9.5.1 Herpes-simplex-Keratitis 9.5 Virale Hornhauterkrankungen 9.5.1 Herpes-simplex-Keratitis Primärinfektion, Latenz und Rezidiv Das Herpes-simplex-Virus (HSV) Typ l wird bei über 95% der Fälle von Herpesbefall der oberen Körperhälfte isoliert, während im Genitalbereich Typ 2 vorherrscht. 50–90% aller Menschen erleiden eine HSV-Infektion im Laufe ihres Lebens. Die primäre Infektion mit HSV Typ 1 findet meist in der frühen Kindheit statt, während Typ 2 entweder bei der Geburt oder häufiger zwischen 16 und 30 Jahren durch sexuellen Kontakt mit einer infizierten Person erworben wird. Die primäre Infektion verursacht eine Virämie. Diese bewirkt die Bildung humoraler Antikörper, die zeitlebens nachweisbar bleiben. Oft verläuft eine solche Infektion subklinisch. Bei späteren HSV-Erkrankungen von Personen, die eine primäre Infektion bereits durchgemacht haben, handelt es sich fast immer um Rezidive, obwohl eine Aufpfropfinfektion, d. h. der Befall durch einen anderen HSV-Stamm, möglich ist. Nach der primären okulären oder – wesentlich häufiger – oralen oder fazialen HSV-Infektion etabliert das Virus eine latente Infektion (Latenz) in den Neuronen des Trigeminus, v. a. des Ganglion Gasseri, aber auch lokal im Hornhautendothel (Holbach u. Mitrab. 1998, Cook u. Hill 1991). Die Viren befinden sich in einem dynamischen Zustand der fortwährenden, langsamen Replikation eines Teiles ihres Genoms (latenzassoziierte Transkription). Bei einer Störung des Gleichgewichts zwischen Wirt und Virus kommt es zu einem lokalen Rezidiv. Man kennt zahlreiche Faktoren, die Rezidive auslösen können, z. B.: ■ Traumata wie Excimerlaser-Keratektomie (Wulff u. Fechner 1997), ■ Sonnenlicht, ■ Menstruation, ■ Fieber, ■ körperliche und seelische Belastung, ■ Kortikoide, ■ Adrenalin. Worin die Störung des Gleichgewichts im Einzelnen besteht, ist nicht ausreichend geklärt. Die Häufigkeit der Rezidive beträgt ca.10% nach einem Jahr, 50% nach 10 Jahren und über 60% nach 20 Jahren (The Herpetic Eye Disease Study Group 1996, 1997, Wilhelmus u. Mitarb. 1994, Barron u. Mitarb. 1994). Zu einem Rezidiv nach primärer okulärer Herpesinfektion kommt es in mindestens 1⁄3 der Fälle, wovon wiederum 50% mehr als einmal erkranken. Tipp Besonders häufig sind Rezidive bei HIV-Infizierten. Klinisches Bild Das HSV ist eine sehr häufige Ursache einer Keratitis. Man sollte immer daran denken! Typischerweise verläuft die Krankheit einseitig (Ausnahmen öfter im Kindesalter) (Chong u. Mitarb. 2004). Anamnestisch kann oft eine zurückliegende Augenentzündung (im Sinne eines Rezidivs) erfragt werden. Eine Reduktion der Hornhautsensibilität (vor der Augeninnendruckmessung bestimmt) ist richtungweisend. Analog besteht häufig eine Diskrepanz zwischen der Schwere des objektiven Befunds und den subjektiven Schmerzen. Es besteht keine ausgeprägte Bindehautbeteiligung (keine Follikel!). Diagnostik Vitalfärbungen (z. B. Bengalrosa oder Fluoreszein/ Blaulicht) sind für die biomikroskopische Diagnosefindung an der Spaltlampe sehr hilfreich. 155 aus: Erb, Medikamentöse Augentherapie (ISBN9783131179258) © 2010 Georg Thieme Verlag KG Erkrankungen der Hornhaut um der Substanz die Penetration in das Hornhautstroma zu ermöglichen. Bis zum Eintreffen der mikrobiologischen Ergebnisse kann mit 2%igen Voriconazol Augentropfen, in 1⁄2- bis 1-stündlicher Gabe begonnen werden. Unter halbtägiger Spaltlampenkontrolle sollte die inflammatorische Komponente zunächst mit 1–2 Tropfen Prednisolon, später höher dosiert, zurückgedrängt werden. Bei fortgeleiteter Endophthalmitis kann nach erneuter Probenentnahme (z. B. für die PCR-Diagnostik) intrakameral wiederholt Amphotericin B gegeben werden. Gleichzeitig empfiehlt sich zusätzlich eine hochdosierte systemische Applikation eines neueren Azols oder Echinocandins – je nach mikrobiologischem Ergebnis (Behrens-Baumann 2009). 9 9.5 Virale Hornhauterkrankungen Tab. 9.11 Klassifikation der Herpeskeratitis (modifiziert nach Holland u. Schwartz 1999). ■ infektiöse epitheliale Keratitis (Keratitis dendritica/ geographica) ■ stromale Keratitis – nekrotisierend („herpetisches Ulkus“) – immunologisch („interstitielle Keratitis“) ■ Endotheliitis („disziforme Keratitis“, „Keratouveitis“) ■ neurotrophe Keratopathie (sog. „metaherpetische Keratitis“) ■ (vaskularisierte) Hornhautnarben mit/ohne Stromaverdünnung Cave Die HSV-Keratitis ist ein Chamäleon. Sie kann vorliegen als: ■ infektiöse epitheliale Keratitis (Keratitis dendritica/geographica), ■ stromale Keratitis (entweder nekrotisierend – „herpetisches Ulkus“) oder immunologisch („interstitielle