AKTUELLES ■ ■ Über Jahrtausende gab es sie nicht, aber jetzt… SCHLANGEN BREITEN SICH AUF IBIZA AUS DIE GUTE NACHRICHT ZUERST: Die Schlangen auf Ibiza sind nicht oder nur schwach giftig. Trotzdem kann es unangenehm sein, ihnen zu begegnen. Denn drei der Schlangenarten sind aggressiv und beißen fest zu. Foto: Jena Blindschleiche (Anguis fragiles): völlig harmlos – und ist im Grunde keine Schlange sondern eine Echsenart I m Laufe nur eines Jahrzehnts hat sich Ibiza zum Schlangenparadies entwickelt. Sowohl was das Klima als auch die Ernährung angeht, finden die Reptilien auf der Insel exzellente Lebensbedingungen vor. Mindestens zwei Schlangenarten, die zu Beginn des neuen Millenniums durch den Import von Olivenbäumen aus Andalusien und La Mancha auf Ibiza eingeschleppt wurden, scheinen sich ungehindert und schnell zu vermehren. Es handelt sich um die Spezies Hufeisennatter (vibra Herradura/hemorrois hippocrepis) und Treppennatter (vibra Escalera/rhinechis scalaris). Beide Spezies haben die Insel längst vereinnahmt. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der spanischen Vereinigung der Reptilienforscher (Asociación Herpetólogica de España), die im Auftrag des balearischen Ministeriums für Landwirtschaft, Territorium und Umwelt 2012 durchgeführt wurde. Der Studie ist zu entnehmen, dass die erste Schlange Anfang Mai 2003 entdeckt wurde, es handelte sich um ein Exemplar der Hufeisennatter. Allerdings wurden im gleichen Monat auch Exemplare der Treppennatter und der Eidechsennatter (vibra bastarda/malpolon monspessulanum) gesichtet. Deshalb gehen die Reptilienexperten davon aus, dass die Schlangen wahrscheinlich zeitgleich auf der Insel 30 IbizaHEUTE 1 | 2013 eingeschleppt wurden. Alle drei Spezies tauchten zu Beginn in der Nähe von Gartencentern auf, die sich auf den Import uralter Olivenbäume spezialisiert hatten. Damals ging man noch davon aus, dass es sich um Einzelfälle handelte. Ein verhängnisvoller Irrtum. Die Schlangenplage breitete sich in rasantem Tempo von Sant Llorenç, Santa Eulària und von einem privaten Grundstück namens Es Fornas in der Nähe von Sant Rafel aus. Auch Blindschleichen, die bis dahin auf der Insel nicht existierten, zogen auf Ibiza ein. Auch sie können als eingebürgert bezeichnet werden. Das milde mediterrane Klima unterstützt die Fortpflanzung der Reptilien ungemein. Nur die Eidechsennatter scheint sich seit 2003 weniger schnell zu vermehren, was auf ihren spezifischen Futterbedarf zurückgeführt wird und darauf, dass sie sich nur langsam fortbewegt. In ihren Untersuchungen gingen die Schlangenforscher auch der Frage auf den Grund, ob die Invasion überhaupt noch aufzuhalten ist. Das Urteil der Experten ist wenig optimistisch: Ausrotten könne man die Schlangen eigentlich nicht, Präventivmaßnahmen seien kaum durchführbar, alle Aktionen seien kostspielig. Eventuell könne man die weitere unkontrollierte Vermehrung bremsen, indem man versuche, die größeren Schlangenpopulationen einzufangen. Wichtige Vorausset- Foto: Benny Trapp Treppennatter (rhinechis scalaris): nicht giftig – aber beißt gern zu zung für eine solche Maßnahme sei allerdings eine koordinierte Informationspolitik. Außerdem müsse man in den Gartencentern intensivere Kontrollen durchführen, beispielsweise Fallen aufstellen und Suchhunde einsetzen. Vor allem in den besonders betroffenen Gebieten müsse man die Überwachung