstörungen Autoren Interventions- Design gruppe/Kon- Art/Dosis der Inter- Zielvariable/ vention Instrumente Ergebnisse/Kernaussage trollgruppe Moene et 45 Patienten mit Kontrollierte Multidisziplinäres VRMC; ICIDH; Signifikante Verbesserung der al. 2002 motorischen randomisierte Therapieprogramm ICIDHP; SCHS; Lebensqualität von Hypnosegrup- [101] Konversionsstö- klinische Studie; und 8 wöchentliche SCL-90 pe im Vergleich zur Kontrollgrup- Level 1b rungen; Hypnose- Auswerter und Sitzungen Hypnose à 1 pe (VRMC [p= 0,01]); signifikante gruppe (n=23) und Probanden Stunde Verbesserung bei körperlichen, Kontrollgruppe verblindet; sozialen und alltäglichen Tätigkei- (n=22) Follow-up nach ten im Vergleich zu Baseline- 8 Monaten Werten (ICIDH [p<0,1]) Moene et 49 Patienten mit Kontrollierte 10 wöchentliche VRMC; ICIDH; Kein signifikanter additiver Effekt al. 2003 motorischen randomisierte Sitzungen Hypnose à 1 SCL-90; SCHS von Hypnose auf das Behand- [102] Konversionsstö- klinische Studie; Stunde Level 1b rungen; Hypnose- Auswerter und gruppe (n=25) und Probanden Kontrollgruppe verblindet; (n=24) Follow-up nach lungsergebnis 6 Monaten Levy et al. 15 Patienten mit Interventionsstu Biofeedback und Global Clinical 60% der Patienten berichten über 2006 [92] verschiedenen die; Pharmakotherapie Improvement eine Verbesserung der Sympto- Level 4 psychogenen Follow-up Ø (n=10); Biofeedback Scale matik Bewegungsstörun- 10,5 Monate (n=1) gen; keine Kontrollgruppe 76 Voon et al. 23 Patienten mit Interventions- Citalopram oder MADRS; MINI; Die Behandlungsgruppe zeigte 2005 [154] psychogenen studie; keine Paroxetin (10 mg/d; BAI; CGI-S; CGI-C signifkant verbesserte Werte bei Level 2b Bewegungsstörun- Verblindung bei Bedarf bis 40 der MADRS im Vergleich zu den gen; Behandlungs- angegeben; mg/d); bei Nichtan- Baseline-Werten (p<0,001); gruppe (n=15), Follow-up für Ø sprechen nach 4 Remission bei 7 von 10 Patienten Nichtbehand- 3,1 Monate) Wochen Umstellung mit Konversionsstörungen moto- auf Venlaxafin rischer Art und keine Remission (37,5–300 mg/d); bei 5 Patienten mit unterstützende Psy- Somatisierungsstörung oder chotherapie Hypochondrie lungsgruppe (n=8) Thomas et 21 Patienten mit Interventions- Kombination verschie- Improvement- 57% der Patienten zeigten Ver- al. 2006 psychogenen studie; monatli- dener Behandlungsan- Skala; Bewertung besserung der Symptomatik, [146] Bewegungsstörun- ches Follow-up sätze, darunter Thera- durch Patienten 23,8% keine Veränderung und Level 2b gen und psychi- 10,5 Monate; pie mit Psychophar- und Untersucher 4,8% Verschlechterung schen Co- keine Verblin- maka, Psychotherapie, Erkrankungen; dung angege- Biofeedback und keine Kontroll- ben Hypnose gruppe Hinson et 10 Patienten mit Interventions- Psychodynamische PMD-Scale; Alle Tests zeigten signifikante al. 2006 psychogenen studie, Follow- Psychotherapie für 12 HAM-D; BAI; Verbesserung nach therapeuti- [64] Bewegungsstörun- up 12 Wochen; Wochen, 1 h/W; MMPI-2; GAF; scher Intervention Level 2b gen; keine Kont- Auswerter Therapie mit strukturiertes rollgruppe verblindet; Anxiolytika/Anti- Interview nach depressiva nach Er- DSM-IV messen des Therapeuten (4,8%). Nach Abschluss der Behandlung konnte bei 57,14% der Patienten eine Verbesserung, bei 23,8% keine Veränderung und bei 4,8% eine Verschlechterung der Symptomatik festgestellt werden. 14,3% der Patienten beendeten die Studie nicht. Kommentar: Aufgrund seiner Multimodalität innovativer und seinen Ergebnissen viel versprechender Ansatz, der Studien mit größerer Fallzahl rechtfertigt. Die Studie wurde lediglich als Abstract publiziert. 77 4.4.6 Qualität der medizinischen Versorgung Prospektive Studien → Prävalenz-Studie Level 1b. Mit der Qualität der ärztlichen Versorgung von Patienten mit medizinisch nicht erklärbaren motorischen Störungen setzten sich Crimlisk et al. [24] 2000 auseinander (s. Tabelle 4.21, S. 78). Sie untersuchten Gründe und Verfahren, nach denen die Patienten nach ihrer Aufnahme in einem neurologischen Krankenhaus (National Hospital for Neurology and Neurosurgery) untersucht und überwiesen wurden. Hierzu wurden die 64 Patienten 6 Jahre nach Erstaufnahme interviewt. Nach den Ergebnissen wurden 75% der Patienten von Psychiatern untersucht, und in 60% wurde von diesen eine psychiatrische Behandlung begonnen. Im Anschluss an die Entlassung aus dem Krankenhaus wurden 51% der Patienten zu einem Neurologen überwiesen, während die Quote an Neuüberweisungen zu einem Psychiater bei lediglich 8% lag. Viele Patienten (61%) wechselten ihren Hausarzt während der Follow-up-Periode, von denen 50% innerhalb von 6 Monaten schon wieder erneut zu einem anderen Facharzt überwiesen wurden. Lediglich 5% der Patienten glaubten nach 6 Jahren, dass psychologische Faktoren Ursache der Erkrankung wären, 22% glaubten an eine „Teilschuld“ psychologischer Faktoren, während 73% ihnen keinerlei Relevanz beimaßen. Kommentar: Die Studie weist auf die bestehende Problematik bei der adäquaten ärztlichen Versorgung von Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen hin. Tab. 4.21 Studienübersicht: Qualität der medizinischen Versorgung Autoren Stichprobe Design Methodik Ergebnisse/Kernaussage Interview Subsequente psychiatrische Behandlung war Prospektive Studien Crimlisk et 64 Patienten mit Kohortenstudie; al. 2000 medizinisch nicht Follow-up nach 6 selten, und es gab eine hohe Quote an vermeid- [24] erklärbaren moto- Jahren; keine Ver- baren Rücküberweisungen Level 1b rischen Störungen blindung angegeben 78 4.5 Outcome/Prognose der psychogenen Bewegungsstörungen 4.5.1 Psychogener Tremor Retrospektive Studien (a) → Prognose-Studie Level 4. Im Rahmen einer Studie von Thomas et al. [145] von 2006 wurden von Jankovic et al. [69] zusätzlich das Outcome von Patienten mit psychogenem Tremor untersucht (s. Tabelle 4.22, S. 80). Insgesamt wurde bei 127 Patienten psychogener Tremor nach den Fahn/Williams-Kriterien [43] beobachtet, wovon 64,4% unter einem klinisch etablierten, 18,1% einem wahrscheinlichen, 11,8% einem dokumentierten und 5,5% einem möglichen psychogenen Tremor litten. Bezüglich des Outcome konnte gezeigt werden, dass Unzufriedenheit mit dem behandelnden Arzt (p=0,03), schlechte körperliche Verfassung (p=0,07), langes Andauern der Symptomatik (p=0,06) und Nikotinabusus (p=0,07) mit einer ungünstigen Prognose einhergingen, während Wahrnehmung von effektiver medizinischer Behandlung (p=0,0001), die Gegenwart von Angst (p=0,007), die Beseitigung von Stressoren (p=0,01), Compliance (p=0,01) und spezifische medikamentöse Therapie (p=0,03) Faktoren für eine günstige Prognose waren. Kommentar: Die Studie formuliert wichtige determinierende Faktoren zum Outcome von psychogenem Tremor. Retrospektivität und hohes LFU sind limitierende Faktoren. (b) → Prognose-Studie Level 4. Mit der Langzeitprognose des psychogenen Tremors beschäftigte sich auch eine Studie von McKeon et al. [97] aus dem Jahre 2008 (s. Tabelle 4.22, S. 80). Sie schloss 33 Patienten ein, bei denen die Diagnose im Zeitraum von 2003 bis 2004 klinisch gestellt und elektrophysiologisch mittels EMG bestätigt worden war. Die Patienten wurden 2007 gebeten, einen Follow-up-Fragebogen auszufüllen, der Auftreten und Dauer, anatomische Lokalisation, Einflussnahme auf das tägliche Leben und Verbesserung bzw. Verschlechterung des psychogenen Tremors erfasste. Nach einem Follow-up von durchschnittlich 5,1 Jahren bewerteten 64% der Patienten ihren Tremor als moderat oder stark ausgeprägt, bei 15% hatte eine spontane Verbesserung stattgefunden, während sich bei 12% eine Verbesserung nach spezifischer medizinischer Intervention ergeben hatte. 9% gaben milde, aber unveränderte Symptomatik an 79 Tab. 4.22 Studienübersicht: Outcome/Prognose des psychogenen Tremors Autoren Stichprobe Design Methodik Ergebnisse/Kernaussage Telefonisches Interview Signifikante Faktoren für positives Outcome sind Retrospektive Studien Jankovic et 127 Patienten mit Kohortenstudie (3,2 al. 2006 psychogenem Jahre); LFU 63,9%; Zufriedenheit mir der Behandlung, Vorhanden- [69] Tremor keine Verblindung sein von Angst, Ausschalten von Stressoren, angegeben Compliance, spezifische Medikation; signifikante Level 4 Faktoren für negatives Outcome sind Unzufriedenheit mit behandelndem Arzt, schlechter körperlicher Zustand, lange Dauer der Symptomatik, Nikotinabusus McKeon et 33 Patienten mit Kohortenstudie; Fragebogen Verbesserung der Symptomatik bei 27%; mittlere al. 2008 psychogenem Follow-up Ø 5,1 Dauer der Symptomatik bei Patienten mit initial [97] Tremor Jahre; LFU 47% schwach ausgeprägtem Tremor signifikant kürzer Level 4 Die mittlere Dauer der Symptomatik vor der Diagnosestellung des psychogenen Tremors war für Patienten mit schwach ausgeprägtem Tremor signifikant kürzer (p=0,0037). Kommentar: Die Fallzahl ist relativ gering und das LFU mit 47% hoch. 4.5.2 Psychogene Dystonie Prospektive Studien → Prognose-Studie Level 1b. In der Studie von Ibrahim et al. [65] aus dem Jahre 2009 wurde das Outcome von 41 Patienten mit „fixed dystonia“ untersucht, die sowohl psychogene als auch CRPS-Dystonie einschließt (s. Tabelle 4.23, S. 81). Untersuchungsinstrumente waren die Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS-A bzw. HADS-D) [59], ein Fragebogen zur Diagnose von begleitender Depression oder Angststörung und der Somatisation Dissociation Questionnaire (SDQ-20) [114], der den Grad von bestehender somatoformer Dissoziation bestimmt. Des Weiteren verwendeten die Autoren die Dissociative Experience Scale (DES II) [12] zur Ermittlung von dissoziativen Erlebnissen und den EQ-5D [39]) zur Bestimmung der Auswirkung auf den allgemeinen Gesundheitsstatus des Patienten. Die Patienten wurden nach einer durchschnittlichen Follow-up-Zeit von 7,6 Jahren untersucht. Den Ergebnissen nach fand bei 31% der Patienten eine Verschlechterung, bei 46% keine Veränderung und bei 23% eine Ver80 besserung der Symptomatik statt. 41% hatten Punktwerte, die für eine Angststörung sprachen, bei 18% ließ sich eine Depression feststellen. Tab. 4.23 Studienübersicht: Outcome/Prognose der psychogenen Dystonie Autoren Stichprobe Design Methodik Ergebnisse/Kernaussage Retrospektive Studien Ibrahim et 41 Patienten mit Prospektive Kohor- Fragebogen (HADS-A; Insgesamt schlechtes Outcome bei lediglich 23% al. 2009 „fixed dystonia“ tenstudie; Follow-up HADS-D; SDQ-20; DES II; Verbesserung, davon nur 6% mit vollständiger [65] nach Ø 7,6 Jahren; EQ-5D); telefonisches Remission; 46% zeigten keine Verbesserung und Level 1b keine Verblindung Follow-up 31% Verschlechterung angegeben In Bezug auf dissoziative/somatoforme Störungen erreichten 19% die erforderlichen Punktwerte auf der DES II und 19% beim SDQ-20. Ein Vergleich zwischen den drei verschiedenen Outcome-Gruppen zeigte lediglich beim EQ-5D signifikante Unterschiede (p=0,003 für „verschlechtert“ gegenüber „unverändert“ oder „verbessert“ nach Follow-up Periode). Kommentar: Die Studie bestätigt die schlechten prognostischen Aussichten für Patienten mit psychogener Dystonie. 