Universität Ulm Abteilung Analytische Chemie und Umweltchemie Leiter: Prof. Dr. T. Welsch DISSERTATION zur Erlangung des Doktorgrades Dr. rer. nat. der Fakultät für Naturwissenschaften der Universität Ulm Neue Möglichkeiten der Charakterisierung von Mikroorganismen mittels Kapillarelektrophorese vorgelegt von Alexander Pfetsch aus Blaubeuren Ulm, im April 1999 Amtierender Dekan: Prof. Dr. O. Marti 1. Gutachter: Prof. Dr. T. Welsch 2. Gutachter: Prof. Dr. H. Jones Where no man has gone before.... (Gene Roddenberry) Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis I Einleitung und Aufgabenstellung 1 1. Einleitung 3 2. Aufgabenstellung 6 II Theoretischer Teil 7 3.1 Die Zelle 9 3.1.1 Protocyten und Eucyten 9 3.1.2 Aufbau der prokaryotischen Zelle 10 3.1.2.1 Zellinhaltsstoffe 10 3.1.2.2 Zellmembran 11 3.1.2.3 Die Zellwand 12 3.1.2.4 Kapseln, Schleime und Geißeln 15 3.2 Transportvorgänge in der Zelle 15 3.2.1 (Freie) Diffusion 16 3.2.2 Erleichterte Diffusion 16 3.2.3 Aktiver Transport 17 3.3 Wachstum der Bakterien 18 3.4 Die elektrophoretische Mobilität 19 3.5 Ladungsdichteverteilung in der Zellhülle 21 3.5.1 Modell nach Smoluchowski 22 3.5.2 Modell der polymerbeschichteten Partikel 23 3.5.2.1 Das Donnan-Membranpotential 25 3.5.3 Doppelschichtmodell von Nakano et. al. 26 3.5.4 Dreischichtmodell nach Nakano et. al. 28 3.6 Zellspezifität 29 Inhaltsverzeichnis 3.7 Kapillarelektrophorese 30 III Experimenteller Teil 33 4.1 Verwendete Bakterienstämme 35 4.1.1 Beschreibung der Bakterien 35 4.1.1.1 Pseudomonas spezies (DSM 1749, 6708, 6537, 1110, 2583, 5536) 4.1.1.2 Pseudomonas putida (DSM 548, 50222) 35 36 4.1.1.3 Rhodococcus erythropolis (DSM 1069) 36 4.1.1.4 Micrococcus luteus (DSM 20030) 37 4.1.1.5 Serratia ficaria (DSM 4569) 37 4.1.1.6 Paracoccus denitrificans (DSM 65) 37 4.1.1.7 Sphingomonas spezies (DSM 6014) 38 4.1.2 Vermehrung der Bakterien 38 4.1.3 Herstellung der Zellsuspension 40 4.2 CE-Apparatur 42 4.2.1 Detektion 43 4.2.2 Kapillaren 45 4.2.2.1 Konditionierung 46 4.2.2.2 Thermostatisierung der Kapillaren 46 4.2.3 Injektion 4.3 Temperatureffekte in der CE 47 49 4.3.1 Wärmeerzeugung, Temperaturverteilung 49 4.3.2 Temperaturabhängigkeit der elektroosmotischen Mobilität 54 4.3.3 Temperaturabhängigkeit der elektrophoretischen Mobilität 55 4.4 Stabilität 4.4.1 Stabilität der Zellsuspension 4.4.1.1 Kühlung der Zellsuspension 57 57 57 Inhaltsverzeichnis 4.4.1.2 Einfluß der Pufferkonzentration 60 4.4.1.3 Reproduzierbarkeit der elektrophoretischen Mobilität 61 4.4.2 Alterung der Kapillare 4.5 Bandenverbreiternde Effekte bei Bakterien in der CE 62 65 4.5.1 Pufferzusammensetzung 66 4.5.2 Einfluß der Pufferkonzentration 68 4.5.3 Einfluß der Feldstärke 72 4.5.4 Einfluß des Kapillardurchmessers 75 4.5.5 Einfluß des Gegendrucks 81 4.6 Elektrophoretische Mobilität 83 4.6.1 Charakterisierung von Bakterien 83 4.6.2 Einfluß des pH-Wertes 87 4.6.3 Einfluß der Pufferzusammensetzung 89 4.6.4 Einfluß der Pufferkonzentration 94 4.6.5 Einfluß der Nährlösung 96 4.7 Trennung von Bakterien 97 4.8 Fraktionierung von Bakterien 104 4.8.1 Vollständige Trennung von Bakterien ?! 104 4.8.2 Diskontinuierliche Fraktionierung 105 4.8.3 Anwendungsmöglichkeiten 112 IV Zusammenfassung und Literaturverzeichnis 115 5. Zusammenfassung 117 6. Literaturverzeichnis 120 7. Abkürzungen 125 I Einleitung und Aufgabenstellung 1. Einleitung 1. Einleitung Die historische Entwicklung der Mikrobiologie ist eng mit der Menschheitsgeschichte verbunden. Das betrifft sowohl die Rolle der Mikroorganismen als Krankheitserreger, als auch die unbewußte Nutzung bei der Herstellung von alkoholischen Getränken und Nahrungsmitteln sowie deren Konservierung [1]. Die Erforschung der Mikroorganismen setzte erst in historisch jüngerer Zeit ein, da dazu eine anspruchsvolle Methodik erforderlich war. Die Entdeckung der Mikroorganismen gelang dem Niederländer Antonie van Leeuwenhoek (1632-1723) im Jahre 1684. Mit Hilfe eines einfachen Mikroskops beschrieb er verschiedene einzellige Mikroorganismen, Protozoen, Hefen und Bakterien, die er als „kleine Tierchen“ ansprach. Aus seinen außerordentlich sorgfältigen Beobachtungen schloß er bereits, daß sie sehr verbreitet sind. Seine Annahme, daß im Zahnbelag mehr Mikroorganismen als Menschen im Königreich vorkommen, war völlig zutreffend. Allerdings blieben Wesen und Herkunft dieser Organismen noch über ein Jahrhundert unklar. Noch herrschte die Hypothese, daß sie durch Urzeugung aus toter Materie entstehen. Erst im Jahre 1861 wurde diese Urzeugungshypothese von Lewis Pasteur (1822-1895) widerlegt. In dieser Phase des 19. Jahrhunderts wurden nun Methoden zur Sterilisation und Desinfektion unter anderem von L. Pasteur und I. Tyndall entwickelt. Gleichfalls erforschte Pasteur das Wesen der Gärung und lieferte Beiträge zur medizinischen Mikrobiologie, vor allem zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Robert Koch (1843-1910) zeigte als erster, daß bestimmte Bakterienarten Infektionskrankheiten verursachen. Die entscheidenden Versuche führte er 1876 als Landarzt am Milzbranderreger der Rinder und Schafe durch. Zur Beweisführung stellte er die vier “Koch´schen Postulate“ auf: 1. Bakterien müssen im erkrankten Organismus nachweisbar sein 2. Diese müssen isoliert und in Reinkultur gebracht werden 3. Durch Infektion mit einer Mikroorganismenart der Reinkultur wird die Krankheit bei gesunden Wirtsorganismen hervorgerufen 4. Der gleiche Erreger ist erneut aus dem infizierten Wirtsorganismus isolierbar. 3 1. Einleitung Koch entwickelte mikrobielle Nährmedien, die eine Isolierung von Einzelkolonien ermöglichten. Ebenfalls führte er erste Färbemethoden für Bakterien ein. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Leistungen der Mikroorganismen in den Stoffkreisläufen der Natur sowie die Einheit und Mannigfaltigkeit des mikrobiellen Stoffwechsels erkannt. 1887 wurde von S. Winogradsky (1856-1953) das Konzept der Chemoautotrophie aufgestellt. Mit der Entdeckung des Penicillins im Jahre 1928 von A. Flemming wurde der Beginn des Antibiotikazeitalters und der Biotechnologie eingeläutet. Hierbei wurde auf einem langen Weg aus dem in äußerst geringer Menge gebildeten Antibiotikums die Penicillinproduktion entwickelt, die 1940 zur Anwendung der ersten Präparate führte. Durch Einführung der Fermentationstechnik wurde die Voraussetzung der Massenproduktion geschaffen. Aus dem Gärungsgewerbe entwickelte sich die industrielle Mikrobiologie, deren methodisches Instrumentarium heute zur Gewinnung eines breiten Spektrums von Produkten eingesetzt wird. Das Adaptionsvermögen der Mikroorganismen, d.h. die Fähigkeit einer Art, auf verschiedenen Nährstoffen zu wachsen, veranlaßte viele Wissenschaftler, dieses Phänomen eingehend zu untersuchen. Dabei wurden die Grundprinzipien der Stoffwechselregulation abgeleitet. Die gute Handhabbarkeit mikrobieller Systeme, ihre schnelle Vermehrung und einfache Struktur tragen maßgeblich zu den Erkenntnissen der Molekularbiologie und -genetik bei. Dies stellt die Grundlage der Gentechnik dar, welche die Konstruktion neuer mikrobieller Leistungen ermöglicht. In den 80´er Jahren wurde der Ruf der Mikrobiologie vor allem im Bereich der Gentechnologie in Mitleidenschaft gezogen. Schlagworte wie Genmanipulation und gentechnisch veränderte Nahrung, verbunden mit mangelnder Aufklärung über deren Bedeutung, erzeugte Angst und Ablehnung in breiten Bevölkerungsschichten gegenüber dieser neuen Technologie. Erst innerhalb der letzten 2 Jahre hat sich dieses Bild deutlich verändert. Heute stehen Begriffe wie Biotechnologie und Gentechnik als Synonym für Innovation und Schaffung neuer Arbeitsplätze, was sich in einer Zeit, in der eine extrem hohe Arbeitslosigkeit herrscht, positiv auf die Akzeptanz in der Bevölkerung auswirkt. Durch die Entdeckung bisher unbekannter Mikroorganismen wird deren Anwendungsspektrum stetig erweitert. Durch immer bessere Verfahren zur Bestimmung 4 1. Einleitung von Mikroorganismen steigt die Gesamtzahl an bekannten Arten. Gleichfalls wird der Aufwand immer größer, ähnliche Arten voneinander zu unterscheiden. Bei vielen „Unterarten“ versagen herkömmliche Charakterisierungsmethoden und eine Unterscheidung bzw. Trennung/Isolierung ist nicht mehr ohne weiteres möglich. Deshalb erfolgt oftmals nur eine Zuordnung zu einer bestimmten Bakterienspezies, da eine genauere Charakterisierung nicht gelingt. Jedoch ist in der Mikrobiologie das Arbeiten mit bekannten und isolierten Organismen in den meisten Bereichen essentiell. Deshalb ist es unabdingbar, neue Methoden zur Charakterisierung und Isolierung von Mikroorganismen zu entwickeln. Diese Arbeit soll einen Beitrag liefern, den Wissensstand und die Möglichkeiten auf diesem Gebiet zu erweitern. 5 2. Aufgabenstellung 2. Aufgabenstellung Ziel dieser Arbeit war es, die Kapillarelektrophorese als neue Methode bei der Charakterisierung von Mikroorganismen einzuführen. Dazu mußten zuerst die apparativen Voraussetzungen untersucht werden, wie z.B. Kapillarinnendurchmesser, Detektion und Thermostatisierung. Als zweites sollten die idealen Rahmenbedingungen für das Arbeiten mit Mikroorganismen in der CE bestimmt werden. Wichtige zu untersuchende Faktoren waren dabei Temperatureffekte und Stabilität der Zellsuspension. Die beschränkte Lebensdauer der Kapillaren auf Grund der Verwendung von biologischen Matrices sollte ebenfalls untersucht werden. Die elektrophoretische Mobilität sollte als ergänzendes Charakterisierungsmerkmal für Bakterien eingeführt werden. Dabei waren die Einflüsse verschiedener Parameter, wie zum Beispiel Zusammensetzung, Konzentration und pH-Wert des Puffers auf die elektrophoretische Mobilität der Zellen zu untersuchen. Von den untersuchten Bakterien sollte ein Charakterisierungskatalog erstellt werden. Um eine Trennung von Bakteriengemischen zu ermöglichen, bzw. zu optimieren, sollte der Einfluß verschiedener Parameter wie z.B. Zusammensetzung und Konzentration des Puffers, Wechselwirkungen mit der Kapillarwand und Abhängigkeit vom Kapillardurchmesser auf die Bodenzahl untersucht werden. Im Anschluß sollten die Anwendungsmöglichkeiten der Trennung von Bakterien erörtert werden. Um die Bakterien nach deren Trennung weiter untersuchen zu können, sollten Methoden zur Fraktionierung der getrennten Bakterien entwickelt werden. 6 II Theoretischer Teil 7 8 3. Theoretischer Teil 3.1 Die Zelle 3.1.1 Protocyten und Eucyten Generell können die Zellen in 2 Gruppen aufgeteilt werden: Die eine Gruppe beinhaltet Organismen mit einfacher Zellstruktur, welche als Prokaryoten und ihre Zellen als Protocyten bezeichnet werden. Zu ihnen gehören die Bakterien einschließlich der Cyanobakterien. Abbildung 3.1: Schema einer pro- und eukaryotischen Zelle. Größenvergleich und Kompartmentierung. Als Beispiel für die eukaryotische Zelle wurde eine junge Pflanzenzelle gewählt [1]. Die andere Gruppe beinhaltet Organismen mit komplexer Zellstruktur. Sie werden als Eukaryoten und ihre Zellen als Eucyten bezeichnet. Zu ihnen gehören die Protozoen, Pilze, einschließlich der Hefen, sowie die Pflanzen und Tiere. Wesentliche Unterscheidungsmerkmale sind die Zellkompartmentierung und der genetische Informationsgehalt, wobei dieser bei den Eucyten das etwa 10-1000-fache der Protocyten beträgt, vgl. Abb. 3.1. Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist der Bau des Zellkerns. Der Kern der Protocyten, der auch als Kernregion oder Nucleoid bezeichnet wird, ist ein zirkulär 9 3. Theoretischer Teil geknäultes DNA Molekül, das nicht von einer Membran umgeben ist. Die Eucyten besitzen einen „echten“ Kern, der von einer Membran umgeben ist. Zusätzlich enthalten Eucyten sogenannte Organellen. 3.1.2 Aufbau der prokaryotischen Zelle Vereinfacht kann die Zelle in 2 Kompartimente aufgeteilt werden: Die Zellhülle und das Zellinnere bzw. der Zellinhalt. In den folgenden Ausführungen soll schwerpunktsmäßig auf die Zellhülle eingegangen werden, da diese für vorliegende Arbeit von großer Relevanz war. 3.1.2.1 Zellinhaltsstoffe Der wohl wichtigste Bestandteil der Zelle ist der Kern, bzw. die Kernregion. Hierbei handelt es sich um ein cyclisches DNA-Makromolekül, in dem sämtliche Erbinformationen enthalten sind. Parallel gibt es noch kleine zirkuläre doppelsträngige DNA Moleküle, sogenannte Plasmide, welche zusätzliche, für die Zelle wichtige Informationen enthalten, wie z.B. Resistenz-, Abbau- oder Virulenz-Plasmide. Der Kern ist in das Cytoplasma eingebettet, welches von der Zellmembran begrenzt wird. Das Cytoplasma stellt keine homogene Proteinlösung dar, sondern kann in zwei Fraktionen aufgetrennt werden: 1. Lösliche Fraktion: Enzymproteine, Ribonucleinsäure, niedermolekulare Intermediären des Stoffwechsels 2. Unlösliche Fraktion: Ribosomen 10 3. Theoretischer Teil 3.1.2.2 Zellmembran Das Cytoplasma wird von der Zell- oder Cytoplasmamembran umschlossen, welche aus zwei Schichten von Phospholipidmolekülen gebildet wird. Diese bestehen aus einem polaren und daher hydrophilen Kopfteil und einem lipophilen Schwanzteil, der durch zwei Fettsäureketten gebildet wird (vgl. Abb. 3.2). In der typischen Einheitsmembran sind die lipophilen Teile von beiden Seiten nach innen gerichtet, die hydrophilen Teile nach außen (vgl. Abb. 3.3). Abbildung 3.2: Bausteine der Lipiddoppelschicht der bakteriellen Zellmembran [1]. Abbildung 3.3: Aufbau der Cytoplasmamembran, PR = Proteinschicht, Lipidmolekül mit polarem (PL) und nichtpolarem (NPL) Teil [1]. Hinzu kommen noch Proteine, die in der Membran verankert sind. Die Membran erfüllt zwei wesentliche Funktionen: Auf Grund der Semipermeabilität stellt sie eine Diffusionsbarriere dar, die den Stoffaustausch und die Transportprozesse reguliert. Weiterhin sind in der Membran die Systeme der Energiegewinnung lokalisiert. 11 3. Theoretischer Teil 3.1.2.3 Die Zellwand Die Zellwand bewirkt Festigkeit und Form der Zellen. Sie ist mit der Lederhülle eines Fußballs vergleichbar, die Cytoplasmamembran würde der Gummiblase entsprechen. Die der Zellwand an Festigkeit verleihende Komponente ist das Peptidoglykan oder Murein. Es ist ein makromolekulares Heteropolymer, das aus Zuckerderivaten und Peptiden besteht. In Varianten kommt diese Grundstruktur bei allen Eubakterien vor. Die Archaebakterien haben einen davon abweichenden Zellwandaufbau. Die Komponenten der Peptidoglykangrundstruktur sind in Abb. 3.4.a (Dreieck) dargestellt. Abbildung 3.4a: Peptidoglycanstruktur der Zellwand Gram-positiver Bakterien (Staphylococcus aureus). Die Grundeinheit ist von einem Dreieck umgeben [1]. Die Zuckerderivate sind in alternierender Folge aus N-Acetyl-Glucosamin und NAcetyl-Muraminsäure angeordnet, die β-1,4-glykosidisch miteinander verknüpft sind. Die N-Acetyl-Muraminsäure ist mit einem Tetrapeptid verbunden. Diese Peptidkette ist bei den Gram-negativen Bakterien direkt, bei den Gram-positiven Bakterien über eine Peptidkette mit dem Tetrapeptid der nächsten Kette verknüpft. Die makromolekulare 12 3. Theoretischer Teil Struktur des Mureins kommt durch zwei Arten der Verknüpfung zustande: Durch die Glycosidbindungen zwischen den Zuckerderivaten und den Peptidbindungen zwischen den Aminosäuren der Peptidseitenketten (vgl. Abb. 3.4.b). Abbildung 3.4b: Peptidoglycanstruktur der Zellwand Gram-positiver Bakterien (Staphylococcus aureus). Vernetzung der Grundeinheiten zum Makromolekül [1]. a) Gram-Färbung Die Eubakterien lassen sich in zwei Gruppen differenzieren: In die Gram-positiven und Gram-negativen Bakterien. Die Differenzierung beruht auf der von Gram (1884) eingeführten Färbung. Die im folgenden behandelten Unterschiede im Wandaufbau bewirken, daß beim Färben mit Kristallviolett und anschließender Iod-Fixierung ein Komplex entsteht, der bei Gram-negativen Bakterien mit Ethanol auswaschbar ist, bei den Gram-positiven nicht. Die Gram-negativen Bakterien werden durch das Waschen mit Ethanol wieder farblos und können durch Gegenfärbung mit Fuchsin wieder sichtbar gemacht werden. b) Gram-positive Bakterien Sie haben im Vergleich zu den Gram-negativen Bakterien einen relativ einfachen Wandaufbau (vgl. Abb. 3.5). Die Wand besteht aus einer mehrschichtigen Peptidoglycanstruktur, in die Teichonsäuren eingelagert sind. Die Zellwand besteht insgesamt aus ca. 90 % Peptidoglycan. 13 3. Theoretischer Teil Abbildung 3.5: Vergleich des Aufbaus der Zellwand Gram-positiver und Gramnegativer Bakterien[1]. c) Gram-negative Bakterien Wie bereits erwähnt, haben sie eine komplexere Wandstruktur (vgl. Abb. 3.5 und 3.6). Über der meist einschichtigen Peptidoglycanschicht liegt eine zweite, äußere Membran, welche sich stark von der Inneren, der Cytoplasmamembran unterscheidet: Die nach innen gerichtete Schicht der äußeren Membran besteht im wesentlichen aus Phospholipiden, die äußere Schicht aus Lipopolysacchariden. Gleichfalls sind auch in der äußeren Membran Proteine eingebaut. Abbildung 3.6: Schema des Zellwandaufbaus Gram-negativer Bakterien (Salmonella typhimurium)[1]. 14 3. Theoretischer Teil 3.1.2.4 Kapseln, Schleime und Geißeln Bei vielen Bakterien liegt über der Zellwand eine Schleimschicht. Ist sie scharf abgegrenzt, so wird sie als Kapsel bezeichnet. Geht das Kapselmaterial in das umgebende Medium über, so spricht man von Schleimen. Ihre chemische Zusammensetzung ist sehr vielfältig. Zum überwiegenden Teil sind es Polysaccharide, aber auch Polypeptide werden gebildet. Ebenso können Bakterien sogenannte Geißeln besitzen. Hierbei handelt es sich um 1020 µm lange helikale Gebilde, die in der Cytoplasmamembran verankert sind. Die Geißeln erlauben den Bakterien eine aktive Fortbewegung. 3.2 Transportvorgänge in der Zelle Mit der Aufnahme eines Stoffes durch die Zelle beginnt in der Regel der Stoffwechsel. Bei der Aufnahme kann man mehrere, sich grundsätzlich unterscheidende Prozesse voneinander trennen: • Bindung eines Stoffes durch die Zelloberfläche, z.B. durch Adsorption oder Bindung von Ionen an geladene Gruppen der Zelloberfläche. • Durchtritt (Permeation) eines Stoffes durch die Membran • Einbau eines Stoffes in die Membran Wichtigstes Zellorganell für diese Prozesse ist die Cytoplasmamembran. Sie stellt eine osmotische Barriere dar und ermöglicht einen selektiven Stoffaustausch mit der Umgebung. Im Allgemeinen nimmt man an, daß die Zellwand der Mikroorganismen keine Permeabilitätsschranke für niedermolekulare, gelöste Stoffe darstellt [2]. Der Umfang des Transports eines Stoffes durch die Membran ist abhängig − von der Konzentration des Stoffes auf beiden Seiten der Membran − von der Beweglichkeit des Stoffes in der Membran − von der Treibkraft für den betreffenden Stoff, einer thermodynamischen Größe, deren Gradient über die Membran die Bewegung der Teilchen verursacht und die Richtung der Bewegung bestimmt. 15 3. Theoretischer Teil Vom Mechanismus des Transportvorganges und seinem kinetischen Verhalten unterscheidet man: − die Diffusion − die erleichterte Diffusion − den aktiven Transport 3.2.1 (Freie) Diffusion Bei der Diffusion hängt die Transportgeschwindigkeit v ausschließlich vom Konzentrationsgradienten des Stoffes auf beiden Seiten der Membran ab. v = KD([Sa] - [Si]) (1) [Sa]: Konzentration des Stoffes außerhalb der Membran [Si]: Konzentration des Stoffes in der Zelle KD: Diffusionskonstante Im Gleichgewicht sind die beiden Konzentrationen gleich. Dies bedeutet, daß die Zusammensetzung an niedermolekularen Zellinhaltsstoffen stark vom umgebenden Medium abhängt. Die freie Diffusion setzt die Existenz von Poren oder Löchern in der Membran voraus. 3.2.2 Erleichterte Diffusion Hier wird der Transport von Substraten durch die Cytoplasmamembran mittels sogenannten Träger (carrier) erleichtert, bzw. ermöglicht. Durch Kontakt des Substrats mit dem Träger werden die physikalischen Eigenschaften verändert und so ein Durchtritt durch die Membran erleichtert. Allerdings ist auch hier nur ein Transport infolge eines Konzentrationsgefälles, analog der freien Diffusion, möglich. 16 3. Theoretischer Teil 3.2.3 Aktiver Transport Die wesentlichste Transportform überhaupt ist der aktive Transport (Bergauftransport). Die meisten Substrate gelangen auf diesem Weg in die Zelle. Das hervorstechende Merkmal des aktiven Transports ist die Fähigkeit zur Akkumulation des betreffenden Substrates gegen den Konzentrationsgradienten. Dies kann zu sehr hohen Verteilungsquotienten führen. Der aktive Transport ist stets mit einer Energietransformation verbunden und daher von einem intakten Energiestoffwechsel der Zelle abhängig. Entfällt diese Energiebereitstellung, so bleibt lediglich die Diffusion als Transportmittel übrig. Selbst bei abgestorbenen Zellen erfolgt dieser Diffusionsaustausch, sofern die Membran noch intakt ist. Wird die Umgebungslösung verändert, so entstehen Konzentrationsgefälle, worauf ein Durchtritt derjenigen Substanzen durch die semipermeable Membran stattfindet, die zur Diffusion befähigt sind (niedermolekuare Verbindungen). Dabei erfolgt nicht nur ein Substrataustausch entlang des Konzentrationsgefälles, sondern in begrenztem Umfang auch ein Wasseraustausch, wodurch ein Angleichen der Konzentrationen erreicht werden kann. Bei starkem Konzentrationsgefälle in Richtung Zelle-Umgebung ist es möglich, daß so viel Wasser in die Zelle diffundiert, daß der osmotische Druck zu stark wird und die Zellwand reißt: Die Zelle platzt. 