Vorlesung 13

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Psychiatrie
Vor 13
Schlafstörungen
Definition: Schlafprobleme gehören zu den meistgenannten
Beschwerden bei der Arztkonsultation. Die am häufigsten
vorkommende Form der Schlafstörung ist die Insomnie; nichtorganische Insomnien beinhalten zum einen Insomnien, die auf dem
Boden einer psychiatrischen Erkrankung (z.B. Depression)
entstanden sind, zum anderen gibt es die eigenständige, primär
psychogene Insomnie.
Unterschieden werden Einschlafstörungen, Durchschlafstörungen oder
morgendliches Früherwachen.
Seltener sind die Hypersomnie (Zustand exzessiver Schläfrigkeit
während des Tages oder Auftreten von Schlafanfällen) sowie
Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus (Mangel an Synchronizität
zwischen dem individuellen und dem erwünschten Schlaf-WachRhythmus der Umgebung).
Bei den sog. Parasomnien handelt es sich um abnorme, den
physiologischen Schlafablauf unterbrechende Episoden mit meist
vegetativer Begleitsymptomatik. Hierzu zählen Schlafwandeln
(Somnambulismus), Pavor nocturnus und Albträume.
Schlaf ist ein aktiver Erholungsvorgang der
Stoffwechselvorgänge im Gehirn.Er ist gekennzeichnet durch
Bewusstseinsminderung bei jederzeitiger Erweckbarkeit
durch Reize und Umstellung des Vegetativums. Im
Schlaflabor kommen EEG, EMG, EOG, EKG und
Atemfrequenz-Registrierung (Polysomnographie oder
Schlafpolygraphie) zum Einsatz.
Im Wachzustand herrschen Beta- und Alpha-Wellen, im Schlaf
hingegen Delta-Wellen mit hohen Amplituden vor. Der normale
Schlaf zeigt ein typisches Profil mit 5 ausgeprägten,
zyklischen Stadien. Beim Einschlafen werden erst die 4
Stadien des NREM-Schlafes durchlaufen. Dazwischen treten
periodisch sog. REM-Phasen mit schnellen Augenbewegungen
und Muskelerschlaffung auf. In dieser Phase treten die meisten
Träume auf (paradoxer Schlaf).
Das Schlafbedürfnis ist individuell sehr unterschiedlich. Die
Verteilung der Schlafstadien ändert sich mit dem Lebensalter
Historisches:
Das Phänomen Schlaf beschäftigt die Menschen seit Beginn der
Geschichtsschreibung Das Wort „Schlaf" ist altgermanischen
Ursprungs. „Schlafen" bedeutet ursprünglich „schlapp werden".
Für die Germanen waren Schlaf und Tod Geschwister, beide wurden
als „Sandmann" („Sendbote") bezeichnet. In den östlichen
Philosophien und Religionen wurde der Schlaf überwiegend als der
eigentliche, wahre Zustand des Menschen dargestellt, in dem
Individuum und Universum eins sind. Der Schlaf als Scheintod ist ein
verbreitetes Motiv in Märchen, Sage und Dichtung (z. B.
Schneewittchen, Dornröschen, Shakespeares Julia).
Frühe Erklärungsversuche stammen unter anderen von Hippokrates,
Aristoteles und Alexander von Aphrodisias.
Im 19. Jahrhundert führte die Entwicklung der Naturwissenschaften
allmählich zu Erklärungsansätzen auf physiologischer und
chemischer Grundlage (Alexander von Humboldt, Eduard Friedrich
Wilhelm Pflüger, Kohlschütter).
Der modernen Schlafforschung verhalf die Entdeckung des EEG zum
Durchbruch.
Epidemiologie:
Die Prävalenz von Schlafstörungen in der Bevölkerung liegt zwischen
15 und 30%, eine behandlungsbedürftige Insomie liegt bei 10-15%
vor. 1,5% nehmen regelmäßig Schlafmittel.
Die häufigste Form der Parasomnien sind Albträume. Etwa 2,5% der
Erwachsenen schlafwandeln gelegentlich. Primär sind Schlafwandeln
und Pavor nocturnus jedoch Störungen des Kindes- und
Jugendalters.
Ätiopathogenese:
Im Rahmen der Exploration muss festgestellt werden, ob die
Schlafstörung: physikalisch (z. B. Lärm), physiologisch,
psychologisch, psychiatrisch, pharmakologisch bedingt ist („5 P's").
Pathophysiologisch können Regulationsstörungen u.a. im Bereich der
Neurotransmitter Serotonin, Acetylcholin und GABA eine Rolle
spielen.
Psychologische Faktoren wie Konditionierungsprozesse und
„fehlgelerntes" Verhalten sind ebenfalls von Bedeutung, ferner
berufliche und psychosoziale Faktoren (Schichtarbeit, „Jet lag",
Lebensrhythmus)
Symptomatik und klinische Subtypen
Insomnien und Hyposomnien
Hierbei klagen die Patienten über Einschlafstörungen, oft auch über
kombinierte Ein- und Durchschlafstörungen Fast immer entwickelt
sich ein Fixiertsein auf das Schlafen. Der Biorhythmus entgleist durch
die ständige Beschäftigung mit dem potenziell gestörten Schlaf. Die
Patienten fühlen sich am Tage psychisch und körperlich matt, klagen
über Konzentrations- und Leistungsminderung und sind dysphorisch.