4.5.3 Psychogene Bewegungsstörungen allgemein Prospektive Studien → Prognose-Studie Level 4. Feinstein et al. [44] beschäftigten sich in ihrer Follow-up-Studie aus dem Jahre 2001 mit dem Outcome von Patienten mit gesicherter Diagnose einer hyperkinetischen psychogenen Bewegungsstörung (s. Tabelle 4.24, S. 82). Die insgesamt 88 Patienten erfüllten die Kriterien nach Fahn u. Williams [43] für eine oder mehrere klinisch dokumentierte oder etablierte psychogene Bewegungsstörungen. An der Follow-up-Untersuchung nahmen lediglich 42 Patienten teil, sie erfolgte im Durchschnitt nach einem Zeitraum von 3,2 Jahren und wurde persönlich oder per Telefongespräch durchgeführt. Die neuropsychiatrische Testung umfasste das Clinical Interview for Axis I (SCID-I) [48] und Axis II (SCID-II) [49] nach DSMIV-Kriterien, wobei SCID-I zur Diagnose von psychischen Erkrankungen („mental illness“) und SCID-II zur Erfassung von Persönlichkeitsstörungen dient. Die Patienten wurden weiterhin gebeten, den General Health Questionnaire (GHQ) [51] auszufüllen, ein 28 Items umfassender 81 Fragebogen, der 4 Subskalen mit jeweils 7 Fragen aufweist, die Angst, Depression, somatische Beschwerden und soziale Störungen bewerten. Die Punkt- und Lebenszeitprävalenzen für Achse-I-Diagnosen waren: „Major Depression“ (19,1 und 42,9%), Angststörungen (38,2 und 61,9%) sowie koexistierende Depression und Angststörung (11,9 und 28,6%). Die Ergebnisse zeigten, dass lediglich 4 (9,5%) Patienten über eine vollständige Remission der Symptomatik berichteten, während 14 (33,3%) die Symptome als verbessert, 10 (23,8%) als stabil und 14 (33,3%) als verschlechtert empfanden. Es zeigte sich sowohl eine signifikante Korrelation zwischen vorangegangener Dauer der Symptomatik und ihrem Verlauf bei erstmaliger Vorstellung in der Klinik (r=0,38; p=0,01) als auch im Verlauf der Follow-up-Untersuchung (r=0,45; p=0,03), d.h., je länger die Symptome bereits andauerten, umso schlechter war das Outcome. Ebenfalls signifikant war die Korrelation zwischen Art des Beginns und Verlauf der Symptomatik, was bedeutet, je plötzlicher der Beginn, desto besser war der Verlauf. Schließlich zeigten die Abwesenheit psychiatrischer Co-Erkrankungen und der Verlauf der Symptomatik eine signifikante Korrelation (r=0,4; p=0,008). Kein Zusammenhang konnte dagegen bei Vorhandensein einer Persönlichkeitsstörung und Verlauf der Symptomatik nachgewiesen werden. Kommentar: Vor allem die hohe Lebenszeit- und Punktprävalenz psychischer Erkrankungen sowie der hohe Anteil an psychischen Co-Erkrankungen bei psychogenen Bewegungsstörungen fallen auf. Tab. 4.24 Studienübersicht: Psychogene Bewegungsstörungen allgemein Autoren Stichprobe Design Methodik Ergebnisse/Kernaussage Prospektive Studien Feinstein et 88 Patienten mit Kohortenstudie; SCID-I; SCID-II; Health Schlechtes Outcome assoziiert mit lange andau- al. 2001 psychogenen Follow-up- Questionnaire ernder Symptomatik, schleichendem Beginn der [44] Bewegungsstörun- Untersuchung nach Ø Symptomatik und psychiatrischer Co-Erkrankung Level 4 gen 3,2 Jahren; LFU nach Achse-I-Diagnose (DSM) 47,5%; keine Verblindung angegeben Retrospektive Studien Thomas et 228 Patienten mit Kohortenstudie; Telefonisches Interview Gutes Outcome assoziiert mit gutem körperli- al. 2006 psychogenen Follow-up- mit „Emotional Index“ chem Zustand, positiver sozialer Selbstwahrneh- [145] Bewegungsstörun- Untersuchung Ø 3,4 des McMaster’s Health mung, Wahrnehmung von effektiver medizini- Level 4 gen Jahre; LFU 48%; Index Questionnaire scher Behandlung, Beseitigung von Stressoren keine Verblindung angegeben 82 Retrospektive Studien → Prognose-Studie Level 4. Im Vergleich zu Feinstein et al. [44] kommen Thomas et al. [145] in ihrer 2006 publizierten Studie zu unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich der Langzeitprognose von Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen (s. Tabelle 4.24, S. 82). Die 228 Patienten umfassende telefonische Befragung schloss 136 (59,6%) Patienten ein, die die Fahn/Williams-Kriterien für klinisch etablierten, 44 (19,3%) für wahrscheinliche, 32 (14%) für klinisch dokumentierte und 16 (7%) für mögliche psychogene Bewegungsstörungen erfüllten. Bei 122 Patienten konnte ein komplettes Follow-up durchgeführt werden. Von diesen berichteten 69 (56,6%) über eine Verbesserung der Symptomatik, 27 (22,1%) klagten über eine Verschlechterung und 26 (21,3%) konnten keine Veränderung feststellen. Der Anteil der Patienten mit positivem Outcome zu denen mit negativem Outcome oder keiner Veränderung der Symptomatik war signifikant größer (p<0,0001). Erhaltene ärztliche Behandlung war ebenso mit einem positiven Outcome assoziiert (p<0,0001) wie eine kürzere Zeitspanne seit Erkrankungsbeginn (p<0,012). Auch gute gesundheitliche Verfassung und gesunde Lebensführung korrelierten mit verbessertem Outcome (p<0,018). Kommentar: Von 228 Patienten, die in die Studie eingeschlossen waren, nahmen lediglich 122 am telefonischen Interview teil. Trotz der hohen LFU-Quote eine wichtige Studie zum Outcome von Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen, da die Fallzahl im Vergleich zu ähnlichen Studien [45, 103] relativ hoch ist. 83 5 Diskussion 5.1 Inhalt und Methodik Ziel der Diskussion ist eine zusammenfassende Betrachtung des Themenkomplexes psychogene Bewegungsstörungen auf Basis der Auswertungsergebnisse (Kapitel 4) der ausgewählten Studien. Es werden neue Ansätze, Erkenntnisse und Fortschritte in den Bereichen Epidemiologie, Pathophysiologie, Diagnostik, Therapie und Outcome/Prognose unter kritischer Reflexion des aktuellen Forschungsstandes erörtert. Die wichtigsten Störungsbilder werden analog zu Kapitel 5 jeweils noch einmal gesondert hervorgehoben und behandelt, wobei die betreffenden Studienergebnisse hier kontextbezogen aufgegriffen, analysiert und wertend diskutiert werden. 5.2 Definition und Klassifikation Das Phänomen Bewegungsstörungen nicht bekannter Ursache ist in der medizinischen Forschung und Praxis bereits auf Mitte des 19. Jahrhunderts zu datieren. Der französische Neurologe Jean-Martin Charcot (1825–1893) nahm sich des Problems körperlicher Probleme ohne definierbare organische Ursache an und fasste sie unter dem diagnostischen Oberbegriff „Hysterie“ (von griech. ὑστἐρα [hystera]= Gebärmutter, verwandt mit lat. uterus) zusammen. Der Anteil der Patienten mit Hysterie in seiner Klinik im „Hôpital Salpêtrière“ in Paris lag etwa bei bei 5–10% [27, 60] und Charcot behandelte die Patienten mit Hypnose und Suggestion, wobei er beachtliche Erfolge hinsichtlich der Remission der Symptomatik erzielen konnte [88]. Der Begriff Hysterie wurde auch von Sigmund Freud (1856–1939), einem Schüler Charcots, aufgegriffen und in seinem psychoanalytischen Konzept verarbeitet. So blieb er lange geläufig, wurde in der neueren Forschung aber nicht zuletzt wegen seiner geschlechterbezogenen Konnotation („Frauenkrankheit“) durch die ICD-10-Diagnose „Dissoziative Störung [Konversionsstörung]“ (F44) bzw. „Histrionische Persönlichkeitsstörung“ (F60.4) ersetzt. In Anbetracht des heutigen Forschungsstandes ist es jedoch nicht möglich, den Komplex der psychogenen Bewegungsstörungen definierten psychiatrischen Diagnosen wie somatoformen, dissoziativen oder anderen psychischen Erkrankungen eindeutig zuzuordnen, sondern vielmehr muss die Vielfalt der Symptomatik und der zugrunde liegenden psychischen Prozesse bei 84 jedem einzelnen Patienten berücksichtigt werden. Zur Bezeichnung einer psychogenen Bewegungsstörung etablierten sich im Laufe der Jahre verschiedene Synonyme für psychogene Störungen, die zu einer uneinheitlichen Terminologie in der Literatur geführt haben. Hysterische Störung, funktionelle Störung, Konversionsstörung, „nichtorganische Erkrankungen“ oder „medizinisch nicht erklärbare Symptome“ sind alles Begriffe, die ausdrücken, dass keine organische Ursache für die Symptome des Patienten ausgemacht werden kann und diese somit die wahrscheinliche Folge einer zugrunde liegenden psychiatrischen Erkrankung sind [24, 133]. Der Begriff „psychogen“, der sich in der neueren Literatur weitgehend durchgesetzt hat, bedeutet: „aus seelischen, geistigen oder emotionalen Prozessen entstehend; eher einen psychologischen als einen physiologischen Ursprung habend“ [93]. Da keine allgemein gültige Definition der psychogenen Bewegungsstörungen vorliegt, sind in der Literatur zum Thema viele verschiedene Beschreibungen zu finden. Thomas u. Jankovic [144] sprechen z.B. von „hyper- oder hypokinetischen Bewegungsstörungen, deren Ursache nicht in einer Läsion oder Dysfunktion des nervösen Systems zu finden ist und die in den meisten Fällen psychologische oder psychiatrische Ursachen aufweisen“. Nach Williams et al. [159] handelt es sich um „Bewegungsstörungen, die nicht vollständig durch eine organische Ursache zu erklären sind und deren Entstehung signifikante psychologische oder psychiatrische Faktoren zugrunde liegen“. In Studien und Fachliteratur wird eine vielfältige Anzahl von Bewegungsstörungen psychogenen Ursprungs beschrieben, deren Symptome sich im Verlauf der Krankheit oft verändern und deren Expressivität variabel ist. Sie schließen Tremor, Parkinsonismus, Myoklonus, Gangstörungen und Dystonie ein, auf die wegen ihrer höheren Prävalenz und, damit zusammenhängend, besseren Studienlage in dieser Diskussion besonders eingegangen wird, aber auch Fälle von Tics, Hemiballismus, Chorea [83], Blepharospasmus [6] und Dysphonien [91] psychogener Ursache sind dokumentiert. 5.2.1 Epidemiologie 5.2.1.1 Prävalenz Die Angaben zur Prävalenz von neurologischen Dysfunktionen psychogener Ursache differieren in den diesbezüglichen Studien erheblich und bewegen sich zwischen 1 und 11% bezogen auf Patienten mit der Diagnose einer neurologischen Bewegungsstörung [21, 90]. Die Gründe 85 hierfür sind vielfältig, wobei die unterschiedlichen Einschlusskriterien der Patienten, die verschiedenen klinischen Definitionen von psychogener Bewegungsstörung und die verzerrenden Effekte („bias“) bei Auswahl und Überweisung der Studienpatienten sicher eine erhebliche Rolle spielen dürften. So berichtet etwa Lang [84] von einer Unterrepräsentation akuter oder transienter Fälle bei einer gleichzeitigen Überrepräsentation von chronischen und refraktären Patienten in den Studien. Das Fehlen einer Goldstandard-Diagnose und die allgemein übliche Einordnung der Patienten nach den Fahn/Williams-Kriterien [43] (siehe auch Tab. 4.1, S. 25) bereitet weitere Probleme, da manche Studien lediglich „klinisch dokumentierte“, andere aber auch „klinisch etablierte“ oder „klinisch wahrscheinliche“ Fälle einschließen. Der Anteil der Patienten mit der Diagnose psychogene Bewegungsstörungen in Fachkliniken für Bewegungsstörungen liegt zwischen 2 und 4%. Factor et al. [40] konnten in ihrer Studie bei einer Fallzahl von 842 Patienten 3,3% mit klinisch dokumentierten oder etablierten psychogenen Bewegungsstörungen ausmachen, während Fahn u. Williams [43] bei einer Fallzahl von 3700 Patienten bei 2,1% diese Diagnose stellten. Eine Aktualisierung der Zahlen von Factor et al. [84] aus dem Jahre 2003 zeigte mit 135 von 3826 Patienten (3,5%) fast die gleichen Ergebnisse. Die auf den ersten Blick erhebliche Zahlendifferenz im Vergleich zu den 9% der Studie von Lempert et al. [90] erklärt sich jedoch insbesondere damit, dass in dieser Studie nicht nur Patienten mit einer etablierten Diagnose wie „Hysterie“ oder „Konversionsstörung“ erfasst wurden, sondern auch Patienten, die psychogene Symptome zeigten und in anderen diagnostischen Kategorien wie „larvierte Depression“ („masked depression“) oder „Angstneurose“ geführt wurden. Insgesamt lässt sich konstatieren, dass keine gültige Aussage zur Prävalenz der psychogenen Bewegungsstörungen in der Gesamtbevölkerung getroffen werden kann, da alle Studien in Fachkliniken für Bewegungsstörungen durchgeführt wurden und somit für die Gesamtbevölkerung nicht repräsentativ sind. 5.2.1.2 Geschlechterverteilung Eindeutige Aussagen lassen sich bezüglich der Geschlechterverteilung der psychogenen Bewegungsstörungen treffen. Hier zeigt sich bei fast allen Studien mit größerer Fallzahl eine Prädominanz von Frauen, wobei ihr prozentualer Anteil bei 61–87% gegenüber Männern liegt [40, 90, 159]. Lediglich Crimlisk et al. berichten in ihrer Studie, von einer annähernd gleichen 86 Geschlechterverteilung [23], ohne dass dafür eine Begründung gefunden werden konnte. Es ist unklar, warum Frauen von psychogenen Bewegungsstörungen wie auch von den meisten anderen somatoformen Störungen häufiger betroffen sind. Von verschiedenen Autoren wird dazu angeführt, dass ein Grund sexueller und andere Formen von Missbrauch sein könnte, die insgesamt Risikofaktoren für Konversionsstörungen und psychogene Bewegungsstörungen sind und Frauen häufiger widerfährt als Männern [123, 124]. 5.2.1.3 Prädisponierende und auslösende Faktoren Es lassen sich zahlreiche und sehr unterschiedliche prädisponierende bzw. auslösende Faktoren für die Entwicklung psychogener Bewegungsstörungen ausmachen. Sie reichen von emotionalem Stress über sexuellen Missbrauch und physische Traumata bis hin zu Operationen oder Empfindlichkeitsreaktionen auf Medikamente [44, 69, 159]. Der Beginn der Symptomatik liegt im Mittel bei 43,15 Jahren, wobei sich hier auf drei Studien mit hohen Fallzahlen bezogen wird [90, 145, 159]. Bezieht man die Studien bei Kindern und Jugendlichen mit ein, liegt die Spannweite bei 3 bis 73 Jahren [1, 44, 90]. Andere Autoren setzen den Altersdurchschnitt etwas niedriger an, so z.B. Ford et al. mit 36 Jahren [50]. Aufgrund vieler unterschiedlicher Studientypen und -designs sowie inhomogener Patientengruppen lässt sich auch die mittlere Dauer der Symptome nicht genau bestimmen; auf der Grundlage der für diese Untersuchung verwendeten Studien, liegt sie bei ca. 4,8 Jahren, was sich auch ungefähr mit den Angaben von Ford et al. [50] deckt, die bei der Entwicklung eines Patientenprofils für psychogene Bewegungsstörungen eine durchschnittliche Symptomdauer von 5 Jahren angeben. 5.2.1.4 Prädominante Symptome Zur Prädominanz der verschiedenen Bewegungsstörungen ist die Studienlage inkongruent. So wurde bei einer Studie im Toronto Western Hospital (Toronto, Kanada), die 340 Patienten umfasste, Tremor (45%) als häufigstes Symptom angegeben. Es folgten Dystonie (27%), Myoklonus (19%), Parkinsonismus (5%) und Gangstörungen (2%). Dagegen wurde im Columbia Presbyterian Medical Center in New York bei 152 Patienten Dystonie (54%) als häufigstes Symptom vor Tremor (14%), Gangstörungen (13%), Myoklonus (7%), Parkinsonismus (2%) und 87 Tics (1%) diagnostiziert [84]. Eine Gegenüberstellung von acht Studien, die insgesamt 1245 Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen einschlossen, ergab eine Prädominanz des psychogenen Tremors (40%) gegenüber Dystonie (31%), Myoklonus (13%), Gangstörungen (10%), Parkinsonismus (5%), anderen Bewegungsstörungen (5%) und Tics (2%) [84]. Die Gültigkeit der Ergebnisse ist jedoch insofern kritisch zu beurteilen, da die Studien durch viele mögliche Störfaktoren beeinflusst werden. So ist einerseits der Forschungsschwerpunkt der Kliniken und die damit verbundene Mehraufnahme von Patienten mit entsprechender Symptomatik zu berücksichtigen, andererseits aber auch methodische Unterschiede in der Erfassung der Patienten. Zum Beispiel weisen manche Studien lediglich das prädominierende Symptom [41) aus, während andere die Koexistenz mehrerer Symptome berücksichtigen und statistisch verwerten [25]. 