148 Stadtgeschichte | Stadtbuch Bielefeld 1214–2014 Tod aus der Luft | Bielefeld im Zweiten Weltkrieg 149 Bielefeld im Zweiten Weltkrieg Tod aus der Luft Hans-Jörg Kühne Der Anflug der in der Sonne glitzernden US-Bomber auf Bielefeld erfolgte in größtmöglicher Höhe, um dem Beschuss durch deutsche Flakbatterien so wenig Fläche wie möglich zu bieten. Man flog zwischen 6.700 bis 7.600 Meter hoch, über der Wolkendecke, mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 310 Kilometern in der Stunde. Die ohnehin immer schwächer gewordene Abwehr durch deutsche Jagdflugzeuge konnte von den alliierten P-47- und P-51-Abfangjägern zurückgeschlagen werden. Am Bach, 1935. Das alte Bielefeld: die Burgstraße um 1930. Alle Fotos: Stadtarchiv Bielefeld Amerikanische B-17-Bomber im Anflug auf Ziele in Westdeutschland. Foto: U.S. Army Air Force Samstag, 30. September 1944, Heinrich-Siegfried 7, 13:49 Uhr Der Endanflug auf das Ziel Bielefeld, das in den Netzkarten der deutschen Luftabwehr den Tarnnamen ›Heinrich-Siegfried 7‹ (HS 7) trug, erfolgte Straight and Level, das Swaying wurde eingestellt. Die Flugzeuge gingen auf 3.600 bis 2.400 Meter herunter. In der Fachsprache der Piloten hieß dieser Vorgang ›Downwind Run‹. Es war dies der verwundbarste Moment für die Bomberflotten: Sie flogen nun stur geradeaus, um mit ihren Bomben das Ziel zu treffen, das die der Bomberflotte vorausfliegenden Pathfinder (Pfadfinder – Anm. d. Verf.) durch Radareinsatz geortet hatten. Die Bombenschützen in den vorderen Flugkanzeln übernahmen das Kommando. Für den gesamten Zielanflug und den Abwurf der Bomben hatten sie die absolute Verfügungsgewalt über die Flugzeuge. Auch die Ranghöchsten an Bord, die Chefpiloten, waren ihnen für die Dauer des Angriffs nachgeordnet.1 Rauchbomben waren das Zeichen für den Abwurf. Die Bombenschächte öffneten sich, die Sprengsätze waren scharf. Die Bombenschützen drückten ihre Auslöseknöpfe. Die erste Welle der amerikanischen Boeing B-17, der sogenannten ›Fliegenden Festungen‹, legte an diesem 30. September 1944 ab 14:10 Uhr ihren Bombenteppich auf Bielefeld. In der Bielefelder Waldemarstraße und in der Jakobuskirche befanden sich ›Turmbeobachter‹, die unter größter Aufregung ihre Meldungen an die Luftschutzleitung im Sedanbunker an der Holländischen Straße weitergaben: „Immer neue Wellen viermotoriger Bomber im Anflug aus Westen – Zielmarkierungsbomben über der Stadt – die ersten Bomben fallen – die Hölle ist los – vor Rauch und Qualm nichts mehr zu erkennen!“ Die Menschen im sieben Kilometer entfernten Werther beobachteten das Schauspiel. Sie konnten an diesem sonnigen Tag sogar erkennen, wie die Klappen der Bombenschächte sich öffneten. Sie hörten und sahen, wie die Flak aus allen Rohren schoss, und mussten achtgeben, dass deren aus großer Höhe herabfallende Splitter sie nicht trafen. Mit Zischen gingen Granatsplitter in den Gärten nieder. Das Geräusch entfernter, gewaltiger Explosionen erfüllte die Luft.2 Die erste von insgesamt vier Bomberwellen drehte ab. Bombardiert wurde ›streng wissenschaftlich‹, das heißt nach den Erkenntnissen, die sich im Laufe von unzähli- 1 Hans-Jörg Kühne: Der Tag, an dem Bielefeld unterging, Gudensberg-Gleichen 2003, S. 22; zu den Angriffsformationen der Amerikaner vgl. Werner Bühner: Bomben auf Arnsberg 1940–1945. Chronik der Luftangriffe in Bildern und Augenzeugenberichten, Arnsberg 1995, S. 46, und Horst Boog: Der anglo-amerikanische strategische Luftkrieg über Europa und die deutsche Luftverteidigung, in: ders., Werner Rahn, Reinhard Stumpf, Bernd Wegner: Der globale Krieg. Die Ausweitung zum Weltkrieg und der Wandel der Initiative 1941–1943, hg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt (Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg 6), Stuttgart 1990, S. 539. Vgl. auch Hans-Jörg Kühne: Kriegsbeute Arbeit. Der „Fremdarbeitereinsatz“ in der Bielefelder Wirtschaft 1939–1945 (Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte 17), Bielefeld 2002, sowie Reinhard Vogelsang unter Mitarbeit von Monika Minninger und Friedhelm Schäffer: Im Zeichen des Hakenkreuzes. Bielefeld 1933–1945 (Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte 5), 3. Auflage, Bielefeld 1986. 2 Kühne, 2003, S. 24 ff.