Schall Physikalischer Reiz und subjektive Empfindung Egal, ob wir angenehme Musik hören, mit jemandem sprechen oder uns durch Lärm gestört fühlen: Schall bestimmt weitgehend unser Leben – ob wir wollen oder nicht, denn unsere Ohren können wir nicht verschließen. Was aber hören wir, was ist Schall? Die Akustik definiert mit diesem Begriff alle hörbaren mechanischen Schwingungen eines elastischen Mediums. Innerhalb eines solchen Mediums, der Luft beispielsweise, breitet Schall sich in Form von Längswellen aus. Theoretisch, nämlich von einer punktförmig gedachten Schallquelle, erfolgt diese Ausbreitung in alle Richtungen gleich und somit kugelförmig. In der Praxis allerdings bedingt die Beschaffenheit der Schallquellen (etwa Instrumente oder Lautsprecher) eine bestimmte Richtcharakteristik. Geigensaite, Lautsprechermembran, Kehlkopf: Alle Schallquellen übertragen ihre Schwingungen auf das sie umgebende Medium. Die Teilchen dieses Mediums beginnen, um ihren Ruhepunkt herum zu schwingen. Dabei stoßen sie benachbarte Teilchen an und geben ihre Energie weiter. Es kommt dadurch zu periodischen Druck- und Dichteänderungen. Schall transportiert also keine Teilchen von der Quelle zum Empfänger, sondern nur Energie. Schallgeschwindigkeit und Pferdegetrappel Die Geschwindigkeit der Schallausbreitung hängt vom Medium ab und ändert sich in Gasen nicht unerheblich je nach Druck und Temperatur. Wir rechnen meist mit einer mittleren Schallgeschwindigkeit, die in 15°C warmer Luft in Bodennähe ca. 340 m/s (= 1224 km/h) beträgt. In festen Körpern breitet sich Schall viel schneller aus – schon die Indianer wussten, dass sie das Geräusch nahender Pferde früher hören, wenn sie das Ohr auf den Erdboden legen. Der Umstand, dass die Geschwindigkeit des Schalls im Gegensatz zur millionenfach schnelleren des Lichts vergleichsweise „langsam“ ist, hat in mancher Hinsicht praktische Bedeutung. Er erlaubt uns, die Entfernung von Ereignissen abzuschätzen, die wir zugleich sehen und hören können (wenn wir zwischen Blitz und Donner eine Verzögerung von 3 Sekunden wahrnehmen, wissen wir, dass das Gewitter etwa 1 km entfernt ist). Vor allem aber befähigt er uns, Schallquellen räumlich zu orten, weil jeder Schall, der nicht genau frontal auf uns trifft, an einem der beiden Ohren zuerst ankommt. Unser Gehör ist in der Lage, schon einen Laufzeitunterschied von 0,03 ms zu verarbeiten, das entspricht einem Wegunterschied des Schalls zu den beiden Ohren von 1 cm. Wir können daher schon eine Abweichung von nur 3° von der frontalen Schalleinfallsrichtung bemerken. Schalldruck und Schmerzempfinden Wenn wir Schall hören, nehmen wir jene geringfügigen Druckschwankungen in der Luft wahr, die sich wellenförmig im Raum ausbreiten. Druck wird, daran erinnern wir uns aus der Schulzeit, in Pascal gemessen: 1 Pa = 1 Newton / m2. Der niedrigste Schalldruck, den wir gerade eben wahrnehmen können, liegt ungefähr bei 2·10-5 Pa, diesen Druck bezeichnen wir als Sound Pressure Level (SPL). Bis zur jener Grenze, an welcher der Höreindruck in Schmerzempfindung übergeht, umfasst der Schalldruckbereich mehrere Zehnerpotenzen Pascal. Der Übersichtlichkeit wegen verwenden wir daher meistens keinen linearen, sondern einen logarithmischen Maßstab und geben Schalldruckpegel in Dezibel (dB) an. Dabei ist zu beachten, dass dB keine Maßeinheit darstellen, sondern eine Verhältnisgröße, deren Bezugswert sinnvollerweise anzugeben ist. Der Schalldruck (L) wird bestimmt als L = 20 · log P/P0 (mit P0 = SPL). Wenn wir beispielsweise den Pegel eines Schalldrucks von 2·10-2 Pa errechnen wollen erhalten wir: L = 20 · log (2·10-2 / 2·10-5) = 20 · log 10-3 = 60 dB(SPL). Frequenz, Wellenlänge und Discomusik Die Anzahl der Schwingungen bzw. Druckschwankungen in einem bestimmten Zeitabschnitt bezeichnet man als Frequenz. Eine Schwingung ist beendet, sobald der Anfangszustand wieder erreicht ist und eine neue Schwingung in derselben Richtung beginnt. Die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde wird in Hertz (Hz) angegeben. Das gesunde Ohr eines jungen Menschen erfasst Schwingungszahlen etwa zwischen 16 und 20.000 Hz, noch höhere Frequenzen werden als Ultraschall, tiefere als Infraschall bezeichnet. Da sich die Schallwellen mit einer bestimmten Geschwindigkeit ausbreiten, ergibt sich zwischen zwei gleichen Druckzuständen ein räumlicher Abstand (die Wellenlänge), der umso kürzer ist, je schneller diese aufeinanderfolgen. Daher gilt: Wellenlänge = Schallgeschwindigkeit / Frequenz. Die oben genannte Schallgeschwindigkeit vorausgesetzt hat ein Ton mit 20 Hz folglich eine Wellenlänge von 17 m, ein Ton mit 10.000 Hz hingegen nur eine von 3,4 cm. Das ist in der Praxis u.a. insofern von Bedeutung, als Töne mit