Aufgabe 4.3: Schalten einer induktiven Last Das Beispiel betrifft das Schalten einer induktiven Last z.B. eines Motors, eines Elektromagneten, eines Relais oder dergleichen. Induktive Last iL(t) uL(t) L R RL D T U0 » L uS(t) uRL(t) R uR(t) U0 RL D S Fig. 1: Schalten einer induktiven Last L mit einem Transistor T (links). Die Berechnung kann anhand eines Ersatzbildes erfolgen, in dem der Transistor durch einen Schalter ersetzt wird. Fig. 1 zeigt ein entsprechendes Schaltbild. Hier wird als induktive Last ein Spule, welche durch eine Induktivität L und einen, die unvermeidlichen Verluste repräsentierenden, ohmschen Serienwiderstand R modelliert wird, über einen Transistor T geschaltet. Ein Transistor im Schalterbetrieb kann in guter Näherung als Schalter betrachtet werden, welcher über seine so genannte Basis (das ist der im Bild nach links weggehende Anschluss) gesteuert wird. Bei genügend Basispotential schaltet die so genannte Kollektor-Emitter-Strecke (das ist die Strecke zwischen den beiden übrigen Anschlüssen) durch und kann durch einen Kurzschluss ersetzt werden; bei verschwindendem Basispotential kann hier eine Unterbrechung angenommen werden. Dementsprechend können wir näherungsweise das rechts im Bild gezeigte Ersatzbild verwenden, wobei der Schalter S hier durch das Basispotential des Transistors gesteuert wird1. Die beiden noch nicht erwähnten Bauelemente sind eine Diode D und ein weiterer Widerstand R deren Bedeutung uns in weiterer Folge klar werden wird. Nehmen wir vorerst an, dass dieser zusätzliche Zweig R-D nicht vorhanden wäre – er spielt ja beim Schließen des Schalters für unsere induktive Last zunächst auch keine Rolle. Die ganze Schaltung liegt an einer Gleichspannungsquelle mit dem konstanten Wert U0. Nehmen wir an, S wird zu t = 0 geschlossen und die Induktivität möge zu diesem Zeitpunkt stromlos sein. Die Spannung U0 liegt ab diesem Zeitpunkt an der Serienschaltung RL-L. Das Aufstellen der Differentialgleichung für diesen Zweig und die Lösung nach den in den vergangenen Kapiteln beschriebenen liefert nach Berücksichtigung der Anfangsbedingungen i (t ) U0 1 et / RL u L (t ) U 0 e t / 1 (1) L RL Neben dieser Anwendung werden Transistoren meist als Verstärker verwendet, hier liegen die Basispotentiale in einem mittleren Bereich an, wodurch der Strom zwischen Kollektor und Emitter auch effizient „stufenlos“ gesteuert werden kann – mehr dazu in Ihren Elektronik-Vorlesungen. Wenn der Schalter unendlich lange geschlossen bliebe, würde sich der Strom dem Endwert U 0 / RL beliebig nähern. (Überlegen Sie sich zur Übung, was im Falle einer idealen Spule mit RL = 0 passieren würde.) Was passiert nun, wenn der Schalter zu einem Zeitpunkt t1 geöffnet wird? Da wir vorläufig davon ausgehen, dass der Zweit R-D nicht vorhanden wäre, haben wir aufgrund des offenen Schalters automatisch die Bedingung i(t ) 0, für t t1 . Die Induktivität führt allerdings unmittelbar vor dem Öffnen einen endlichen Strom i (t1 ) U0 1 e t1 / . RL (2) Da gemäß Stetigkeitsbedingung der Strom in einer Induktivität nicht springen kann, stehen die beiden Bedingungen miteinander in Widerspruch, welche stimmt also? Tatsächlich kann die Induktivität den Strom aufrechterhalten, sie erhöht bei „drohendem“ Abreißen des Stromes nämlich die Spannung an ihren Enden solange, bis der Strom weiter fließt, er bleibt tatsächlich stetig. Im Falle eines mechanischen Schalters bedeutet dies, dass sich die Spannung über dem offenen Schalter auf einen Wert steigert, der zur Zündung eines Lichtbogens führt, welcher den Stromfluss aufrechterhält. Im Falle des Transistors bewirkt die ansteigende Spannung einen so genannten Durchbruch im Halbleiter, welcher den Transistor wieder leitend macht – leider ist dieser Effekt jedoch irreversibel, der Transistor ist defekt. Lichtbögen in mechanischen Schaltern sind mit Materialabtrag verbunden und schädigen den Schalter auf lange Sicht. In jedem Fall ist man daher bemüht, diesen schädlichen Effekt der durch die „Entladung“ der Induktivität