5.2.1.5 Interkulturelle Aspekte Auch wenn es keine gesicherten Daten zu ethnologischer oder geografischer Ausbreitung von psychogenen Bewegungsstörungen gibt, konnte der interkulturelle Vergleich von spanischen und US-amerikanischen Patienten wesentliche Übereinstimmungen in Geschlechter- und Altersverteilung und klinischem Erscheinungsbild aufzeigen [25]. In die gleiche Richtung gehen auch die Ergebnisse von Ertan et al., die in ihrer Untersuchung bei türkischen Patienten ähnliche klinische Charakteristika und Prävalenzen wie andere Studien zeigen [37]. 5.2.2 Ätiologie und Genese 5.2.2.1 Koexistierende psychische Krankheitsbilder Bei der Beurteilung von Theorien zur Erklärung und Entstehung der psychogenen Bewegungsstörungen stellt sich das Problem, dass die Vielfältigkeit der Symptomatik sowie das breite Spektrum an begleitenden oder zugrunde liegenden psychiatrischen Erkrankungen einen einheitlichen Theorieansatz verunmöglichen. Die dokumentierte Auftretenshäufigkeit von psychiatrischen Co-Erkrankungen ist hoch, und zahlreiche Studien zeigen, dass ihr Spektrum von somatoformen Störungen über artifizielle Störungen, Depression und Angststörungen bis hin zu Persönlichkeitsstörungen und bipolaren Störungen reicht [15, 44]. 88 Auch die Simulation von Bewegungsstörungen zum Zweck des sekundären Krankheitsgewinns oder finanzieller Rentenbegehren ist ein nicht zu vernachlässigender Faktor [151]. Eine umfassende Definition und Beschreibung der verschiedenen Krankheitsbilder kann an dieser Stelle nicht geleistet werden und ist auch nicht Zweck dieser Untersuchung. Im folgenden Abschnitt werden jedoch kurz die prinzipiellen Unterschiede dargestellt, damit weitere Inhalte wie z.B. spezifische Therapieansätze besser nachvollzogen werden können. 5.2.2.2 Die komorbiden Krankheitsbilder im Einzelnen Somatoforme Störungen unterscheiden sich von artifiziellen Störungen (MünchhausenSyndrom) und Simulation in erster Linie dadurch, dass ihre Symptome nicht willentlich hervorgerufen oder vorgetäuscht werden. Nach DSM-IV [2] werden unter dieser Oberkategorie 5 Störungsbilder geführt: körperdysmorphe Störung, Konversionsstörung, Hypochondrie, Somatisierungsstörung (auch „Hysterie“ oder Briquet-Syndrom) und somatoforme Schmerzstörung. Unter Konversionsstörung versteht man den Verlust willkürlicher motorischer oder sensorischer Funktionen, die nicht ausreichend durch einen neurologischen Befund erklärt werden können und denen ein psychischer Konflikt oder psychosozialer Stressor zugrunde liegt. Hypochondrie bezeichnet eine psychische Störung, bei der die Betroffenen unter ausgeprägten Ängsten leiden, eine ernsthafte Erkrankung zu haben, ohne dass sich dafür ein objektiver Befund finden lässt. Die meisten Patienten haben eine lange und komplizierte Patientenkarriere mit wahrscheinlich vielen „negativen“ Untersuchungen und ergebnislosen Operationen hinter sich. Charakteristisch für die Somatisierungsstörung sind multiple, wiederholt auftretende und häufig wechselnde körperliche Symptome, die wenigstens zwei Jahre bestehen. Sowohl artifizielle Störungen (Münchhausen-Syndrom) als auch Simulation beinhalten das Vortäuschen von Symptomen, wobei den artifiziellen Störungen ein psychologisches Bedürfnis nach Zuwendung (z.B. durch Pflegepersonal) oder auch selbstverletzendes Verhalten (z.B. durch unnötige Operationen) zugrunde liegt, während die Simulation nicht als psychische Erkrankung eingestuft wird und ihr zumeist ein externaler Krankheitsgewinn wie Renten- oder Urlaubsbegehren vorausgeht. 89 Auch Persönlichkeitsstörungen sind häufig beobachtete Phänomene im Zusammenhang mit psychogenen Bewegungsstörungen. Unter ihnen ist vor allem die histrionische Persönlichkeitsstörung zu nennen, deren Merkmale Übertreibung, theatralisches Verhalten, Oberflächlichkeit, labile Stimmungslage, gesteigerte Beeinflussbarkeit, dauerndes Verlangen nach Anerkennung und der Wunsch, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, erhöhte Kränkbarkeit sowie ein übermäßiges Interesse an körperlicher Attraktivität sind. Neben diesen Störungsbildern gibt es weitere psychische Erkrankungen, die klassischerweise bei Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen auftreten, vor allem Angststörungen und Depression, wobei Letztere die am häufigsten dokumentierte Co-Erkrankung ist. Hier zeigen zahlreiche Studien eindeutige Ergebnisse, wobei der prozentuale Anteil der erkrankten Patienten jedoch stark variiert. Factor et al. [40] berichten von 28% depressiver Erkrankungen in ihrer Stichprobe, während es bei Feinstein et al. [44] 19,1% mit akuter Depression und 42,9% mit Lebenszeitprävalenz einer Depression waren. Bei Stone et al. [140] erfüllten 27% der Patienten die Kriterien für eine Depression. Lempert et al. [94] diagnostizierten bei 38% der Patienten Depression, während es bei Ford et al. [50] 71% waren. Auch wenn einige der vorgenannten Studien keine Kontrollgruppen beinhalteten, wurden Vergleiche mit den Daten der National Psychiatric Co-Morbidity, einer epidemiologischen Studie mit über 8000 Patienten in den USA, vorgenommen; diese Erhebung zeigte eine Lebenszeitprävalenz für Depression in der Gesamtbevölkerung von 17,1%. Die hohe Prävalenz der Depression bei psychogenen Bewegungsstörungen gleicht der aus Studien zu anderen Formen von Konversionsstörungen [153]. In der Studie von Feinstein et al. [45] zeigten 45% der Patienten Persönlichkeitsstörungen, und lediglich 2 der 42 Patienten erfüllten kein Kriterium für eine psychiatrische Diagnose in Übereinstimmung mit den DSM-IV-Kriterien. Crimlisk et al. berichten in ihrer Studie von Persönlichkeitsstörungen bei 53% der Patienten [23]. Während die Ergebnisse dieser beiden Studien aus Follow-up-Studien stammen, konnten Binzer et al. [16] in einem Vergleich von 30 Patienten mit motorischen Konversionsstörungen bei Erstvorstellung und 30 Patienten mit organischen Bewegungsstörungen zeigen, dass der Anteil an psychiatrischen Syndromen (nach DSM-III, Achse I) bei den Konversionspatienten um 23% und der Persönlichkeitsstörungen um 33% Prozent gegenüber der Kontrollgruppe erhöht war. Insgesamt konnte bei 33% der Patienten eine Achse-I-Diagnose und bei 50% eine Achse-II-Diagnose (Persönlichkeitsstörung) gestellt werden. 90 Angststörungen sind ein weiteres häufiges Merkmal bei Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen [78, 90, 103]. Die Angaben variieren auch hier von Studie zu Studie erheblich und reichen von 11% [103] über 13% [90] und 38,1% [45] bis hin zu 56,7% [69] beschreiben in ihrer Stichprobe von 127 Patienten mit psychogenem Tremor sogar bei 56,7% der Patienten eine Angststörung. Ford et al. entwickelten ein Profil eines typischen Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen, dem sie folgende Attribute zuordnen: mittleres Alter (36 Jahre), weiblich, mit einer mittleren Dauer der Symptome von 5 Jahren, arbeitsunfähig und stark eingeschränkt im Alltag. Die psychiatrischen Diagnosen dieses Patienten sind Konversionsstörung (75%), Somatisierungsstörung (12,5%), artifizielle Störung (8%) und Simulation (4%) [50]. In Anbetracht der zahlreichen Co-Erkrankungen gilt es auch, einen möglichen UrsacheWirkungs-Zusammenhang mit psychogenen Bewegungsstörungen zu diskutieren. Dazu lassen sich drei hypothetische Fragen formulieren, um die möglichen Beziehungen deutlich zu machen: 1. Ist die psychische Co-Erkrankung Folge der Bewegungsstörung? 2. Führt die Co-Erkrankung durch pathophysiologische Ähnlichkeiten zur simultanen Ausprägung der psychischen und motorischen Symptomatik? 3. Erzeugt die Co-Erkrankung eine Vulnerabilität des Patienten für psychogene Bewegungsstörungen? [153] Vor allem Depression als häufigste psychische Begleiterkrankung soll hier näher betrachtet werden, da es viele pathophysiologische und klinische Ähnlichkeiten zu psychogenen Bewegungsstörungen gibt, wie die Assoziation mit multiplen Symptomen, Missbrauchserfahrungen in der Kindheit, Stressoren, weibliche Prädominanz und persönliche Wesenszüge. Voon u. Hallet formulieren diese Beobachtung weiter aus und ziehen Parallelen in Bezug auf genetische Prädisposition, frühe und chronische Stressoren, funktionelle Veränderungen der neuroanatomischen Vernetzung, Anomalitäten der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse und mögliche Neurotransmitter-Anomalitäten [153]. Feinstein et al. [44] dagegen behaupten, dass aufgrund von eindeutigen Unterschieden zwischen psychogenen Bewegungen und ihren organischen „Gegenstücken“ die zerebrale Lokalisation der für die Bewegungen verantwortlichen Strukturen nicht die gleiche ist, auch wenn sich die Phänomenologie oberflächlich betrachtet ähnelt. Sie gehen nicht davon aus, dass die den psychischen Störungen zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen eine Dysfunktion in den Basalganglien, dem Cerebellum oder anderen Arealen hervorrufen, die typischerweise bei psychogenen Bewegungs91 störungen befallen sind. Die Studienlage lässt keine eindeutige Aussage zu; es konnte jedoch nachgewiesen werden, dass eine Kombination von Psychotherapie und antidepressiver Medikation bei einigen Patienten zu einer vollständigen Remission der Symptome führte [43, 154]. 6.3 Diagnostik Die Diagnostik der psychogenen Bewegungsstörungen stellt Neurologen, Psychiater und Psychosomatiker gleichermaßen vor eine große Herausforderung, da sich die beiden Fachgebiete hier überschneiden und die Grenzen oft fließend sind. Die Symptome sind oft schwer oder gar nicht von organisch bedingten Symptomen zu differenzieren. Zur korrekten Diagnose einer psychogenen Bewegungsstörung sind somit eine sorgfältige störungsbezogene Anamnese sowie umfassende neurologische Untersuchungen inklusive diagnostischer Tests (Serumkupfer; Coeruloplasminspiegel; Schilddrüsenfunktion; Liquordiagnostik) und bildgebender Verfahren (MRT des Schädels/der Wirbelsäule) unerlässlich, um eine mögliche organische Ursache auszuschließen [95]. Die Diagnose sollte weiterhin möglichst schnell gestellt werden, um den Patienten vor einer Chronifizierung des Leidens zu schützen und ihn vor vielen belastenden Zusatzuntersuchungen zu bewahren. Studien zeigen, dass eine kurze Dauer der Symptome einer der wichtigsten Faktoren für ein positives Behandlungsergebnis bei psychogenen Bewegungsstörungen ist [44, 145]. Die Problematik hierin liegt in der Tatsache, dass es – im Gegensatz zu anderen psychogenen Erkrankungen – keine standardisierten diagnostischen Tests gibt. Kann man z.B. bei Patienten mit psychogenen nichtepileptischen Anfällen mithilfe von Video-EEG eine organische Ursache besser ausschließen, so existiert kein derartiges Diagnoseverfahren bei psychogenen Bewegungsstörungen. Der untersuchende Arzt muss sich vielmehr auf eigene klinische Erfahrung und diagnostische Leitlinien verlassen, deren Evidenz noch nicht ausreichend verifiziert wurde. Ein weiteres, nicht zu vernachlässigendes Problem bei der korrekten Diagnostik und Bestimmung von psychogenen Bewegungsstörungen ist die mögliche Koexistenz organisch bedingter Bewegungsstörungen. Wie Studien von vier Fachkliniken für Bewegungsstörungen zeigen, liegt der prozentuale Anteil der Patienten mit organischen Erkrankungen unter denen mit diagnostizierter „Hysterie“ zwischen 50 bis 75%, was eine hohe Fehldiagnoserate unter diesen Patienten bedeutet [144]. Ranawaya et al. beschrieben 6 Fälle von psychogenen Dyskinesien, die eine bereits bestehende organische Bewegungsstörung verkomplizierten, und gelangten 92 zu der Schätzung, dass 10 bis 15% aller Patienten mit psychogenen Dyskinesien eine zusätzliche organische Bewegungsstörung haben [120]. Diese Schätzung deckt sich in etwa mit denen aus Daten zu psychogenen nichtepileptischen Anfällen, bei denen 10 bis 37% der Patienten mit psychogenen nichtepileptischen Anfällen auch organisch bedingte Anfälle zeigten [80, 83]. Monday u. Jankovic [103] konnten in ihrer Studie bei 3 Patienten mit psychogenem Myoklonus ebenfalls essentiellen Tremor zeigen. Factor et al. [40] diagnostizierten 7 Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen und organischen Bewegungsstörungen, was einen Anteil von 25% bedeutete, während Thomas et al. in ihrer Studie bei 16,2% der Patienten koexistierende organische Bewegungsstörungen feststellten [145]. Auffallend ist auch das Auftreten von multiplen somatischen Symptomen und psychogenen Bewegungsstörungen. Crimlisk et al. [23] zeigten, dass fast die Hälfte ihrer Patienten mit hyper- oder hypokinetischen psychogenen Bewegungsstörungen zwei oder mehr nicht geklärte neurologische Symptome aufwiesen. Diese schlossen Parästhesien (65%), Blasen- oder Darmstörungen (25%), psychogene nichtepileptische Anfälle und visuelle Störungen (14%) ein. Diese Daten decken sich mit den Angaben von Feinstein et al., in deren Studie 38% der Patienten zum Zeitpunkt der Follow-up-Untersuchung zusätzliche psychogene Symptome ähnlicher Art entwickelt hatten [44]. Die häufige Assoziation von Konversionsstörungen und organischen Erkrankungen wurde schon in mehreren Studien nachgewiesen [16, 56] und betrifft auch die motorischen Konversionsstörungen respektive psychogenen Bewegungsstörungen. Obwohl Binzer et al. [16] in ihrer Studie Patienten mit neurologischen Erkrankungen ausschlossen, zeigten 33% eine somatische Störung und 50% klagten über „benignen“ Schmerz. Crimlisk et al. [23] konnten bei 31 ihrer 73 Patienten mit medizinisch nicht erklärbaren Symptomen ebenfalls neurologische Erkrankungen diagnostizieren. Im Laufe der Zeit wurde durch die Anerkennung der besprochenen Problematik und in der Folge intensiveren Auseinandersetzung mit dem Krankheitsbild der psychogenen Bewegungsstörungen bei einer größeren Anzahl von Studien [43, 44, 78, 97, 159] eine Reihe von klinischen, sozialen und demografischen sowie alters- und geschlechterspezifischen Charakteristika formuliert, die einen Hinweis auf das Vorhandensein von psychogenen Bewegungsstörungen liefern (siehe Tab. 5.1, S. 94). 