Konservative Therapie und Operationsindikationen aus Orthopädischer Sicht Eine kritische Auseinandersetzung Prim. Prof. Mag. Dr. Bernd Stöckl Vorstand Abteilung für Orthopädie Klinikum Klagenfurt a. W. • Kreuzschmerz = „Volkskrankheit Nr. 1“ – 1 Drittel der Personen im Alter von 15 und mehr Jahren, also fast 2,3 Mio. Menschen, leiden unter Wirbelsäulenbeschwerden. – Diese sind auch die häufigste Ursache von Schmerzen: 1,5 Mio. Menschen hatten in den zwölf Monaten vor der Befragung im Bereich der Wirbelsäule zumindest zeitweise erhebliche Schmerzen, eine Million litten akut (in der Woche vor der Befragung) daran. •Statistik Austria Häufigkeit von chronischen Wirbelsäulenbeschwerden nach Alter •Statistik Austria • Diskusprolaps A • Osteochondrose e • Vertebrostenose • Foramenstenose l r • Degenrative Skoliose und Instabilität • Primäre Osteoporose t Signifikanter Zusammenhang •Diskusprolaps ist häufiger bei jungen Männern •Facettenschmerzen ist häufiger bei jungen Frauen mit >BMI •Frauen mit geringem BMI leiden häufiger an ISG Irritationen De Palma et al. Multivariable analyses of the relationships between age, gender, and body mass index and the source of chronic low back pain. Pain Med 2012 Abbau des Knochengewebes (Osteoporose) Abbau der Muskeln und Bänder Abbau der Bandscheibenhöhe Instabilität Ausgleich durch Anbauten an Wirbelsäule (Osteophyten) Lebenstil Wer "rückenfreundlich" lebt, schwere Belastungen meidet, Normalgewicht hält und sich viel bewegt, kann Rückenschmerzen durch altersbedingten Verschleiß vorbeugen. Schwere, körperliche Arbeit, dauerhaft einseitige Belastungen, starkes Übergewicht und Bewegungsmangel fördern dagegen die Abnutzung des Stützgerüsts. Auch große seelische Probleme oder eine pessimistische Lebenseinstellung können schwer auf den Schultern lasten. Während es manche 50-Jährige regelmäßig im Kreuz haben, gibt es auch 70-Jährige, die beschwerdefrei und fit durch die Gegend laufen - auch wenn sie deutliche Veränderungen an Knochen und Gelenken aufweisen. Eine mögliche Erklärung dafür könnten Unterschiede in der Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung sein. Deutlicher Zusammenhang Rückenschmerz und BMI ≥ 27 Reduzierte Fitness Schlechte Beweglichkeit Husu P et Suni J. Predictive validity of health-related fitness tests on back pain and related disability: a 6-year follow-up study among high-functioning older adults. J Phys Act Health. 2012 •Anamnese •Inspektion •Untersuchung •Bildgebung •Labor • Entzündungszeichen • Tumor (Plasmozytom) Ähnliche Symptome können durch 3 verschieden anatomische Regionen erzeugt werden (Referred Pain): Hüftgelenk Ileosacralgelenk Lumbale Wirbelsäule Die Wirbelsäule wird am besten im Stehen untersucht. Untersuchung von Hinten: • WS gerade und im Lot? • Beckengeradstand • Muskelassymetrie (Rippenbuckel und Lendenwulst) • Grobe Testung für die HWS (der Patient versucht sein Ohr in Richtung Schulter zu bringen) Untersuchung von der Seite: • beurteilen Sie die WS Krümmung • der Patient soll mit den Finger nach vorne bei gestreckten Knien die Füsse berühren (FBA), dies gibt einen Anhalt über die Beweglichkeit der LWS und der Hüfte. Untersuchung im Stehen und Gehen – Hinken M2.34 Klinische Fertigkeiten und Untersuchungstechnik LBH = Lenden Becken Hüftregion Differentialdiagnostische Untersuchung - Beinlängendifferenz (echt/unecht) - Vorlaufphänomen 20 a m Belastungsabhängige Schmerzen in der LWS bei Z.n. Autounfall als 