Keratitis“), ■ Endotheliitis („disziforme Keratitis“, „Keratouveitis“), ■ neurotrophe Keratopathie (sog. „metaherpetische“ Keratitis). Sie endet nicht selten als mehr oder weniger dichte (vaskularisierte) Hornhautnarben, typischerweise mit Stromaverdünnung (Tab. 9.11). Die genannten Krankheitsbilder können aber auch auseinander hervorgehen und nebeneinander bestehen. Eine Uveitis mit/ohne akute okuläre Hypertension kann gleichzeitig vorhanden sein. Abb. 9.8 Klassische herpetische Keratitis dendritica (Vitalfärbung mit Fluoreszein und Blaulicht). Epitheliale HSV-Keratitis Erkrankungen der Hornhaut Klinisches Bild 9 Typisch ist die Keratitis dendritica (Abb. 9.8), wobei der Grund für die Verästelung unbekannt ist. Sie folgt nicht dem Verlauf der Hornhautnerven. Im Frühstadium kann man punkt- oder sternförmige, opaque Plaques aus geschwollenen Epithelzellen beobachten. Daraus entwickelt sich die Keratitis dendritica oder, bei Konfluenz dieser Läsionen, eine Keratitis geographica (v. a. nach Kortikoidtherapie) (Abb. 9.9). Innerhalb einiger Tage entsteht ein leichtes subepitheliales Infiltrat, das nach Wischabrasion zurückbleibt. Abb. 9.9 Keratitis herpetica geographica. Rezidiv auf dem Transplantat (Vitalfärbung mit Fluoreszein und Blaulicht). Einteilung der Keratitis herpetica Die wichtigste ophthalmologische Manifestation der HSV-Erkrankung ist die herpetische Keratitis. Hierbei handelt es sich, wenn man von der seltenen primären Hornhautinfektion absieht, immer um ein Rezidiv. Therapie Die Lokaltherapie besteht aus Trifluorthymidin (TFT) Augentropfen 5 ×, Aciclovir Augensalbe 5 × oder Ganciclovir Augengel 5 ×, ausschleichend über wenige Wochen. Vidarabin und Foscarnet sind im Fall von Aciclovirresistenz vorgeschlagen worden. Cidofovir hat sich wegen starker lokaler Toxizität in wirksamer Dosierung nicht durchgesetzt (Hillenkamp u. Mitarb. 2002). 156 aus: Erb, Medikamentöse Augentherapie (ISBN9783131179258) © 2010 Georg Thieme Verlag KG 9.5.1 Herpes-simplex-Keratitis Eine systemische Aciclovirtherapie ist primär nicht nötig. Die zweite Herpetic Eye Disease Study (HEDS) zeigte allerdings, dass Aciclovir 400 mg 2 × tgl. p. o. für 1 Jahr die Rezidivrate und das Fortschreiten zur stromalen Keratitis erheblich reduzierte (The Herpetic Eye Disease Study Group 1998). Die kurzfristige orale Aciclovirbehandlung (für 3 Wochen) reduzierte (im Gegensatz zur langfristigen Gabe) bei einer Beobachtungsdauer von 1 Jahr jedoch die Inzidenz einer stromalen Herpeskeratitis nicht (The Herpetic Eye Disease Study Group 1997). Lokale Kortikosteroide sind bei epithelialer HSV-Keratitis kontraindiziert. Da es nach 2–3 Wochen in der Regel zur Spontanheilung kommt und die Rezidivrate sowie die Häufigkeit der sekundären Stromabeteiligung mit und ohne Therapie ähnlich sind, besteht der Wert der Therapie in der Verkürzung der Erkrankungsdauer. Diese beträgt mit Virostatika durchschnittlich bei etwa 1 Woche (Sundmacher 1985). Tipp Durch eine schonende partielle Wischabrasio des Hornhautepithels mit dem Watteträger lassen sich nahezu 100% der Viren zusammen mit dem Epithel entfernen. Stromale HSV-Keratitis Hier müssen wir unterscheiden zwischen: ■ der ulzerierenden nekrotisierenden stromalen Keratitis („herpetisches Ulkus“), ■ der klassischen, vornehmlich immunologisch bedingten „interstitiellen Keratitis“ (Knickelbein u. Mitarb. 2009). Abb. 9.10 Ulzerierende nekrotisierende stromale Keratitis („herpetisches Ulkus“) mit Descemetozele (Pfeil) (Vitalfärbung mit Bengalrosa). lich herabgesetzt. Es lassen sich Viren im befallenen Hornhautgewebe nachweisen (Holbach u. Mitarb. 1990). Interstitielle Keratitis Bei der interstitiellen Keratitis finden sich Immunkomplexe im Stroma. Man geht von einer AntigenAntikörper-Komplement-Kaskade aufgrund von im Stroma verbliebenem Virusantigen aus. Wenn keine T-Zellen vorhanden sind, entwickelt sich auch keine interstitielle HSV-Keratitis (Missotten 1994). Tipp Hier nicht von „disziformer Keratitis“ sprechen (Abb. 9.11). Therapie Ulzerierende stromale Keratitis Cave Sowohl Steroide als auch NSAID sind im Hinblick auf die mögliche Hornhautperforation initial kontraindiziert! Klinisches Bild Ulzerierende stromale Keratitis Beim Ulkus findet sich reichlich aktives Virus im Stroma (Abb. 9.10). Typischerweise verläuft die Krankheit initial ohne Hypopyon, nicht selten ist das Ulkus jedoch bakteriell superinfiziert. Typischerweise tritt der Befund einseitig auf und die Hornhautsensibilität ist mehr oder weniger deut- ■ Lokal: Aciclovir Augensalbe 5 ×, Antibiotika (z. B. Vigamox Augentropfen 5 ×), Zykloplegika (z. B. Atropin EDO Augentropfen 2 ×). Initial keine Steroide! ■ Systemisch: Aciclovir 5 × 400/800 mg oral für etwa 4 Wochen, dann auf 2 × 400 mg reduzieren. In den Augen mit nekrotisierender HSV-Keratitis 157 aus: Erb, Medikamentöse Augentherapie (ISBN9783131179258) © 2010 Georg Thieme Verlag KG Erkrankungen der Hornhaut Cave 9 9.5 Virale Hornhauterkrankungen verbessert die Zusatzbehandlung mit systemischem Virustatikum das endgültige Resultat (Barron u. Mitarb. 