verschärfen. Natürlich drängt sich die Frage auf, warum die Institutionen nicht längst aktiv geworden sind. Warum zum Beispiel wurde die Einfuhr von Olivenbäumen nicht strenger kontrolliert, beziehungsweise ganz verboten, wenn doch seit 2003 bekannt ist, dass die Schlangen auf dem Seeweg von Südspanien aus nach Ibiza einreisen? Denn auch auf den Fähren der Schifffahrtsgesellschaften mussten seit 2003 schon diverse Exemplare eingefangen werden. Doch solche Maßnahmen waren schon damals (und sind immer noch) aufgrund europäischer Normativen unmöglich: Wirtschaftsgüter kennen keine europäischen Grenzen, ihr freier Transport muss laut Gesetz gewährleistet bleiben. Selbst Privatpersonen können ohne weiteres einen Olivenbaum auf dem Festland kaufen und ihn wie ein x-beliebiges Möbelstück auf die Insel transportieren lassen. Auch die Idee, die Händler oder Käufer zu verpflichten, die Olivenbäume vor der Reise auf die Insel mit Bioziden zu behandeln, ist nicht umsetzbar, weil dies gegen die Richtlinien des freien Transports innerhalb der EU verstoßen würde, so die Schlangenexperten. Außerdem seien die angewendeten Produkte kaum wirksam, wenn die Bäume groß sind und die Einfuhr im Winter stattfindet, einer Zeit, in der die Reptilien sich in der Kältestarre befinden. In diesem Zustand ist der Stoffwechsel der Schlangen zurückgefahren und würde kaum Giftstoffe aufnehmen. Die Experten schlagen vor, die von Suchhunden angezeigten Bäume bei der Ankunft auf Ibiza „in Quarantäne“ zu nehmen, um eventuell eingereisten Schlangen aufzuspüren. Außerdem empfehle es sich, den Import von Olivenbäumen in den kalten Monaten einzuschränken. Klar ist, dass die bereits angesiedelten Schlangen nicht einfach weggezaubert werden können, auch ihre Vermehrung lässt sich kaum bremsen. Das Kind ist längst in den Brunnen gefallen, denn Schlangen haben auf Ibiza kaum natürliche Feinde. Die Insulaner sollten sich deshalb einfach von dem überholten Mythos verabschieden, Ibiza sei heilige Erde, auf der Schlangen nicht überleben können. Besser, sich an den Gedanken gewöhnen, dass die Insel um einige Spezies reicher geworden ist. Eine Gefahr für die Bevölkerung besteht, so das Ergebnis der Studie, zurzeit nicht. Vielmehr muss man sich um die heimische Fauna sorgen, wie beispielsweise die beliebten Eidechsen, die neben Vögeln, Kaninchen, Ratten oder Kleinsäugern ins Beuteschema der eingeführten Schlangenarten passen. Um den Informationsfluss zu unterstützen, sollte jeder, der eine Schlange fängt oder eine größere Population sichtet, die Notrufnummer 112 anrufen. Oder sich im Büro der ➤ Umweltbehörde in Eivissa melden. Tel.: 971 30 14 60 IbizaHEUTE 1 | 2013 31 Foto: Budilord Foto: Carl Corbidge Treppennatter (rhinechis scalaris) Hufeisennatter (hemorrhois hippocrepis) BISHER REGISTRIERTE ARTEN: Vibra Escalera – Treppennatter (rhinechis scalaris). Kann 1,40 Meter lang werden, ist zu erkennen an den dunklen Rückenstreifen. 