3-jähriger mit OS Fraktur rechts mit BLD von 3 1/2 cm zu Ungunsten links. Trotz Schuhausgleich kommt es zu den oben beschrieben Beschwerden in der LWS Oberschenkelverlängerung links Beschwerdefrei! Untersuchung im Liegen – Vorlaufphänomen Echte Beinlängendifferenz - Kniestufe in Rückenlage - Unterschenkeldifferenz in Bauchlage M2.34 Klinische Fertigkeiten und Untersuchungstechnik Untersuchung im Liegen – Beweglichkeit Thomas-Handgriff M2.34 Klinische Fertigkeiten und Untersuchungstechnik Anatomie - ISG M2.34 Klinische Fertigkeiten und Untersuchungstechnik Untersuchung im Liegen – ISG ISG-Test M2.34 Klinische Fertigkeiten und Untersuchungstechnik LBH = Lenden Becken Hüftregion Differentialdiagnostische Untersuchung Untersuchung im Liegen – Muskeltests M.Iliopsoas M.Rectus femoris M.Tensor fascie latae M2.34 Klinische Fertigkeiten und Untersuchungstechnik Neurologische Untersuchung Diskusprolaps LWS (L5 und S1 häufigsten) Radikuläre Symptomatik Druck auf Nervenwurzel führt zu Sensibilitätsdefizit und motorischen Ausfall (Reflexverlust) M2.34 Klinische Fertigkeiten und Untersuchungstechnik Neurologische Untersuchung Diskusprolaps-HWS (selten) Klinik •Dermatomaustrahlung •Hyposensibilität •Reflexausfall •Muskelausfall •Kopf und HWS zur Gegenseite geneigt und gedreht gehalten M2.34 Klinische Fertigkeiten und Untersuchungstechnik Neurologische Untersuchung Pseudoradikuläre Schmerzen -keine Defizit-Symptomatik Ursache: - Spondylarthrose - LWS: Facetteninfiltration M2.34 Klinische Fertigkeiten und Untersuchungstechnik Neurologische Untersuchung Referred Pain Hacket Punkte Projektion C5 und C7 M2.34 Klinische Fertigkeiten und Untersuchungstechnik 55 a m 3 malige CT gesteuerte Infiltration L3 wegen chronischer Schmerzen der unteren LWS Orthopädische Erstvorstellung erst nach 8 Monaten 55 a m 3 malige CT gesteuerte Infiltration L3 wegen chronischer Schmerzen der unteren LWS Orthopädische Erstvorstellung nach 8 Monaten Rotationschmerzen in der Hüfte Impingmentzeichen Beginnende Coxartrhose mit Labrumlaesion HTEP (schmerzfrei) 20 a m Belastungsabhängige Schmerzen in der LWS bei Z.n. Autounfall als 3-jähriger mit OS Fraktur rechts mit BLD von 3 1/2 cm zu Ungunsten links. Trotz Schuhausgleich kommt es zu den oben beschrieben Beschwerden in der LWS Oberschenkelverlängerung links Beschwerdefrei 69 a m Zunehmende Beschwerden in der LWS im Gehen und ausstrahlende Schmerzen insbesondere Oberschenkel links MRT mit Spinalkanalstenose Foramenstenose L3 rechts CT gesteuerte Infiltration L3 rechts Foraminotomie L3 rechts Weitgehend beschwerdefrei und zufrieden! • Facettengelenksinfiltration • Pseudoradikuläre Schmerzen bei Spondylarthrose • CT gesteuerte Infiltration der Nervenwurzel • • Indikationsstellung zur Operation und TherapieVersuch Höhenlokalisation – Manualtherapie und Untersuchung – Schmerztherapie und Osteoporosetherapie – Injektionstherapie – Miederversorgung (Korsett) – Physiotherapie (Mobilisierung) – Physikalische Therapien – Ergotherapie – Psychologie Konservative Therapie Infiltrationstechniken Methode Beschreibung ambulant stationär Intraartikuläre Injektionstherapie Injektion von Lokalanästhetika direkt in große Gelenke + - FacettengelenksInfiltration Lokalanästhesie an den kleinen Wirbelgelenke + - Paravertebrale Spinalanästhesie Blockade paravertebraler Spinalganglien +/- + Epidurale Injektion Lokalanästhetika im Epiduralraum - + Sakrale Plexusanaesthesie Lokalanästhesie durch den Conus