hoher Wellenlänge (d.h. niedriger Frequenz) schwerer zu dämpfen sind als hochfrequente Töne. Als Nachbar einer Discothek wird man daher vor allem unter dem Wummern der Bässe leiden. Die Welt der Empfindungen „Die Erschütterung der Luft wird erst dort zu Schall, wo ein Ohr ist“ (Georg Lichtenberg). In der Tat: Ohne unsere Wahrnehmung einzubeziehen, hat es nicht viel Sinn, von Schall zu reden. Schallgeschwindigkeit, Schalldruck, Frequenz – all dies sind physikalische Größen. Sie sind mittels entsprechender Geräte messbar und quantifizierbar. Doch unser Ohr und unser Gehirn bilden diese Realität nicht einfach nur ab. Eine eigene Wissenschaftsdisziplin beschäftigt sich mit der Relation zwischen akustisch-physikalischen Reizen und den durch diese beim Menschen hervorgerufenen Empfindungen: die Psychoakustik. Das menschliche Gehör ist ein hochkomplizierter Apparat, und seine Funktionsweise ist bis zum heutigen Tag nicht vollständig erforscht. Glücklicherweise ist das Innenohr durch einen sehr harten Knochen, das Felsenbein, vor Einwirkung von außen gut geschützt. Unglücklicherweise hat unsere Gesellschaft den Lärm kultiviert und so eine perfekte Methode gefunden, das Ohr zu schädigen. Abb. 1: Das menschliche Ohr Der an unserem Ohr eintreffende Schall wird vom Trommelfell über eine Kette winziger Knochen (Hammer, Amboss, Steigbügel) auf das ovale Fenster, eine Membran am Eingang der schneckenförmig gewundenen Cochlea, übertragen. Die Cochlea wird der Länge nach durch die Basilarmembran in zwei Teile geteilt, die mit Flüssigkeit (Perilymphe) gefüllt sind. Die Schwingungen der Luft werden also letztlich in Schwingungen der Perilymphe übertragen, wodurch die Basilarmembran in Bewegung versetzt wird. Hier befinden sich 30.000 sogenannte Haarzellen, die nun für die Übertragung des mechanischen Reizes in einen elektrischen (neuronalen) Reiz sorgen. Wie außerordentlich empfindlich unser Gehör ist, wird daraus ersichtlich, dass ein Schallpegel von 60 db(SPL) zu einer Schwingung der Basilarmembran von nur etwa 10-10 m führt. Das entspricht fast der Größenordnung von Atomkernen! Was also macht unser Ohr aus dem akustischen Reiz? Die Frequenz ist der wesentliche Auslöser des Tonhöheneindrucks: niedrige Frequenzen hören wir als tiefe Töne, hohe Frequenzen als hohe Töne. Unsere musikalische Skala ist wiederum logarithmisch aufgebaut, eine Verdoppelung der Frequenz entspricht einer Oktave. Der altersbedingte Hörverlust für hohe Frequenzen ist daher nicht so tragisch, wie er scheinen mag, denn eine Reduzierung der oberen Hörgrenze von 20.000 Hz auf 10.000 Hz bedeutet nur, dass eine von zehn Oktaven nicht mehr hörbar ist. Die höchste Grundfrequenz, die in einem Orchester vorkommt, das c5 der Piccolo-Flöte, liegt weit tiefer, nämlich bei ca. 4200 Hz. In der Praxis bedeutet die Unempfindlichkeit für sehr hohe Frequenzen vor allem einen Verlust an Klangfarbeneindrücken, da musikalische Klangfarbe vor allem durch die natürlichen Obertöne (ganzzahlige Vielfache der Grundfrequenz) entsteht. Schalldruck erzeugt Lautstärke – aber eben nicht 1:1, da die wahrgenommene Lautstärke eines Schalls zugleich von seiner Frequenz abhängig ist. Im Frequenzbereich von 2000 bis 5000 Hz reagiert unser Ohr weit empfindlicher auf Schalldruck als in sehr tiefen und sehr hohen Lagen. Um die physikalische Größe des Schallpegels in Zusammenhang mit der subjektiven Empfindung der Lautstärke zu bringen, hat man die Einheit phon eingeführt, die per definitionem bei 1000 Hz gleich dem Schallpegel in dB(SPL) ist: Abb. 2: Kurven gleicher Lautstärke (Fletcher-Munson-Kurven) Betrachten wir z.B. die Kurve für 80 phon, sehen wir, dass bei 500 Hz etwa 75 db genügen, um diesen Lautstärkeneindruck hervorzurufen, während sowohl bei 100 Hz als bei 8000 Hz über 85 dB Schalldruck notwendig sind. Die Schmerzgrenze liegt bei 130 phon, aber schon weit darunter kann Schall als lästig empfunden werden und auch bereits gesundheitliche Schäden bewirken. Und eine Schädigung der Haarzellen auf der Basilarmembran, wie sie durch sehr hohe Pegel ausgelöst wird, ist – darüber sollte sich jeder Besucher eines Hardrockkonzerts im klaren sein – irreversibel. Wer sich durch den Lärm in seiner Umgebung gestört fühlt, mag sich immerhin ein wenig damit trösten, dass er ihn hören kann. Denn gerade für die soziale Kommunikation ist die Fähigkeit, Schall wahrzunehmen, von größter Bedeutung. Immanuel Kant stellte fest: „Nicht Sehen trennt den Menschen von den Dingen. Nicht Hören trennt den Menschen von den Menschen.“ Literaturempfehlungen: Hans Borucki, Einführung in die Akustik, Mannheim 1989 Juan G. Roederer, Physikalische und psychoakustische Grundlagen der Musik, Berlin 2000 Eberhard Zwicker, Psychoakustik, Berlin 1982