17 3. Theoretischer Teil 3.3 Wachstum der Bakterien Wachstum ist die irreversible Zunahme der lebenden Substanz. Bei Mikroorganismen erfolgt es sowohl auf der Ebene der individuellen Zelle als auch der Zellpopulation. Nach der Vergrößerung teilt sich die Zelle in zwei Tochterzellen. Die mit dem Wachstum der individuellen Zelle verbundene Zellteilung führt zum Anstieg der Zellzahl und damit zur Vergrößerung der Zellpopulation. Das Wachstum erfolgt dabei exponentiell. In Abb. 3.7 ist ein solcher Wachstumsverlauf dargestellt, der jedoch nur bei idealen Bedingungen zu erwarten ist. Grundbedingung ist ein ausreichendes Substratangebot. Zellzahl arithmetische Auftragung logaritmische Auftragung 0 1 2 3 4 5 Zeit [h] Abbildung 3.7: Exponentielles Wachstum. Arithmetische und halblogarithmische Auftragung der Zellzahl In der Praxis verläuft die Vermehrung der Bakterien in verschiedenen Wachstumphasen (vgl. Abb. 3.8). Nach der Beimpfung erfolgt in einer Anlauf- oder lag-Phase zunächst eine Anpassung an das Milieu, bevor das exponentielle Wachstum beginnt. Ihre Dauer ist vom Alter der Population der eingeimpften Zellen und der Zusammensetzung des Mediums der vorhergehenden Kultur abhängig. Die Zellen synthetisieren in der Anlaufphase Ribosomen und Enzyme, welche für die Verwertung der vorliegenden Nährstoffe notwendig sind. Ist dieser Vorgang abgeschlossen, so beginnt die exponentielle Phase. Durch Verbrauch der Nährstoffe kommt es schließlich zur Beendigung des Wachstums und die Zellen gehen in den stationären Zustand über. 18 3. Theoretischer Teil Allerdings sind sie immer noch stoffwechselaktiv und können weiterhin Produkte synthetisieren. Nach einer gewissen Zeit beginnen die Bakterien abzusterben, wodurch die Gesamtzellzahl verringert wird. Abbildung 3.8: Wachstumsverlauf einer Bakterienkultur [2] 3.4 Die elektrophoretische Mobilität EM Ein Teilchen mit der Ladung q erfährt in einem elektrischen Feld der Stärke E eine Kraft FE., wodurch das Teilchen beschleunigt wird [3]. FE = q ⋅ E (2) Befindet sich dieses Teilchen nicht im Vakuum, so erfährt es zusätzlich eine durch Reibung verursachte Bremskraft, die vom Radius r des Teilchens, dessen Geschwindigkeit v und der Viskosität η des umgebenden Mediums abgängig ist: FR = 6 π ⋅ r ⋅ η ⋅ v (3) 19 3. Theoretischer Teil Nach kurzer Zeit stellt sich ein Kräftegleichgewicht ein, wobei sich das Teilchen nun mit konstanter Geschwindigkeit v bewegt: FE = FR ⇒ q ⋅ E = 6 π ⋅ r ⋅ η⋅ v (4) (5) Somit ergibt sich für die Geschwindigkeit: v= q⋅E 6π⋅r⋅η (6) Da die Geschwindigkeit von der elektrischen Feldstärke abhängig ist, wurde die feldstärkeunabhängige elektrophoretische Beweglichkeit/Mobilität EM eingeführt: µ= v q = E 6π⋅r ⋅η (7) Diese Gleichung läßt sich prinzipiell auch auf Zellen anwenden. Die EM läßt sich experimentell durch Bestimmung der Geschwindigkeit der Zelle im elektrischen Feld ermitteln. Um sie theoretisch berechnen zu können, müssen Radius und Ladung der Zelle, sowie die Viskosität der umgebenden Lösung bekannt sein. Die Viskosität und die Zellgröße sind relativ einfach zu bestimmen. Schwieriger wird die Bestimmung der Ladung der Zelle, da hierbei nicht nur die Ladung selbst, sondern auch dessen Verteilung eine Rolle spielt. Zudem wird eine Verallgemeinerung erschwert, da die Zellen ein und derselben Art nicht exakt identisch sind. Daher ist es bisher nicht möglich, die Ladung von Zellen mathematisch exakt zu erfassen. Aus diesem Grund entstanden zahlreiche Versuche, die Ladung bzw. die Ladungsverteilung von Zellen semiquantitativ zu beschreiben. 20 3. Theoretischer Teil 3.5 Ladungsdichteverteilung in der Zellhülle Damit „Zelladungen“ entstehen können, sind ionische Verbindungen - oder Gruppen, die Ionen erzeugen können - notwendig, welche fest in der Zelle verankert sind. Das entsprechende Gegenion muß dabei frei beweglich sein und die Zelle verlassen können, da nur so die elektrische Ladung als „Zelladung“ in Erscheinung treten kann. Somit sind nur die äußeren Regionen der Zelle, also Zellwand und Zellmembran von Relevanz. Die im Zellinneren befindlichen Ionen liefern keinen Beitrag zur Gesamtladung, da sich das entsprechende Gegenion in unmittelbarer Nähe aufhalten muß (elektrostatische Anziehung) und sich die Ladungen beim Betrachten der gesamten Zelle gegenseitig aufheben. Wie in den Kapiteln 3.1.2.2 und 3.1.2.3 beschrieben, besteht die Zellhülle größtenteils aus Zuckerderivat- und Aminosäurebausteinen, sowie Phospho-Verbindungen, die verschiedene funktionelle Gruppen enthalten. Diese unterliegen der Protolyse, wobei ionische Verbindungen entstehen können. Typische Vertreter sind [4]: Carbonsäuren -COOH Sulfinsäuren -SO2H Phosphorsäureester -OPO3H Durch die Abspaltung eines Protons wird die Gesamtladung der Zelle verändert. Die funktionellen Gruppen ermöglichen nicht nur die Bildung von negativen Ladungen, sondern können u.a. durch Protonierung von Aminen zum Ammoniumion positive Ladungen erzeugen. Die Gesamtladung der Zelle ergibt sich aus der Summe der positiven und negativen Ladungen, d.h. durch einen hohen Anteil an Aminen bzw. Ammoniumionen kann die negative Zelladung stark vermindert werden. In den folgenden Kapiteln werden nun einige Modelle diskutiert, die die resultierende Ladungsverteilung quantitativ zu beschreiben versuchen. 21 3. Theoretischer Teil 3.5.1 Modell nach Smoluchowski Experimentelle Untersuchungen von kolloidalen Partikeln ergaben, daß die Geschwindigkeit der Partikel proportional zum angelegten elektrischen Feld ist. Man erhält somit die Formel: v = µ ep ⋅ E (8)v: Geschwindigkeit E: Elektrische Feldstärke wobei µep die elektrophoretische Mobilität der Partikel darstellt. Sie ist das Bindeglied zwischen Geschwindigkeit und der elektrischen Feldstärke. Zellen mit einer elektrischen Ladung bilden zwischen sich und der Lösung ein Potential aus, das sogenannte Zeta-Potential ζ. Daraus folgt, daß ein Zusammenhang zwischen µep und ζ besteht. Smoluchowski erkannte, daß es sich hierbei um ein der elektroosmotischen Beweglichkeit ähnlich gelagerten Problems handelt. Daraus leitete er für die Geschwindigkeit v der Partikel in einem elektrischen Feld der Stärke E folgenden Zusammenhang ab: v= ε0 εr ζ η E (9) εr: relative Dielektrizitätskonstante η: Viskosität der Lösung ζ: Zetapotential beziehungsweise für die elektrophoretische Beweglichkeit: µep = 22 ε 0 εr ζ η = εζ η (10) 3. Theoretischer Teil Diese Gleichungen gelten jedoch nur unter sehr idealisierten Bedingungen und basieren auf folgenden Vereinfachungen [ 5 ] : . Das Partikel ( die Zelle ) ist kugelförmig, starr und nichtleitend. . Sein Radius ist größer als die Debye-Länge. . Die umgebende Flüssigkeit geht keinerlei Wechselwirkungen ein. . Das Zeta-Potential ist auf der ganzen Partikeloberfläche gleich. Diese Bedingungen haben zur Folge, daß bei einem nichtleitenden, starren Partikel die Ladung auf der Oberfläche lokalisiert sein muß. Dies ist jedoch für eine Zelle sehr unwahrscheinlich, da es sich bei der Zellmembran um ein dynamisches System handelt, welches sich laufend verändert, wodurch diese einfache Theorie unrealistisch wird. 3.5.2 Modell der polymerbeschichteten Partikel Verschiedene Versuche wurden unternommen, um das klassische starre Kugelmodell (Kapitel 3.5.1 ) zu verbessern [6-9]. In diesen Studien besteht eine Oberflächenschicht aus einem geladenen Polymer, welches mit der Oberfläche eines festen Partikels verbunden ist. Dieses Polymer ist ionendurchlässig, wodurch sich ein verbessertes Modell für eine Zellstruktur ableiten läßt, da Zellen für ihre Permeabilität für Ionen und Wasser bekannt sind. Hier beschränkt sich die Ladung nicht mehr auf die Oberfläche, sondern befindet sich innerhalb einer Oberflächenschicht mit einer bestimmten Dicke dc (vgl. Abb. 3.9). Die Ladungen sollen gleichmäßig in der Membranschicht verteilt sein. Es entsteht somit ein Potentialgefälle von der Oberflächenladungsschicht zur Lösung hin, welches qualitativ der Form von Abb. 3.10 entspricht [5]. 23 3. Theoretischer Teil Abbildung 3.9 Abbildung 3.10 Bei Berücksichtigung dieser Eigenschaften des neuen Modells ergibt sich nach H. Ohshima und T. Kondo [10] folgender Zusammenhang zwischen Potential und elektrophoretischer Beweglichkeit: µep = ε 0εr η ψDON λ km + 1 +1 λ km ψ( 0) + zeN ηλ2 (11) µep: Elektrophoretische Beweglichkeit εr: relative Dielektrizitätskonstante ε0: mit λ = γ η Dielektrizitätskonstante des Vakuums km: 1 Debye Hückel Parameter der Oberflächenladungsschicht 24 γ: Reibungskoeffizient η: Viskosität Ψ(0): Grenzpotential Zelle-Lösung ΨDON: Donnanpotential 3. Theoretischer Teil Für λ gegen unendlich erhält man als Grenzwert wieder die Smoluchowski-Gleichung: µ = εrε0Ψ(0)/η (12) Für diesen Grenzfall wird die Reibung in der Oberflächenschicht unendlich groß, so daß ein Lösungsmittelfluß innerhalb dieser Schicht bezüglich des Partikelkerns zu vernachlässigen ist. Der Vorteil dieses Modells gegenüber dem von Smoluchowski liegt darin, daß es durch die Einbeziehung einer ionischen Membran einer Zelle ähnlicher ist. 3.5.2.1 Das Donnan-Membranpotential [11] Beim Donnan-Membran-Modell wird eine für kleine Ionen ( zum Beispiel Na+ und Cl- ) durchlässige aber für undurchlässige Proteine Membran angenommen (vgl. Abb. 3.11 ). Beim Modell polymerbeschichteten entspricht diese Grenzfläche der Partikel Membran der Lösung-Oberflächen- schicht und die undurchlässigen Proteine den fest gebundenen funktionellen Gruppen. Abbildung 3.11 Betrachtet man nun ein Beispiel mit durchlässigen Ionen, so erhält man ein Gleichgewicht zwischen beiden Seiten: Die Natrium- und Chloridkonzentrationen müssen auf beiden Seiten gleich sein: c+´= c-´= c+´´ = c-´´ (13) Am Voltmeter ist keine Potentialdifferenz zu messen. 25 3. Theoretischer Teil Gibt man nun auf einer Seite ein Protein hinzu, so verändert sich die Situation grundlegend: Das Produkt der permeablen Kationen und Anionen auf beiden Seiten muß gleich sein: c+´c-´= c+´´c-´´ (14) (Donnan Gleichung) In der Lösung ohne Protein gilt: c+´= c-´ (15) Aus Gleichung 13 folgt somit:( c´ )2 = c+´´c-´´ (16) Hat das Protein die Ladung zp und die Konzentration cp, so ergibt sich für die linke Seite von Gleichung 16: c-´´= zpcp + c+´´ (17) Das daraus resultierende Membran-Donnanpotential E lautet nun : E = Φ´- Φ´´ = RTln(c+´´/c´)/F = - RTln( c-´´/c´)/F (18) F: Faradaykonstante T: Temperatur R: Gaskonstante 3.5.3 Doppelschichtmodell von Nakano et. al. [12] Das Modell nach Kapitel 3.5.2.1 setzt eine gleichmäßige Ladungsverteilung innerhalb einer ionendurchlässigen Oberflächenschicht mit definierter Dicke voraus. 26 3. Theoretischer Teil Untersuchungen von menschlichen roten Blutzellen bei verschiedenen Ionenstärken und pH-Werten haben ergeben, daß mit diesem Modell eine gute Übereinstimmung der theoretisch berechneten Werte und den Meßergebnissen im neutralen und basischen Bereich erzielt wird [13]. Im sauren Bereich nimmt jedoch die elektrophoretische Beweglichkeit mit abnehmender Ionenstärke des Puffers wieder ab (vgl. Abb. 3.12) [12]. Dieser Effekt kann durch das Vorhanden sein von protonierten basischen Gruppen im Inneren der Zellmembran erklärt werden , ungleichmäßige verursachen. welche eine Ladungsverteilung Ähnliche Ergebnisse erhielt man bei Untersuchungen von Lymphocyten bei Ratten [14] und von polymorphonuclearen Leucocyten bei Meerschweinchen [15]. Abbildung 3.12 Um dies befriedigend erklären zu können, muß man die äußere Zellschicht gedanklich aufteilen: In eine Schicht mit negativer ( außen ) und eine Schicht mit positiver ( innen ) Gesamtladung. Die daraus resultierende Formel für die elektrophoretische Beweglichkeit [12] bestätigt die praktischen Ergebnisse für alle pH-Werte. Berechnet man aber die Ladungsdichte im negativ geladenen Teil der Zellschicht, so stellt man fest, daß diese laut Aussage des Modells mit zunehmendem pH-Wert abnehmen müßte, was jedoch im krassen Gegensatz zur Praxis steht, da der Dissoziationsgrad der Gruppen (unter anderem Carbonsäuren) mit steigendem pH Wert zunimmt: Dissoziationsgleichgewicht. 