93 Tab. 5.1 Indikatoren für eine mögliche psychogene Bewegungsstörung [43, 44, 78, 97, 159] Symptomatik - Plötzlicher Beginn - „Statischer Verlauf“ - Spontanremission - Zunahme der Symptome bei Aufmerksamkeit durch andere Person - Abnahme der Symptome bei fehlender Aufmerksamkeit durch andere Person - Inkonsistenz der Bewegungen in Bezug auf Frequenz, Amplitude, anatomische Lokalisation - Kein Ansprechen auf medikamentöse Therapie - Remission durch Psychotherapie - Remission durch Placebo - Möglichkeit von Verstärken oder Abschwächen der Bewegung durch nichtphysiologische Interventionen (z.B. Stimmgabel) Zusätzliche neurologische Befunde - Vorübergehende Schwäche - Kopfschmerz - Sehstörungen - Amnesie - Insomnie - Sensorische Ausfälle Psychische Erkrankungen - Depression - Angststörung - Somatisierungsstörung - Simulation - Artifizielle Störungen Auslösende Ereignisse - Trauma - Operation - Einschneidendes Erlebnis (Hochzeit, Tod eines nahestehenden Menschen etc.) Soziale Faktoren - Probleme in der Partnerschaft - Berufliche Probleme - Emotionaler Missbrauch - Sexueller Missbrauch - Sekundärgewinn (sozialer oder finanzieller Art) - Drogen-, Medikamentenabusus - Drohendes Gerichtsverfahren Demografische Faktoren - Weiblich - Mittleres Alter (35–40) bei Beginn der Symptomatik 94 Ein weiteres diagnostisches Instrument sind die Fahn/Williams-Kriterien [43], die vier Stufen für die Diagnose von psychogener Dystonie definieren („dokumentiert“, „klinisch etabliert“, „wahrscheinlich“ und „möglich“) und die auf andere Störungsbilder der psychogenen Bewegungsstörungen anwendbar sind (siehe Tab. 4.1, S. 25). In Abwesenheit eines diagnostischen Goldstandards sind sie international allgemein anerkannt, werden jedoch kontrovers diskutiert. So weist Krem [79] darauf hin, dass nach der Beurteilung der diagnostischen Validität mithilfe des Schemas von Robins u. Guze [122] deutliche Schwächen der Kriterienliste von Fahn u. Williams deutlich würden. Sie lägen vor allem in der mangelnden Abgrenzung von anderen Störungen, besonders von Simulation und Somatisierungsstörungen, sowie der hohen Subjektivität der Kriterien. In einer Studie von Shill et al. [135] wurden Sensitivität und Spezifität der Fahn/WilliamsKriterien getestet, die sie leicht modifiziert und um einige diagnostische Kriterien wie das Auftreten von neurologischen Erkrankungen in der Familienanamnese und starkem Schmerz oder Müdigkeit erweitert hatten. Die Autoren kamen hierbei zu dem Ergebnis, dass die Kriterien sowohl über eine hohe Spezifität als auch Sensitivität verfügen und in der Praxis leicht anzuwenden seien. Angesichts des subsequenten Fortschritts in der Etablierung klinischer Charakteristika und Untersuchungsmethoden ist es angezeigt, die diagnostischen Klassifikationen zu ändern bzw. die elektrophysiologischen Untersuchungen verstärkt in den diagnostischen Prozess mit einzubeziehen. In diesem Zusammenhang wurden in den letzten Jahren neue Ansätze und Methoden sowohl im klinischen als auch im Bereich elektrophysiologischer und bildgebender Verfahren entwickelt, die im Folgenden erläutert werden. Einer klinischen Methode zur objektivierten Beurteilung von psychogenen Bewegungsstörungen gingen Hinson et al. bei der Entwicklung ihrer Rating Scale for Psychogenic Movement Disorders nach [62] (Aufbau und Funktion der Skala wurden bereits in Abschnitt 4.2 ausführlich beschrieben). Die guten Ergebnisse hinsichtlich Interrater-Reliabilität und Validität sowie der Fakt, dass die Skala signifikant auf Veränderungen reagiert, die durch therapeutische Interventionen herbeigeführt wurden, könnten dieses Instrument bei Validierung durch weitere Studien zu einer viel versprechenden diagnostischen Hilfe für die Zukunft machen, zumal diese Rating Scale rein klinischer Natur ist und schnell durchgeführt werden kann. So findet sie auch schon Anwendung in neueren Studien [25]. 95 Stone et al. [140] konnten mittels funktioneller Magnetresonanztomografie zeigen, dass zwischen Patienten mit motorischen Konversionsstörungen und, eine solche Störung simulierende, Kontrollpatienten unterschiedliche Muster neuronaler Aktivierung bestehen. Die Fallzahl der Studie war jedoch zu klein, um gültige Aussagen dahin gehend treffen zu können, dass die zerebrale Aktivität bei motorischer Konversionsstörung stets verändert ist; weitere Studien könnten hier Aufschluss bringen. Radiologische bildgebende Verfahren wie FDOPA-PET, SPECT und [123I-Isoflupane SPECT] haben sich als nützliche Instrumente bei der Unterscheidung von Parkinsonismus und psychogenem Parkinsonismus etabliert [11, 70]. Der Einsatz dieser Verfahren, die das Vorhandensein funktionsfähiger Neuronen in der Substantia nigra (PET) oder ihrer synaptischen Endungen im Striatum (SPECT) bestimmen, zeigt unauffällige Ergebnisse bei psychogenem Parkinsonismus und verminderte Signale der Neuronen bei Morbus Parkinson [129]. Die Studie von Jennings [70] zeigt eindrucksvoll, wie vor allem die Spezifität der Diagnostik mithilfe von [123I] ß-CIT und SPECT erhöht werden kann und dass es in vielen Fällen zu Fehldiagnosen dahin gehend kommt, dass psychogener oder anderweitig induzierter Parkinsonismus als Morbus Parkinson klassifiziert wird [70]. Unterstützt wird diese These auch von Benaderette et al. [11], die nachweisen konnten, dass die Kombination von klinischer, elektrophysiologischer und [123 I]FP-CIT-SPECT-Untersuchung die Exaktheit in der diagnostischen Unterscheidung von psychogenem Parkinsonismus und der Kombination aus Parkinsonismus und psychogenem Parkinsonismus erhöht. Das Augenmerk der Forschung zur Diagnostik von psychogenen Bewegungsstörungen richtet sich seit einigen Jahren vor allem auf elektrophysiologische Methoden. Eine Reihe von Studien beschäftigt sich mit elektrophysiologischen Korrelaten der psychogenen Bewegungsstörungen, um insbesondere pathophysiologische Unterschiede des psychogenen Tremors und der psychogenen Dystonie zu identifizieren. So konnten Liepert et al. [94] in ihrer Studie mittels TMS nachweisen, dass motorische Reizschwelle, intrakortikale Bahnung und intrakortikale Hemmung bei Messung in Ruhe denen einer Kontrollgruppe ähneln. Wurden den Patienten jedoch während der Messung Bilder von Bewegungen gezeigt, so führte dies bei den Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen zu einer verminderten kortikalen Erregung, während es bei den Kontrollpersonen zu einer Erhöhung kam. Eine Bestätigung dieser Ergebnisse durch Studien mit größerer Fallzahl bzw. die Erforschung des zugrunde liegenden Mechanismus könnte diesem Ansatz zu diagnostischer Wichtigkeit verhelfen. 96 Auch die elektrophysiologische Bestätigung des Konzepts der „Dual Task Interference“ (s. Abschnitt 4.1, e, S. 28) bei psychogenem Tremor durch Kumru et al. [82] fördert das Verständnis für pathophysiologische Mechanismen insoweit, dass Charakteristika von willkürlichen Bewegungen bei psychogenem Tremor nachgewiesen werden können. Auch der Einsatz von TMS zeigt einen wertvollen diagnostischen und therapeutischen Nutzen, wie eine Pilotstudie [26, 108a] der Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie und Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universität zu Köln in Zusammenarbeit mit dem Institut für Neurowissenschaften und Biophysik des Forschungszentrums Jülich zeigt. Hierbei wurden 11 Patienten mit einem nach den Fahn/Williams-Kriterien [43] klinisch dokumentierten Tremor mit TMS behandelt. Vor der Behandlung war den Patienten weder die psychogene Ursache ihres Tremors mitgeteilt worden, noch zogen sie eine solche in Betracht. Als Ergebnis der Untersuchung konnte bei 7 Patienten eine vorübergehende Reduktion des Tremors erreicht werden, bei 4 Patienten kam es zu einer langfristigen Reduktion über einen Zeitraum von 7 bis 12 Monaten. Dies bestätigte sowohl die Verwendbarkeit von TMS zur Etablierung der Diagnose eines psychogenen Tremors als auch ihren therapeutischen Effekt. Alle Patienten zogen nach der Behandlung eine psychogene Ursache ihres Tremorleidens in Betracht. Die erhöhte emotionale Ansprechbarkeit von Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, gemessen am Wimpernschlagreflex bei der Vorführung von emotional bewegenden Bildern, ist ebenfalls ein interessantes Studienergebnis, das näherer Prüfung bedarf [132]. Hier ist aber auch kritisch anzumerken, ob und inwieweit sich eventuell zugrunde liegende Psychopathologien der Patienten sich auf das Testergebnis auswirken. Einigen Studien gelang es jedoch auch nicht, signifikante Unterschiede zwischen organischen und nichtorganischen Bewegungsstörungen festzustellen. So gelangten z.B. Espay et al. [38] zu der Schlussfolgerung, dass psychogene und organische Dystonie gleiche physiologische Anomalitäten aufweisen und vorherige Studienergebnisse bezüglich vorhandener abnormaler kortikaler und spinaler Erregung bei organischer Dystonie eher als Folge denn als Ursache dieser zu verstehen seien. Eine Alternativerklärung der Autoren war, dass ein bestimmter Endophenotypus sowohl zu organischer als auch psychogener Dystonie führt. Zusammenfassung: Zu konstatieren ist, dass psychogene Bewegungsstörungen trotz einiger viel versprechender neuer Ansätze v.a. im Bereich der elektrophysiologischen Diagnostik weiterhin schwer zu diagnostizieren sind und beim Untersucher ein hohes Maß an klinischer Er97 fahrung erfordern. Weitere Studien zum Verständnis pathophysiologischer Ursachen und Charakteristika sind vonnöten, um dem Ziel einer möglichst objektiven Diagnostik näher zu kommen. Auch im Hinblick auf die spätere Behandlung sollte die Diagnosestellung in enger Abstimmung zwischen Neurologe und Psychosomatiker bzw. Psychiater unter Einbeziehung aller möglichen somatischen und psychischen Beschwerden erfolgen. 