Frontallappenepilepsie oder Parasomnie – Stellenwert der Polysomnographie Prof. Dr. Sylvia Kotterba Klinik für Neurologie Ammerland-Klinik GmbH Westerstede Frontallappenepilepsie • Einfache fokale motorische Anfälle, symmetrische tonische Anfälle, Versiv-, Haltungsanfälle • Ausgang von der supplementär-motorischen Region • Bewusstsein erhalten • Häufig Übergang in tonisch-klonischen Anfall, so dass der fokale Beginn dem Patienten nicht bewusst ist. • Komplexe fokale Anfälle des Frontallappens treten besonders nachts auf. Kategorien der Schlafstörungen nach der ICSD 2 (International Classification of Sleep Disorders) 1. Insomnien 2. Schlafbezogene Atmungsstörungen 3. Hypersomnien zentralen Ursprungs 4. Störungen des zirkadianen Schlafrhythmus 5. Parasomnien 6. Schlafbezogene Bewegungsstörungen 7. Isolierte Symptome, Normvarianten 8. andere Schlafstörungen Schlafbezogene Bewegungsstörungen International Classification of Sleep Disorders (ICSD2) • • • • • • Restless legs Syndrom Periodic Limb Movement Disorder Nächtliche Wadenkrämpfe Bruxismus Schlafbezogene rhythmische Bewegungsstörungen Nächtliche Bewegungsstörungen im Zusammenhang mit Medikamenteneinnahme oder anderen Erkrankungen Minimalkriterien des RLS • Bewegungsdrang der Extremitäten, üblicherweise assoziiert mit sensiblen Symptomen und Schmerzen • Symptome verschlechtern sich oder treten nur in Ruhe auf • Teilweise oder vollständige Besserung durch Aktivität • Symptome verschlechtern sich am Abend oder in der Nacht International Restless Legs Syndrome Study Group; Allen et al.: Sleep Med 2003; 4: 101-119 Typisches Bild periodischer Beinbewegungen Schlafbezogene rhythmische Bewegungsstörung • Der Patient zeigt repetitives, stereotypes und rhythmisches motorisches Verhalten • Die Bewegungen umfassen große Muskelgruppen • Die Bewegungen sind vorwiegend schlafbezogen, eher in der Einschlafphase • Das Verhalten resultiert in einer signifikanten Beschwerde, die sich in mindestens einem der folgenden Kriterien manifestiert Beeinflussung des normalen Schlafs Beeinträchtigung der Funktion am Tag Selbstverschuldete körperliche Verletzungen Parasomnien 1. Arousal (Aufwach)-störungen aus dem Non-REM-Schlaf (12,5 % bei Kindern, 4% bei Erwachsenen) 2. REM-Schlaf-assoziierte Parasomnien (0,5 % der Erwachsenen) 3. Andere Parasomnien Arousal (Aufwach)-störungen aus dem Non-REM-Schlaf • Schlaftrunkenheit • Schlafwandeln • Pavor nocturnus (Sleep Terrors) • Sexuelle Übergriffe nicht selten, Partner wehren sich oft aus Angst nicht Somnambulismus • Auftreten aus den Stadium 3 und 4 im ersten Nachtdrittel • Im Schlaflabor oft erst nach Provokation (Schlafentzug über mehr als 24 Stunden mit nachfolgender Langzeitregistrierung, Aufstellen im Tiefschlaf) zu registrieren • Komplexe Handlungen, vergröberte Motorik, herabgesetztes Reaktionsvermögen – Verletzungsgefahr in fremder Umgebung (20%) • In der Wachphase Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit (30 %), Tagesschläfrigkeit (50%) • Amnesie für Ereignis Schuldfähigkeit bei Gewalttaten während des Schlafwandelns Broughton et al., Sleep 1994; 17.253-264 • Freispruch eines 23jährigen Patienten, der im Schlafwandeln seine Schwiegermutter erstach und den Schwiegervater schwer verletzte Gutes Verhältnis zur Familie Streßsituation über viele Wochen mit Schlafdefizit Familiäre Belastung hinsichtlich des Schlafwandelns Schlafwandeln auch im Gefängnis Urteil durch Indizien, initiale Dokumentation unvollständig, bei vergleichbaren Taten anderer Schlafwandler häufig Medikamenteneinfluß Somnambulismus - Therapie Keine kontrollierten Studien zur Behandlung • Schutz vor