27 3. Theoretischer Teil 3.5.4 Dreischichtmodell nach Nakano et. al. [12] Um diesen Widerspruch zu beseitigen, hat Nakano et. al. [12] das Dreischichtmodell entwickelt. Die Autoren gehen davon aus, daß sich zwischen der positiven und negativen Schicht eine dritte befindet, die gleich viele positiv und negativ geladene funktionelle Gruppen enthält, wodurch sie nach außen hin neutral ist (vgl. Abb. 3.13). Die daraus resultierende Formel für die elektrophoretische Beweglichkeit [ 12 ] bestätigt die experimentellen Daten im alkalischen, neutralen, sowie auch im sauren Bereich ( analog zu 3.5.3 ). Zusätzlich stimmt nun die Forderung, daß mit steigendem pH-Wert die Ladungsdichte in der negativen Schicht ansteigen muß, mit den theoretisch ermittelten Werten überein. Weitere Untersuchungen haben ergeben, daß die innere positive Schicht, bestehend aus basischen Gruppen, keine gleichmäßige Ladungsverteilung hat, sondern die basischen Gruppen abnehmen, je tiefer man in die Zellmembran eindringt. Abschließend kann gesagt Abbildung 3.13 werden, daß zumindest bei Erythrocyten das Dreischichtmodell die beste Näherung zur Erklärung der Ladungsdichteverhältnisse für die äußere Zellschicht darstellt, da dieses Modell selbst über einen großen pH- und Ionenstärkebereich hinweg die Ladungsverteilung ausreichend beschreibt.. 28 3. Theoretischer Teil 3.6 Zellspezifität Zellen haben für ihren Zelltyp spezifische biophysikalische Eigenschaften [4], die auf den unterschiedlichen Aufbau der Zellmembran zurückzuführen sind. Einer Änderung dieser Eigenschaften geht eine Änderung der Zellmembran und deren Aufbau voraus, was Auswirkungen auf die funktionellen Gruppen hat. Somit lassen sich zum Beispiel erkrankte Zellen erkennen und elektrophoretisch isolieren. Diese Anwendungsmöglichkeit ist unter anderem ein wichtiger Aspekt in der Krebsforschung [16], sowie bei Erkennung von Krankheiten wie zum Beispiel ”Multiple Sklerose” [17-19]. Für eine erfolgreiche Bekämpfung von Krankheiten ist es notwendig, kranke Zellen beziehungsweise Erregerzellen zu isolieren und zu analysieren. Die Elektrophorese ist dabei ein geeignetes Instrument, welche beide Aufgaben verknüpfen kann. Die Anwendung der Elektrophorese läßt sich im Prinzip auf jede Art von Zelltyp erweitern, wie zum Beispiel Bakterien [20] und Viren [21]. Auf diesem Gebiet liegen jedoch erst wenige Untersuchungen vor, da diese Applikationen bisher nur von geringem Interesse waren. 29 3. Theoretischer Teil 3.7 Kapillarelektrophorese Die Innenwand von Quarzkapillaren trägt wie fast alle Oberflächen eine Ladung. Ähnlich wie in Kapitel 3.5 entsteht diese Ladung durch Deprotonierung von oberflächengebundenen Gruppen, hier endständige Silanolgruppen. Die Oberfläche der Kapillarinnenseite lädt sich also negativ auf, während sich die Lösung in der näheren Umgebung der Oberfläche durch das Gegenion positiv auflädt: Es bildet sich eine elektrische Doppelschicht aus. Auf Grund der räumlichen Trennung der Ladungen bildet sich ein Potential (ζ-Potential) aus. Legt man nun ein elektrisches Feld an, so werden die freien Gegenionen der deprotonierten Silanolgruppen nach Gleichung 2 zur Kathode gezogen. Da die negative Ladung auf der Oberfläche fixiert ist, erfolgt eine Effektivwanderung von positiven Ladungsträgern zur Kathode. Da die Protonen sehr stark solvatisiert sind, wandern nicht nur die Protonen allein, sondern das solvatisierende Wasser, sprich der komplette Puffer wandert Richtung Kathode: Elektroosmotischer Fluß EOF [22,23]. Für die elektroosmotische Geschwindigkeit gilt die Helmholtz-Gleichung [23,24]: v eo = ε ⋅ E ⋅ζ 4 π⋅η (19) veo : elektroosmotische Geschwindigkeit ε : Dielektrizitätskonstante des Puffers η : Viskosität des Puffers E : Feldstärke Anders wie bei geladenen Teilchen geht hier also nicht direkt die Ladung in die Geschwindigkeitsgleichung ein, s. 3.4, sondern das daraus resultierend Potential ζ. Es ist also nicht unbedingt eine konkrete Oberflächenladung notwendig, um einen EOF zu erhalten, sondern es genügt ein Potential, wie z.B. die Oberflächenspannung. Deshalb ist es nicht weiter verwunderlich, daß selbst Teflon-Kapillaren einen EOF besitzen, obwohl hier keine endständigen funktionellen Gruppen vorhanden sind, welche durch Dissoziation eine Ladung erzeugen können [25]. 30 3. Theoretischer Teil Der von der elektrischen Feldstärke unabhängige Term nennt sich elektroosmotische Beweglichkeit. Man erhält ihn, indem die elektroosmotische Fließgeschwindigkeit durch die elektrische Feldstärke dividiert wird: µ eo = v eo ε ⋅ζ = E 4π ⋅η (19a) Gegenüber herkömmlichen Elektrophoresemethoden hat die Kapillarelektrophorese CE den Vorteil, daß durch den geringen Kapillardurchmesser eine gute Ableitung der erzeugten Joul´schen Wärme erfolgt. Dies ermöglicht ein Arbeiten mit starken elektrischen Feldern, was sich in einer deutlich verkürzten Analysenzeit manifestiert. Hinzu kommt, daß durch den EOF ein stempelförmiges Strömungsprofil, das sogenannte „plug“ Profil entsteht. Dadurch wird die durch das Strömungsprofil verursachte Bandenverbreiterung minimiert. Deshalb lassen sich in der CE Bodenzahlen erreichen, die ein bis zwei Größenordnungen höher sein können als bei der HPLC (parabolisches Strömungsprofil). 31 III Experimenteller Teil 34 4.1 Verwendete Bakterienstämme 4.1 Verwendete Bakterienstämme 4.1.1 Beschreibung der Bakterien 4.1.1.1 Pseudomonas spezies (DSM 1749, 6708, 6537, 1110, 2583, 5536) [26,27] Pseudomonas stammt aus dem Griechischen und heißt übersetzt soviel wie "falsche Einheit/Monade". Die Pseudomonaden stellen eine große und wichtige Gruppe in der Natur dar. Mitglieder aus ihrer Gruppe sind in Boden, Trinkwasser, der marinen Umgebung und vielen anderen natürlichen Materialien zu finden. Sie zeichnen sich durch die Fähigkeit aus, organische Materie abzubauen und in Mineralstoffe umzuwandeln. Sie sind ebenfalls Bestandteil der Mikroflora, welche für das Verderben von Nahrung verantwortlich ist. Die Pseudomonaden gehören zur Gruppe der Gram-negativen Bakterien. Sie sind aerob und atmungsaktiv, das heißt, sie verbrauchen Sauerstoff. Ein Metabolismus, welcher auf Gärung basiert, ist nicht vorhanden. Ihr Temperaturbereich, in dem Wachstum zu verzeichnen ist, erstreckt sich von 4 - 42 oC. Ebenso benötigen sie einen pH-Bereich, der im alkalischen oder im neutralen liegt. Im sauren Medium erfolgt kein Wachstum. Die Pseudomonaden bilden gerade oder leicht gebogene Stäbchen mit einem Durchmesser von 0,5-1,0 µm und einer Länge von 1,5-5,0 µm. Eine oder mehrere polare Geißeln ermöglichen ihnen eine gewisse Beweglichkeit. Als Nahrungsquelle können diverse C-Quellen dienen. Ein Ruhestadium ist nicht existent. Die Bezeichnung "spezies" bedeutet, daß diese Bakterien zur Gruppe der Pseudomonaden gehören. Eine Zuordnung zu einer bestimmten Pseudomonadenart ist jedoch nicht möglich. 35 4.1 Verwendete Bakterienstämme 4.1.1.2. Pseudomonas putida (DSM 548, 50222) Hierbei handelt es sich um eine Untergruppierung der Pseudomonaden. Der Name "putida" stammt aus dem Lateinischen und heißt übersetzt so viel wie “stinkend”. Die Bakterien heißen also wörtlich übersetzt "stinkende, unechte Einheit". Sie wurden unter anderem in Blut und bei postoperativen Infektionen entdeckt. Ihre idealen Wachstumsbedingungen erstrecken sich über einen Temperaturbereich von 25-32 oC . Sie besitzen mindestens zwei polare Geißeln. Ihr Hauptunterschied zu den anderen Unterarten der Pseudomonaden beruht auf den unterschiedlichen physiologischen und ernährungsbedingten Eigenschaften. Diese unterschiedlichen Verhaltensweisen werden unter anderem zur Identifizierung einer Bakterienart verwendet. 4.1.1.3 Rhodococcus erythropolis (DSM 1069) "Rhodococcus" stammt aus dem Griechischen und heißt soviel wie „rotes Korn“. "Erythropolis", ebenfalls aus dem Griechischen, bedeutet "rote Stadt". Wie aus dem Namen hervorgeht, bilden die Rhodococcen auf Glukose-HefeextraktAgarböden orange bis rote Kolonien. Sie kommen im Boden vor und haben eine optimale Wachstumsrate bei 30oC. Die Zellen können sowohl rund als auch gering stäbchenförmig sein. Sie bilden lange, stark verzweigte faserartige Ketten. Die runden Zellen können lediglich zu Stäbchen werden. Diese bilden dann die Fasern mit seitlichen Verzweigungen. Die nächste Generation der kugel- bzw. stäbchenförmigen Zellen entsteht durch Spaltung der Stäbchen bzw. der Fasern. Im Gegensatz zu den obigen Stämmen sind die Rhodococcen Gram-positiv und unbeweglich aber ebenfalls aerob. 36 4.1 Verwendete Bakterienstämme 4.1.1.4 Micrococcus luteus (DSM 20030) Micrococcus stammt aus dem Griechischen und heißt soviel wie „kleines Korn“. Wie der Name schon andeutet handelt es sich hier um kleine “Kugeln” mit einem Innendurchmesser von 0,9-1,8 µm. Sie bilden keine Sporen und sind unbeweglich. Es handelt sich hierbei um eine Gram-positive, aerobe Bakterienart. Sie bilden gelbe, glänzende und konvexe Kolonien. Ihre optimale Wachstumstemperatur beträgt 25-37° C. Sie kommen im Boden, Sand, Staub, Meer- und Frischwasser, in Pflanzen, Fleisch- und Milchprodukten und auf der Haut von Säugetieren vor. Sie sind bei etwa 90 % aller Menschen auf der Hautoberfläche zu finden. Teilweise werden Micrococcen zu Fleischprodukten zugesetzt, um deren Farbe, Geschmack und Haltbarkeit zu verbessern (“Micrococcus varians”) “Micrococcus luteus“ wurde zur Erforschung von Antibiotika verwendet, wie z.B. Penicillin G, Novobiocin und Chlortetracyclin. 4.1.1.5 Serratia ficaria (DSM 4569) Hierbei handelt es sich um Gram-negative Stäbchen. Peritriche Geißeln ermöglichen den Zellen eine gewisse Beweglichkeit. Sie gehören zu der Familie der Enterobacteriaceae und bilden farblose Kolonien. Isoliert wurden sie aus dem Boden und kommen auch im menschlichen Darm vor. 4.1.1.6 Paracoccus denitrificans (DSM 65) Der Name Paracoccus stammt ebenfalls aus den Griechischen und bedeutet soviel wie “wie ein Korn”. Diese Bakterien bilden kleine “Kugeln” mit einem Durchmesser von 1,1-1,3 µm, treten einzeln oder paarweise auf, sind Gram-negativ, aerob und nicht beweglich. Zudem besitzen sie weder eine Rastphase noch Pigmente. Paracoccen bilden 2-3mm große, runde, glatte, an der Oberfläche glänzende, weißlich trübe Kolonien. 37 4.1 Verwendete Bakterienstämme Die Zellen sind zu anaerobem Wachstum auf Nitratböden befähigt, daher der Name “denitrificans”. Zudem sind sie fakultativ methylotroph. Besonders bemerkenswert ist ihr Vermögen, sich sehr gut an die Umweltbedingungen anzupassen. 4.1.1.7 Sphingomonas spezies (DSM 6014) Auf Grund ihrer großen Ähnlichkeit mit den Pseudomonaden. wurden sie oftmals mit diesen verwechselt. Da sie teilweise erst sehr spät entdeckt wurden, kam es in den letzten Jahren immer wieder zu Umbenennungen der einzelnen Spezies. Die Sphingomonaden bilden kurze Stäbchen mit einer Länge von 1-3 µm. Entgegen mancher Pseudomonaden sind sie unbeweglich. 