Projekt 2 AG Jahrsdörfer: Perforin als Schalter zwischen Zytotoxizität und Immunregulation Zusammenfassung: Eine Vielzahl von Immunzellen ist in der Lage, die Serinprotease Granzym B zu produzieren. Eine Gruppe bilden hierbei zytotoxische Zellen wie NK-Zellen und zytotoxische T-Lymphozyten (CTL), welche nach Aktivierung sowohl Granzym B als auch Perforin sezernieren. Ihre zytotoxische Funktion ergibt sich aus der Tatsache, dass Granzym B nach seiner Exozytose Perforin-vermittelt das Zytoplasma von Zielzellen erreicht und dort durch Spaltung bestimmter Enzyme Apoptose induziert. Eine andere Gruppe von Immunzellen wie regulatorische T-Zellen und bestimmte regulatorische B-Zellen dagegen sezernieren nach entsprechender Aktivierung lediglich Granzym B, jedoch kein Perforin. Dies hat zur Folge, dass Granzym B nach seiner Sekretion vor allem auf Substrate trifft, die eine extrazelluläre oder membrannahe Lokalisation aufweisen. Hierdurch ergeben sich unter anderem immunregulatorische Effekte. Das weiter unten beschriebene Projekt soll die Hypothese prüfen, ob durch einen gezielten Transfer von Perforin-cDNA in den Granzym BGenlokus von Zellen, die normalerweise nur Granzym B, jedoch kein Perforin produzieren, diese ihre immunregulatorische Funktion zugunsten eines zytotoxischen Potentials verlieren. Neben regulatorischen T-Zellen könnten hierdurch also auch regulatorische B-Zellen eine zytotoxische Funktion erlangen, was zumindest theoretisch völlig neue Angriffs- und Behandlungsmöglichkeiten von Tumoren und Viruserkrankungen eröffnen könnte. Umgekehrt soll geprüft werden, ob die Hemmung von Perforin in klassischen zytotoxischen Zellen wie CTL und NK-Zellen deren zytotoxisches Potential in ein immunsuppressives überführen kann, was wiederum vor allem für die Behandlung inflammatorischer Erkrankungen wie GvHD und Autoimmunerkrankungen von Interesse sein könnte. Detailbeschreibung: Granzym B (GzmB) stellt einen der Hauptbestandteile der Granula zytotoxischer T-Lymphozyten (CTL) und Natürlicher Killerzellen (NK-Zellen) dar. CTL und NK-Zellen sind in der Lage, aktives GzmB in das Zytoplasma von Zielzellen wie virusinfizierten Zellen oder Tumorzellen einzuschleusen, wo es dann Apoptose-induzierende Substrate aktiviert. Die Erkennung von Zielzellen durch CTL setzt zunächst voraus, dass Antigene durch dendritische Zellen (DCs) aufgenommen, prozessiert und auf MHC-Molekülen präsentiert werden, die entsprechenden DCs dann zu den lokalen Lymphknoten wandern und dort schliesslich antigenspezifische T-Zellen aktivieren. Die beteiligten Prozesse sind komplex und können zwischen mehreren Stunden bis zu einigen Tagen in Anspruch nehmen. Daher existieren auch direktere zytotoxische Immunmechanismen, die unabhängig von MHCPräsentation ablaufen und die die Lücke zwischen der ersten Erkennung von Gefahrensignalen (danger signals) und dem Aufbau einer effizienten CTL-Antwort überbrücken. Eine Reihe von Zellpopulationen wie NK- oder NKT-Zellen, die allesamt zum angeborenen Immunsystem gehören, können bei derartigen frühen Immunantworten eine Rolle spielen. B-Zellen erkennen Antigene über ihre antigenspezifischen Oberflächenrezeptoren, und damit ebenfalls in einer MHC-unabhängigen Weise. Zudem ist das Spektrum an Antigenen, welche durch B-Zell-Rezeptoren (BCR) erkannt werden können, deutlich größer als bei den MHC-restringierten T-Zell-Rezeptoren (TCR) und umfasst neben Peptidantigenen auch solche mit Nukleinsäure-, Glykolipid- und Kohlehydratanteilen. Daher erscheint es aus teleologischer Sicht naheliegend, dass B-Zellen in frühe zytotoxische Immunreaktionen gegen Tumoren und Viren involviert sind, bevor sie ihre terminale Differenzierung zu Plasmazellen starten. Als