5.4 Spezifische Störungsbilder bei psychogenen Bewegungsstörungen 5.4.1 Psychogener Tremor Tremor ist als eine rhythmische, bidirektional oszillierende Bewegung definiert, verursacht durch die Kontraktion antagonistischer Muskeln, die in Ruhe, Bewegung oder haltender Position erfolgen kann [157]. Tremor kann physiologisch sein, eine neurologische (z.B. Morbus Parkinson, multiple Sklerose), toxische (z.B. Blei, Arsen), medikamentöse (z.B. Lithium, Theophyllin) oder eben psychogene Ursache haben. Während der psychogene Tremor in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, speziell zur Zeit des Ersten und Zweiten Weltkriegs, ein bekanntes Krankheitsbild war, ist seine Prävalenz seitdem kontinuierlich gesunken [30]. Nichtsdestotrotz ist er der Studienlage nach mit die häufigste unter den psychogenen Bewegungsstörungen, wobei die Angaben hier zwischen 25 und 55,7% schwanken. Wie bei anderen psychogenen Bewegungsstörungen prädominiert das weibliche Geschlecht; das mittlere Alter bei Symptombeginn liegt zwischen 40 und 50 Jahren [30, 69, 78, 97]. Jankovic et al. [69] konnten in ihrer Studie 2004 bei 76% der Patienten ein auslösendes Ereignis ausmachen, wovon „personal life stress“ mit 76,4% am häufigsten war, gefolgt von nicht näher bezeichneten Traumata mit 33,9%. Auch der sekundäre Krankheitsgewinn scheint in der Pathogenese eine wichtige Rolle zu spielen. So wurde bei 32,2% ein solcher festgestellt, wobei die Aufrechterhaltung des Behindertenstatus mit 21,3% an erster Stelle lag [69]. Kim et al. [75] teilen den psychogenen Tremor in drei Klassen ein: – lang andauernder Tremor (persistierend oder intermittierend), – kurz andauernder bzw. paroxysmaler Tremor (Dauer < 30 s) und – anhaltender Tremor mit kurzen überlagerten paroxysmalen Episoden. Klinisch sind in der Literatur viele Charakteristika beschrieben, die ihn von organischem Tremor unterscheiden. Bevorzugte Lokalisation ist die rechte Hand, meist ist aber auch die kont98 ralaterale Seite betroffen; der Tremor ist dort dann jedoch weniger ausgeprägt [30]. Weitere Merkmale sind Ablenkbarkeit, plötzlicher Beginn und Spontanremission, Koaktivierung, Stimulussensitivität, schwaches Ansprechen auf Medikamente, Variabilität des psychogenen Tremors in Frequenz, Richtung und Amplitude, Koaktivierung, Somatisierungsstörung in der Krankengeschichte, Auftreten zusätzlicher neurologischer Symptome mit unterschiedlichem Fokus und „Entrainment“ (mangelnde Fähigkeit, über einen längeren Zeitraum mit einer Hand eine von der Tremorfrequenz unterschiedliche, rhythmische Bewegung auszuführen; die Frequenzen der Bewegungen gleichen sich an) [30, 75, 78, 145]. Kenney et al. [74] testeten diese und andere Parameter auf Spezifität und Sensitivität im Hinblick auf Abgrenzung von psychogenem zu essentiellem Tremor. Psychogener Tremor wies im Gegensatz zu essentiellem Tremor eine negative Familienanamnese, plötzlichen Beginn, Spontanremission, kürzere Tremordauer, Ablenkbarkeit und Suggerierbarkeit auf. Interessant ist, dass „Entrainment“ bei beiden Tremorformen kein hervorstechendes Merkmal war. Aus diesen Charakteristika ergeben sich sowohl im klinischen als auch im apparativen Bereich verschiedene diagnostische Möglichkeiten und Forschungsansätze. Ablenkbarkeit, definiert durch Veränderung von Frequenz und Amplitude bei der Beschäftigung mit kognitiven Aufgaben, konnten von Koller et al. [78] bei allen Patienten nachgewiesen werden, während sie bei Deuschl et al. [30] bei 19 von 22 Patienten auftrat. Dies verleiht dem Distraktionstest (kognitive Aufgaben wie z.B. Rückwärtsrechnen), der sich dieses Phänomen zunutze macht, eine hohe Wertigkeit [26a]. Die Koaktivierung bezeichnet die erhöhte Muskelspannung der vom Tremor betroffenen Körperpartie. Durch passive Bewegung in einem Gelenk kann diese variiert und palpiert werden. Verschwindet beim psychogenen Tremor die erhöhte Muskelspannung durch die passive Bewegung, so lässt auch der Tremor nach und kann nicht mehr palpiert werden [26a]. Der Entrainment-Test macht sich das Phänomen der rhythmischen Anpassung des Tremors an einen mit der kontralateralen Gliedmaße mitgeklopften Takt zunutze. Seine diagnostische Bedeutung wurde in der Studie von Auley et al. bestätigt, die zu einer 100%-Übereinstimmung zwischen bestehender klinischer Diagnose und Testergebnis kam [96]. Kumru et al. [82] untersuchten, ob eine Unterscheidung von psychogenem und essentiellem oder parkinsonschem Tremor über das Konzept der „Dual Task Interference“ möglich ist. Patienten mit psychogenem Tremor zeigten eine signifikante Verzögerung der Reaktionszeit mit der nicht zitternden Hand, wenn der Tremor in der kontralateralen Hand präsent war. Führten 99 die Patienten den Reaktionstest aus, wenn der psychogene Tremor nicht präsent war, so war ihre Reaktionszeit nicht verkürzt. Die Ergebnisse unterstützen die These, dass die repetitiven Bewegungen von Patienten mit psychogenem Tremor einen willkürlichen Charakter haben, jedoch müssen Sensitivität und Spezifität dieses Tests noch verifiziert werden. Ein weiterer Nachteil ist, dass mit dieser Methode ein persistierender Tremor nicht untersucht werden kann, da keine vergleichende Messung zwischen „tremorfreier Reaktionszeit“ und „Reaktionszeit bei präsentem Tremor“ durchgeführt werden kann. Eine quantitative Tremoranalyse mittels EMG ergab bei Deuschl et al. [30] eine Amplitudensteigerung bei 11 Patienten unter zusätzlicher Gewichtsbelastung des Arms, während es bei Formen des organischen Tremors zu einer Abnahme derselben kam. Die Autoren erklären dieses Phänomen mit der gesteigerten Koaktivierung, um die Oszillationen aufrechtzuerhalten. Der entwickelte Algorithmus zur Diagnose des psychogenen Tremors anhand computerbasierter Daten von Piboolnurak et al. [115] ist ebenfalls ein aufgrund seiner statistischen Vorgehensweise interessanter Ansatz, von dem abzuwarten bleibt, ob er sich im klinischen Alltag durchsetzen kann. Zusammenfassung: Schlussfolgernd kann man feststellen, dass die Fortschritte im Bereich der elektrophysiologischen Diagnostik dazu beigetragen haben, einen positiven Nachweis für einen Tremor psychogener Ursache zu erleichtern. Klinische Fertigkeiten und apparative Diagnostik müssen kombiniert eingesetzt werden, um nach Möglichkeit eine positive Diagnose zu stellen bzw. alle denkbaren zugrunde liegenden organischen Erkrankungen konsequent auszuschließen. Im Anschluss sollte eine psychosomatische bzw. psychologische und psychiatrische Diagnostik mit dem Ziel einer weiteren Differenzierung der möglichen psychogenen Störung erfolgen. 5.4.2 Psychogene Dystonie Dystonie ist eine mit überschießender Tonuserhöhung der Muskulatur einhergehende willkürliche und unwillkürliche Bewegung mit teilweise bizarrer Gliedmaßenstellung. Dystonie wurde viele Jahre lang fälschlicherweise als psychogene Krankheit eingestuft, was zu einer inadäquaten Behandlung vieler Patienten führte [43]. Mehrere Studien belegen diese Tatsache und zeigen auf, dass 25 bis 52% der Patienten, bei denen ursprünglich psychogene Dystonie diag100 nostiziert wurde, an idiopathischer Dystonie litten [144]. Als Ergebnis dieser häufigen Fehldiagnosen ist es unter Neurologen und Psychiatern zu einer Abneigung gegenüber dieser Diagnose gekommen, die dazu führt, dass psychogene Dystonie heutzutage wahrscheinlich zu selten diagnostiziert wird [128]. Fahn u. Williams konnten aus einer Stichprobe von 1186 Patienten 2,6% mit dokumentierter und klinisch etablierter psychogener Dystonie ausmachen [44], ein Richtwert, der in Anbetracht der Prävalenz von psychogenen Bewegungsstörungen unter neurologischen Patienten realistisch erscheint und auch dem einer weiteren Studie entspricht, in der der Anteil psychogener Dystonie bei 2,2% lag [47]. Ist die Gesamtprävalenz der Krankheit auch viel geringer als vormals angenommen, macht sie doch einen großen Anteil unter den psychogenen Bewegungsstörungen aus. So wird sie in einem statistischen Vergleich von acht Fachkliniken für Bewegungsstörungen mit einer Gesamthäufigkeit von 31% unter den psychogenen Bewegungsstörungen angegeben [84]. In Studien von Lang [85] und Fahn u. Williams [43] werden eine Reihe von Patienten mit psychogener Dystonie beschrieben, die die klinischen Charakteristika verdeutlichen. Die Symptomatik begann meist plötzlich und in Ruhe. Die Beine waren im Gegensatz zur idiopathischen Dystonie häufiger betroffen, wobei bei 8 von 21 Patienten der rechte Fuß als Ausgangsstelle der Symptomatik auszumachen war. Bei den meisten Patienten erfolgte eine Ausbreitung auf andere Körperregionen wie Kopf, Nacken und obere Extremität [43]. Die Autoren der Studie formulierten eine Reihe von Kriterien, die für die Psychogenität einer dystonischen Symptomatik sprechen, darunter Inkonsistenz der Symptome, Pseudoschwäche („false weakness“), plötzliche Schwäche, exzessive Verlangsamung der Bewegung, multiple Somatisierungen, Widerstand gegen passive Bewegungen und Schmerz (siehe hierzu auch Tab. 5.1, S. 94). Diese Charakteristika sind jedoch nicht spezifisch für die Unterscheidung von psychogener Dystonie und idiopathischer Dystonie, da bei idiopathischer Dystonie die Bewegungen ebenfalls oft bizarr sind und inkonsistent erscheinen können. Die Symptome sind manchmal in Ruhe unauffällig oder zeigen bzw. verschlimmern sich nur bei spezifischen Handlungen, obwohl die gleichen Muskelgruppen verwendet werden (z.B. vorwärtslaufen und rückwärtslaufen, eine Gabel oder ein Messer benutzen) [128]. Wichtigste Positivkriterien sind vor allem der plötzliche Beginn, die rasche Ausbreitung in andere Körperregionen sowie Fluktuationen zwischen Verschlimmerung und Besserung der Symptomatik, die bei organischer Dystonie selten sind. Weitere Indikatoren für einen psychogenen Ursprung sind begleitende psychische Erkrankungen. 101 So konnten Ibrahim et al. [65] bei 41% der Patienten mit psychogener oder CRPS-Dystonie („complex regional pain syndrom“-Dystonie) eine Angststörung und bei 18% eine begleitende Depression diagnostizieren. 19% der Patienten zeigten im Fragebogen-Screening ebenfalls Anzeichen für eine somatoforme/dissoziative Störung. Da die verwendeten Fragebogen aber reine Screening-Instrumente waren und kein persönliches Interview durchgeführt wurde, kann die Prävalenz dieser Erkrankungen hier nicht belegt werden. Andere Faktoren wie vorangehende Episoden einer psychischen Erkrankung, Verhaltensstörungen, Selbstverletzung oder traumatische Erlebnisse können die Diagnose einer psychogenen Dystonie zwar stützen, es muss aber berücksichtigt werden, dass keiner dieser Faktoren spezifisch für die psychogene Dystonie ist und ebenso zufällig mit der Erkrankung an einer organischen Dystonie zusammenfallen könnte. Eine weitere kontrovers diskutierte Frage ist, ob und inwiefern periphere Traumata und psychogene Dystonien in Verbindung miteinander stehen. Auch wenn posttraumatische und peripher induzierte Haltungsstörungen dokumentiert und akzeptiert sind, entwickelten manche Patienten Charakteristika psychogener Bewegungsstörungen [128]. Bhatia et al. [13] prägten dafür in ihrer Studie den Begriff „Causalgia dystonia“. Sie beschrieben 18 vorwiegend weibliche Patienten in jungem Alter (durchschnittlich 28,5 Jahre), die unter häufigen oberflächlichen peripheren Verletzungen (z.B. arbeitsbedingte Schnittverletzungen) litten. Sie entwickelten einen bleibenden Spasmus, der mit Charakteristika wie frühem und schnellem Beginn, starkem Schmerz sowie vasomotorischen, sudomotorischen und trophischen Veränderungen einherging. Die Dystonie begann vorwiegend an Fuß und Hand und trat simultan mit Schmerz und Muskelkrämpfen auf. Diese Studie zeigt erneut die Schwierigkeit der diagnostischen Klassifizierung und Einordnung dystonischer Symptome. Zusammenfassung: In Abwesenheit von diagnostischen Testverfahren, sowohl für psychogene als auch für idiopathische Formen der Dystonie, basiert die Diagnosestellung auf klinischen Kriterien, deren Anwendung oftmals Schwierigkeiten bereitet, da sie für keine der beiden Formen obligat sind. Die hohe Anzahl der in der Vergangenheit fehldiagnostizierten Patienten mit idiopathischer Dystonie trägt zusätzlich zur Verunsicherung beim Untersucher bei. Die unzureichende Studienlage fordert weitere Untersuchungen zu einer objektivierbaren Entscheidungsfindung. 102 5.4.3 Psychogener Myoklonus Myoklonus ist als eine plötzliche, kurze, schockartige und unwillkürliche Bewegung definiert, die durch Muskelkontraktionen (positiver Myoklonus) oder Inhibition aufsteigender Fasern des Zentralnervensystems entsteht (negativer Myoklonus) [103]. Myoklonien können einen oder mehrere Muskeln betreffen, symmetrisch oder asymmetrisch verteilt sein und rhythmisch oder irregulär auftreten. Es lassen sich Ruhe- und Aktionsmyoklonien unterscheiden. Die Ursachen für einen Myoklonus sind vielfältig, er kann z.B. durch Epilepsien, Meningitis, Intoxikationen oder degenerative Erkrankungen entstehen. Monday u. Jankovic [103] etablierten den Begriff des psychogenen Myoklonus in der Literatur, als sie 212 Patienten mit diagnostiziertem Myoklonus auf Psychogenität der Erkrankung untersuchten und bei 18 Patienten einen psychogenen Myoklonus diagnostizierten. Die diagnostischen Positivkriterien waren Inkonsistenz in Amplitude, Frequenz und Lokalisation, assoziierte psychische Erkrankung, Abnahme der Symptomatik bei Ablenkung, Verschlechterung oder Besserung der Symptomatik bei Einsatz von Placebo oder Suggestion, Perioden spontaner Remission, akuter Beginn und plötzliches Ende. Sie sind ähnlich denen, die Koller et al. [78] in ihrer Studie zu psychogenem Tremor verwenden. Da eine ausschließlich klinische Diagnose jedoch sehr schwer zu stellen ist, sollte eine EMG-Untersuchung in den diagnostischen Prozess mit einbezogen werden. Vergleichende EMG-Studien an Patienten mit stimulussensitiven Zuckungen und solchen mit Hyperekplexie („pathologic startle syndroms“) zeigten, dass Erstgenannte eine lange Latenz und Variabilität in Bezug auf Beginn der Zuckung nach Stimulation haben. Die stimulusinduzierten Zuckungen zeigten auch eine schnellere Gewöhnung bei wiederholtem Setzen des Stimulusreizes [148]. Zuckungen, die im EMG eine mittlere Dauer von < 70 ms zeigen, sind erfahrungsgemäß organisch, vor allem wenn eine Kokontraktion von agonistischen und antagonistischen Muskelpaaren stattfindet; Zuckungen mit längeren EMG-Signalen sind eher psychogen [144]. Ein weiterer Indikator für die Psychogenität eines Myoklonus ist die An- bzw. Abwesenheit eines Bereitschaftspotenzials. Die Studie von Terada et al. [143] zeigte ein den myoklonischen Zuckungen vorausgehendes Bereitschaftspotenzial im EEG bei Patienten mit klinisch diagnostiziertem psychogenem Myoklonus. Diese Untersuchung unterstützt die These, dass die psychogenen myoklonischen Zuckungen der Willkürmotorik der Patienten zuzurechnen sind. Bei der Beurteilung des diagnostischen Nutzens der Bestimmung des Bereitschaftspotenzials ist 103 jedoch zu berücksichtigen, dass diese Methode nicht angewandt werden kann, wenn die Zuckungen zu schwach sind, um vom Oberflächen-EEG aufgenommen zu werden, oder zu häufig erfolgen (öfter als alle 2 Sekunden). Zusammenfassung: Mittels elektrophysiologischer Methoden ist es gelungen, einige diagnostische Merkmale für einen Myoklonus psychogener Ursache zu ermitteln. Allerdings muss kritisch angemerkt werden, dass diese Indikatoren auf einer sehr kleinen Anzahl von Studien beruhen und es weiterer Untersuchungen bedarf, um die Ergebnisse zu verifizieren. 