1994). ■ Die Keratoplastik à chaud sollte im Zeitalter der Amnionmembrantransplantation (AMT) auf die Perforation beschränkt bleiben. Ansonsten erlaubt die AMT (typischerweise als „MultigraftSandwich“) im Akutstadium, die Keratoplastik in das reizfreie und damit prognostisch wesentlich günstigere Intervall zu postponieren (Resch u. Mitarb. 2006, Seitz u. Mitarb. 2006, Seitz 2007). Cave Abb. 9.11 Klassische „disciforme Keratitis“ (fokale herpetische Endotheliitis). Eine Excimerlaser-PTK ist kontraindiziert! Erkrankungen der Hornhaut Interstitielle Keratitis 9 ■ Bislang empfiehlt die Mehrzahl der Autoren die kombinierte Therapie mit topischen Kortikoiden und Virustatika (Kaufman 1985, Sundmacher 1985). Wir wenden primär die topische Therapie mit Aciclovir Augensalbe (5 ×) und Prednisolonacetat 5 × an. Beide Medikamente schleichen wir unter Reduktion der Applikation alle 2 Wochen langsam aus. ■ Bei unzureichendem Effekt und bei ausgeprägter Keratouveitis oder Sekundärglaukom geben wir systemisch Aciclovir 5 × 400 mg für 4 Wochen, mit anschließender Reduktion auf 2 × 400 mg über mehrere Monate (alternativ Valaciclovir 3 × 1 g, später 2 × 500 mg). ■ Die langfristige Prophylaxe mit 400 mg Aciclovir 2 × tgl. reduzierte die stromale Rezidivrate von 28% auf 14% (The Herpetic Eye Disease Study Group 1998). ■ Bei Therapieresistenz können auch systemische Steroide kurzfristig erwogen werden. Eine chirurgische Therapie ist nicht indiziert. Keratitis disciformis („Endotheliitis“) Klinisches Bild Etwa jeder 6. Patient mit epithelialem Herpes entwickelt später eine Keratitis disciformis. Klinisch findet sich ein fokales, manchmal auch diffuses (!) Stromaödem (ohne Infiltrat !) mit klarer Demarkationslinie, mikrozystischem Epithelödem, Descemetfalten und mehr oder weniger feinen retrokornealen Präzipitaten (Abb. 9.11). Diagnostik Cave Als Differenzialdiagnose muss der retinierte intrakamerale flottierende Fremdkörper nach einer Verletzung stets ausgeschlossen werden. Manchmal erinnern sich Patienten erst nach „forcierter Anamnese“ an einen derartigen Vorfall. Bei „Begleit-Uveitis“ zeigen sich an der Spaltlampe auch Zellen und Tyndall in der Vorderkammer. Eine sekundäre okuläre Hypertension ist nicht selten. Typisch für die herpetische Keratouveitis sind: ■ fokale Irispigmentblattdefekte (DD: Z. n. akutem Winkelblockglaukom), ■ sekundäre okuläre Hypertension bei „Trabekulitis“, ■ schnelle Synechienbildung, ■ spontane Vorderkammerblutungen möglich (durch Bildung von Brückengefäßen im Kammerwinkel). Cave Prostaglandinanaloga sind zur Drucksenkung kontraindiziert, weil sie den Entzündungszustand unterhalten bzw. verstärken können. Therapie Neben dem direkten Virusbefall des Endothels (HSV-Ag persistiert im Endothel!) (Holbach und Mitarb. 1998) stehen vermutlich immunologische 158 aus: Erb, Medikamentöse Augentherapie (ISBN9783131179258) © 2010 Georg Thieme Verlag KG 9.5.1 Herpes-simplex-Keratitis Vorgänge (verzögerte Überempfindlichkeitsreaktion) im Vordergrund. Tipp Topische Kortikoide sind daher therapeutisch unabdingbar (Sundmacher 1985, 2008). Tipp NSAID spielen bei der Therapie der disziformen Keratitis keine Rolle. Sog. metaherpetische Keratopathie Hierbei handelt es sich typischerweise um eine Spätstadium („ausgebrannter Herpes“) mit beeinträchtigter kornealer Innervation und persistierendem Verlust der Hornhautsensibilität und reduzierter Tränensekretion. Ursächlich ist neben der Infektion selbst oft ein Medikamentenschaden („Überbehandlungsulkus“). Tipp Keine Immunreaktion, keine Virusreplikation bei der sog. metaherpetischen Keratitis! Abb. 9.12 Ulzerierende neurotrophe Keratopathie im Sinne einer therapieresistenten sog. „metaherpetischen Keratitis“. Klinisches Bild Es dominieren in erster Linie Oberflächenstörungen analog denen einer neurotrophen Keratopathie anderer Genese. Analog der üblichen Klassifikation können die Störungen von der Keratopathia superficialis punctata über die Erosio corneae bis zum metaherpetischen Ulkus reichen (Abb. 9.12). Therapie ■ Absetzen aller toxischen Augentropfen (Virustatika, Kortikoide und alle Augentropfen mit Konservierungsmitteln). ■ Applikation von konservierungsmittelfreien künstlichen Tränen (am besten mit Hyaluronsäure), pflegenden Gelen sowie Vitamin-Aoder dexpanthenolhaltigen Augensalben. Ein Druckverband zur Nacht kann günstig sein. ■ Sehr hilfreich ist heute die Option der autologen Serumaugentropfen, welche wir 100%ig 5–10 × pro Tag applizieren (Ferreira und Mitarb. 