4.1.2 Vermehrung der Bakterien [28] a) Vollmedium Pepton, aus tryptisch verdautem Sojamehl Hefeextrakt 0,1 g mit Wasser auf 100 mL auffüllen pH = 7 38 3g 4.1 Verwendete Bakterienstämme b) Mineralmedium für Pseudomonaden Na2HPO4 2,44 g KH2PO4 1,52 g (NH4)2SO4 0,5 g MgSO4*7 H2O 0,2 g CaCl2*2 H2O 0,005 g Spurenelementlösung SL-4 10,0 mL Destilliertes Wasser ad 1000,0 mL Anschließend wird der pH mit 1 M NaOH auf 6,9 eingestellt. Spurenelementlösung SL-4: EDTA 0,5 g FeSO4*7 H2O 0,2 g Spurenelementlösung SL-6 100,0 mL Destilliertes Wasser 900,0 mL Spurenelementlösung SL-6: ZnSO4*7 H2O 0,1 g MnCl2*4 H2O 0,03 g H3BO3 0,3 g CoCl2*6 H2O 0,2 g CuCl2*2 H2O 0,01 g NiCl2*6 H2O 0,02 g Na2MoO4*2 H2O 0,03 g Destilliertes Wasser ad 1000,0 mL 39 4.1 Verwendete Bakterienstämme c) Nährmedium für Rhodococcus erythropolis KH2PO4 0,4 g K2HPO4 1,6 g NH4NO3 0,5 g MgSO4* 7H2O 0,2 g FeCl3*6 H2O 0,025 g Hefeextrakt 0,1 g Destilliertes Wasser ad 900,0 mL Eine eventuell trübe Lösung wurde filtriert. Die Nährmedien wurden bei 120oC 20 Minuten sterilisiert. Medium b) und c) wurde 1mg Glucose auf 1mL Nährlösung als C-Quelle zugesetzt. Nach dem Beimpfen der Medien mit Reinkulturen wurden diese 2-3 Tage bei 30oC unter ständigem Schütteln hochgezüchtet. Anschließend wurden sie bis zur weiteren Verarbeitung bei 4oC im Kühlschrank aufbewahrt. Außer “Rhodococcus erythropolis” wurden alle Bakterien, soweit nicht anders angegeben, mit dem Vollmedium angezüchtet. 4.1.3 Herstellung der Zellsuspension 1 mL der Bakterien-Nährsuspension wurde in ein 10 mL Zentrifugenglas überführt und mit Puffer auf 5 mL aufgefüllt, durchmischt und bei ca. 8000 U/min zentrifugiert (4 Minuten). Der Überstand wurde verworfen und zu den Bakterien weitere 5 mL Puffer zugegeben. Sehr wichtig war hierbei die anschließende Resuspendierung der Bakterien. Einfaches Schütteln genügte nicht, da die Bakterien durch die Zentrifugation ein relativ festes Konglomerat bildeten. Als sehr praktisch hat sich hierbei die Resuspendierung mittels Pasteurpipette erwiesen. Dabei wurde das Bakterien-Puffer Gemisch durch wiederholtes Einsaugen in die Pasteurpipette und anschließendem Herausdrücken sehr 40 4.1 Verwendete Bakterienstämme gut homogenisiert. Gebildeter Schleim wurde dabei von den Zellen entfernt. Die Suspension wurde wiederum zentrifugiert, der Überstand verworfen und die Zellen in 2 mL Puffer aufgenommen und resuspendiert. Die so entstandene Suspension enthält in etwa 109 Zellen/mL Puffer. 41 4.2 CE-Apparatur 4.2 CE-Apparatur Für diese Arbeit wurde ein Gerät eigener Konstruktion verwendet. Besonders von Vorteil ist hierbei die Möglichkeit, Kapillaren mit verschiedenen Durchmessern zu verwenden. Vor allem dickere Kapillaren bereiten kommerziell erhältlichen Geräten Probleme, da diese in der Regel nur für relativ geringe Kapillarinnendurchmesser ausgelegt sind (50-75 µm). Von Vorteil ist auch die Flexibilität und leichte Handhabbarkeit des Aufbaus, um schnell Kapillaren und Puffergemische wechseln zu können. Durch die Höhenverstellbarkeit der einzelnen Vorratsgefäße, können kleine hydrostatische Drucke relativ einfach und genau erzeugt werden (vgl. Abb. 4.1). Die Konditionierung der Kapillare erfolgt durch Anlegen von Druck auf die Vorratsgefäße. Während des CE-Betriebs dienen die Anschlüsse als Druckausgleich. - + Abb.4.1: Schematische Darstellung der CE-Anlage [29] Als Spannungsversorgung wurde ein High Voltage Power Supply Gerät Typ 890-CE der Firma Jasco verwendet. Als Schreiber diente ein Merck-Integrator. 42 4.2 CE-Apparatur 4.2.1 Detektion Als Detektor wurde ein UV/VIS Detektor des Typs CE-975 der Firma Jasco verwendet. Standardmäßig wird in der Mikrobiologie zur Bestimmung der Zellzahl (Zelltrübung) eine Detektion bei einer Wellenlänge von ca. 600 nm durchgeführt. Dabei wird die durch Streueffekte verursachte Lösungstrübung bestimmt. Bei dieser Wellenlänge findet keine Lichtabsorption statt. Allerdings ist diese Methode bei Verwendung von Kapillaren viel zu unempfindlich (zu geringe Schichtdicke der Lösung). Bei sämtlichen optischen Meßverfahren, in der die Absorption eine Rolle spielt, gilt das Lambert Beersche Gesetz [30]: E = ε ⋅l⋅c (20) E: Extinktion ε: Extinktionskoeffizient l: Schichtdicke c: Konzentration Da in der CE die Schichtdicke sehr gering ist (l = Schichtdicke der Kapillare), muß der Extinktionskoeffizient nach Möglichkeit maximiert werden. Um eine ausreichende Absorption der Zellen zu gewährleisten, sollte die Detektionswellenlänge im Absorptionsmaximum der Bakterien liegen. Hierzu wurden für die verschiedenen Bakterienarten UV-Spektren im Bereich von 190-600 nm angefertigt. Die Spektren der einzelnen Bakterien sind nahezu identisch: Sie besitzen bei 205-210 nm ein Maximum und bei ca. 260 nm eine kleine Schulter. Mit zunehmender Wellenlänge nimmt die Absorption kontinuierlich ab. Das Maximum kommt durch Absorption des Lichts durch Peptidbindungen, welche u.a. Bausteine der Zellwand sind, s. Kapitel 3.1.2.3, zustande. Je nach Zusammensetzung der Zellen mit verschiedenen Peptideinheiten, kann sich das Maximum um ein paar Wellenlängeneinheiten verschieben. Um jedoch alle Zellen möglichst nahe am Absorptionsmaximum zu detektieren, erfolgt die Detektion im gemittelten Maximum bei 208 nm. Eine Detektion bei dieser Wellenlänge stellt große Anforderungen an die "Reinheit" der verwendeten Lösungen. Kleinste Verunreinigungen können starke Störungen bei der Detektion verursachen, da bei dieser Wellenlänge eine Vielzahl von Komponenten Licht absorbieren. Abb. 4.2 zeigt 43 4.2 CE-Apparatur stellvertretend für die verwendeten Bakterien das UV-Spektrum von “Pseudomonas spezies” DSM 5536. Abbildung 4.2: UV-Spektrum von “Pseudomonas spezies” DSM 5536 Vergleiche von Bakterien mit und ohne UV-Detektion haben ergeben, daß die Bestrahlung der Bakterien mit UV-Licht während der Detektion keine meßbar negativen Auswirkungen auf die Zellen erzeugt. 44 4.2 CE-Apparatur 4.2.2 Kapillaren Verwendet wurden fused-silica Kapillaren der Firma MicroQuarz. Nach Lambert Beer sollte für eine empfindliche Detektion der Kapillarinnendurchmesser möglichst groß sein, siehe Gleichung 20. Andererseits führt dies zu einer verstärkten Joul´schen Erwärmung, bzw. zu einer schlechteren Ableitung der Wärme über die Kapillarwand nach außen, s. Kapitel 4.3. AU 50 µm i.D. 75 µm i.D. 100 µm i.D. Zeit Abbildung 4.3: Vergleich der Peakform der Spezies “Pseudomonas spezies DSM 6537” in Abhängigkeit des Kapillardurchmessers, bei gleicher Zellkonzentration. Puffer: Phosphat pH 7 c = 2 mMol, Injektion I = 10 kV*5s . Deshalb muß eine Optimierung des Kapillarinnendurchmessers als Kompromiß hinsichtlich Extinktion und Erwärmung erfolgen. Allerdings ist der Durchmesser nicht beliebig reduzierbar, da bei den Zellen zusätzlich zum Lambert Beer`schen Gesetz ein weiterer Effekt von Relevanz ist. 45 4.2 CE-Apparatur Zhu und Chen beschrieben diesen Effekt am Beispiel von Erythrocyten (Durchmesser 8 µm) [25]: Eine Detektion war nur bei Verwendung von ≥ 0,45 mm i.D. Kapillaren möglich. Aus unseren Untersuchungen wird deutlich, daß bei verwendeten Bakterien mit einem Durchmesser von ca. 1 µm ein Kapillardurchmesser von 75 µm oder größer notwendig ist, um eine Detektion der Zellen zu ermöglichen. Bei Verwendung von Kapillaren mit einem Innendurchmesser von 50 µm ist keine Detektion mehr möglich (vgl. Abb4.3). Die Ursache hierfür ist noch unklar. Eine Wechselwirkung der Bakterien mit der Kapillaroberfläche ist jedoch sehr wahrscheinlich. 4.2.2.1 Konditionierung Vor jeder Messung mußte die Kapillare konditioniert werden, um möglichst reproduzierbare Ausgangsbedingungen zu gewährleisten: Die Kapillare wurde jeweils 3 Minuten mit 0,2 M Natronlauge und anschließend mit Puffer gespült. Der dazu verwendete Spüldruck wurde in Abhängigkeit des Kapillarinnendurchmessers und der Kapillarlänge variiert. Der Fluß wurde dabei in etwa auf eine Kapillarlänge pro Minute eingestellt. Zur Konditionierung einer Kapillare der Länge 111 cm und 75 µm I.D. war ein Druck von 1,5 bar notwendig. Da überwiegend sehr verdünnte Puffersysteme verwendet wurden, wurde der Puffer nach jeder Messung komplett erneuert. 4.2.2.2 Thermostatisierung der Kapillaren Bei einigen Untersuchungen wurde mittels Preßluft ein Luftstrom innerhalb der CEApparatur erzeugt, wodurch eine verbesserte Wärmeableitung von der Kapillare erreicht werden konnte. Dabei handelt es sich allerdings um keine echte Thermostatisierung, sondern es wurde jeweils bei der entsprechenden Raumtemperatur gearbeitet. 46 4.2 CE-Apparatur 4.2.3 Injektion Die Injektion kann auf 2 Methoden erfolgen: • Hydrodynamische Injektion durch Anheben des Inlet-Vials • Elektrokinetische Injektion Bei elektrokinetischer Injektion ist mit einer Diskriminierung der Zellen zu rechnen, da diese bei angelegter Spannung eine Eigenbewegung in Richtung Kathode aufweisen und somit dem Injektionsfluß entgegenwirken. Da allerdings keine Quantifzierungen durchgeführt wurden ist dieser Effekt vernachlässigbar. Die hydrodynamische Injektion erfolgt manuell, die elektrokinetische Injektion wird automatisch mittels Timer durchgeführt. Bei einer elektrokinetischen Injektion ist die Länge des Injektionspfropfens bei konstanten Injektionsbedingungen unabhängig vom Kapillarinnendurchmesser bei gleicher Kapillaroberflächenbeschaffenheit. Bei der hydrodynamischen Injektion ist allerdings die Länge des Injektionspfropfens bei gleichen Injektionsbedingungen (Injektionszeit, hydrodynamischer Druck) stark abhängig vom Kapillarinnendurchmesser: Je größer der Querschnitt, desto geringer ist der Reibungswiderstand und desto länger wird der Injektionspfropfen. Um eine gute Reproduzierbarkeit der Injektion zu gewährleisten, wurde eine elektrokinetische Injektion der hydrodynamischen vorgezogen. Soweit nicht anders angegeben, erfolgte die Injektion elektrokinetisch bei 10 kV * 5s Um die Probe zu injizieren, muß zuvor das Puffervorratsgefäß von der Kammer entfernt, das Vial ausgetauscht und das Vorratsgefäß wieder befestigt werden. Das hierzu verwendete Gewinde schließt bereits nach ca. 2 Umdrehungen luftdicht ab. Ein Luftvolumen im Innenraum von ca 7 mL muß nun verdrängt werden, da das Puffervorratsgefäß wie ein Stempel nach oben drückt. Die Luft kann allerdings lediglich über den Gasanschluß entweichen. Da die Bohrung nur etwa 1mm beträgt, kann die Luft selbst beim Entfernen des Gasanschlusses nicht schnell genug entweichen. Die Folge ist ein kurzfristiger Überdruck, der sich in der Kammer aufbaut, wodurch vorzeitig Probe in die Kapillare injiziert wird. Die dadurch injizierte Menge beträgt ungefähr das 10-fache des sonst üblichen Injektionsvolumens. 