entsteht, zu vermeiden. Bevor wir eine mögliche Gegenmaßnahme vorstellen, möchten wir noch kurz an den physikalischen Hintergrund für die entstehende hohe Spannung erinnern. Formal wird die Spannung an der Spule durch L di/dt beschrieben. Eine abrupte Stromänderung würde demnach zu unendlich großen Spannungen führen, was den beschriebenen Spannungsanstieg rechnerisch erklärt. Die Verknüpfungsbeziehung beschreibt die Selbstinduktion in der Spule, d.h. die Spannung die durch den, in der Spule selbst fließenden, zeitlich veränderlichen Strom induziert wird. Letzterer bewirkt das Magnetfeld in der Spule. Wenn dieses Magnetfeld durch einen sich rapide verringernden Strom zusammenbricht, also einer starken zeitlichen Änderung unterworfen ist, entsteht entsprechend dem Faradayschen Induktionsgesetz eine große induzierte Spannung an den Anschlüssen der Spule, welche für die Stetigkeit des Stromflusses in der Spule gemäß Stetigkeitsbedingung sorgt. Das bis jetzt ignorierte Glied R-D bietet nun eine Abhilfe. Eine Diode D ist nämlich ein elektrisches Ventil, das den Strom nur in einer Richtung leitet. Für Ströme in Richtung des Pfeilsymbols stellt die Diode in guter Näherung einen Kurzschluss dar, andernfalls kann die Diode als Leerlauf betrachtet werden und eine entgegen der Pfeilrichung im Symbol orientierte Sperrspannung fällt an ihr ab (verfeinerte Modelle werden Sie in den ElektronikVorlesungen kennen lernen). Bei geschlossenem Schalter S steht über der Diode eine Spannung in Sperrrichtung, sie leitet nicht und der Strom durch den Serienwiderstand R verschwindet. Die Sperrspannung an der Diode ist demnach gleich U0. Im parallelen Zweig RL-L fließt hingegen ein Strom wie oben berechnet. Öffnet der Schalter jetzt zum Zeitpunkt t1, so muss gemäß Stetigkeitsbedingung der Strom durch die Induktivität weiter fließen und das ermöglicht ihm die Diode D! Der Stromkreis schließt sich nun nicht mehr über die Spannungsquelle, sondern über den Zweig R-D so lange, bis die Induktivität entladen ist. Wie Sie sich leicht ausrechnen können, klingt der Strom gemäß (Sie können die Diode nun durch einen Kurzschluss ersetzen!) i (t ) i (t1 ) e (t t1 ) / 1 mit 1 (3) L RL R ab. Die gesamte Spannung an der Spule, uS, ergibt sich aus u S (t ) u RL (t ) u L (t ) u R (t ) i(t ) R i(t1 ) R e (t t1 ) / 1 . (4) Dementsprechend dreht sich die Richtung der Spannung an der Spule mit dem Öffnen des Schalters schlagartig um und klingt dann exponentiell (mit einer neuen Zeitkonstante 1) ab! Die Höhe der Spannungsspitze ist in der praktischen Auslegung wichtig bei der Auswahl des Schalters bzw. muss R entsprechend dem Schalter dimensioniert werden. Ein kleineres R bedeutet eine kleinere Spannungspitze, gleichzeitig verlangsamt sich aber auch der Entladevorgang. Bei der Berechnung der maximal über dem geöffneten Schalter auftretenden Spannung ist zu beachten, dass sich die Spulenspannung aufgrund der Polaritätsumkehr zur Betriebsspannung addiert. Derartige Schaltungen zur Vermeidung von Spannungsspitzen werden im einfachsten Fall auch ohne Widerstand R realisiert. In diesem Fall erfolgt der Abbau der Energie während des Entladevorgangs durch den ohmschen Widerstand der Spule und zum geringeren Teil auch über die Diode (deren ohmschen Anteil wir hier vernachlässigt haben). Die Diode wird auch als „Freilaufdiode“ bezeichnet, der Vorgang des Abbaus der in der Spule gespeicherten magnetischen Energie wurde besonders früher mitunter als „Funkenlöschung“ bezeichnet, da der Funken (Lichtbogen) am Schalter vermieden wurde. Fig. 2 zeigt den zeitlichen Verlauf des Stromes und der Spannung an der induktiven Last für ein Zahlenbeispiel mit L = 100 mH, RL = 50 , R = 200 , U0 = 10 V und t1 = 10 ms. i(t) 0.2 0.1 0 0 0.005 0.01 t in s 0.015 0.02 0.005 0.01 t in s 0.015 0.02 uS(t) 50 0 -50 0 Fig. 2: Verlauf des Stromes und der Spannung an einer Spule (bestehend aus RL und L) bei Einschalten und anschließendem Ausschalten unter Verwendung einer Freilaufdiode und eines zusätzlichen Entladewiderstandes R.