2001). ■ Bei Therapieresistenz können therapeutische Kontaktlinsen, bei ulzerösen Prozessen evtl. Kollagenasehemmer sinnvoll sein (McElvanney 2003, Seitz u. Mitarb. 2005). ■ In hartnäckigen Fällen führen wir eine AMT (meist als Patch), eine Botulinumtoxininjektion zur Induktion einer temporären iatrogenen Ptosis (Gusek-Schneider u. Erbguth 1998) oder eine (temporäre) laterale Tarsorrhaphie durch. Cave Heute muss die Bindehautdeckung als Ultima ratio erachtet werden (Seitz u. Mitarb. 2005). 159 aus: Erb, Medikamentöse Augentherapie (ISBN9783131179258) © 2010 Georg Thieme Verlag KG Erkrankungen der Hornhaut Um ein epitheliales Rezidiv zu verhindern, werden gleichzeitig Virustatika (topisch und/oder systemisch) erforderlich (Porter u. Mitarb. 1990, Power u. Mitarb. 1992). Der konkrete Therapievorschlag lautet in Abhängigkeit von der Ausprägung einer Keratouveitis oder herpetischen Trabekulitis: ■ Prednisolonacetat (oder Rimexolon) 5 ×, Aciclovir Augensalbe 5 × (beides alle 2 Wochen um 1 Applikation pro Tag reduzieren), 1 × Steroid früh und 1 × Aciclovior Augensalbe zur Nacht für einige Monate belassen. ■ Systemische Gabe von Aciclovir 5 × 400 mg 4 Wochen, dann Reduktion auf 2 × 400 mg über 3–6 Monate. Alternativ Valaciclovir 3 × 1 g für 4 Wochen, dann 2 × 500 mg über 3–6 Monate. ■ Systemische Kortikosteroide (z. B. 100 mg Urbason rasch ausschleichend) werden bei therapierefraktärem Krankheitsbild verabreicht. Wo Steroide nicht vertragen werden, kann man topisches Ciclosporin (1–2%ig) erwägen. 9 9.5 Virale Hornhauterkrankungen Therapie Tipp Ein persistierendes Hornhautödem sollte als Hinweis für einen noch aktiven Prozess gewertet und es sollte mit einem operativen Eingriff zugewartet werden. Abb. 9.13a u. b „Alte avaskuläre herpetische Narbe“. Meist durchgreifend und mit Stromaverdünnung. a Übersicht. b Spalt. ■ Aufgrund der Tiefe der Narbe und der Stromaverdünnung ist eine Excimerlaser-PTK nur selten sinnvoll – wenn überhaupt, dann nur unter systemischem Aciclovir-Schutz. ■ Von einer lamellären Keratoplastik sehen wir wegen der von Holbach und Mitarb. 1998 nachgewiesenen Viruspersistenz im Endothel eher ab. ■ Aus dem gleichen Grund empfiehlt sich prinzipiell auch die ipsilaterale Autorotationskeratoplastik nicht. ■ Mit einer perforierenden Keratoplastik sollte grundsätzlich gewartet werden, bis das Auge mindestens ein halbes Jahr lang entzündungsfrei gewesen ist (Abb. 9.15). Cave Erkrankungen der Hornhaut Nach Keratoplastik sollten keine Steroide ohne Aciclovir-Schutz appliziert werden! 9 ■ Postoperativ helfen Aciclovir in einer Dosierung von 2 × 400 mg tgl. p. o. für 1 Jahr und/oder eine Langzeittherapie mit topischer Aciclovirapplikation als Salbe direkt vor dem Schlafengehen, ein Wiederaufflammen der Virusinfektion im Transplantat mit/ohne nachfolgender Abstoßungsreaktion zu vermeiden (Barney u. Foster 1994, Moyes u. Mitarb. 1994, van Rooij u. Mitarb 2003, Ghosh u. Mitarb 2008, Jansen u. Mitarb. 2009). Abb. 9.14 Gering vaskularisierte stromale Hornhautnarbe herpetischer Genese. Hierbei handelt es sich nicht um eine Hochrisiko-Keratoplastik! (Vaskularisierte) stromale Hornhautnarben Tipp Grundsätzlich sollten Transplantatreaktionen stets kombiniert mit Aciclovir und Steroiden behandelt werden, weil ein Herpesrezidiv in praxi nie lehrbuchgemäß (Immunreaktion: Präzipitate auf das Transplantat beschränkt!) ausgeschlossen werden kann. Eine mehr oder weniger vaskularisierte stromale Hornhautnarbe mit Stromaverdünnung (Abb. 9.13, Abb. 9.14) stellt das typische Spätstadium nach häufig rezidivierender (ulzerierender) herpetischer Keratitis dar. 160 aus: Erb, Medikamentöse Augentherapie (ISBN9783131179258) © 2010 Georg Thieme Verlag KG 9.5.2 Zosterkeratitis Prophylaxe von Herpesrezidiven Eine sichere Prophylaxe von Herpesrezidiven ohne Nebenwirkungen, wie sie oft von besorgten Patienten gefordert wird, ist nicht möglich. Allerdings haben sich in der Praxis folgende Ansätze bewährt: ■ Aciclovir Augensalbe 1 × direkt vor dem Schlafengehen, ■ künstliche Tränen konsequent – am besten konservierungsmittelfrei, ■ 2 × 400 mg Zovirax oral über Monate, ■ (je nach Ausprägung) 1 × Prednisolonacetat Augentropfen 1 × früh. Eine multizentrische Studie bestätigte die prophylaktische Nützlichkeit von niedrigdosiertem Aciclovir (400 mg 2 × tgl. oral) (The Herpetic Eye Disease Study Group 1998), besonders für die stromale Keratitis. Abb. 9.15 Perforierende Excimerlaser-Keratoplastik mit 8 Orientierungszähnchen (Pfeile) bei zentraler avaskulärer stromaler Hornhautnarbe nach rezidivierender ulzerierender stromaler Keratitis herpetischer Genese mit doppeltfortlaufender Kreuzstichnaht. Tipp Die Aciclovir Augensalbe zur Nacht wird direkt vor dem Schluss der Lider zum Schlaf appliziert. 