47 4.2 CE-Apparatur Ist der Flüssigkeitsspiegel im Vial so niedrig, daß zu Beginn des Anschraubens die Kapillare noch nicht in die Flüssigkeit eintaucht, so wird sogar Luft injiziert, wodurch eine Versuchsdurchführung unmöglich wird. Umgekehrt entsteht beim Abschrauben ein Unterdruck wodurch eine bereits injizierte Probe wieder aus der Kapillare herausgezogen wird. Deshalb wurde an der Kammer seitlich eine zusätzliche, verschließbare Bohrung mit einem Durchmesser von 6 mm angebracht, damit ein nahezu ungehinderter Druckausgleich stattfinden kann. 48 4.3 Temperatureffekte in der CE 4.3 Temperatureffekte in der CE 4.3.1 Wärmeerzeugung, Temperaturverteilung Fließt in einem elektrischen Leiter Strom, so erwärmt sich dieser. Ursache dafür ist der innere Widerstand, welcher elektrische Energie in Wärme umwandelt. Für eine nicht gepackte, mit Puffer gefüllte Kapillare läßt sich die erzeugte Wärmemenge nach folgender Gleichung berechnen:[31] Q=E 2 ⋅λ⋅c (21) Q: Wärmemenge pro Volumeneinheit E: Elektrische Feldstärke λ: Molare Leitfähigkeit des Puffers c: Konzentration des Puffers Für E = 54450 V/m (U = 30 kV, L = 66 cm) λ = 0,015 m2/mol Ω und c = 10 mM ergibt sich somit eine erzeugte Wärmemenge von Q = 300 W/cm3. Diese Wärme wird nun über die Kapillarwand nach außen abgegeben [31-33]. In Abb. 4.4 ist ein solcher Temperaturabfall schematisch dargestellt. Im Inneren der Kapillare ist ein parabolisches Temperaturprofil zu erkennen. Der Temperaturabfall selbst ist hier jedoch relativ gering und liegt in der Regel unterhalb von 1 Kelvin. Der Temperaturabfall innerhalb der Kapillarwand aus Quarz ist ebenfalls sehr gering. Erst in der Luft ist ein starker Temperaturabfall zu beobachten, da Luft eine deutlich geringere Wärmeleitfähigkeit als die beiden anderen Phasen besitzt und somit eine rasche Ableitung der Wärme verhindert. Es kommt also zu einem Wärmestau innerhalb der Kapillare, wodurch sich die Innentemperatur erhöht. Diese Temperaturerhöhung Θ läßt sich quantitativ nach Knox berechnen [31]: log(Θ / K) = 1,70 log(d c / µm) + log(Q / W ) − 4,2 cm 3 (22) 49 4.3 Temperatureffekte in der CE Abbildung 4.4: Halbquantitative Darstellung des Temperaturprofils quer zur Kapillare, dessen Pufferinhalt durch einen elektrischen Stromfluß erwärmt wurde. Abbildung 4.5: Abhängigkeit des Temperaturanstiegs im Inneren einer Kapillare Kapillarinnendurchmesser für verschiedene Wärmemengen mit natürlicher Konvektion [31]. 50 vom 4.3 Temperatureffekte in der CE Dabei hängt die Temperaturerhöhung sowohl von der erzeugten Wärmemenge Q als auch vom Kapillarinnendurchmesser dc ab. In Abb. 4.5 ist der Temperaturanstieg in Abhängigkeit des Kapillarinnendurchmessers für verschiedene Wärmemengen dargestellt [31]. Dabei wird deutlich, daß Temperaturerhöhungen von 50 K sehr schnell erreicht werden können. Da die erzeugte Joul´sche Wärme proportional zum Quadrat der Feldstärke ist, erfolgt im Vergleich zur Feldstärke auch ein überproportionaler Anstieg der Temperatur im Kapillarinneren. In Abb. 4.6 ist der Temperaturanstieg in Abhängigkeit der Feldstärke für eine Kapillare mit 0,25 mm I.D. bei verschiedenen Pufferkonzentrationen dargestellt. 35 35 2 mM Temperaturerhöhung [K] 30 5 mM 25 30 25 10 mM 20 20 15 1 mM 15 10 10 5 5 0 0 0 100 200 300 400 Feldstärke [V/cm] Abbildung 4.6:Temperaturerhöhung in der Kapillare in Abhängigkeit der Feldstärke bei verschiedenen Pufferkonzentrationen. Kapillare: 250 µm I.D., L = 66 cm, Puffer: Phosphat pH 7 Der gut erkennbare parabelförmige Anstieg der Temperatur geht mit Gleichung 21 und 22 konform. Wie bereits erwähnt, kann hier ein relativ schneller Temperaturanstieg im zweistelligen Bereich erreicht werden. Dies kann vor allem auf Bakterien, welche sich im Inneren der Kapillare befinden, gravierende Auswirkungen haben. Wie in Kapitel 4.4 gezeigt werden wird, sind Bakterien in der Pufferzellsuspension stark thermolabil. Durch Erwärmen der Kapillare kann es vermehrt zur Zerstörung der Zellen kommen. 51 4.3 Temperatureffekte in der CE Einen ähnlichen Kurvenverlauf wie in Abb. 4.6 erhält man bei Betrachtung der Stromstärke in Abhängigkeit der Feldstärke (vgl. Abb. 4.7). 200 200 Stromstärke [µA] 10 mM 5 mM 2 mM 150 150 100 100 50 50 1 mM 0 0 0 100 200 300 400 Feldstärke [V/cm] Abbildung 4.7: Abhängigkeit der Stromstärke von der Feldstärke Pufferkonzentrationen. Kapillare: 250 µm I.D., L = 66 cm, Puffer: Phosphat pH 7 bei verschiedenen Der klassische lineare Verlauf des ohm´schen Gesetzes (Gleichung 23) hat nur bei sehr geringen Feldstärken Gültigkeit. Mit steigender Feldstärke steigt die Stromstärke überproportional an. Ohm´sches Gesetz: U = R⋅I (23) Durch die Erwärmung wird die Diffusionskonstante der Puffer-Ionen erhöht, woraus eine höhere Stromstärke resultiert (vgl. Diffusionsgrenzstrom beim Polarogramm [30]). Eine erhöhte Stromstärke verursacht eine verstärkte Erwärmung. Diese wiederum wirkt sich auf die Stromstärke aus, usw.. Daraus resultierend nimmt die Stromstärke mit zunehmender Feldstärke immer schneller zu. Wird nun die Temperaturerhöhung in Relation zur Stromstärke gesetzt, erhält man einen nahezu linearen Verlauf (vgl. Abb. 4.8). Dies verdeutlicht den bereits beschriebenen Effekt und den engen Zusammenhang zwischen Erwärmung und Stromanstieg. 52 4.3 Temperatureffekte in der CE Gleichzeitig wird deutlich, daß für Gleichung 23 der Widerstand R keine Konstante (lineares U-I-Diagramm), sondern eine Funktion in Abhängigkeit der Temperatur ist. 35 35 2 mM Temperaturerhöhung [K] 30 25 30 25 1 mM 5 mM 20 20 10 mM 15 15 10 10 5 5 0 0 50 100 150 0 200 Stromstärke [µA] Abbildung 4.7: Temperaturanstieg in der Kapillare in Abhängigkeit der Stromstärke bei verschiedenen Pufferkonzentrationen. Kapillare: 250 µm I.D., L = 66 cm, Puffer: Phosphat pH 7 Wird der Kapillardurchmesser und die elektrische Feldstärke verringert, so verringert sich automatisch auch die Erwärmung der Kapillare. Wird eine Kapillare mit L = 111 cm und 75 µm I.D. und ein Phosphatpuffer (c = 10 mM) verwendet, so beträgt der Temperaturanstieg nach Gleichung 21 und 22 bei einer angelegten Spannung von 30 kV ca. 10 K. Bei einem Innendurchmesser von 250 µm würde die Temperaturerhöhung bei gleichen Bedingungen 82 K betragen, was jedoch nur noch von theoretischer Bedeutung ist, da diese Messung nicht mehr durchführbar wäre. Voraussetzung für diese quantitativen Betrachtungen ist eine Wärmeableitung auf Grund der natürlichen Konvektion. Durch Belüftung kann die Erwärmung der Kapillare vermindert werden (Thermostatisierung). 53 4.3 Temperatureffekte in der CE 4.3.2 Temperaturabhängigkeit der elektroosmotischen Mobilität Die elektroosmotische Mobilität sollte definitionsgemäß von der elektrischen Feldstärke unabhängig sein (Gleichung 19a). Betrachtet man Abb. 4.9, so ist eine deutliche Zunahme der Mobilität bei ansteigender Spannung bzw. elektrischer Feldstärke zu µeo [10 -4cm 2/Vs] erkennen. 11,0 11,0 10,5 10,5 10,0 10,0 9,5 9,5 9,0 9,0 8,5 8,5 8,0 8,0 15 20 25 30 Spannung [kV] Abbildung 4.9: Zunahme der elektroosmotischen Mobilität in Abhängigkeit der angelegten Spannung. Kapillare: 150 µm, Lges = 111 cm, Leff = 100 cm, Puffer: Phosphat pH 7, c = 5 mM Ursache ist wiederum die Wärmeentwicklung: Die Erwärmung des Puffers führt zu einer Verringerung der Viskosität. Diese verhält sich jedoch nach Gleichung 19a umgekehrt proportional zur elektroosmotischen Mobilität. Dies hat zur Folge, daß bei einer Verringerung der Viskosität zwangsläufig die Mobilität zunehmen muß. Dieser Effekt kann durch Verwendung von Kapillaren mit geringen Innendurchmessern und zusätzlicher Thermostatisierung der Apparatur minimiert werden. In Abb. 4.10 ist deutlich der Einfluß der Thermostatisierung auf den oben beschriebenen Effekt zu erkennen: Wird die Kapillare thermostatisiert, so verringert sich deutlich der Einfluß der angelegten Spannung auf die Mobilität. In diesem Beispiel war unterhalb einer 54 4.3 Temperatureffekte in der CE Spannung von 20 kV (E = 180 V/cm) die elektroosmotische Mobilität konstant, wie es 11 11 10 10 9 9 8 8 7 7 -4 2 µeo [10 cm /Vs] nach Gleichung 19a der Fall sein sollte. 6 6 10 15 20 25 30 Spannung [kV] Abbildung 4.10: Vergleich der Zunahme der elektroosmotischen Mobilität in Abhängigkeit der angelegten Spannung für natürliche Konvektion (.....) und Thermostatisierung (_____). Kapillare: 150 µm, Lges = 111 cm, Leff = 100 cm, Puffer: Phosphat pH 7, c = 5 mM 4.3.3 Temperaturabhängigkeit der elektrophoretischen Mobilität Analog zur elektroosmotischer Mobilität wird die EM von der Viskosität des Puffers beeinflußt. Vor allem bei großen Kapillarinnendurchmessern steigt die EM mit zunehmender Pufferkonzentration wieder an [34]. Dieser Effekt konnte bei dünnen Kapillaren nicht beobachtet werden und ist daher sehr wahrscheinlich auf eine verstärkte Erwärmung des Puffers in der Kapillare zurückzuführen. In Abb. 4.11 ist deutlich zu erkennen, daß dieser Effekt durch Belüftung der Apparatur minimiert werden kann. 55 4,0 4,0 3,5 3,5 3,0 3,0 2,5 2,5 -4 2 µem [10 cm /Vs] 4.3 Temperatureffekte in der CE 2,0 2,0 0 1 2 3 4 5 Konzentration [mM] Abbildung 4.11: Vergleich der elektrophoretischen Mobilität von “Pseudomonas spezies 6537” in Abhängigkeit der Pufferkonzentration für natürliche Konvektion (.....) und Thermostatisierung (____). Kapillare: 150 µm, Lges = 111 cm, Leff = 100 cm, Puffer: Phosphat pH 7; U = 30 kV 56 4.4 Stabilität 4.4 Stabilität 4.4.1 Stabilität der Zellsuspension Die Stabilität der Zellen im Meßpuffer ist stark begrenzt. Auf Grund der geringen Pufferkonzentration wirken starke Kräfte, verursacht durch den osmotischen Druck, an der Zellwand, so daß mit abnehmender Pufferkonzentration vermehrt Zellen zerstört werden. Andererseits verursachen erhöhte Pufferkonzentrationen eine verstärkte Wärmeentwicklung. Der daraus resultierende Temperaturanstieg kann sich ebenfalls negativ auf die Stabilität der Zelle auswirken. Daher galt es, zusätzlich zur Konzentrationsabhängigkeit auch den Einfluß der Lagertemperatur der Zellsuspension zu untersuchen. 4.4.1.1 Kühlung der Zellsuspension Auf Grund der geringen Stabilität der Zellen im Meßpuffer war die Herstellung frischer Zellsuspensionen erforderlich. Abb. 4.12 zeigt den zeitlichen Verlauf der Destabilisierung der Zellsuspension, bzw. die daraus resultierenden Peakveränderungen. Erste Anzeichen einer Destabilisierung der Zellsuspension werden durch das Auftreten von schmalen Begleit- bzw. “Geisterpeaks” deutlich. Diese treten im Laufe der Zeit verstärkt auf und führen zur Verzerrung der Peakform der Bakterien. Das Peakmaximum verringert sich. Mit fortschreitender Destabilisierung ist nach einer gewissen Zeit keine deutliche Maximumsbestimmung bzw. Peakabgrenzung mehr möglich. Der Zersetzungsprozeß kann durch Eiskühlung der Zellsupension verlangsamt werden (vgl. Abb. 4.13). 57 4.4 Stabilität AU 2,5 h 2h 1,5 h 1h Migrationszeit Abbildung 4.12: Destabilisierung der Zellsuspension am Beispiel von “Pseudomonas sp. 6537” in Abhängigkeit der Standzeit der Suspension bei Raumtemperatur (20°C). Kapillare: 75 µm, Lges = 111 cm, Leff = 100 cm, Puffer: Phosphat pH 7, c = 2 mM U = 30 kV Die so stabilisierte Suspension ist im Gegensatz zu der bei Raumtemperatur gelagerten, welche nach spätestens 2 Stunden nicht mehr verwendbar ist, bis zu mehreren Stunden haltbar. 58 4.4 Stabilität AU 6h 5h 3h 1h Migrationszeit Abbildung 4.13: Destabilisierung der Zellsuspension am Beispiel von “Pseudomonas sp. 6537” in Abhängigkeit der Standzeit der Suspension bei Eiskühlung (0°C). Kapillare: 75 µm, Lges = 111 cm, Leff = 100 cm, Puffer: Phosphat pH 7, c = 2 mM U = 30 kV 59 4.4 Stabilität 4.4.1.2 Einfluß der Pufferkonzentration Wie bereits erwähnt beeinflußt die Pufferkonzentration die Haltbarkeit der Zellen. Deshalb wurden Stabilitätsreihen bei verschiedenen Pufferkonzentrationen mit und ohne Eiskühlung der Probe vermessen: Generell waren die gekühlten Proben immer deutlich länger stabil als die ungekühlten, unabhängig von der Pufferkonzentration. In Abb. 4.14 ist die mittlere “Lebensdauer” Stabilität der Zellsuspension [h] der Zellsuspension in Abhängigkeit der Konzentration des Puffers dargestellt. 