5.4.4 Psychogene Gangstörungen Psychogene Gangstörungen machen etwa 10% der psychogenen Bewegungsstörungen aus und sind eines der am frühesten beschriebenen Symptome in der medizinischen Auseinandersetzung mit diesen. Bereits 1860 beschrieb Jaquod (1830–1913) Patienten mit einer paradoxen Unfähigkeit, die Beine zu benutzen, außer wenn sie standen oder liefen, mit dem Begriff der „Ataxie“ [76]. Paul Oscar Blocq (1860–1896) verwandte 1888 dafür den Begriff der „hysterischen Gangstörung“ und beschrieb Methoden zur diagnostischen Sicherung einer möglichen Psychogenität [109]. Charcot beobachtete, dass sich in vielen Fällen „die Symptome kurz nach einem Gefühlsausbruch oder Trauma entwickeln“ [111]. 1891 führte schließlich Knapp den Begriff „astasia-abasia“ ein, der aus dem Griechischen kommt und mit „Unfähigkeit, zu gehen und zu stehen“ übersetzbar ist [76]. In neuerer Zeit wurden eine Reihe von Charakteristika formuliert, die auf eine Psychogenität der Gangstörung hinweisen: kontinuierliche Langsamkeit des Ganges, dystonischer Gang (inklusive Retropulsion), bizarre Gangformen, Astasie-Abasie-Syndrom, konvulsives Zittern mit Abknicken des Knies, Seiltänzergang, Scherengang, ataxischer Gang und Watschelgang [7]. Lempert et al. [89] konnten exzessive Verlangsamung bei 35% und einen positiven „psychogenen“ Romberg-Test (zunehmendes Schwanken nach vorausgehender, unauffälliger Standphase oder Übergang in stabilen Stand nach anfänglichem Schwanken durch Ablenkung) in 32% der Fälle feststellen. Baik et al. [7] unterschieden bei den Patienten ihrer Studie zwischen solchen mit ausschließlich psychogenen Gangstörungen (5,1%) und jenen, die neben den Gangstörungen noch andere psychogene Bewegungsstörungen aufwiesen. Die klinischen Charakteristika der Gangstörungen variierten dabei, je nachdem, ob die Gangstörung isoliert oder kombiniert mit anderen psychogenen Bewegungsstörungen vorlag. So war exzessive Verlang104 samung des Ganges (18,6%) das häufigste Symptom bei der kombinierten Form und Abknicken der Knie (31,3%) bei der isolierten Form. Weitere typische Charakteristika waren plötzlicher Beginn und Inkonsistenz der Symptomatik, multiple Symptome und eine vorangegangene Verletzung (hier durch einen Autounfall und einen chirurgischen Eingriff). Die in dieser Studie vorgenommene Unterteilung der Patienten in Subpopulationen („isolierte“ oder „kombinierte“ Gangstörung) ist ein neuer Ansatz und die unterschiedlichen Phänomene der Subgruppen ein interessantes Ergebnis. Weitere Studien sollten Aufschluss darüber geben, ob die klinischen Unterschiede zwischen alleinigen und kombinierten psychogenen Gangstörungen auch auf pathophysiologischen Unterschieden beruhen bzw. ob sich hieraus neue diagnostische oder therapeutische Möglichkeiten ergeben. Auch die Koexistenz anderer neurologischer Erkrankungen ist ein diagnostisches Signal für eine psychogene Bewegungsstörung. Studien zeigten, dass die meisten Patienten andere Symptome aufweisen, darunter vor allem neuroophthalmologische Symptome, Schwäche und sensorische Ausfallerscheinungen. So berichteten Kean et al. [73] bei 26 von 60 Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen von ophthalmologischen Befunden, darunter Gesichtsfeldausfälle, verminderte Sehschärfe und eingeschränkte Beweglichkeit der Augen. Bei der Bewertung dieser Ergebnisse sollte man jedoch nicht außer Acht lassen, dass ihre Gültigkeit durch den Umstand verzerrt wird, dass die Studie in einer neurologischen Klinik mit Schwerpunkt auf ophthalmologischen Erkrankungen durchgeführt wurde. Zusammenfassung: Insgesamt lässt sich feststellen, dass psychogene Störungen des Ganges durch ein relativ eindeutiges Erscheinungsbild und eine Anzahl von leicht erkennbaren Charakteristika von einem erfahrenen Untersucher sicherer diagnostiziert werden können als andere psychogene Bewegungsstörungen. Die phänomenologische Diagnostik sollte jedoch stets mit psychologischer Diagnostik kombiniert werden, um mögliche emotionale Konflikte oder psychische Co-Erkrankungen zu identifizieren. 5.4.5 Psychogener Parkinsonismus Die Parkinson-Erkrankung (Syn.: Parkinsonismus) beschreibt einen Symptomkomplex, der aus einer Kombination von a) Ruhetremor, b) Rigidität, c) Bradykinesie und d) posturaler Instabilität besteht. Zur Diagnose eines Parkinsonismus müssen mindestens zwei dieser so genannten Kardinalsymptome vorhanden sein [77]. Unterschieden wird zwischen primärem, idiopathi105 schem Parkinsonismus und sekundärem Parkinsonismus, der vielerlei Ursachen wie Infektionen (z.B. Enzephalitis), Traumata, Intoxikationen (z.B. Zyanid) oder Medikamente (z.B. Lithium) haben kann. Viele neurodegenerative Erkrankungen (z.B. Multisystematrophie, Morbus Alzheimer) zeigen ebenfalls parkinsonsche Charakteristika. Unter den psychogenen Bewegungsstörungen ist der psychogene Parkinsonismus mit 2 bis 6% eine eher seltene Störung. In Prävalenzstudien macht sein Anteil unter allen sonstigen Parkinsonformen lediglich 0,17 bis 0,5% aus [105]. Die erste Studie zu psychogenem Parkinsonismus wurde 1995 von Lang et al. [86] veröffentlicht. Sie umfasste 14 Patienten und formulierte klinische Charakteristika sowie differenzialdiagnostische Aspekte des psychogenen Parkinsonismus. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass im Unterschied zu anderen psychogenen Bewegungsstörungen beim psychogenen Parkinsonismus eine gleichmäßige Geschlechterverteilung vorliegt. So waren Männer und Frauen sowohl bei Lang et al. [86] als auch bei Factor et al. [40] jeweils zur Hälfte betroffen. Zu diskutieren sind hier die geringen Fallzahlen, bei größeren Stichproben wäre eine Abweichung in die eine oder andere Richtung möglich. Die Altersspannweite der in den vorliegenden Studien dokumentierten Fälle lag zwischen 21 und 63 Jahren, wobei die Dauer der Symptome vor Diagnosestellung von 4 Monaten bis zu 13 Jahren breit gestreut war. Klinisch präsentiert sich der psychogene Parkinsonismus, wie andere psychogene Bewegungsstörungen auch, mit einem plötzlichen Beginn, wobei der Grad der maximalen Einschränkung des Patienten frühzeitig erreicht und die dominante Hemisphäre stärker betroffen ist. Während der Tremor beim organischen Parkinsonismus klassischerweise ein Ruhetremor von 4 bis 6 Hz mit konstanter Frequenz ist, der gewöhnlich abnimmt, wenn der Patient seine Körperhaltung verändert, sind für den psychogenen Parkinsonismus Schwankungen in Amplitude und Frequenz typisch [105]. Der Tremor nimmt bei kognitiver Beanspruchung und Ablenkung ab, während er bei Fokussierung auf den Tremor zunimmt. Die Rigidität hat einen willkürlichen Charakter, vermindert sich mit Ablenkung oder synkinetischen Bewegungen der kontralateralen Extremität und weist nicht das so genannte „Zahnradphänomen“ (ruckartiges Nachgeben einer passiv bewegten Gliedmaße) auf, was einen weiteren, differenzialdiagnostisch wichtigen Aspekt darstellt, da sich die Symptomatik beim organischen Parkinsonismus zumeist gegenteilig verhält [40]. Die Patienten zeigen oft einen steifen Gang mit einer ungewöhnlichen Positionierung des betroffenen Arms. Beim Überprüfen der posturalen Instabilität zeigt sich schon bei minimalem Druck oder Zug durch den Untersucher am stehenden Patienten eine extreme 106 Reaktion, die sich in Schleudern der Arme und Rückwärtslaufen äußern kann, wobei der Patient aber nicht fällt. Die Tatsache, dass 1 Patient auf eine psychotherapeutische Therapie in Kombination mit Haloperidol ansprach, im PET aber eine verminderte striatale Aufnahme von Fluordopa zeigte, ist insoweit bemerkenswert, da dies deutlich macht, dass psychogener Parkinsonismus mit organischem Parkinsonismus koexistieren kann [86]. Dies bestätigte sich auch in der Studie von Benaderette et al. [11], die durch die Kombination von klinischer, elektrophysiologischer und SPECT-Untersuchung bei 3 Patienten eine Kombination aus idiopathischem Parkinsonismus und psychogenem Parkinsonismus diagnostizieren konnte. Zur weiteren Erforschung dieser Koexistenz bedarf es jedoch Studien mit größerer Fallzahl. Zusammenfassung: Der psychogene Parkinsonismus unterscheidet sich in einigen Charakteristika deutlich vom idiopathischen Parkinsonismus. Trotzdem sollte auf eine bildgebende und elektrophysiologische Untersuchung großen Wert gelegt werden, da sie die Genauigkeit der Diagnose erhöht und eine mögliche Koexistenz der beiden Parkinsonformen nachweisen kann [12, 74]. 5.4.6 Psychogene Bewegungsstörungen im Kindes- und Jugendalter Psychogene Bewegungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen sind unter den psychogenen Bewegungsstörungen das am wenigsten erforschte Gebiet. Zwar berichten viele Studien und Fallberichte von Fällen psychogener Bewegungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen [1, 62, 90, 95], eine differenzierte Auseinandersetzung mit den klinischen Charakteristika, psychischen Co-Erkrankungen und möglichen Unterschieden zu dem Krankheitsbild bei Erwachsenen hat aber erst in den letzten Jahren begonnen. So lassen sich auch kaum gesicherte Aussagen zur Prävalenz der psychogenen Bewegungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen treffen; Ferrara et al. beziffern ihren Anteil mit 3,1% unter allen Kindern in ihrer Klinik für Bewegungsstörungen (Parkinson’s Disease Center and Movement Disorders Clinic, Houston, Texas) [46]. Bezieht man sich auf die vier in Abschnitt 4.3.11 (S. 66) aufgeführten Studien [1, 45, 46, 131] aus den Jahren 2005–2008, so wird deutlich, dass ebenso wie bei erwachsenen Patienten eine weibliche Prädominanz vorliegt. Lediglich bei Ahmed et al. [1] waren 7 der insgesamt 11 Patienten männlichen Geschlechts. 107 Generell lässt sich feststellen, dass das mittlere Alter bei Symptombeginn zwischen 12,3 und 14,2 Jahren liegt und ein Beginn der Symptomatik vor dem 10. Lebensjahr ungewöhnlich ist. Der bislang jüngste Patient, bei dem psychogene Bewegungsstörungen festgestellt werden konnten, findet sich bei Ahmed et al. [1] mit 3 Jahren und 6 Monaten. Typisch sind bei Kindern und Jugendlichen multiple psychogene Bewegungsstörungen, wobei, je nachdem welche der Studien berücksichtigt wird, Tremor [1] oder Dystonie [131] dominieren. Dies entspricht dem klinischen Erscheinungsbild, wie es auch von erwachsenen Patienten bekannt ist. Die Symptomatik setzt plötzlich und anfallartig ein, wobei in den meisten Fällen ein im direkten Zusammenhang stehender Auslöser auszumachen ist. Ferrara et al. [46] konnten bei 37 (69%) der 54 Kinder einen solchen finden, wobei kleinere Verletzungen oder Unfälle bei 17 (35%) am häufigsten waren. Dies entspricht auch den Ergebnissen von Schwingenschuh et al. [131], die in ihrer Studie bei 40% der Kinder mit Bewegungsstörungen eine leichte Verletzung (z.B. Sturz beim Eislaufen) als auslösendes Ereignis feststellen konnten. Als zugrunde liegende bzw. begleitende psychische Erkrankung sind sowohl Depression als auch Angststörungen die vorherrschenden Krankheitsbilder; sie liegen bei mehr als der Hälfte der Patienten vor. Betrachtet man die in den Studien beschriebenen epidemiologischen und klinischen Charakteristika, so lässt sich feststellen, dass sie denen der psychogenen Bewegungsstörungen bei Erwachsenen ähneln, jedoch gibt es auch Unterschiede, deren Herkunft noch nicht ausreichend erforscht und verstanden wurde. So manifestieren sich die Symptome bei Kindern häufiger in der dominanten Körperhälfte, während bei Erwachsenen eher die nichtdominante Körperhälfte charakteristisch zu sein scheint [117a]. Ein möglicher Erklärungsansatz ist die unvollständige Lateralisierung der Gehirnhälften im Kindesalter [120a]. In Bezug auf organische Co-Erkrankungen lässt sich feststellen, dass sie unter Kindern und Jugendlichen mit psychogenen Bewegungsstörungen ebenfalls verbreitet sind, koexistierende neurologische Bewegungsstörungen sind jedoch selten [131]. Zusammenfassung: Psychogene Bewegungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen sind ein wenig erforschtes Phänomen, obwohl die Prävalenz der bei Erwachsenen gleicht. Klinisches Erscheinungsbild und begleitende psychische Erkrankungen ähneln sich in einigen Punkten, unterscheiden sich aber auch in einigen. In Anbetracht des generellen Zusammenhangs einer möglichst raschen Diagnosestellung mit einer günstigen Prognose (siehe hierzu auch Abschnitt 5.6) sind gerade weitere Studien bei Kindern und Jugendlichen unbedingt erforderlich. 