9.5.2 Zosterkeratitis Zur Vertiefung der oft nicht eindeutigen Materie sei das 2008 erschienene Werk des Altmeisters, Herrn Prof. Dr. R. Sundmacher, ehemaliger Direktor der Universitäts-Augenklinik Düsseldorf, wärmstens empfohlen. Eine Übersicht über die medikamentöse Therapie der „herpetischen Keratitis“ gibt Tab. 9.12. Nach Windpockenerkrankung (Varicella) oder stummer Infektion kann das Varicella-Zoster-Virus (VZV) latent in Neuronen, Ganglien und nichtneuronalen Zellen persistieren. Triggerfaktoren wie Trauma oder relative Schwäche der zellgebundenen Immunität – wie etwa im Alter oder bei konsumierenden Erkrankungen – können das Virus wieder aktivieren, wobei eine Gürtelrose entsteht. Etwa 20% der Bevölkerung erkranken einmal im Leben an Zoster (Gürtelrose). Bei Befall des N. oph- Tab. 9.12 Übersicht über die medikamentöse Therapie der „herpetischen Keratitis“. Virustatika Steroide Antibiotika Zykloplegika Pflege (+) Erkrankungstyp Topisch Systemisch epitheliale Keratitis + (+) KI (+) (+) + + KI + + (+) stromale Keratitis ■ nekrotisierend ■ interstitiell + + ++ disziforme Keratitis + + ++ metaherpetische Keratopathie (+) (+) 9 (+) (+) (+) Erkrankungen der Hornhaut Pathogenese Tipp ++ ++ = unabdingbar + = empfohlen (+) = unter besonderen Umständen empfohlen KI = kontraindiziert 161 aus: Erb, Medikamentöse Augentherapie (ISBN9783131179258) © 2010 Georg Thieme Verlag KG 9.5 Virale Hornhauterkrankungen thalmicus erleiden 15–20% davon eine Augenbeteiligung (Cooper 1987). Bei Immunschwäche (Aids, maligne Grunderkrankung, Knochenmarktransplantation) ist das Risiko viel höher. Tipp Klinisch geht der Befall der Nasenspitze (N. nasociliaris) mit einem hohen Risiko der Zosterkeratitis einher. Klinisches Bild Schon 5 und mehr Tage vor dem Exanthem können Schmerzen im Bereich des betroffenen Nervs auftreten. Bei Beteiligung des 1. Astes des 5. Hirnnerven (N. ophthalmicus) können Lider, Bindehaut, Hornhaut, Sklera, Uvea, Retina (Vaskulitis und akute retinale Nekrose), Augenmuskeln und Sehnerv involviert sein. Am Anfang der Erkrankung kann die Hornhaut eine Keratitis superficialis punctata oder (mikro)dendritische Läsionen aufweisen. Später sieht man manchmal Makrodendriten, die am ehesten muköse Plaques auf der Hornhautoberfläche sind. Prinzipiell kann die Zosterkeratitis zu ähnlichen Ausprägungen an der Hornhaut führen wie die HSV-Keratitis (Liesegang 1991). Erkrankungen der Hornhaut Therapie 9 Wahrscheinlich sollte jeder Zoster im Kopfbereich mit systemischen Virustatika behandelt werden: ■ Sobald wie möglich nach Auftreten der Hautläsion gibt man oral Aciclovir 800 mg 5 × tgl. für mindestens 2 Wochen (alternativ Valaciclovir bzw. Famciclovir). Dies ist besonders wichtig bei Augenbeteiligung (Cobo u. Mitarb. 1986). Falls diese Behandlung innerhalb von 72 Stunden nach Auftreten des Exanthems begann, wurden Komplikationen am Auge sowie postherpetische Neuralgien spürbar gemindert (Hoang-Xuan u. Mitarb. 1992; Harding u. Porter 1991). ■ Valaciclovir und Famciclovir sind wirksamer gegen den akuten Schmerz und die postzosterische Neuralgie (Wutzier u. Doerr 1998, Beutner u. Mitarb. 1995). Dosierung: Famciclovir 500 mg 3 × tgl. p. o. für mindestens 7 Tage. Mit Valaciclovir, der Vorstufe von Aciclovir, erreicht man nach oraler Gabe höhere Serumspiegel. Dosierung: 1 g 3 × tgl. p. o. für mindestens 7 Tage. ■ Bei Immunschwäche ist oft eine Erhaltungstherapie erforderlich, z. B. Famciclovir 500 mg 3 × tgl. p. o. ■ In schweren Fällen kann die systemische Gabe von Aciclovir kurzfristig auf 1000–1200 mg 5 × tgl. erhöht werden. Bei Aids-Patienten wird ein anfänglicher Kurs von Aciclovir 10 mg/kg KG 3 × tgl. i. v. für 7 Tage vorgeschlagen, gefolgt von oraler Therapie für weitere 10–20 Tage. Die intravenöse Aciclovirbehandlung wird nicht nur bei immunschwachen Patienten (Liesegang 1991), sondern auch bei disseminiertem Zoster oder bei Beteiligung des zentralen Nervensystems empfohlen. Tipp Die topische Therapie bei Zosterkeratitis unterscheidet sich nicht grundsätzlich von derjenigen bei Herpeskeratitis und wird je nach Ausprägung der Keratitis appliziert. Weitere Behandlungsvorschläge Zur Behandlung der Schmerzen können topische Zykloplegika und systemische Analgetika, Beruhigungsmittel und Antidepressiva verordnet werden. Ein Block des Ganglion stellare kann die akuten Schmerzen lindern, wenn er innerhalb 14 Tagen nach Beginn des Exanthems gelegt wird. Kortikoide sind indiziert bei totaler Ophthalmoplegie und/oder zunehmender Protrusio bulbi (Marsh u. Cooper 1993). Einige Autoren geben routinemäßig systemisch Steroide, z. B. Prednison 60 mg, 30 mg und 15 mg tgl. p. o., jeweils eine Woche lang (Whitley u. Mitarb. 