9 9 8 8 7 7 6 6 5 5 4 4 3 3 2 2 1 1 0 0 0 2 4 6 8 10 Pufferkonzentration [mM] Abbildung 4.14: “Mittlere” Lebensdauer der Zellsuspension in Abhängigkeit der Pufferkonzentration; Probe eisgekühlt (________) und bei Raumtemperatur (__ __ __), Bakterien: “Pseudomonas spezies 6537”, Kapillare: 75 µm, Lges = 111 cm, Leff = 100 cm, Puffer: Phosphat pH 7; U = 30 kV 60 4.4 Stabilität Allerdings muß an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß es sich bei den Haltbarkeitszeiten nur um grobe Richtwerte handelt. Die Reproduzierbarkeit der Stabilitätsreihe ist gering. Es können jederzeit starke Abweichungen von diesen Zeiten auftreten (bis zu mehreren Stunden). Die Ursache hierfür ist unbekannt. Vernünftige Kriterien, ab wann eine Zellsuspension nicht mehr zur Verwendung geeignet ist, konnten nicht festgelegt werden, zumal selbst die Peakqualität aus frisch hergestellter Suspension schwanken kann. Eine sinnvolle Entscheidung kann daher nur auf Erfahrungswerten basieren. Deshalb sollen die Werte in Abb. 4.14 nur als grobe Anhaltspunkte dienen. Ein Stabilitätsmaximum ist allerdings deutlich bei einer Konzentration von 1-2 mM zu erkennen. Extrem negativ macht sich eine erhöhte Pufferkonzentration bemerkbar. So war bei Verwendung von 5 und 10 mM Puffern jeweils nur eine Messung (1/2 h) möglich. Die Zeitangaben beziehen sich auf den Beginn des ersten Waschvorgangs. Um ein Maximum an Stabilität zu erreichen wurden daher, soweit nicht anders erwähnt, die Proben bei allen Untersuchungen eisgekühlt. 4.4.1.3 Reproduzierbarkeit der elektrophoretischen Mobilität Um Mobilitäten verschiedener Bakterienarten vergleichen zu können, muß eine gute Reproduzierbarkeit gewährleistet sein. Daher wurden bei obiger Stabilitätsreihe die Standardabweichungen der EM für die einzelnen Pufferkonzentrationen berechnet (vgl.. Abb. 4.15). In die Berechnung wurden nur die Elektropherogramme verwendet, bei denen noch keine deutliche Destabilisierung der Zellsuspension erkennbar war. Auch in Abb. 4.15 ist ein Optimum (Minimum) bei 1-2 mM Phosphatpuffer zu erkennen. Die Standardabweichung für die ungekühlten Proben ist nahezu immer größer als die der eisgekühlten. Um die Ausgangsbedingungen zu optimieren, ist es unabdingbar, die zu vermessende Probe (Puffer-Zellsuspension) in Eis zu kühlen. Es hat sich gezeigt, daß im Konzentrationsbereich von 1-2 mM Phosphatpuffer ein Optimum sowohl hinsichtlich 61 4.4 Stabilität der Zellstabilität, als auch der Reproduzierbarkeit der EM erreicht werden kann. Daher Standardabweichung [%] wurde bei weiteren Untersuchungen 2 mM Phosphatpuffer verwendet. 6 6 5 5 4 4 3 3 2 2 1 1 0 2 4 6 8 10 Pufferkonzentration [mM] Abbildung 4.15: Standardabweichung der elektrophoretischen Mobilität von “Pseudomonas spezies 6537” in Abhängigkeit der Pufferkonzentration. Probe eisgekühlt (_______) und bei Raumtemperatur (__ __ __), n = 7 Kapillare: 75 µm, Lges = 111 cm, Leff = 100 cm, Puffer: Phosphat pH 7; U = 30 kV 4.4.2 Alterung der Kapillare In unregelmäßigen Abständen konnte ein spontaner Zusammenbruch des EOF innerhalb weniger Messungen beobachtet werden. Eine Regeneration der Kapillare war nicht mehr möglich. Als Ursache wurden Ablagerungen von Zellfragmenten an der Kapillaroberfläche vermutet, welche die Oberfläche deaktivieren und somit das Ausbilden eines ζ-Potenial einschränken. Normalerweise ist die Kapillaroberfläche durch die Deprotonierung der Silanolgruppen negativ geladen. Durch die Ablagerungen werden diese Stellen bedeckt und das ζ-Potential wird abgeschwächt. Elektronenmikroskopische Aufnahmen einer solchen Kapillare haben diese Vermutungen bestätigt. In Abb. 4.16 sind diese Ablagerungen deutlich in Form von dunklen Flecken zu erkennen. 62 4.4 Stabilität Abbildung 4.16: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines Kapillarquerschnitts nach dem Zusammenbruch des EOF 63 4.4 Stabilität Diese Ablagerungen erwiesen sich als nahezu irreversibel. Selbst längeres Spülen mit Natriumdodecylsulfatlösung (SDS) ergab keine regenerative Wirkung. Ein Austausch der Kapillare war somit erforderlich. Die Bestimmung der Haltbarkeit von Kapillaren ist im Voraus nicht möglich. Je nachdem wie viele Messungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums durchgeführt und welche Bakterienarten verwendet wurden, schwankte die Lebensdauer zwischen 50 und bis zu mehreren hundert Messungen. 64 4.5 Bandenverbreiternde Effekte bei Bakterien in der CE 4.5 Bandenverbreiternde Effekte bei Bakterien in der CE Jorgenson hat gezeigt, daß in der CZE mit einem pfropfenförmigen Strömungsprofil im „open tube“ Modus die Bodenhöhe nur von der Axialdiffusion abhängt [35]. Dies bedeutet, daß sich die ursprüngliche Van-Deemter-Gleichung (Gleichung 24) entsprechend vereinfacht. H = A+ B +C ⋅u u (24) Da es sich um keine gepackte Kapillare handelt, entfällt der A-Term. Eine stationäre Phase ist nicht vorhanden, so daß die radiale Diffusion keinen Beitrag zur Bandenverbreiterung liefert, wodurch der C-Term entfällt. Die kleinstmögliche Trennstufenhöhe H ergibt sich somit aus H= 2 Dm u (25) Dm: Diffusionskoeffizient u: Fließgeschwindigkeit Dies bedeutet, daß für Verbindungen mit geringem Diffusionskoeffizient, was vor allem bei Makromolekülen der Fall ist, eine hohe Bodenzahl erreicht werden kann. Da keinerlei Stoffaustauschvorgänge stattfinden, ist die Diffusion nur von Nachteil. In der Praxis hat Gleichung 25 nur theoretische Bedeutung, da weitere bandenverbreiternde Effekte hinzukommen können: • Temperatureffekte: durch die Joul´sche Erwärmung geht das pfropfenförmige Flußprofil zum Teil verloren, da sich ein parabolisches Temperaturprofil und damit auch ein parabolisches Flußprofil ausbildet. • Wandadsorptionseffekte: Substanzen können zum Teil an der Kapillarwand adsorbieren und werden im Vergleich zu den sich in Lösung befindlichen Komponenten stärker zurückgehalten. Die Folge ist meist ein auftretendes Tailing. 65 4.5 Bandenverbreiternde Effekte bei Bekterien in der CE • Elektrodispersion: Unterscheidet sich die Leitfähigkeit der Pufferionen von denen der Probe, so erfolgt eine Verzerrung der ursprünglich Gauß-förmigen Peaks. Je nachdem, ob die Leitfähigkeit in der Probe stärker oder geringer ist, kann ein Tailing bzw. Fronting beobachtet werden [36]. • Isotachophoretischer Effekt: Unterscheiden sich die Konzentrationen des Puffers und der Probe, so entstehen fokusierende bzw. defokusierende Effekte. • Injektion: Bei identischen Injektionsparametern bleibt dieser Einfluß bei allen Verbindungen gleich und geht somit lediglich als konstanter Faktor ein. Werden nun keine Moleküle betrachtet, sondern Zellen, so kommt noch ein weiterer Effekt hinzu: Im Gegensatz zu Molekülen besitzen Bakterien der gleichen Art natürliche Unterschiede in ihrer Größe und Oberflächenladung. Dadurch kommen zu den bisher beschriebenen Beiträgen zur Bandenverbreiterung sogenannte zellspezifische Bandenverbreiterungen hinzu, welche durch die natürliche Inhomogenität der Bakterien verursacht werden. Es wurde bereits gezeigt [17], daß die Bakterien eine deutlich stärkere Bandenverbreiterung aufweisen als herkömmliche Moleküle. Mögliche Ursachen hierfür sollen in den folgenden Kapiteln diskutiert werden. 4.5.1 Pufferzusammensetzung Ein Einfluß des Puffers auf die Bandenverbreiterung ist nur zu erwarten, wenn der Puffer die Bakterien direkt beeinflußt oder eine Beeinflussung eventueller Wechselwirkungen der Bakterien mit anderen Komponenten wie z.B. Kapillarwand stattfindet. In Abb. 4.17 ist der bandenverbreiternde Einfluß der Pufferzusammensetzung bei gleicher Pufferkonzentration (10mM) dargestellt. Auf Grund der geringen Reproduzierbarkeit der Bodenzahl sind die Werte relativ ungenau und es muß ein relativer Fehler von bis zu 20 % einkalkuliert werden. 66 200000 200000 150000 150000 100000 100000 50000 50000 Borat pH 9,5 0 Schleimsäure pH 7,2 Glucose-1phosphat pH 8,5 Phosphat pH 7 0 Glutardialdehydbis(natriumhydrogensulfit) pH 7 Bodenzahl 4.5 Bandenverbreiternde Effekte bei Bakterien in der CE Abbildung 4.17: Bodenzahl in Abhängigkeit der Pufferzusammensetzung bei gleicher Konzentration (c = 10 mM) für „Micrococcus luteus“ (schwarz), „Pseudomonas spezies 1749“ (grau) und „Pseudomonas spezies 6537“ (weiß). Kapillare: 75 µmI.D., Lges = 111 cm, Leff = 100 cm; U = 30 kV, I = 50 kVs Bei den Spezies „Micrococcus luteus“ und „Pseudomonas spezies 6537“ ist der Verlauf der Bodenzahl in Abhängigkeit von der Art des Puffers nahezu identisch. Lediglich die Verwendung des Phosphatpuffers läßt eine deutlich höhere Bodenzahl erkennen (Faktor 2 größer). Beide Spezies besitzen nahezu dieselbe elektrophoretische Mobilität. Wird nun die dritte Spezies zur Betrachtung hinzugezogen, so verändert sich der Verlauf: Die Bodenzahl ist bei „Pseudomonas spezies 1749“ deutlich größer als bei den beiden anderen Spezies. Die elektrophoretische Mobilität ist deutlich geringer, s. Kapitel 4.6. Auffallend ist die geringe Bodenzahl der Spezies „1749“ bei Verwendung von Boratpuffer. Offenbar unterscheidet sich die Wirkungsweise dieses Puffers auf diese Spezies deutlich von den anderen: Der Boratpuffer scheint auf die Zellen der Spezies „1749“ einen direkten Einfluß auszuüben, was zu einer deutlichen Verschlechterung der Bodenzahl führt. 67 4.5 Bandenverbreiternde Effekte bei Bekterien in der CE Bei der Betrachtung dieser drei Spezies ist die Verwendung des Phosphatpuffers zu bevorzugen, da bei ihm mit allen drei Spezies eine gute Bodenzahl erreicht werden kann. Generell hängt die Wahl des Puffers jedoch von den jeweiligen Anforderungen und den verwendeten Bakterien ab. 4.5.2 Einfluß der Pufferkonzentration Nach Jorgenson (s. Gleichung 25) dürfte die Bodenzahl lediglich von der Diffusionskonstante und der linearen Fließgeschwindigkeit (entspricht hier dem EOF) abhängen [35]. Da die Diffusionskonstante ein stoffspezifischer Wert ist, kann dieser bei Verwendung wässriger Puffer genügender Verdünnung als konstant angesehen werden. Anders sieht dies für die Fließgeschwindigkeit bzw. den EOF aus. Dieser resultiert aus dem ζ-Potential, welches durch die Deprotonierung der Silanolgruppen an der Kapillaroberfläche entsteht. Diese Dissoziation ist reversibel und unterliegt einem dynamischen Gleichgewicht zwischen Dissoziation und Assoziation. Die Lage des Gleichgewichts wird nicht nur von den Protonen, sondern auch durch die Kationen, die sich im Puffer befinden, beeinflußt [5,20]. Daher ist zu erwarten, daß der EOF von der Pufferkonzentration abhängt. Abb. 4.18 bestätigt den erwarteten Verlauf: Mit zunehmender Pufferkonzentration nimmt der EOF bzw. die elektroosmotische Mobilität deutlich ab. Nach Jorgenson müßte sich also mit zunehmender Pufferkonzentration die Bodenzahl der Bakterien verringern, da der Diffusionskoeffizient konstant bleibt. In Abb. 4.19 und 4.20 ist genau das Gegenteil zu sehen: Bei allen drei Spezies sowie bei allen verwendeten Puffersystemen nimmt die Bodenzahl mit steigender Konzentration deutlich zu. Zusätzlich zu den bekannten bandenverbreiternden Effekten muß hier also mindestens ein weiterer fokusierender Effekt auftreten. 