atk Musterseite/BB 4.1

Werbung
Arzneimittelnebenwirkungen
Kodeinhaltige Hustenmittel
Kodein- und dihydrokodeinhaltige Präparate sind als Hustenmittel bei Erwachsenen und Kindern zugelassen. Die beiden
Opioide sind in Deutschland seit Jahren
die am häufigsten verordneten Antitussiva. Im Jahr 2013 wurden 9,6 Mill. DDD von
Kodein und 6,2 Mill. DDD von Dihydrokodein verordnet (1).
Die Wirkung von Kodein im menschlichen
Organismus beruht auf seiner Umwandlung zu Morphin durch das Enzym CYP2D6.
Etwa 5–10% der europäischen Bevölkerung verstoffwechseln Kodein schneller
zu Morphin (ultraschnelle CYP2D6-Metabolisierer), was zu hohen Morphinspiegeln im Blut führt und schwerwiegende
Nebenwirkungen, wie eine Atemdepression, verursachen kann. Obgleich dieses
genetisch bedingte Risiko vom Lebensalter unabhängig ist, sind Kinder durch den
variablen und unvorhersehbaren Stoffwechsel von Kodein besonders gefährdet
(2).
Das BfArM beantragte im April 2014 auf
europäischer Ebene ein Risikobewertungsverfahren für kodeinhaltige Arzneimittel.
Beabsichtigtes Ziel war, das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Kodein zur Behandlung
von Husten bei Kindern und Jugendlichen
neu zu bewerten. Ein Jahr zuvor war bereits die Altersgrenze für kodeinhaltige
Präparate als Schmerzmittel auf 12 Jahre
erhöht worden (3).
Der Ausschuss für Risikobewertung der
EMA hat dazu die Daten aus klinischen
und observationellen Studien, Metaanalysen und Postmarketingberichten evaluiert.
Im Zusammenhang mit der Anwendung
von Kodein bei Husten und respiratorischen Infektionen wurden insgesamt 14
Kodein-Intoxikationen bei 17 Tage alten
Säuglingen bis 6 Jahre alten Kindern
identifiziert. Tödlich verliefen 4 dieser Intoxikationen (2).
Laut PRAC sind diese Daten ein Indiz dafür,
dass die Verstoffwechslung von Kodein zu
Morphin bei Kindern ⬍12 Jahren variabler und unberechenbarer ist und diese
Altersgruppe daher ein erhöhtes Risiko für
morphininduzierte Nebenwirkungen hat.
Der PRAC kommt daher zur Schlussfolgerung, dass kodeinhaltige Hustenmittel bei
Kindern ⬍12 Jahren nicht mehr angewendet werden sollten. Der PRAC bestätigt
auch, dass Husten normalerweise selbstlimitierend und die Evidenz für die Wirksamkeit kodeinhaltiger Hustenmittel bei
Kindern begrenzt ist (2).
Empfehlungen für die Praxis
● Kodeinhaltige Hustenmittel dürfen wegen
des Risikos schwerer Nebenwirkungen bei
Kindern ⬍12 Jahren nicht mehr angewendet
werden.
● Auch bei Kindern und Jugendlichen von
12–18 Jahren mit ausgeprägten Atemwegeinschränkungen werden kodeinhaltige Hustenmittel nicht mehr empfohlen.
● Kodein sollte auch nicht Personen jeglichen
Alters, die als »ultraschnelle Metabolisierer«
bekannt sind, verordnet werden.
● Stillende Mütter dürfen kodeinhaltige Präparate nicht mehr anwenden, da Kodein in die
Muttermilch übertritt und den Säugling schädigen kann.
● Treten bei Patienten unter Behandlung mit
Kodein Symptome wie verlangsamte oder flache Atmung, Verwirrung, Müdigkeit, enge Pupillen, Übelkeit, Verstopfung oder Appetitverlust auf, muss das Arzneimittel abgesetzt und
unverzüglich ärztlicher Rat eingeholt werden.
Nach den Ergebnissen einer CochraneAnalyse ist Kodein nicht besser wirksam
als Plazebo, und auch internationale Leitlinien weisen darauf hin, dass Husten
infolge einer viralen Infektion auch zufriedenstellend mit einer ausreichenden
Trinkmenge und Atemluftbefeuchtung behandelt werden kann (4).
1
Durch die vom PRAC empfohlenen neuen
Anwendungseinschränkungen für kodeinhaltige Präparate in der Hustenindikation
werden die Maßnahmen zur Risikominimierung konsequent fortgeschrieben. Die
Koordinierungsgruppe CMDh hat sich den
Schlussfolgerungen des PRAC einstimmig
angeschlossen. Diese Maßnahmen müssen nun auf nationaler Ebene umgesetzt
werden.
Quellennachweis
1. Schwabe U, Paffrath D, Hrsg. Arzneiverordnungs-Report 2014. Berlin-Heidelberg: Springer; 2014. S. 514–515.
2. Internet (http://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoin
formationen/Pharmakovigilanz/DE/RV_STP/a-f/codein2.
html?nn=3495918).
3. European Medicine Agency. Codeine Article-31 referral – Codeine not to be used in children below 12
years for cough and cold. Released 24. 4. 2015. Internet (http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document
_library/Referrals_document/Codeine_cough_or_cold_
in_children/Position_provided_by_CMDh/WC5001861
59.pdf).
4. Smith SM, et al. Over-the-counter medications for
acute cough in children and adults in ambulatory settings. Cochrane Database Syst Rev 2014; 11: CD001831.
2
Herunterladen