1997). Dies hilft, die akuten Schmerzen zu lindern und hat möglicherweise einen günstigen Einfluss auf die Zosterneuralgie bei älteren Patienten. Allerdings erhöht es das Risiko einer systemischen Ausbreitung der Infektion. Es ist vorgeschlagen worden, die Steroidbehandlung 3–5 Tage lang aufzuschieben, um eine Aktivierung der Immunantwort zu erlauben (Wilson 1996). In Patienten mit definitiver Immunschwäche sollten systemische Kortikoide nicht gegeben werden. Die Therapie der postherpetischen Neuralgie ist unbefriedigend. Schmerzlindernde Mittel helfen wenig. Medikamente, die zur Behandlung verwendet wurden, sind u. a.: ■ Cimetidin 400 mg 4 × tgl. p. o., ■ Carbamazepin 100–200 mg 4 × tgl. p. o., ■ Gabapentin 300 mg 3 × tgl. p. o., 162 aus: Erb, Medikamentöse Augentherapie (ISBN9783131179258) © 2010 Georg Thieme Verlag KG 9.5.3 Keratoconjunctivitis epidemica Hydroxyzin 25–50 mg 3–4 × tgl. p. o., Chlorprothixen 100–400 mg tgl. p. o., Amitriptylin 10–75 mg beim Schlafengehen, Desipramin 25 mg 3–4 × tgl. p. o., Nicardipin (ein Kalziumantagonist) 40 mg tgl. für 2 Wochen oder länger (Fama u. Mitarb. 1995). Auch die topische Applikation von Capsaicin wurde vorgeschlagen (Frucht-Pery u. Mitarb. 1997). Spezialfall: Windpocken (Varicella) Therapie ■ An Windpocken erkrankte Kinder mit Hornhautbeteiligung können mit Aciclovir 20 mg/kg KG (maximal 800 mg) 4 × tgl. p. o. für 5 Tage behandelt werden. ■ Topisch werden Virustatika (TFT oder Aciclovir 5 × tgl. für 10–14 Tage) appliziert. ■ Bei interstitieller oder endothelialer Keratitis sollten vorsichtig topische Steroide hinzugegeben werden (de Freitas u. Mitarb. 1992). ■ Initial kann die symptomatische topische Behandlung mit Zykloplegika, Tränenersatz- und/ oder hypertonischen Mitteln versucht werden. 9.5.3 Keratoconjunctivitis epidemica Die Keratoconjunctivitis epidemica (KCE) ist eine hoch ansteckende, durch Adenoviren verursachte Entzündung der Bindehaut und der Hornhaut (meist Serotypen 8 und 19). Sie wird durch Kontaktinfektion von Mensch zu Mensch oder von kontaminierten Gegenständen (z. B. Tonometerköpfchen) auf den Menschen übertragen. Klinisches Bild Die KCE ist durch einen plötzlichen Beginn mit Bindehautrötung, Chemosis, follikulärer Konjunktivitis und typischerweise präaurikulärer druckschmerzhafter Lymphknotenschwellung gekennzeichnet. Der Beginn ist meist unilateral, das zweite Auge wird jedoch in abgeschwächter Form in aller Regel nach einem kurzen Zeitintervall von wenigen Tagen mit betroffen. Nach etwa 1-wöchigem Krankheitsverlauf kommt es nicht selten zu einer Mitbe- teiligung der Hornhaut in Form einer Keratopathia superficialis punctata und/oder multifokalen subepithelialen Mikroinfiltraten typischerweise mit punktförmigem Epitheldefekt („Fluoreszein + Blaulicht“). Daraus entwickeln sich im Verlauf sog. „Nummuli“, die als multifokale subepitheliale Narben über Monate und Jahre nachweisbar bleiben können und zu einer mehr oder weniger starken Blendung und Sehkraftherabsetzung führen können. Diagnostik In besonderen Fällen kann die initiale Sicherung der Diagnose durch einen immunologischen Schnelltest von Bindehautsekret oder eine Virusisolierung in der Zellkultur erfolgen. Therapie ■ Im akuten Stadium ist die Behandlung symptomatisch und besteht aus Tränenersatzmitteln, ggf. Vasokonstriktoren und kalten Kompressen bei ausgeprägter Chemosis sowie topischen Antibiotika (z. B. Ofloxacin EDO Augentropfen 5 ×) zur Prophylaxe einer Superinfektion. ■ Heute wird Ganciclovir AG (Virgan) 5 × tgl. als möglicherweise zumindest partiell auch gegen Adenoviren wirkendes Agens topisch eingesetzt. ■ Cidofovir (topisch 0,2%ig 4 ×) wirkt zwar, ist aber für die Augenoberfläche zu toxisch (Gordon u. Mitarb. 1996, Hillenkamp u. Mitarb. 2001). Tipp Povidon-Jod scheint einen positiven Effekt auf die Virusabtötung in der akuten Phase haben, brennt jedoch (Monnerat u. Mitarb. 