65 Prozent der Weibchen pflanzen sich einmal jährlich fort, dann legen sie bis zu 12 Eier. Nicht giftig, gilt aber als potenziell gefährlich, da sie vor allem in der Brutzeit besonders aggressiv ist. Ist tagsüber oder abends aktiv. Kann täglich bis zu 1,4 Kilometer zurücklegen, wodurch sie sich in ihrem neuen Territorium schnell ausbreitet. Frisst kleinere Säugetiere, aber auch Vögel, die aus den Nestern geholt werden. In freier Wildbahn werden Treppennattern etwa 20 Jahre alt. Vibra Herradura – Hufeisennatter (hemorrhois hippocrepis) 85 Prozent der Weibchen pflanzen sich einmal pro Jahr fort, dann legen sie etwa 14 Eier. Die Schlange ist tagaktiv und legt weite Strecken zurück, wodurch sie ihr neues Territorium rasant erobert. Ernährt sich vor allem von Wirbeltieren. Ratten sind ihre Lieblingsspeise, allerdings frisst sie auch kleinere Reptilien. Die Hufeisennatter wird bis zu 1,60 Meter lang, in freier Wildbahn wird sie etwa 20 Jahre alt. Zu erkennen an der gelben Musterung in Form von Hufeisen. Nicht giftig, gilt aber als potenziell gefährlich, da sie beißt. Auf Formentera verschwinden die Mülltonnen MÜLLCONTAINER WANDERN UNTER DIE ERDE D er Inselrat Formentera plant die Installation von 18 unterirdischen Müllschluckern. Nach einer öffentlichen Ausschreibungsfrist soll der Auftrag bereits im Januar an eine Firma vergeben werden. Innerhalb der nächsten sechs Monate sollen die unterirdischen Müllplattformen auf dem gesamten Inselgebiet installiert werden. Der Kostenvoranschlag beläuft sich auf über eine Million Euro. Die Finanzierung des Projektes wird hauptsächlich durch das europäische Programm „Feder“ abgedeckt: Die EU übernimmt 80 Prozent der Kosten, der Inselrat Formentera die restlichen 20 Prozent. Insgesamt sollen 84 Müll- und Recyclingcontainer unter die Erde wandern. ■ 32 IbizaHEUTE 1 | 2013 Foto: africanus Foto: Hans Hillewaert Eidechsennatter (malpolon monspessulanum) Blindschleiche (Anguis fragiles) Vibra Bastarda – Eidechsennatter (malpolon monspessulanum). Kann über 2 Meter lang werden. Ernährt sich von großen Wirbeltieren (auch Kaninchen) und anderen Reptilien wie Eidechsen und Geckos. Die Weibchen legen einmal pro Jahr bis zu 15 Eier. Die Eidechsennatter ist tagaktiv und hat eine geringe Giftmenge, um Beutetiere zu erlegen. Ihr Gift wirkt äußerst schnell, tötet eine große Smaragdeidechse beispielsweise in 1–2 Minuten. Beißt kräftig zu. In freier Wildbahn werden Eidechsennattern etwa 15 Jahre alt. Die Schlange bewegt sich pro Tag nur etwa 80 Meter, breitet sich deshalb langsam aus. Culebrilla Ciega – Blindschleiche (Anguis fragiles). Die Blindschleiche wird lediglich bis zu 20 Zentimeter lang. Sie lebt unter der Erde, ist aber tagaktiv. Daher sind Begegnungen mit ihr nicht ungewöhnlich. Allerdings besteht kein Grund zur Besorgnis. Das bräunlich-glänzende Reptil ist ungiftig und nicht aggressiv, eher scheu. Es ernährt sich von Insekten. Einmal jährlich legt die Blindschleiche ein bis zwei Eier. Sie ist für Tiere jenseits von Insektengröße oder den Menschen ungefährlich. ■ Schluss mit den üblen Gerüchen? MILLIONEN FÜR DIE WARTUNG DER KLÄRANLAGEN D ie Balearenregierung wird 2013 über 16 Millionen Euro in die Instandsetzung und Wartung von 30 Kläranlagen investieren. Laut einer Vereinbarung mit der balearischen Wasseragentur Abaqua werden die Pityusen 3,9 Millionen erhalten, mit etwa 3,7 Millionen sollen die elf Kläranlagen auf Ibiza saniert werden, etwa 200.000 Euro sind für Arbeiten an der Kläranlage Formentera vorgesehen. Mallorca wird mit 8,5 Millionen bedacht, Menorca mit 3,8 Millionen. Bisher sind alle Kläranlagen der Insel mit einem Makel belastet: sie stinken! Und das schon seit Jahren. Sie belasten Umwelt und Anwohner. Auch die Versuche, mit Duftwässern das zu beseitigen, scheiterten kläglich. ■ IbizaHEUTE 1 | 2013 33