108 5.5 Therapie 5.5.1 Interaktion zwischen Arzt und Patient Die Förderung des Krankheitsverständnisses des Patienten ist von großer Wichtigkeit, da dieses maßgeblich seine Compliance und damit letztendlich auch den Behandlungserfolg bedingt. Aus diesem Grund kommt schon der adäquaten Mitteilung der Diagnose eine Schlüsselrolle im Behandlungsprozess zu. Nach Marjam et al. [95] beginnt dieser mit der Sensibilisierung des Patienten für mögliche zugrunde liegende psychische Faktoren und sollte durch einen Psychologen, Psychosomatiker oder Psychiater erfolgen. Hierbei ist darauf zu achten, dass behutsam und abwartend vorgegangen wird. Die unmittelbare Konfrontation des Patienten mit der „Vermutung“, dass seine Beschwerden Ausdruck von unbewussten Konflikten, Impulsen und Gefühlen bzw. unverarbeiteten Erlebnissen sind, kann eine Abwehrhaltung des Patienten erzeugen bzw. verstärken und gegebenenfalls das Vertrauensverhältnis zum behandelnden Arzt zerstören [53]. Als Gründe hierfür können z.B. die Angst des Patienten vor einer möglichen gesellschaftlichen Stigmatisierung („verrückt“, „geisteskrank“) oder vermeintlichen Bagatellisierung seiner Probleme angeführt werden. Stattdessen soll dem Patienten nach Ford et al. eine neurobiologische Erklärung für seine Symptome unterbreitet werden, um Vertrauen zum Arzt sowie Akzeptanz und Verständnis bezüglich der Diagnose zu schaffen und so Compliance und Heilungsprozess zu fördern [50]. Dazu formulieren Williams et al. in ihrer Studie [159] das Konzept des „Diagnostic Debriefing“ zur Förderung des Verständnisses der psychogenen Ursachen der Erkrankung. Dem Patienten soll bei einem ersten Treffen, idealerweise in Gegenwart des Psychosomatikers und des Neurologen, eine spezifische, symptombasierte Diagnose (z.B. Dystonie, Tremor, Myoklonus) mitgeteilt werden. Hierbei ist es wichtig, dass beide, Psychiater und Neurologe, den unbekannten Ursprung der Symptome, nicht aber ihre Psychogenität betonen. Die Interaktion zwischen Körper und Geist bzw. psychischem Wohlergehen und Gesundheit sollte im Gespräch jedoch ebenso hervorgehoben werden wie der Verweis auf ein deutlich besseres Behandlungsergebnis psychogener Bewegungsstörungen im Vergleich zu Bewegungsstörungen organischer Ursache. Um das Vertrauen des Patienten in den Behandlungsplan zu erlangen, sind Konsens und Kommunikation bezüglich Diagnose und 109 therapeutischem Vorgehen zwischen Psychosomatiker und Neurologe von großer Wichtigkeit. Die Mitteilung der neurologischen Diagnose an den behandelnden Psychosomatiker oder Psychologen verhindert die Fehlinterpretation von Bewegungsstörungen und Zweifel an der Richtigkeit der Diagnose [67]. 5.5.2 Psychopharmakotherapie Es gibt viele verschiedene Fallberichte, die sich mit der medikamentösen Behandlung psychogener Bewegungsstörungen befassen, klinische Studien sind jedoch rar. Voon et al. [154] konnten in ihrer 15 Patienten umfassenden „open-label“-Studie (sowohl Proband als auch Organisator der Studie kennen den verabreichten Wirkstoff) einen Behandlungserfolg mit Antidepressiva (z.B. Citalopram oder Paroxetin bzw. Venlaxafin) nachweisen. Bei 7 von 10 Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen, bei denen eine Konversionsstörung nach DSM-IV [2] diagnostiziert worden war, konnte eine vollständige Remission erzielt werden, während keiner der 5 Patienten mit einer Somatisierungsstörung auf die Medikation ansprach. Die kleine Fallzahl und das „open-label“-Design mindern die Aussagekraft der Ergebnisse jedoch erheblich; so könnte die Besserung der Symptomatik z.B. auf den Umstand zurückgeführt werden, dass alleine die erfahrene medizinische Aufmerksamkeit und Zuwendung den Patienten im Heilungsprozess helfen. Auch fehlen Langzeit-Follow-up-Daten, die die Stabilität der Remission dokumentieren. Es existieren keine weiteren Studien zur Effektivität medikamentöser Behandlung psychogener Bewegungsstörungen, aber verschiedene klinische Studien dokumentieren den Nutzen bei anderen somatoformen Störungen oder Konversionsstörungen. So untersuchten z.B. Menza et al. [100] die Wirksamkeit von Nefazodon bei Patienten mit Somatisierungsstörungen, mit oder ohne koexistierende Depression, und konnten eine Verbesserung bezüglich „Clinical Global Impression and Functioning“ (Skala zur allgemeinen und diagnoseübergreifenden Bestimmung des aktuellen Schweregrads und der Veränderung einer psychischen Erkrankung) bei 73% der Patienten nachweisen. Trotz erwiesener Erfolge bleibt jedoch festzuhalten, dass „Antidepressiva weder direkt die molekularen Entstehungsmechanismen der Symptome beeinflussen noch das ‚Bedürfnis, krank zu sein‘, das häufig mit der Somatisierung einhergeht, behandeln“ [64] (Ü.d.V.). 110 5.5.3 Multimodale Ansätze Vor diesem Hintergrund ist der kombinierte Ansatz von psychodynamischer Psychotherapie und antidepressiver medikamentöser Therapie von Hinson et al. [64] zu beachten. Mit dieser Kombinationstherapie konnte bei allen behandelten Patienten, die sich mit multiplen Bewegungsstörungen vorgestellt hatten und bei denen eine Konversionsstörung diagnostiziert worden war, ein Behandlungserfolg nachgewiesen werden. Dies galt nicht nur für die Bewegungsstörungen, sondern auch für die verschiedenen psychischen Co-Erkrankungen (Depression, Angststörung, Persönlichkeitsstörung, posttraumatische Belastungsstörung). Auch die zwei randomisierten kontrollierten klinischen Studien von Moene et al. [101, 102], die sich mit dem alleinigen bzw. additiven Behandlungseffekt von Hypnose beschäftigen, sind von Wichtigkeit, da die Ergebnisse einen deutlichen Heilungserfolg durch Hypnose bei Monotherapie zeigen. Der ausbleibende additive Effekt [101] von Hypnose bei Patienten, die bereits stationär eine multidisziplinäre Behandlung erhielten, wirft jedoch wiederum die Frage auf, inwieweit nicht die medizinische Zuwendung und Umsorgung des Patienten alleine bereits zu einer Verbesserung der Symptomatik führt. Auch eine Kombination von verschiedenen Therapieformen, wie Psychopharmaka, Psychotherapie, Biofeedback und Hypnose, führte lediglich bei 57,4% der Patienten zu einer nachweislichen Besserung [146]. In den Fachveröffentlichungen kontrovers diskutiert wird der Einsatz von Placebomedikation zur Diagnostik und Therapie von psychogenen Bewegungsstörungen. Die Debatte wird sowohl unter ethischen als auch medizinischen Aspekten geführt. Viele behandelnde Ärzte sehen in der Anwendung von Placebo ein „Hintergehen“ des Patienten und eine Abkehr vom Vertrauensverhältnis Arzt–Patient. Der medizinische Nutzen ist zudem umstritten. In Studien zu psychogenen nichtepileptischen Anfällen [13a] konnte Placebo diagnostisch effektiv eingesetzt werden, während eine Metaanalyse von Studien mit Placebobehandlung signifikant nachweisen konnte, dass Placebogabe vom Erfolg her mit einer Nichtbehandlung gleichzusetzen ist [32]. Die gegenwärtige Meinung der PMD-Experten zur Verwendung von Placebo zielt auf den Einsatz bei unklarer Diagnose [67]. Hier kann Placebo helfen, die Bewegungsstörung besser zu charakterisieren und beispielsweise durch die Auslösung derselben durch eine Placebogabe ihr volles Ausmaß zu verstehen. Auch kann es unter Umständen dazu beitragen, dem Patien111 ten eine bessere Einsicht in die Psychogenität seiner Erkrankung zu ermöglichen und somit letztendlich den Heilungsprozess zu fördern. 5.5.4 Zusammenfassung Aufgrund der geringen Anzahl und der überwiegend mangelhaften Qualität klinischer Studien sowie des heterogenen Erscheinungsbildes der psychogenen Bewegungsstörungen gibt es derzeit kein standardisiertes, evidenzbasiertes Behandlungskonzept für betroffene Patienten. In den letzten Jahren wurden viele verschiedene therapeutische Ansätze wie Psychotherapie, medikamentöse Therapie mit Antidepressiva, kognitive Verhaltenstherapie, Hypnose und Akupunktur mit unterschiedlichem Erfolg eingesetzt, der Mangel an kontrollierten, randomisierten Interventionsstudien lässt jedoch keine objektivierbaren Erkenntnisse zu. Konsens unter den behandelnden Experten für psychogene Bewegungsstörungen herrscht lediglich in Bezug auf die Notwendigkeit eines multimodalen, interdisziplinären und auf die individuellen Symptome des Patienten abgestimmten Therapiekonzepts, das die oben genannten Behandlungsmethoden (Psychotherapie, medikamentöse Therapie etc.) mit einbezieht [3, 67, 95]. Die Daten zum Outcome [44, 65, 69, 145, 159] von Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen machen deutlich, dass die Therapie jedoch in jedem Fall schnellstmöglich erfolgen sollte, da der Grad der Remission erheblich von der Dauer der Symptomatik abhängt. Abschließend lässt sich sagen, dass der Forschungsstand bisher keine Entwicklung von Leitlinien zur Behandlung von psychogenen Bewegungsstörungen erlaubte, ein Zusammenschluss von PMD-Experten jedoch 2006 zu einer Veröffentlichung von Behandlungsstrategien führte, die auf den persönlichen klinischen Erfahrungen der Autoren beruhen [67]. Hiernach soll nach der Diagnose möglicher psychischer Erkrankungen durch einen Psychiater ein Behandlungsplan erstellt werden, der sowohl Psychotherapie (psychodynamische Therapie oder Verhaltenstherapie) als auch Stressmanagement (Yoga, Entspannungstechniken) enthält. Zusätzlich sollen Depressionen oder Angststörungen pharmakologisch behandelt werden und dem Patienten Physio- und Bewegungstherapie als Hilfe zur Wiedergewinnung motorischer Funktionen angeboten werden. Am Ende des Behandlungsprozesses soll der Patient zur Aufgabe der „Krankenrolle“ bewegt und schnellstmöglich wieder in das Alltagsleben eingegliedert werden. 112 5.6 Outcome und Prognose Die verschiedenen Studiendaten zum Outcome von psychogenen Bewegungsstörungen differieren einerseits bezüglich des Anteils an Patienten mit partieller oder vollständiger Remission, zeigen andererseits aber eine deutliche Übereinstimmung bezüglich der Faktoren, die mit einem positiven bzw. negativen Outcome assoziiert sind. Ersteres lässt sich vor allem durch die unterschiedlichen therapeutischen Interventionen erklären, die die Patienten während des Follow-ups erfuhren. Beachtet werden müssen aber auch andere verzerrende Faktoren, wie die Auswahl der Studienpatienten und der Anteil an Bewegungsstörungen, die im Vergleich zu anderen ein schlechteres Outcome zeigen (z.B. Dystonie vs. Tremor). Generell ist zu bemerken, dass die Drop-out-Quoten bei den Langzeit-Follow-up-Studien sehr hoch sind, und es stellt sich die Frage, ob Patienten, bei denen der Heilungsprozess unbefriedigend verläuft, nicht eher dazu neigen, die Behandlung abzubrechen bzw. die Follow-up-Untersuchungen nicht wahrzunehmen. Wenn ja, würde dies bedeuten, dass die Ergebnisse hinsichtlich eines positiven Outcomes in der Realität noch zurückhaltender zu bewerten sind als in den Studien. Williams et al. [159] konnten bei 52% der Patienten (n=131) eine permanente Verbesserung der Symptome feststellen, mit vollständiger Remission in 25%, deutlicher Verbesserung in 21% und leichter Verbesserung in 8% der Fälle. Der Anteil der Patienten, die ihre vorher ausgeübte Arbeit vollständig wieder aufnehmen konnten, lag bei 25%, während 10% zumindest halbtags und 15% von zu Hause aus einer Beschäftigung nachgehen konnten. Die Behandlungsansätze umfassten Psychotherapie bei allen Patienten, Pharmakotherapie mit Antidepressiva in 71% der Fälle, zusätzliche psychotherapeutische Interventionen wie Familientherapie (58%) der Fälle, Hypnose (42%) und Placebotherapie (13%). Die Ergebnisse von Feinstein et al. [44] sind dagegen wesentlich ernüchternder. Nach einem Langzeit-Follow-up von durchschnittlich 3,2 Jahren konnte lediglich bei 4 von 42 Patienten eine vollständige Remission der Symptome festgestellt werden. Jedoch ist hier ausdrücklich zu betonen, dass die Patienten größtenteils unter schweren psychischen Erkrankungen (Depression, Angststörungen, somatoforme Störungen) litten und kein multidisziplinärer Behandlungsansatz gewährleistet werden konnte. Zudem muss in Erwägung gezogen werden, dass die relativ kurze Follow-up-Periode evtl. nicht ausreichend war, um ein Outcome bei diesen komplexen Krankheitsbildern zu untersuchen. Thomas et al. [145] berichten in einer Längsschnitt-Follow-up-Studie bei 127 Patienten mit psychogenem Tremor über einen Zeitraum von 113 mindestens 3 Jahren von einer Besserung des Tremors bei 56,6% der Patienten, während 21,3% keine Veränderung und 22,1% eine Verschlechterung zeigten. Die Patienten führten die Verbesserung ihrer Symptome auf die vom Arzt verschriebene Medikation (31,9%), die Elimination von Stressoren (9,7%), spezielle Behandlungsverfahren (6,2%), Stressmanagement, Biofeedback (2,7%) und Psychotherapie (2,7%) zurück. Die aktuellste Studie zum Outcome des psychogenen Tremors von McKeon et al. [97] zeigt lediglich eine Verbesserung bei 36% der Patienten, bei 15% von ihnen erfolgte eine spontane Remission, und bei jeweils 6% konnte die Verbesserung auf stationäre psychologische Behandlung und Rehabilitation bzw. ambulante Psychotherapie zurückgeführt werden. Dieses deutlich schlechtere Outcome lässt sich jedoch vor allem dadurch erklären, dass als primäre Zielvariable zu seiner Bestimmung die Beeinträchtigung des Patienten im Alltag und nicht ein objektivierbarer Grad der Verbesserung (z.B. PMD-Skala) verwendet wurde. Als prognostisch signifikante Faktoren für ein positives Outcome konnten in mehreren Studien verschiedene Merkmale ausgemacht werden. Nach Thomas et al. [145] sind Dauer der Symptome, guter körperlicher Allgemeinzustand, positive soziale Selbstwahrnehmung, ein Gefühl von effektiver medizinischer Behandlung und Beseitigung von Stressoren die signifikanten Variablen für den Genesungsprozess. Vor allem der Zusammenhang zwischen Dauer der Erkrankung und Heilungschancen konnte in anderen Studien bestätigt werden und gilt als wichtigste Determinante für ein positives bzw. negatives Outcome [40, 44, 90, 97]. Lediglich Williams et al. [159] berichten in ihrer Studie, dass die Dauer der Symptome keinen Einfluss auf das Outcome hat. Als Prädiktoren für ein negatives Outcome konnten Feinstein et al. [44] lange andauernde Symptomatik, langsamen Beginn der Symptome und psychische CoErkrankungen bestimmen, Daten, die auch in anderen Studien [23] bestätigt werden konnten. Bezüglich der Einschränkung der Lebensqualität verglichen Anderson et al. [4] Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen mit Parkinson-Patienten. Sie ermittelten erhöhte Komorbidität, stärkere Einschränkungen in Bezug auf das geistig-seelische Wohlbefinden sowie Disstress, Angststörung, Depression und Somatisierungsstörungen in der Gruppe der psychogenen Bewegungsstörungen. Die Einschränkung im alltäglichen Leben war in beiden Gruppen ähnlich stark ausgeprägt, jedoch ist zu beachten, dass die Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen im Vergleich etwa 20 Jahre jünger waren und eine kürzere Dauer der Erkrankung zeigten (4 vs. 7 Jahre). Die Studie konnte zeigen, dass psychogene Bewegungsstörungen eine massive Einschränkung der Lebensqualität und des emotionalen Wohlbefindens 114 des Patienten bedeuten, die vergleichbar oder gar höher als die Einschränkung durch neurodegenerative Krankheiten zu bewerten ist. Zusammenfassung: Verlässliche Angaben zum generellen Outcome bzw. zu der Prognose von psychogenen Bewegungsstörungen sind schwer zu machen, zu unterschiedlich sind die verschiedenen Störungsbilder und zu inkongruent die einzelnen Studien, sowohl was ihre Durchführung als auch ihre Ergebnisse betrifft. Es wurden einige allgemeine Indikatoren, wie z.B. kurze Dauer der Symptome, für eine positive oder eine psychische Begleiterkrankung für eine negative Prognose ausgemacht, und die Studien zeigen, dass multimodale, interdisziplinäre Therapieansätze den größten Behandlungserfolg erzielen. Dennoch lässt sich abschließend konstatieren, dass die Studien von unbefriedigenden Prognosen bezüglich der vollständigen oder partiellen Remission der Symptome bei Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen zeugen und eine Erkrankung mit einer hohen Einschränkung der Lebensqualität des Patienten einhergeht. 115 6 Konklusion und Ausblick a. Zur Studienlage Eine differenzierte Betrachtung der Studien und Literatur zum Themenkomplex der psychogenen Bewegungsstörungen offenbart, dass – trotz langjähriger medizinischer Auseinandersetzung mit diesen – in essentiellen Punkten immer noch viele Unklarheiten und Unsicherheiten bestehen. Während Faktoren wie Prävalenz unter den neurologischen Erkrankungen, Dominanz des weiblichen Geschlechts, auslösende Faktoren oder der Anteil psychischer CoErkrankungen relativ zuverlässig bestimmt werden konnten, ist die Informationslage in Bezug auf pathophysiologische Mechanismen, sichere Diagnosestellung und evidenzbasierte Behandlungsmethoden unbefriedigend. Dies ist nicht zuletzt auf die geringe Anzahl qualitativ hochwertiger Studien zurückzuführen, was wiederum durch Faktoren verschiedenster Art zu erklären ist. Die Heterogenität der verschiedenen Störungsbilder in Bezug auf ihr klinisches Erscheinungsbild erschwert einen allgemeiner gefassten Untersuchungsansatz, d.h., dass jede Form der Bewegungsstörung für sich betrachtet und das Studiendesign dementsprechend angepasst werden muss. Die Rekrutierung der Studienpopulation ist zudem mit großen Schwierigkeiten verbunden, da die häufige Koexistenz von psychogenen und organischen Störungen zu einem verzerrenden Effekt der Untersuchungsergebnisse führen können und – in Abwesenheit einer GoldstandardDiagnose – die diagnostische Einstufung nach den Fahn/Williams-Kriterien [43] stets ein subjektives und damit nicht zuverlässiges Element beinhaltet. Da viele Formen von Bewegungsstörungen (idiopathische wie psychogene) keinerlei definierte elektrophysiologische, laboratorische oder bildgebende Besonderheiten aufweisen, wurden die in den Studien beschriebenen anamnestischen Merkmale für eine psychogene Störung meist auf der Basis der Präsenz dieser Symptome diagnostiziert, was zu dem Problem einer „self-fulfilling prophecy“ führt [84]. Die Komplexität und Vielzahl der psychischen Erkrankungen wie Depression, Angststörung und Persönlichkeitsstörungen bei vielen Patienten stellen den Untersucher vor eine weitere Herausforderung, da sie − vom ausschließlichen Grund der Bewegungsstörung bis hin zur Reaktion auf diese – jede mögliche Rolle in Genese und Prozess der Erkrankung einnehmen können. Zudem leiden die meisten Kohortenstudien mit großer Fallzahl qualitativ an der inadäquaten Attrition; so sind vor allem in vielen Studien zu Outcome und Prognose [44, 69, 145] 116 der psychogenen Bewegungsstörungen LFU-Quoten von über 30% zu verzeichnen, wodurch die Aussagekraft der Ergebnisse gemindert wird. b. Pathophysiologie und Diagnose Neben der oben beschriebenen Problematik zur Studienlage lassen sich bezüglich Pathophysiologie und Diagnose der psychogenen Bewegungsstörungen jedoch auch Fortschritte konstatieren. So haben Weiterentwicklung und Einsatz von elektrophysiologischen und bildgebenden Verfahren in den letzten Jahren zu einer Erforschung verschiedener klinischer Merkmale und diagnostischer Positivkriterien geführt, die – im Kontext einer gründlichen klinischen Anamnese und unter Berücksichtigung der Krankengeschichte des Patienten – die Diagnosestellung einer psychogenen Bewegungsstörung erleichtern. Viel versprechende Tests und Ansätze haben ihren Weg in die Forschung gefunden, bedürfen jedoch weiterer Studien mit größeren Fallzahlen, um ihre Zuverlässigkeit und Eignung für den klinischen Alltag zu validieren. Diesen Schluss lassen vor allem die Studien zu psychogenem Tremor und Parkinsonismus zu [11, 70, 96]. c. Therapie Bezüglich der Therapie der psychogenen Bewegungsstörungen lässt sich zusammenfassend sagen, dass die mit lediglich zwei kontrollierten, randomisierten klinischen Studien unzureichende Studienlage keinerlei gültige Aussagen über die tatsächliche Wirksamkeit verschiedener Therapieansätze zulässt, in der Fachliteratur zum Thema jedoch ein multimodaler Ansatz gefordert wird, der je nach Autor aus der Kombination von Psychotherapie, pharmakologischer Therapie, Physiotherapie, Hypnose und Biofeedback besteht. Soweit die Studiendaten eine Beurteilung zulassen, konnten mit der Kombination dieser Therapiemethoden die besten Erfolge erzielt werden. Großer Bedeutung im erfolgreichen Verlauf des Heilungsprozesses ist der Diagnoseübermittlung, einem guten Arzt-Patient-Verhältnis und der Förderung des Krankheitsverständnisses beim Patienten beizumessen, da eine Einsicht in die Psychogenität der Erkrankung das Vertrauen in den Behandlungsprozess, die Compliance des Patienten und damit die Chancen einer Genesung erhöhen. 117 Des Weiteren ist der Zeitpunkt der Diagnosestellung von großer Wichtigkeit, wie der in vielen Studien nachgewiesene Zusammenhang zwischen kurzer Dauer der Erkrankung und positivem Outcome zeigt. In Anbetracht der ungünstigen Prognosen bei psychogenen Bewegungsstörungen, denen zufolge die vollständige Remission der Symptome je nach Studie zwischen 10 [44] und ca. 25% [159] variiert, und der drastischen Einschränkung der Lebensqualität [4], die mit diesen Erkrankungen einhergeht, sind weitere prospektive Studien dringend notwendig, um die verschiedenen Therapiemethoden zu evaluieren und auf mittlere Sicht zu einem evidenzbasierten Behandlungskonzept zu kommen. d. Ausblick Abschließend lässt sich sagen, dass psychogene Bewegungsstörungen in den vergangenen 20 bis 25 Jahren stärker in den Fokus der medizinischen Wissenschaft gerückt sind und sich seit der Formulierung der Fahn/Williams-Kriterien [43] 1988 eine zunehmende Anzahl von Studien den verschiedenen Störungsbildern widmet. Während sich im Bereich der pathophysiologischen Forschung und apparativen Diagnostik Fortschritte zeigen, die Anlass zur Hoffnung geben, dass in naher Zukunft ein Wechsel von der Ausschluss- hin zur Positivdiagnostik stattfindet, sind die Erfolge bisheriger therapeutischer Konzepte zurückhaltend zu bewerten. Hier besteht ein dringender Bedarf an qualitativ hochwertigen klinischen Studien, um die prognostischen Aussichten für Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen zu verbessern und die mit der Erkrankung verbundene Einschränkung der Lebensqualität zu mindern. 118 7 Zusammenfassung Psychogene Bewegungsstörungen sind „hyper- oder hypokinetische Bewegungsstörungen, deren Ursachen nicht in einer Läsion oder Dysfunktion des nervösen Systems zu finden sind und die in den meisten Fällen psychologische oder psychiatrische Ursachen aufweisen“ [144]. Die häufigsten Störungsbilder sind Tremor, Dystonien, Myoklonien, Gangstörungen und Parkinson‘sche Krankheitsbilder. Ihr ungefährer Anteil von 3,5% unter den Patienten mit Bewegungsstörungen haben sie in den vergangenen Jahren stärker in den Fokus der medizinischen Forschung gerückt. Ziel der Dissertation war die Erstellung einer systematischen Literaturübersicht der aktuellen Studienlage zum Thema psychogene Bewegungsstörungen unter Berücksichtigung der Qualitätsmerkmale der einzelnen Studien und ihrer damit verbundenen Evidenz. Die anschließende Diskussion fasst die Ergebnisse unter kritischer Reflexion des aktuellen Forschungsstandes kontextbezogen zusammen, wobei der inhaltliche Schwerpunkt auf neue pathophysiologische, diagnostische, therapeutische und prognostische Erkenntnisse gelegt wird. Eine vom Autor ausgewertete testdiagnostische Pilotstudie bei 5 Patienten mit psychogenem Tremor untersucht zudem den Zusammenhang zwischen psychogenem Tremor und psychischen Erkrankungen. Es wurde eine dokumentierte Literaturrecherche mit den Suchmaschinen PubMed und MedPilot (Datenbanken: BIOSIS Previews, CCMed, Cochrane Library, Cochrane Library, DARE, EMBASE, XTOXLINE, PsycINFO, PSYNDEX, SciSearch, ISTPB + ISTP/ISSHP, Medline) durchgeführt. Studienaufbau und Ergebnisse der nach Prüfung des Originalartikels mittels Checkliste eingeschlossenen Studien wurden deskriptiv zusammengefasst, ihre methodische Qualität nach den Oxford Levels of Evidence bewertet und mit einem Kommentar des Verfassers versehen. Es herrscht ein Mangel an qualitativ hochwertigen Studien zum Themenkomplex der psychogenen Bewegungsstörungen, der in vielen Bereichen keine evidenzbasierten Aussagen zulässt. Während epidemiologische Faktoren weitestgehend sicher bestimmt werden konnten, ist die Informationslage in Bezug auf pathophysiologische Mechanismen, sichere Diagnosestellung und evidenzbasierte Behandlungsmethoden unbefriedigend. Im Bereich der elektrophysiologischen Diagnostik konnten in den letzten Jahren zwar deutliche Fortschritte in Richtung einer Positivdiagnostik erzielt werden; es ist jedoch noch nicht gelungen, ein Therapiekonzept zu etablieren, das die ungünstigen Prognosen bei einer Erkrankung deutlich verbessert. Die Ergebnisse der eigenen Datenerhebung stimmen teilweise mit denen anderer Studien überein, unterschieden sich aber auch in anderen Punkten. Insgesamt besteht ein dringender Bedarf an qualitativ hochwertigen Studien, um die prognostischen Aussichten für Patienten mit psychogenen Bewegungsstörungen zu verbessern und die mit der Erkrankung verbundene Einschränkung der Lebensqualität zu mindern. 119 8 Literaturverzeichnis 1. Ahmed, M.A.S., Martinez, A., Yee, A., Cahill, D., Besag, F.M.C., 2008. Psychogenic and organic movement disorders in children. Developmental Medicine and Child Neurology 50, 300–304 2. American Psychiatric Association, 1994. 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