2006). Cave Die Verwendung von topischen Steroiden während der akuten Phase führt möglicherweise zur Entwicklung einer persistierenden Virusinfektion mit einer höheren Inzidenz von störenden Hornhautnummuli. ■ Bei subepithelialen Infiltraten kann eine Behandlung mit topischen Steroiden in niedriger Dosierung die Blendungsempfindlichkeit herabsetzen und kurzfristig das Sehen verbessern. Man muss 163 aus: Erb, Medikamentöse Augentherapie (ISBN9783131179258) © 2010 Georg Thieme Verlag KG Erkrankungen der Hornhaut ■ ■ ■ ■ ■ 9 9.6 Entzündungen unterschiedlicher Atiologie aber sehr allmählich ausschleichen (Pineda u. Dohlman 1994), oft kommen die Nummularisherde nach dem Absetzen wieder. Tipp Die Grundbehandlung besteht aus unkonservierten künstlichen Tränen mehrmals täglich. ■ Über mehrere Monate topisch applizierte Ciclosporin A 1% Augentropfen (initial 4 × tgl. mit allmählicher Reduktion auf 1 × tgl.) können eine wirksame Alternative sein (Reinhard und Sundmacher 1997). Cave Erkrankungen der Hornhaut ■ In milden Fällen künstliche Tränen oder keine Therapie. ■ Meist rasches Ansprechen auf topische Steroide, z. B. Fluorometholon 0,1%ig 4 × tgl., dann Reduktion auf 1 × tgl. und weniger. ■ Auch topisches Ciclosporin ist wirksam (Reinhard u. Sundmacher 1996). ■ Weiche Kontaktlinsen mindern die Beschwerden und können bei häufigen Rezidiven den Verzicht auf Steroide ermöglichen. Cave Virustatika sind nicht indiziert. Der Einsatz des Excimerlasers zur Therapie persistierender störender Nummuli im Sinne einer fototherapeutischen Keratektomie (PTK) kann zu guten, aber auch sehr schlechten Ergebnissen führen (Fite und Chodosh 1998, Quentin u. Mitarb. 1999). Oft ist danach eine Kontaktlinse zur Kompensation der verbleibenden oberflächlichen Irregularitäten und Hyperopie nötig. 9 Therapie 9.6 Entzündungen unterschiedlicher Atiologie 9.6.1 Keratitis punctata superficialis Thygeson Klinisches Bild ■ Meist beidseitig, z. T. asymmetrisch. ■ Befällt vorwiegend Patienten unter 40 Jahren. ■ Es findet sich eine gröbere epitheliale Keratopathie mit leicht erhabenen, fleckförmigen Trübungen, die mit Fluoreszein und Bengalrosa anfärbbar sind. ■ Typisch sind das Fremdkörpergefühl, die Lichtscheu, das Tränen und das Fehlen einer konjunktivalen Injektion. ■ Die Läsionen kommen und gehen mit längeren Remissionen. Es wurden bis zu 30-jährige Verläufe beobachtet. ■ Die Erkrankung ist nicht übertragbar. Merke Beim Morbus Thygeson ist die Bindehaut nicht betroffen! 9.6.2 Kontaktlinsenassoziierte Hornhautveränderungen Es besteht ein höheres Komplikationsrisiko beim Tragen von weichen Kontaktlinsen (KL) (2–5/ 10 000 Trägern/Jahr) als beim Tragen von formstabilen KL (1/10 000/Jahr). Das Risiko ist am höchsten beim Tragen der KL über Nacht (20–55/10 000/ Jahr) (Stamler 1998, Stapleton u. Mitarb. 2008). Folgende Arten von kornealen Komplikationen sind möglich (Mondino u. Mitarb. 1986, Stamler 1998, Sweeney u. Mitarb. 2003): ■ Keratopathia superficialis punctata, ■ Erosio corneae, ■ (periphere) korneale Neovaskularisationen, ■ Hornhaut-Endothel-Epithel-Dekompensation durch Endothelschaden, ■ Hornhautinfiltrate (steril vs. infektiös) (Stein u. Mitarb. 1988), ■ Ulcus corneae mit/ohne Hypopyon. Pathogenese Mögliche Ursachen von kontaktlinsenassoziierten Komplikationen können sein (Stamler 1998): ■ Kontaktlinsenmaterial (äußerst selten), ■ ungünstiges Umfeld (Staub, Bildschirmarbeit), ■ toxische oder allergische Prozesse, ■ „ungünstige“ oder fehlende Anpassung, ■ Tragefehler, ■ Pflegefehler, ■ mangelnde augenärztliche Kontrolle. 164 aus: Erb, Medikamentöse Augentherapie (ISBN9783131179258) © 2010 Georg Thieme Verlag KG 9.6.2 Kontaktlinsenassoziierte Hornhautveränderungen Häufig sind Pflegefehler für die KL-Komplikationen verantwortlich: ■ mangelnde Handhygiene, ■ ungeeignete Pflegemittel („Spüli“/nur Kochsalzlösung), ■ falsche Anwendung der Pflegemittel, ■ Verwendung von Leitungswasser, ■ Umfüllen der Pflegemittel in andere Behälter, ■ Verdünnen oder Wiederverwenden der Lösung, ■ Ablagerungen (Fette, Proteine, Kosmetika), ■ ungenügende Behälterhygiene (Biofilm). Klinisches Bild Klassische Symptome der Kontaktlinsenkomplikationen sind: ■ keine, ■ Rötung des Auges, ■ Lichtscheu, ■ Fremdkörpergefühl, ■ vermehrter Tränenfluss, ■ Linsen“unverträglichkeit“, ■ Schmerzen (oft mehr nach Entfernung der KL), ■ Sehkraftherabsetzung („Milchglas“). Einige spezielle Komplikationen und ihre Therapieoptionen werden im Detail aufgeführt. Infektiöse Keratitis (Bakterien, Pilze, Akanthamöben) Pathogenese Das Tragen von Kontaktlinsen ist die häufigste Ursache einer infektiösen Keratitis in vorher normalen Augen. Periphere Hornhautinfiltrate scheinen mit weniger virulenten Organismen verbunden zu sein als zentrale Geschwüre. Linsen, die rund um die Uhr getragen werden, erhöhen die Durchlässigkeit des Hornhautepithels (McNamara u. Mitarb. 