Schlüsselzytokin für die Differenzierung von B-Zellen zu Plasmazellen gilt das + Akutphasezytokin Interleukin 21 (IL-21). IL-21 wird unter anderem von aktivierten CD4 THelferzellen sezerniert, welche gleichzeitig über ihren T-Zell-Rezeptor stimuliert und über CD28 kostimuliert werden. Eine solche komplette Aktivierung ist auch mit einer starken Aufregulation des kostimulatorischen Moleküls CD40-Ligand (CD40L, CD154) verbunden. Wir konnten nun zeigen, dass bei fehlender Kostimulation eine Aktivierung des T-ZellRezeptors dazu führt, dass von T-Helferzellen zwar weiterhin IL-21 sezerniert wird, eine Aufregulation von CD40L jedoch weitestgehend ausbleibt. Solche Situationen, in denen THelferzellen IL-21 in Abwesenheit von CD40L-Expression sezernieren, sind zum Beispiel während akuter entzündlicher Reaktionen (sowohl anti-viraler als auch anti-neoplastischer) denkbar. Durch Zellzerfall freigesetzte und präsentierte Selbstantigene halten in solchen + Fällen eine Vielzahl von niedrig-affinen T-Zellen in einem inkompletten (IL-21 CD40L ) + + Aktivierungsstadium. Hochspezifische und komplett aktivierte T-Zellen (IL-21 CD40L ) dagegen sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht am Ort der Entzündung präsent. Wir wiesen nach, dass inkomplett aktivierte T-Zellen in B-Zellen eine starke Expression der Serinprotease GzmB induzieren, statt ihre vollständige Differenzierung zu Plasmazellen zu bewirken. Zudem zeigten wir, dass GzmB-exprimierende B-Zellen in der Lage sind, in bestimmten Zielzellen wie Tumorzellen Apoptose zu induzieren, obwohl sie kein Perforin produzieren. Dies erklärt sich dadurch, dass GzmB auch Perforin-unabhängig, etwa durch Hitzeschockproteine, Mannose-6-Phosphat-Rezeptoren, oder virale und bakterielle Proteine in das Zytoplasma von Zielzellen transferiert werden kann. GzmB-sezernierende B-Zellen könnten daher eine gewisse Rolle bei der frühen Abwehr viraler und bakterieller Infektionen und auch bei der Tumor-Immunsurveillance spielen, bevor später dann antigenspezifische TZellen diese Aufgabe übernehmen und sich die betreffenden B-Zellen weiter zu Plasmazellen differenzieren (Abb. 1). Abbildung 1. Zweiphasiges Modell für die zelluläre zytotoxische Immunantwort am Beispiel einer Virusinfektion. In der frühen Phase einer Virusinfektion (Phase I, 0-72 hr, obere Tafel) ist ein breites Spektrum niedrig-affiner und + voraktivierter CD4 T-Zellen am Infektionsherd vorhanden, welche IL-21, aber kein CD40L exprimieren. Antigenspezifische B-Zellen werden MHC-unabhängig über virale Antigene aktiviert und können durch die Wirkung + von IL-21 CD40L T-Zellen zu GzmB-sezernierenden zytotoxischen B-Lymhozyten (CBL) differenzieren. Über verschiedene Wege wie den von einigen Viren genutzten endosomalen Infektionsweg, kann GzmB zusammen mit Viren Perforin-unabhängig in das Zytoplasma entsprechender Zellen gelangen und dort Apoptose auslösen, bevor sich die Viren weiter replizieren können. In einer späteren Phase der Virusinfektion (Phase II, >5 Tage, untere Tafel), + nach Aktivierung durch professionelle APC, erreichen voll aktivierte antigenspezifische CD4 T-Zellen aus den lokalen Lymphknoten den Infektionsherd. Diese exprimieren nun IL-21 und CD40L, können damit die GzmBExpression durch B-Zellen abschalten und stattdessen deren Differenzierung zu Plasmazellen einleiten. Gleichzeitig erkennen antigenspezifische CTL virale Antigene in MHC-restringierter Weise und induzieren über die klassische Exozytose zytotoxischer Granula Apoptose in virusinfizierten Zellen. Während der klassischen Exozytose zytotoxischer Granula durch CTL wird GzmB gemeinsam mit Perforin sezerniert (Abb. 1, untere Tafel). Perforin in hohen (lytischen) Konzentrationen kann dabei direkt