Hypersomnie
Die Hypersomnie äußert sich als exzessive Schläfrigkeit während
des Tages und in Schlafanfällen, die nicht durch unzureichende
Schlafdauer erklärbar sind.
Das Schlafapnoe-Syndrom ist die häufigste Ursache
hypersomnischer Beschwerden. Typisch sind lautes Schnarchen und
nächtliche Atempause.
Wesentliche Symptome der Narkolepsie sind Einschlafattacken,
Kataplexien, hypnagoge Halluzinationen und Schlafparalyse.
Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus
Die Umkehr des Nacht-Tag-Rhythmus führt zu Schlaflosigkeit in der
üblichen Schlafperiode und Hypersomnie in der Wachperiode (z. B.
Schichtarbeiter, Fernreisende
Parasomnien
Schlafwandeln (Somnambulismus) Der meist jugendliche Patient
verlässt mit starrleerem Gesichtsausdruck das Bett, geht umher und
verlässt das Schlafzimmer, evtl. auch das Haus. Meist besteht am
nächsten Morgen keine Erinnerung an das Schlafwandeln (Amnesie).
Pavor nocturnus Hierbei treten zumeist im ersten Drittel des
Nachtschlafes massive Furcht und Panik mit heftigem Schreien und
starker vegetativer Erregung auf. Nach dem Erwachen besteht
ebenfalls Amnesie.
Albtraum Es handelt sich um ein sehr lebhaftes, angsterfülltes
Traumerleben. Albträume treten vorwiegend im letzten Drittel des
Nachtschlafes auf. Es besteht keine Amnesie.
Diagnostik und Differenzialdiagnose
Diagnostik: Wichtig sind Anamnese und schlafbezogene
Exploration
Da Schlafstörungen meist psychoreaktiv-situativ und/oder
organisch bedingt sind, sollte auch die Lebenssituation eruiert
werden.
Ergänzend sollte eine allgemeinmedizinische und
psychiatrische Anamneseerhoben werden. Auf evtl.
vorliegende pathologische Organbefunde ist zu achten.
Es hat sich bewährt, den Patienten einen Schlaffragebogen
und ein „Schlaftagebuch" führen zu lassen, evtl. empfiehlt
sich die Vorstellung in einer Schlafambulanz.
Differenzialdiagnose:
Ausschluss organischer Ursachen, z. B. HerzKreislauf-Erkrankungen, Schlafapnoe, Asthma
bronchiale, Schmerzzustände, Inkontinenz, Pruritus,
Diabetes mellitus, Myoklonus, Restless-Iegs-Syndrom,
Epilepsien.
Schlafstörungen sind zudem häufig ein Symptom
psychischer Störungen. Depressionen sind z.B.
meist mit Schlafstörungen verbunden
Pharmakogene Ursachen: z.B. Psychostimulanzien,
Drogen, Diuretika, Nootropika; Kaffee, Tee, Cola.
Von der Hypersomnie ist die in der Kindheit
beginnende genuine Narkolepsie zu unterscheiden.
Therapie
Information, Aufklärung und Beratung über Grundlagen des Schlafes
(z. B. physiologische Schlafdauer) und Schlafhygiene sollten am
Anfang der Therapie stehen.
Zu den Schlafhilfen gehört z. B. die Beseitigung schlafstörender
Faktoren (Lärm, Temperatur), aber auch das Vermeiden von Nikotin,
Alkohol und Koffein vor dem Schlafengehen. Der Patient sollte sich
nur zum (nächtlichen) Schlafen ins Bett legen, um die
Konditionierung „Bett = Schlaf" nicht zu löschen.
Organische Grunderkrankungen sollten primär behandelt werden.
Bei Schlafapnoe sind Benzodiazepin-Hypnotika kontraindiziert.
Zu den psychotherapeutischen Maßnahmen zählen
Entspannungsverfahren sowie u.a. folgende
Verhaltensregeln:
bei anhaltender Schlafstörung aufstehen oder „Ermüdungslesen"
(sich aktiv beschäftigen)
keine gedankliche Fixierung auf den Schlaf („Erwartungsangst")
Als Hypnotika werden Benzodiazepine, Zopiclon oder Zolpidem
verordnet. Die Einnahme sollte zeitlich befristet (für 2-4 Wochen)
und nur bei Bedarf erfolgen (Gefahr der Gewöhnung). Besonderes
Augenmerk ist auf eine mögliche Kumulation („hang-over") und
Entzugsinsomnie bei plötzlichem Absetzen zu richten.
Bei leichten Einschlafstörungen kann ein Versuch mit Baldrianextrakten
gemacht werden.
Schlafstörungen bei depressiven Erkrankungen können mit sedierenden
Antidepressiva behandelt werden.
Die Narkolepsie wird mit vigilanzsteigernden Mitteln und den REMSchlaf supprimierenden Antidepressiva behandelt.
Beim älteren Patienten sollte die niedrigst wirksame Dosis über die
kürzest mögliche Zeit verordnet werden. Es ist mit einer großen
Variabilitiät der Wirkungen und Nebenwirkungen zu rechnen.
Verlauf
Die Gefahr der Chronifizierung besteht v. a. bei Dauereinnahme von
Hypnotika. Sind Schlafstörungen durch Erkrankungen bedingt, lassen
sie sich meist durch Behandlung der Grunderkrankung beseitigen.
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