Verletzungen, nicht wecken (aggressive Abwehr) • Meidung triggernder Substanzen und Schlafmangel • Antizipatorisches Erwecken 1-2 Stunden nach dem Einschlafen • Hypnose, Vorsatzbildungen, Reizkonditionierung Medikamentöse Therapie • 0,25 mg bis 2mg Clonazepam (Tiefschlafreduktion), Verlauf über drei Jahre bekannt(Schenk u. Mahowald 1996) • Andere Benzodiazepine, trizyklische Antidepressiva (Imipramin), SSRI in Einzelfällen Pavor nocturnus • Plötzlich auftretende Episode von panischer Angst während des Schlafes, meist begleitet von Schrei, Reaktionen des autonomen Nervensystems und Angst • Mindestens ein weiteres Kriterium Schwere Erweckbarkeit Verwirrtheit beim Erwecken während der Episode Amnesie für die Episode Potenziell fremd- oder eigengefährdendes Verhalten • Ausschluss einer anderen Erkrankung, Substanzmissbrauch Rem-Schlaf-assoziierte Parasomnien • REM Sleep Behaviour Disorder • Rezidivierende isolierte Schlaflähmung • Albträume Verhaltensstörung im REM-Schlaf • Bettpartner berichten über Angriffe (Treten, Würgen) • Patienten erwachen auch bei Verletzung nicht • Werden sie geweckt, können Träume berichtet werden, die mit beobachtetem Verhalten übereinstimmen • Trauminhalte: meist Angriffe, nie sexuelle Natur Epidemiologie der REM-SchlafVerhaltensstörung • 80-90 % der Patienten sind älter als 60 Jahre, zu 90 % sind Männer betroffen • Störung bei 0,5 % der Bevölkerung • Wenige familiäre Häufungen Verhaltensstörung im REM-Schlaf • 65 % der Patienten mit idiopathischer Verhaltensstörung im REM-Schlaf entwickeln neurodegenerative Erkrankungen (Demenz mit Lewy Bodies, Parkinson, Multsystematrophie) Neuropsychologische Defizite (visiospatiale Funktionen) Ferini-Strambi et al., Neurology 2004; 62:41-45 Riechstörungen bei RBD (Stiasny-Kolster; Fantini et al., Neurology 2005; 64:780-786) Therapie der REM-SchlafVerhaltenssstörung • Clonazepam (0,5 mg-2mg) wirkt gabaerg, unterdrückt die phasische Muskelaktivität Nachteil: Überhang der Medikation mit Beeinträchtigung der Tagesbefindlichkeit • Melatonin kann u.U. REM-Muskelatonie wieder herstellen • Pramipexol (Schmidt et al., Sleep Medicine 2006; 7:418-423) Andere Parasomnien 1. Schlafgebundene dissoziative Störungen 2. Enuresis nocturna 3. Nächtliches Stöhnen (Katathrenie) 4. Exploding Head Syndrome 5. Schlafbezogene Halluzinationen 6. Sleep related eating disorder 7. Parasomnien durch Drogenmißbrauch oder auf dem Boden anderer Erkrankungen Arousal- Parasomnie Nächtliche Frontallappen epilespie Erkrankungsbeginn Frühe Kindheit Erwachsenenalter Positive Familiengeschichte 80-90% < 40% Ereignisse im Monat 1-3 > 10 Ereignisse pro Nacht 1 mehrere Ereignisse Semiologie Komplex, nicht stereotyp Stereotyp Dauer Minuten Sekunden Zeitpunkt Erstes Drittel der Nacht Zufällig in der Nacht Schlafstadium Stadium 3-4 Stadium 2 EEG im Ereignis Hochgespannte Deltawellen Gelegentlich epilepsietypische Potentiale Mod. N. Provini et al., Brain (1999), 122 Narkolepsiesymptome NREM-assoziiert REM-assoziiert • Tagesschläfrigkeit • Automatisches Verhalten • Fragmentierter Schlaf • Kataplexien • Schlaflähmung • Hypnagoge Halluzinationen Kataplexien (gr.: ‚mit Furcht umstoßen‘) • Plötzlicher bilateraler Verlust des Haltemuskeltonus, Bewusstsein erhalten • Ausfall der Muskeleigenreflexe • Mimische Muskulatur immer einbezogen, glatte, respiratorische, Zungen-Schlundmuskulatur nie! Keine Erstickungsgefahr! • Auslösung durch affektive Stimuli (Lachen, Schreck) • Dauer: wenige Sekunden, Status Kataplektikus möglich (nach Absetzen der Medikamente) • Z.T. durch äußere Stimuli zu durchbrechen • Evtl. erst Jahre nach der Hypersomniesymptomatik auftretend