Zelllyse induzieren. Eine solche Zelllyse birgt in-vivo jedoch durch die unkontrollierte Freisetzung von Autoantigenen ein hohes Risiko für die Entwicklung von Autoimmunität. Daher induzieren CTL in vivo nicht lytische Nekrose, sondern Apoptose in entsprechenden Zielzellen. Dieser programmierte Zelltod beinhaltet einen kontrollierten Abbau zellulärer Komponenten durch Proteasen und verhindert so normalerweise die extensive Freisetzung von Autoantigenen. Obwohl die endosomale Freisetzung von GzmB durch Perforin (Endosomolyse) unterstützt wird, gilt es inzwischen als sicher, dass die Anwesenheit von Perforin für die Aufnahme von GzmB in Zielzellen und das Erreichen des Zytosols keine conditio sine qua non darstellt. Mikrobielle Proteine wie bakterielle Lysine oder virale Transportproteine sowie Stress-assoziierte Moleküle wie Hitzeschockproteine, die auf Tumoren exprimiert werden, können die Aufnahme und Wirkung von GzmB in Abwesenheit von Perforin gewährleisten. Daher schließt die Tatsache, dass GzmB-sezernierende B-Zellen kein Perforin exprimieren, eine zytotoxische Funktion nicht aus, sondern limitiert eine solche Immunantwort möglicherweise nur auf Zielzellen, die eindeutige Marker mikrobieller Infektionen (Abb. 1, obere Tafel) oder neoplastischer Differenzierung tragen. B-Zellen sind in der Lage, Antigene sowie Antigen-tragende Zellen zu erkennen, ohne dass hierfür eine MHC-restringierte Präsentation dieser Antigene notwendig ist. Insofern könnten B-Zellen mit zu den ersten Immunzellen gehören, die Zellen in frühen Stadien maligner Transformation antigenspezifisch erkennen. Hierdurch könnten sie durch eine limitierte zytotoxische Antwort einen frühen Beitrag zur Immunosurveillance leisten. Im + Rahmen verschiedener proof of principle-Experimente konnten wir zeigen, dass GzmB BZellen in der Lage sind, aktives GzmB auf bestimmte Tumorzelllinen zu übertragen und Apoptose in diesen Zellen zu induzieren (Abb. 2). Abbildung 2. GzmB-sezernierende B-Zellen übertragen aktives GzmB auf Tumorzellen und induzieren dadurch Apoptose. (A) B-Zellen mit unterschiedlichem GzmB-Potential wurden für 16 hr in Anwesenheit von IL-2 oder IL-21 auf einer GzmB-spezifischen ELISpot-Platte inkubiert. (B) 16-stündige Kokulturen zwischen IL-2- bzw. IL21-stimulierten B-Zellen und der Zervixkarzinomzelllinie HeLa wurden durchgeführt. Die Annexin V/PI-Färbung der + HeLa-Zellen zeigt ein signifikant niedrigeres Überleben in Anwesenheit von GzmB (ARH-77), nicht aber von GzmB B-Zellen (Raji). (C) Konfokal-mikroskopische Aufnahmen solcher Kokulturen in Anwesenheit eines GzmBspezifischen fluorogenen Substrats zeigen den Transfer von aktivem GzmB (grün) von einer B-Zelle (magenta) auf + eine HeLa-Zelle (rot). (D) Die weißen Pfeile deuten auf eine von GzmB B-Zellen (grün-gelb) attackierte HeLa-Zelle, welche im Laufe der Zeit einem apoptotischen Schrumpfungsprozess unterliegt. Die oben beschriebene Funktion GzmB-sezernierender B-Zellen als zytotoxische Zellen stellt infolge des fehlenden Perforins jedoch nur eine Seite der Medaille dar. In unserem während der letzten fünf Jahre bearbeiteten Projekt konnten wir zudem zeigen, dass GzmBexprimierende B-Zellen in der Lage sind, die Expansion von T-Zellen zu hemmen, und damit eine T-Zell-abhängige zytotoxische Immunantwort zu unterdrücken. Im Zusammenhang mit den oben beschriebenen Befunden kann dies durchaus Sinn ergeben, da insbesondere in der frühen Phase akuter Entzündungsreaktionen, etwa im Rahmen einer Virusinfektion, eine große Zahl peripherer T-Zellen durch kontinuierliche Autoantigen-Exposition in einem präaktivierten Stadium gehalten werden, während die komplette und virusantigen-spezifische Aktivierung erst in den Lymphknoten