sacralis + Sympathikusblockade Lumbale Blockade des Sympathikus paravetebral +/- + Andere spezielle Blocktechniken 3 in 1 Blöcke usw. +/- + • Dieser Therapieform liegt die Beobachtung zugrunde, dass chronische Kreuzschmerzpatienten in zunehmenden Ausmaß ihre Leistungsfähigkeit verlieren. In den USA wird das als „Deconditioning Syndrome“ bezeichnet • 4 Wochen dauernde Therapie von täglich 8 Stunden Dauer • Eingangs- und Ausgangsphase • organisch-orthopädische und psychologische Therapie – die Leistungsgrenzen werden sukzessive hinauf gesetzt – Patient wieder Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit gewinnt • Gruppentherapie – Ideal sind zwei parallele Gruppen – Anfängergruppe ein Vorbild an der bereits fortgeschrittenen Gruppe nehmen kann Hildebrandt J et al. Das Göttinger Rücken Intensiv Programm (GRIP) Teil 1. Der Schmerz, 1996 Saur P et al. Das Göttinger Rücken Intensiv Programm (GRIP) Teil 2. Der Schmerz 1996 Pfingsten M et al. Das Göttinger Rücken Intensiv Programm (GRIP) Teil 3. Der Schmerz 1996 Pfingsten M et al. Das Göttinger Rücken Intensiv Programm (GRIP) Teil 4. Der Schmerz 1997 • 4 Wochen dauernde Therapie von täglich 8 Stunden Dauer • Eingangs- und Ausgangsphase • organisch-orthopädische und psychologische Therapie – die Leistungsgrenzen werden sukzessive hinauf gesetzt – Patient wieder Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit gewinnt • Gruppentherapie – Ideal sind zwei parallele Gruppen – Anfängergruppe ein Vorbild an der bereits fortgeschrittenen Gruppe nehmen kann Hildebrandt J et al. Das Göttinger Rücken Intensiv Programm (GRIP) Teil 1. Der Schmerz, 1996 Saur P et al. Das Göttinger Rücken Intensiv Programm (GRIP) Teil 2. Der Schmerz 1996 Pfingsten M et al. Das Göttinger Rücken Intensiv Programm (GRIP) Teil 3. Der Schmerz 1996 Pfingsten M et al. Das Göttinger Rücken Intensiv Programm (GRIP) Teil 4. Der Schmerz 1997 • Spezielle Orthopädische Schmerztherapie in 28 Häusern • „Functional Restoration“ Programme an 4 Häusern – Wien/Speising (einzige öffentliche Einrichtung) – Sonderkrankenanstalten Stolzalpe* – Warmbad Villach – Theresienhof Frohnleiten – LKH Klagenfurt (Pilotprojekt Multimodaler Schmerz, Aussenstelle Althofen) Schmerztherapie Injektionsbehandlung Physikalische Therapien Functional Restauration Bandscheibenchirurgie Dekompressionen neuraler Strukturen Spondylodesen (dorsal/ventral) Bandscheibenprothesen OA Dr.Wolfgang Achatz OA Dr. Peter Putzinger Ass. Dr. Markus Rinaldi • Bei Therapieresitenz OP-Indikation – Minimalinvasiv – Endoskopisch (assistiert) – Lumbal (Nukleotomie/Diskektomie) – Cervical (Resektion!) – Ergebnisse der Zentren unterschiedlich! • Interspinöse Implantate •Aufspreizen des Zwischenwirbelraumes •Keine Evidenz •Ergebnisse schlecht • Dekompressionen • Foraminotomie • Foramenstenose • Recessusstenose • CAVE Narbenbildung! • Laminotomie • Spinalkanalstenose • Instabilität! • Claudicatio spinalis mit Schmerzen in beiden oder einem Bein • Hypertrophie der Facettengelenke, Bandscheibe, WK-Frakturen • Konservative Therapie mit epiduralen Injektionen (Cortison) • Operativ: Dekompression (schonend) • Spondylodese • Dorsal • Osteochondrose • Spondylarthrose • Bandscheibe nieder • Ventral • Instabilität • Osteochondrose • Bandscheibe hoch • Dorso-ventral • Instabilität • Spondylolisthese • Spondyloptose • Spondylodese • Ventral • Instabilität • Osteochondrose • Bandscheibe hoch •Dorso-ventral • Instabilität • Spondylolisthese • Spondyloptose Fallbeispiel Rezidivvorfall und Osteochondrose 47 a m Bandscheiben OP vor 2a Wechselseitge Schmerzen li. und re. Bein Massive Osteochondrose und Rezidivvorfall links Ventral/Dorsale Fusion L5/S1 • Bandscheibenprothese • Lumbal Ergebnisse hinter den Erwartungen Revision (Katastrophe) Ventrale Narben Knochenverlust • Bandscheibenprothese •cervical Cave mehr als 2 Höhen WS im Alter Der Spiegel „Wenn das Rückgrat zur Seite knickt“ Unsere Wirbelsäule verschleißt mit der Zeit. Dadurch kann sich das Rückgrat zu einer Seite krümmen. Das ist für viele Betroffene mehr als ein Schönheitsmakel. Denn Erkrankte leiden oft unter Rückenschmerzen • Meist ein Mischbild aus Osteoprotischen Frakturen, Instabilität und Achsabweichung • Problem der Knochenkonsistenz für Instrumentarien • Ergebnisse oft schlecht • Proximale Dekompensation • Zu kurze Instrumentierung wegen OP Risiko, Alter, OP-Zeit 80 Prozent aller Osteoporosen betreffen postmenopausale Frauen. 30 % aller Frauen entwickeln nach der Menopause eine klinisch relevante Osteoporose. •Primäre Osteoporose (95 %) – idiopathische Osteoporose junger Menschen – Postmenopausale Osteoporose (Typ IOsteoporose) – Senile Osteoporose (Typ II-Osteoporose) •Sekundäre Osteoporose (5 %) •DD: Tumore!!! • Behandlungsmöglichkeiten und Prävention – Lebensweise – körperliche Aktivität – Sonnenlicht die Vitamin-D-Produktion der Haut. – Ernährung – starker Alkohol- und Tabakkonsum • Pharmakotherapie ■ Bisphosphonate ■ Selektive ÖstrogenRezeptorModulatoren ■ Parathormon und sein Analogon Teriparatid ■ Strontiumranelat •Indikationen •Frischer Wirbelkörpereinbruch (< 2 Monate) •Therapieresitente Schmerzen •Metastasen Prim. Prof. Mag. Dr. Bernd Stöckl 2010 •Ergebnisse Literatur Review Spine 2009 •Gute Evidenz (Level I) bessere Schmerzbekämpfung in den ersten 2 Wo •Akzeptable Evidenz (Level II – III) für weniger Immobilisierung binnen 3 M •Akzepable Evidenz (Level II – III) mit besseren Ergebnis für täglich Aktivitäten nach KP nach 6 Monaten •Konklusio •Physische Mängel, Allegemeinzustand und Schmerzreduktion sind nach VP und KP besser als in der Medikamentengruppe • 2 Jahres randomisierte Studien sind notwendig • Blockierungen • Verrenkung (Verwringung) • Arthrose • Entzündungen • Rheuma • Infektion (sehr selten) • Blockierungen • Manualtherapie (Deblockierung) • Infiltration • Entzündungen • Rheuma (Medikamentös) • Infektion (OP und Antibiose) • Blockierungen • Manualtherapie (Deblockierung) • Infiltration • Entzündungen • Rheuma (Medikamentös) • Infektion (OP und Antibiose) Ischialgiforme Schmerzen Ursache Engstelle zwischen den Muskelbäuchen des M. piriformis Therapie: konservativ (Mobilisierung) • Arthrose (häufigste Ursache) • Entzündung (selten) • Aktivierte Arthrose • Rheumatische Erkrankung • Infektion (selten) 80 a w 30 Tage Oxytoxin wegen starker Schmerzen mit Austrahlung bis zum Knie Stationär NCH zur WS OP Vorstellung Orthopädie Röntgen – Fraktur sichtbar HTEP • Inadäquate Indikation • Narbenbildung um Nervenwurzeln • Anschlussdegenrationen • Massive Schmerztherapien mit Opiaten • Schmerzpumpen • Frustrane Reoperationen • Massiv Indikationsabhängig!!! • Sehr oft invalidisierend Patienten kommen oft nicht mehr in den Arbeitsprozess zurück! • Konservative Therapie Regime ausnützen! • WS Reha • Functional Restaurantion oder Multimodaler Schmerz stationär • Erfolgsquote 80-90% (Rückkehr zum Arbeitsplatz) • Ambulante Ergebnisse in Arbeit Danke