1998). Therapie Es wird auf die Abschnitte 9.1–9.4 verwiesen. Sterile Keratitis Klinisches Bild Sterile Infiltrate sind klein (, 1 mm) und finden sich in der Peripherie. Das Epithel ist meist intakt; eine Vorderkammerreaktion sowie Schmerzen fehlen typischerweise. Therapie Nach Absetzen der Kontaktlinsen heilen die vermutlich hypoxiebedingten Infiltrate in der Regel von selbst aus. Im Zweifelsfall kurzfristig topische Breitspektrum-Antibiotika für einige Tage. Kortikoide können die Abheilung beschleunigen. Toxische und Überempfindlichkeitsreaktionen Pathogenese Eine toxische Keratopathie kann als direkte Reaktion auf die verwendeten Reinigungs- und Desinfektionsmittel entstehen oder eine Überempfindlichkeitsreaktion vom verzögerten Typ darstellen (z. B. „Thimerosal-Keratopathie“). Klinisches Bild Manchmal findet sich das Bild einer oberen Limbuskeratokonjunktivitis, wobei jedoch typischerweise Filamente fehlen. Therapie Umstellen auf ein alternatives Reinigungssystem oder Absetzen der Kontaktlinsen. Epithelveränderungen ■ Mechanische epitheliale Defekte: Die Lokalisation weist oft auf die Ursache hin. ■ Mikrozysten, Epithelödem und eine akute Epithelnekrose aufgrund von Hypoxie. 165 aus: Erb, Medikamentöse Augentherapie (ISBN9783131179258) © 2010 Georg Thieme Verlag KG Erkrankungen der Hornhaut Folgende Tragefehler sollte der Kontaktlinsenträger vermeiden: ■ zu lange tägliche Tragezeiten, ■ Über-Nacht-Tragen trotz ungeeignetem Material, ■ überalterte Kontaktlinsen mit rauer Oberfläche, Ablagerungen, verstopften Poren, ■ umgestülpte KL (schlechter Tragekomfort), ■ rechts/links vertauschte KL (häufig!) 9 9.7 Immunmodulierte Hornhautentzündungen ■ Eine progressive Neovaskularisation kann heute auch mit GS-101 Tropfen, einem sog. „antisense oligonucleotide“ behandelt werden (Cursiefen u. Mitarb 2009). Endothelveränderungen Pathogenese Endothelveränderungen wie Polymegalismus und Polymorphismus werden von der Hypoxie und stromalen Azidose verursacht. Sie können z. T. irreversibel und von Endothelzellverlust begleitet sein. Abb. 9.16 Ausgeprägte korneale Neovaskularisationen durch exzessives unkontrolliertes Tragen von weichen Kontaktlinsen. Erkrankungen der Hornhaut ■ Festsitzende Linse: Die Linse wurde zu steil angepasst und die zu geringe Beweglichkeit verringert sich weiter. Die zunehmende Schwellung durch Hypoxie und niedrigen pH-Wert der Hornhaut mündet letztlich in einen Circulus vitiosus. Es kommt zu Epitheldefekten und diffusen Stromainfiltraten. ■ Traumatischer Epitheldefekt: bei Einsetzen oder Entfernen der Linse, schlechter Anpassung, beschädigter KL oder einem eingebrachten Fremdkörper unter die KL. 9 Therapie ■ Entfernen und ggf. Neuanpassung einer besser sitzenden und/oder gasdurchlässigeren KL im Intervall, ■ künstliche Tränen, ■ evtl. Zykloplegie und topische Antibiotika. Korneale Neovaskularisationen Pathogenese Hornhautneovaskularisation (Abb. 9.16) oder tiefe Stromatrübungen sind eine Folge der chronischen Hypoxie (möglicherweise auch die herabgesetzte Hornhautsensibilität), besonders bei weichen KL. Therapie Therapie Hier sollten die Kontaktlinsen für immer abgesetzt werden (mit der möglichen Ausnahme von Silikonhydrogellinsen). Merke Bei: ■ fachgerechter Anpassung, ■ formstabilen gasdurchlässigen Kontaktlinsen, ■ sachgemäßem Umgang (Tragen + Pflege), ■ regelmäßigen augenärztlichen Kontrollen (!!) ist die Gefahr von Komplikationen beim Tragen von Kontaktlinsen am geringsten. 9.7 Immunmodulierte Hornhautentzündungen Immunologische Vorgänge spielen bei zahlreichen Hornhauterkrankungen eine wesentliche Rolle. Eine zelluläre Reaktion vom verzögerten Typ (Typ IV) ist vermutlich verantwortlich für die Phlyktänen, die Keratitis disciformis und die Transplantatabstoßung nach Keratoplastik, während bei der interstitiellen Keratitis Antigen-Antikörper-Immunkomplexe mit Aktivierung des Komplementsystems zugrunde liegen. Sehr häufig sind Randgeschwüre bei Staphylokokkeninfektion, wobei es zu Immunkomplexbildung mit Exotoxinen kommt. Reaktionen vom Soforttyp (Typ I) liegen beispielsweise der Keratoconjunctivitis vernalis zugrunde. ■ Aussetzen des Kontaktlinsentragens. ■ Vermeiden von Dauertragelinsen. ■ Topische Steroide ausschleichend für wenige Wochen. 166 aus: Erb, Medikamentöse Augentherapie (ISBN9783131179258) © 2010 Georg Thieme Verlag KG