stattfindet. Daher könnten GzmB-sezernierende BZellen mit dazu beitragen, eine vollständige Aktivierung solcher präaktivierter und potentiell autoreaktiver T-Zellen in der Peripherie zu hemmen. Einen ähnlichen Zusammenhang konnten wir im Übrigen kürzlich für sogenannte plasmazytoide dendritische Zellen (pDCs) nachweisen. Auch pDCs sind in der Lage, große Mengen an enzymatisch aktivem GzmB zu sezernieren, und dadurch T-Zell-Proliferation in GzmB-abhängiger Weise effektiv zu hemmen. Wie bei B-Zellen erfordert diese immunmodulatorische Aktivität die Anwesenheit von Zellkontakt und aktivem GzmB, jedoch kein Perforin, was auf eine Parallele zu regulatorischen T-Zellen hindeutet, deren anergisierende Funktion ebenfalls durch GzmB vermittelt wird, jedoch unabhängig von Perforin ist. Aus den genannten Befunden ergibt sich somit die generelle Hypothese, dass Perforin entscheidend mitbestimmt, welche Kompartimente GzmB nach seiner Sekretion erreicht und damit, welche Funktionen es ausüben kann. Bei überwiegendem Erreichen des Zytoplasmas (Anwesenheit von Perforin) trifft GzmB in erster Linie auf zytoplasmatische Substrate wie Caspasen, DNAsen und BID, deren Aktivierung Apoptose in den entsprechenden Zellen auslöst. Bei hauptsächlich extrazellulärer Sekretion von GzmB dagegen (Abwesenheit von Perforin) spaltet GzmB andere Substrate wie etwa membranständige Rezeptoren oder extrazelluläre Proteine, welche unter anderem seine immunmodudulatorischen Effekte erklären. Das hier skizzierte Projekt soll konkret Aufschluss darüber geben, ob die zytotoxischen bzw. regulatorischen Funktionen GzmB-produzierender Zellen möglicherweise ineinander umwandelbar sind, indem eine GzmB-parallele Koproduktion von Perforin durch die entsprechenden Zellen mittels genetischer Manipulation gezielt an- bzw. ausgeschaltet wird (Abb. 3). Abbildung 3. Mögliche Beeinflussung der Funktion von Perforin als Schalter zwischen zytotoxischer und immunregulatorischer Funktion Granzym B-produzierender Zellen. Eine Vielzahl von Immunzellen ist in der Lage, die Serinprotease Granzym B zu produzieren. Eine Gruppe bilden hierbei klassische zytotoxische Zellen wie NK-Zellen und CTL, welche nach Aktivierung sowohl Granzym B als auch Perforin sezernieren. Ihre zytotoxische Funktion ergibt sich aus der Tatsache, dass Granzym B nach seiner Exozytose Perforin-vermittelt das Zytoplasma von Zielzellen erreicht und dort durch Spaltung Apoptose-induzierende Enzyme aktiviert. Eine andere Gruppe von Immunzellen wie regulatorische T-Zellen, regulatorische B-Zellen (CBL, GraB cells) sowie tolerogene plasmazytoide dendritische Zellen, sezernieren nach entsprechender Aktivierung lediglich Granzym B, jedoch kein Perforin. Dies hat zur Folge, dass Granzym B nach seiner Sekretion vor allem auf Substrate trifft, die eine extrazelluläre oder membrannahe Lokalisation aufweisen. Durch die Granzym B-vermittelte Spaltung der ζ-Kette des T-Zell-Rezeptors ergibt sich hierdurch insbesondere auf Effektor-T-Zellen ein antiproliferativer und damit immunregulatorischer Effekt. Ein gezielter Transfer von Perforin-cDNA in den Granzym B-Genlokus von Zellen, die normalerweise nur Granzym B, jedoch kein Perforin produzieren, würde es ermöglichen, Perforin unter die Kontrolle des Granzym B-Gens zu stellen. Hierdurch würden solche Zellen nach ihrer Aktivierung zusammen mit Granzym B auch Perforin produzieren, und damit ihre immunregulatorische Funktion zugunsten eines zytotoxischen Potentials verlieren. Neben regulatorischen T-Zellen könnten hierdurch auch regulatorische B-Zellen eine zytotoxische Funktion erlangen. Umgekehrt könnte die Hemmung von Perforin in CTL und NK-Zellen deren zytotoxisches Potential in ein immunsuppressives überführen.