Erbliche Bewegungsstörungen: Welche Informationen helfen bei der genetischen Diagnostik Katja Lohmann (Lübeck), Alexander Münchau (Lübeck) Bewegungsstörungen umfassen eine Reihe neurologischer Erkrankungen und betreffen mehr als 5% der Bevölkerung. Sie sind durch Störungen der Bewegungs- und Haltungsregulation gekennzeichnet, denen eine pathologische Aktivität in motorischen Regelkreisen zugrunde liegt. Bei Patienten treten Verarmung oder Überschuss an Bewegungen auf, die nicht oder nur sehr eingeschränkt der willentlichen Kontrolle unterliegen. Häufige Bewegungsstörungen sind der essentieller Tremor, das Gilles de la Tourette Syndrom, das Restless Legs Syndrom und Parkinson-Syndrome, seltener sind Dystonien, Ataxien, und Myoklonus. Die Parkinson Erkrankung galt viele Jahre lang als das Lehrbuchbeispiel einer nicht genetischen Erkrankung. Untersuchungen in den letzten drei Jahrzehnten konnten jedoch klar das Gegenteil beweisen. Bewegungsstörungen sind klinisch, aber auch genetisch sehr heterogen, was die Diagnostik erschwert und selbst für Bewegungsstörungsexperten oft eine Herausforderung darstellt. Es gibt allerdings einige Grundkenntnisse, die die genetische Diagnostik von Bewegungsstörungen erheblich erleichtern können. Die EDU-Veranstaltung wird sich in 5 Abschnitte gliedern und relevante Informationen präsentieren: 1.) Einführung: Klinisches Bild verschiedener Bewegungsstörungen Hierbei soll anhand ausgewählter Videos auf die charakteristischen Zeichen bei verschiedenen Bewegungsstörungen und die entsprechenden Unterschiede eingegangen werden. 2.) Nomenklatur genetischer Bewegungsstörungen und Entwicklung eines online-tools zur PhänotypGenotyp-Prädiktion Die Nomenklatur vieler Bewegungsstörungen basierte auf einer konsekutiven Nummerierung gefundener Krankheitsgene. So entstanden im Laufe der Jahre lange Listen von Krankheitsbezeichnungen wie z. B. PARK1 bis PARK20 zur Einteilung genetischer Formen eines Parkinson-Syndroms. Diese Listen enthalten allerdings eine Reihe von Fehlern. Daher wurde die Nomenklatur kürzlich revidiert. Dies wird vorgestellt werden. Obwohl für eine Reihe von Bewegungsstörungen eine Vielzahl von Krankheitsgenen identifiziert wurden - wie zum Beispiel mehr als 40 Gene für spinozerebelläre Ataxien - weisen doch viele der Bewegungsstörungen typische klinische Zeichen auf, die eine Eingrenzung der Kandidatengene erlauben. Basierend auf einer detaillierten Literaturrecherche entwickeln wir mit Unterstützung der Movement Disorder Society ein onlinetool, das bei der Eingrenzung von Kandidatengenen helfen soll. 3.) Unterschiede in der Genverteilung bei verschiedenen Ethnien Die Mutationshäufigkeit verschiedener Gene, die bei Bewegungsstörungen von Bedeutung sind, variiert sehr stark bei verschiedenen Populationen. So erklärt z. B. eine Mutation im LRRK2-Gen bis zu 40 % der ParkinsonErkrankungen in Nordafrika, während weniger als 1 % der Deutschen Parkinson-Patienten diese Mutation tragen. Andere Phänotypen kommen ausschließlich in bestimmten ethnischen Gruppen vor. Ein Beispiel hierfür ist das X-gekoppelte Dystonie-Parkinson Syndrom bei Filipinos aus Panay. Die Kenntnis der ethnischen Unterschiede in der Verteilung bestimmter Krankheitsursachen hilft bei der Priorisierung einer weiterführenden genetischen Diagnostik. 4.) Funktionelle Charakterisierung von potentiell pathogenen Varianten Ein häufiges Problem bei der Befundung genetischer Analysen ist die Interpretation von Varianten in bekannten Genen für Bewegungsstörungen hinsichtlich ihrer Pathogenität. Im Zeitalter des next generation sequencing ist nicht mehr das Aufspüren einer Mutation in einem Kandidatengen die Herausforderung für die Diagnostik, vielmehr die Interpretation gefundener Varianten hinsichtlich ihrer Pathogenität. Für einige Dystonia-Gene konnten relativ einfach durchführbare funktionelle Tests entwickelt werden, die bei der Unterscheidung von benignen und pathogenen Varianten helfen können. Diese sollen exemplarisch vorgestellt werden. 5.) Aktuelle Erfolge und Misserfolge bei der Aufklärung genetischer Bewegungsstörungen Während die genetischen Ursachen für einige Bewegungsstörungen wie zum Beispiel die HuntingtonErkrankung gut bekannt sind, liegen die genetischen Ursachen häufigerer Erkrankungen wie dem essentieller Tremor oder dem Tourette-Syndrome noch weitestgehend im Dunkeln. In diesem letzten Teil der Veranstaltung soll ein Überblick über den aktuellen Kenntnisstand gegeben werden. Es sollen auch Einblicke vermittelt werden, welche Diagnostik-Methoden (Kandidatengen, Panel, Exom, quantitative Analysen) bei welcher Erkrankung erforderlich bzw. sinnvoll sind.