Chronische Schmerzen Prof. Dr. med. Dr. phil. Stefan Evers Klinik und Poliklinik für Neurologie Universitätsklinikum Münster Schmerz: Lokalisation (Schmerzen in den letzten 7 Tagen) Männer Frauen Kopf 36 % 21% Gesicht 9% 5% Nacken 33 % 18% Schultern 28 % 19% Rücken 39 % 31% Unterleib 10 % 10% Beine 22 % 2% Füße 15 % 9% Bauch 15 % 8% Schmerztypen Nozizeptiver Schmerz Neuropathischer Schmerz Angemessene physiologische Reaktion auf schmerzhafte Stimuli (mechanisch, thermisch, chemisch) Unangemessene Reaktion aufgrund einer Dysfunktion im peripheren oder zentralen Nervensystem Cave: Schmerz als somatoforme oder psychotische Störung Symptome des neuropathischen Schmerzes Stimulusunabhängiger Schmerz Brennender Dauerschmerz Paroxysmaler, einschießender, stechender Schmerz Lanzinierender (elektrisierender) Schmerz Parästhesien (unangenehme Empfindung) Dysästhesien (andersartige Empfindung) Symptome des neuropathischen Schmerzes Stimulusabhängiger Schmerz Hyperalgesie Allodynie Hyperalgesie versus Allodynie Hyperalgesie Allodynie Übersteigertes Schmerzempfinden auf einen normalen Schmerzreiz Schmerzempfinden aufgrund eines Reizes, der normalerweise nicht schmerzhaft ist Diagnosestellung bei Patienten mit neuropathischem Schmerz Medizinische Vorgeschichte (Anamnese) Körperliche (neurologische) Untersuchung Diagnostische Tests Medizinische Vorgeschichte Zentrale Ursachen Periphere Ursachen Schlaganfall Läsionen des Rückenmarks Multiple Sklerose Tumoren Trauma (z.B. Phantomschmerz) toxisch (Alkohol) Infektionen (z.B. Herpes zoster, HIV, Borreliose) autoimmun vaskuläre oder metabolische Störungen (Diabetes!!!) paraneoplastisch genetisch Engpasssyndrome Neurologische Untersuchung Motorik Somatosensorische Untersuchung – Schmerz, Berührung, Druck, Position, Vibration Vegetatives Nervensystem – Temperaturregulierung, periphere Vasokonstriktion, Schwitzen, Pilomotorenreaktion, trophische Veränderungen Diagnostische Tests Sensorisch Elektromyographie (EMG) Nervenleitgeschwindigkeit Thermotest Nervenleitgeschwindigkeit von Frey-Haartest Algometer Motorisch Vegetativ Herzfrequenz Schwitztest Hauttemperatur Messung des Blutflusses Vibrameter (Stimmgabel) Neuropathische Schmerzen: Therapie • Patienten mit neuropathischen Schmerzen suchen in 10 Jahren 8 Ärzte auf • Patienten mit neuropathischen Schmerzen sind in 10 Jahren im Schnitt 72 Tage zur Behandlung hospitalisiert Neuropathische Schmerzen: Therapie Aufklärung über spezifische Nebenwirkungen Verschlechterung der Compliance, wenn der Patient meint, es werde eine Depression oder eine Epilepsie behandelt! Dosierung bei chronischen Schmerzen niedriger als bei Hauptindikationen Abendliche Einnahme Aufdosierung bis in den schmerztherapeutisch effektiven Bereich über 3 bis 4 Wochen Bei älteren und multimorbiden Patienten mit niedrigerer Dosis beginnen Neuropathische Schmerzen: Therapie Grundursache behandeln (z.B. Diabetes mellitus) lokale Applikation von Substanzen systemische Gabe von Substanzen nicht-medikamentöse Verfahren Erlernen von Verhaltensweisen, mit den Schmerzen umzugehen oder Modifizierung der Schmerzwahrnehmung Medikamentengruppen Trizyklische Antidepressiva Antikonvulsiva Analgetika Lokalanästhetika und Sympathikus-Blockade Capsaicincreme Nicht-pharmakologische Ansätze Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) Akupunktur Rückenmarks- und intrazerebrale Stimulation (z.B. SCS) Dorsal Root Entry Zone (DREZ)- Läsionen (Eintrittszonen der hinteren Spinalwurzel) Psychotherapeutische Verfahren Medikamente I Trizyklische Antidepressiva: – Amitriptylin 75 mg abends – Imipramin, Clompiramin, Mirtazapin, Duloxetin Keine Wiederaufnahmehemmer (Ausnahme: Duloxetin) Anticholinerge Nebenwirkungen KI: Herzrhythmusstörungen, Glaukom, Prostatahyperplasie Medikamente II Antikonvulsiva: – Gabapentin bis 2400 mg, Pregabalin bis 600 mg – Carbamazepin, Oxcarbazepin – Lamotrigin (bei zentralen Schmerzen) NW: Gewichtszunahme, Interaktionen mit anderen Medikamenten, Entzugsanfälle, Ataxie/Doppelbilder Medikamente III Analgetika – NSAR und andere Nicht-Opioid-Analgetika – Schwach wirksame Opioid-Analgetika – Stark wirksame Opioid-Analgetika Gabe nach WHO-Stufenschema Opioid-NW: Obstipation, Übelkeit, kognitive NW Topische Therapie bei Hyperalgesie Behandlung: Blockade peripherer Veränderungen Topische oder lokale Anästhetika – EMLA-Creme (Lidocain/Procain) – Blockade oder Lidocain lokal Capsaicin