68 elektroosmotische Mobilität [10 -4 cm 2/Vs] 4.5 Bandenverbreiternde Effekte bei Bakterien in der CE 10,0 10,0 9,5 9,5 9,0 9,0 8,5 8,5 8,0 8,0 7,5 7,5 7,0 7,0 0 2 4 6 8 10 Pufferkonzentration [mmol/L] Bodenzahl Abbildung 4.18: Abhängigkeit der elektroosmotischen Mobilität Pufferkonzentration. Kapillare: 75 µm I.D., Lges = 111 cm, Leff = 100 cm; Puffer: Glucose-1-phosphat pH 8,5; U = 30 kV von 200000 200000 175000 175000 150000 150000 125000 125000 100000 100000 75000 75000 50000 50000 25000 25000 0 der 0 0 2 4 6 8 10 Pufferkonzentration [mmol/L] Abbildung 4.19: Abhängigkeit der Bodenzahl von der Pufferkonzentration am Beispiel von „Pseudomonas spezies 1749“. Puffer: Borat pH 9,5 ( - .. - .. - ), Phosphat pH 7 ( - . - .), Glutardialdehydbis(natriumhydrogensulfit) pH 7( . . . . ), Glucose-1-phosphat pH 8,5 (- - - - ) und Schleimsäure pH 7,2 (_____ ); Kapillare: 75 µm I.D., Lges = 111 cm, Leff = 100 cm, U = 30 kV, I = 50 kVs 69 4.5 Bandenverbreiternde Effekte bei Bekterien in der CE 120000 100000 100000 80000 80000 60000 60000 40000 40000 20000 20000 Bodenzahl 120000 0 0 0 2 4 6 8 10 Pufferkonzentration [mmol/L] Abbildung 4.20: Abhängigkeit der Bodenzahl von der Pufferkonzentration im Vergleich der drei Spezies „Pseudomonas spezies 6537“ (∆), „Micrococcus luteus“ (❑) und „Pseudomonas spezies 1749“ (O). Puffer: Phosphat pH 7; Kapillare: 75 µm I.D., Lges = 111 cm, Leff = 100 cm, U = 30 kV, I = 50 kVs Die Erklärung dieses Effektes macht eine genauere Betrachtung des Systems notwendig: Die verwendeten Bakteriensuspensionen enthielten in etwa 109 Zellen/mL. Geht man vereinfacht von einer Bakterienart mit einheitlichen Zellen der Länge l = 1 µm und dem Durchmesser d = 0,5 µm aus, so ergibt sich ein Volumenanteil der Bakterien von 0,19 mL/mL Suspension. Dies bedeutet, daß in etwa 20 % des zur Verfügung stehenden Volumens von den Zellen eingenommen werden. Rechnet man den Zellen noch eine Solvathülle zu, wird dieser Anteil noch erhöht. Wird davon ausgegangen, daß die Zellen während der Elektrophorese im Vergleich zum Puffer nur sehr wenig zum Stromtransport beitragen, so verursachen die Bakterien in ihrem Abschnitt der Kapillare eine Erhöhung des elektrischen Widerstandes. Da nach dem Kirchhoff´schen Gesetz der Stromfluß in jedem Abschnitt des elektrischen Leiters (hier: Kapillarinhalt) gleich groß sein muß, erhöht sich automatisch nach dem Ohm´schen Gesetz die elektrische Feldstärke E (vgl. Abb. 4.21). Man erhält also einen Feldstärkesprung längs der Kapillare entlang des Bakterienpfropfens. In axialer Richtung bleibt die Feldstärke stets homogen. 70 4.5 Bandenverbreiternde Effekte bei Bakterien in der CE Bakterienzone Kapillare B B B B B B B B B B + B B B B B B B - EOF B B B B B B B B B B B B B B B B B E Abbildung 4.21: Schematische Darstellung des Feldstärkeverlaufs entlang der Kapillare Auf Grund der höheren Feldstärke innerhalb der Bakterienzone erhöht sich automatisch deren Wanderungsgeschwindigkeit in Richtung Anode. Es erfolgt eine Aufkonzentrierung der Bakterienzone auf der Anodenseite (Fokusierung). Analog müßten allerdings die Zellen, die sich auf der Kathode zugewandten Seite der Bakterienzone befinden, dispergieren, verbunden mit einer insgesamten Bandenverbreiterung: Elektrodispersion. Genau dies ist jedoch nicht der Fall. Es ist keine Dispersion beobachtbar (vgl. Abb. 4.22). Bakterienzone Kapillare B B B B B B B B B + B B B B B B B B B B B B B B B B EOF B B - B B B B B B B E Abbildung 4.22: Fokusierung der Bakterien in Richtung Anode ohne Dispergierung in Richtung Kathode und die daraus resultierende Feldstärkeverteilung Die genaue Ursache für diese Fokusierung läßt sich allein über den Feldstärkesprung nicht erklären. Als weitere Ursache könnten Veränderungen der Zellen im elektrischen 71 4.5 Bandenverbreiternde Effekte bei Bekterien in der CE Feld in Betracht kommen. Das Zellinnere besteht aus einem Elektrolyt, dessen Ionen durch das elektrische Feld beeinflußt werden. Daher liegt die Vermutung nahe, daß innerhalb der Zelle eine Art Polarisierung stattfindet (vgl. Abb. 4.23). In wieweit sich dies auf die Bandenverbreiterung auswirken kann und ob dies parallel durch die Pufferkonzentration beeinflußt wird, ist unklar. Zudem ist nicht auszuschließen, daß sich die Bakterien selbst im elektrischen Feld gegenseitig beeinflussen. Zellinhalt Zellwand - + - - - - + - - + - + - + --- + - - + + - - - - + + + - + + - - - + + - + + + - + + + + + + + + - - - + + - - Abbildung 4.23: Schematische Darstellung eines Zellquerschnitts und die Polarisierung der Zelle im elektrischen Feld 4.5.3 Einfluß der Feldstärke Aus Gleichung 25 läßt sich die Gleichung zur Bestimmung der Bodenzahl in der Elektrophorese ableiten: N= µ EM UL eff µ EM EL eff = 2DL ges 2D (26) µEM: elektrophoret. Mobilität U: Spannung E: elektrische Feldstärke D: Diffusionskonstante 72 4.5 Bandenverbreiternde Effekte bei Bakterien in der CE Leff: Effektive Kapillarlänge Lges: Gesamte Kapillarlänge Wird mit denselben Bakterien sowie demselben Puffer gearbeitet, so sind die elektrophoretische Mobilität der Zellen und deren Diffusionskonstante konstante Faktoren. Daher hängt nach Gleichung 26 die Bodenzahl direkt von der angelegten Spannung bzw. von der elektrischen Feldstärke ab. Demnach müßte die Bodenzahl mit zunehmender Spannung proportional ansteigen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Bodenzahl In Abb. 4.24 ist der beobachtete Verlauf der Bodenzahl dargestellt. 24000 24000 22000 22000 20000 20000 18000 18000 16000 16000 14000 14000 12000 12000 10 15 20 25 30 Spannung [kV] Abbildung 4.24: Abhängigkeit der Bodenzahl von der angelegten Spannung am Beispiel „Pseudomonas spezies 6537“. Puffer: Phosphat pH 7, c = 2mM; Kapillare: 150 µm I.D., Lges = 111 cm, Leff = 100 cm, I = 50 kVs Anstatt einer Zunahme der Bodenzahl mit steigender Spannung ist genau der umgekehrte Vorgang zu beobachten: Die Bodenzahl nimmt ab. Da als einziger Parameter die Spannung verändert wurde, liegt die Vermutung nahe, daß es sich hier um einen Temperatureffekt handelt: Mit zunehmender Feldstärke steigt die Stromstärke bzw. die erzeugte Joul´sche Erwärmung. Das daraus resultierende parabolische Temperatur- bzw. Strömungsprofil wird mit zunehmender Feldstärke immer deutlicher 73 4.5 Bandenverbreiternde Effekte bei Bekterien in der CE ausgeprägt, was eine verstärkte Bandenverbreiterung und somit eine abnehmende Bodenzahl zur Folge hat. Werden die fokusierenden Effekte aus dem vorherigen Kapitel mit in die Betrachtungen einbezogen, so ändern sich die Verhältnisse aus Abb. 4.21 grundlegend: Die Erwärmung der Kapillare hat eine Verringerung der Viskosität zur Folge. Zudem verändert sich die Leitfähigkeit der Ionen. Dies bedeutet, daß mit steigender Erwärmung der elektrische Widerstand abnimmt. Dies hat zur Folge, daß der Feldstärkesprung bei der Bakterienzone verringert wird. Allerdings ist nun auf Grund des Temperaturgradienten die Feldstärke in axialer Richtung nicht mehr homogen. In der Mitte der Kapillare ist die Erwärmung am stärksten und somit die elektrische Feldstärke geringer als im äußeren Bereich (vgl. Abb. 4.25). Kapillare Bakterienzone B B B B B B B B B B B B B B B B B B B B B B B B B B B B B B B B B B B B B B B B Abbildung 4.25: Schematische Darstellung des Feldstärkeprofils entlang der Kapillare (hell: geringe Felstärke, dunkel: hohe Feldstärke) und der daraus resultierenden Peakverzerrung. Dadurch nimmt die fokusierende Wirkung in der Mitte der Kapillare ab, wodurch zusätzlich eine Verzerrung des Peaks erfolgt. Deshalb wäre prinzipiell ein Arbeiten mit geringeren Feldstärken von Vorteil. Allerdings verlängert sich die Analysenzeit durch eine Verringerung der Feldstärke enorm, wodurch die Problematik der Zellstabilität wieder an Bedeutung gewinnt. Der Einfluß der Feldstärke auf die Bodenzahl konnte durch Verwendung von Kapillaren mit 75 µm I.D. verringert werden. Daher wurde bei weiteren Versuchen auf eine Reduzierung der Feldstärke verzichtet. 74 4.5 Bandenverbreiternde Effekte bei Bakterien in der CE 4.5.4 Einfluß des Kapillardurchmessers Eine Vergrößerung des Kapillarinnendurchmessers hat eine verstärkte Erwärmung der Kapillare zur Folge, s. Kapitel 4.3. Parallel zur Erwärmung entsteht ein parabolisches Temperaturprofil (vgl. Abb. 4.4). Die unterschiedliche Temperaturverteilung führt zu einer unterschiedlichen Viskositätsverteilung, woraus ein parabolisches Strömungsprofil resultiert. Ein solches Strömungsprofil trägt zur Bandenverbreiterung bei. Es ist daher zu erwarten, daß mit zunehmendem Kapillardurchmesser die Bodenzahl abnimmt. Entsprechendes wurde bei niedermolekularen Verbindungen, wie z.B. p- Toluolsulfonsäure beobachtet. In Abb. 4.26a ist dieser lineare Zusammenhang zwischen Kapillardurchmesser und Bodenzahl zu erkennen. Er ist für alle Verbindungen zu Bodenzahl erwarten (vgl. Kapitel 4.2.2). 290000 290000 280000 280000 270000 270000 260000 260000 250000 250000 75 100 125 150 Kapillarinnendurchmesser [µm] Abbildung 4.26a: Abhängigkeit der Bodenzahl von Kapillardurchmesser am Beispiel von „p-Toluolsulfonsäure“. Puffer: Phosphat pH 7, c = 2mM; U = 30 kV Kapillare: Lges = 111 cm, Leff = 100 cm; I = 50 kVs Die Wandadsorption stellt einen weiteren Effekt dar, der zur Bandenverbreiterung beitragen kann. Albumin z.B. weist bei Verwendung von fused-silica Kapillaren starke Wandadsorptionseffekte auf. Sehr deutlich ist dies an auftretendem Peak-Tailing zu erkennen. Wird der Kapillardurchmesser variiert, so verändert sich der Beitrag der 75 4.5 Bandenverbreiternde Effekte bei Bekterien in der CE Wandadsorption zur Gesamtbandenverbreiterung: Das Verhältnis Volumen zur Oberfläche der Kapillare ist proportional zum Innendurchmesser der Kapillare. Dies bedeutet, daß mit zunehmendem Durchmesser die Wandadsorptionseffekte an Einfluß auf die Bandenverbreiterung verlieren: Bei theoretisch unendlich großem Durchmesser wird der Einfluß der Adsorption gleich Null. Diese beiden gegenläufigen Effekte, Adsorption und Temperaturprofil, überlagern sich, wodurch kein linearer Zusammenhang mehr zwischen Bodenzahl und Bodenzahl Kapillardurchmesser zu erwarten ist (vgl. Abb. 4.26b). 30000 30000 25000 25000 20000 20000 15000 15000 10000 10000 5000 5000 75 100 125 150 Kapillarinnendurchmesser [µm] Abbildung 4.26b: Abhängigkeit der Bodenzahl von Kapillardurchmesser am Beispiel von „Albumin“. Puffer: Phosphat pH 7, c = 2mM; I = 50 kVs; U = 30 kV Kapillare: Lges = 111 cm, Leff = 100 cm; Bei größeren Kapillardurchmessern haben die Adsorptionseffekte nur einen untergeordneten Einfluß: Die Bodenzahl steigt mit abnehmendem Durchmesser. Bei kleineren Durchmessern gewinnt der adsorptive Effekt an Gewicht und übertrifft den thermischen: Die Bodenzahl sinkt mit abnehmendem Durchmesser. Das Beispiel Albumin macht deutlich, daß die Verwendung von Kapillaren mit geringem Innendurchmesser nicht immer von Vorteil ist. Eine Kapillare mit einem Innendurchmesser von 100 µm wäre hier zu bevorzugen. 76 4.5 Bandenverbreiternde Effekte bei Bakterien in der CE Vergleicht man Abb. 4.26a und b, so erkennt man zwei unterschiedliche Kurvenverläufe, deren Unterschiede aus der Wandadsorption resultieren. Somit ergibt sich ein einfaches Testverfahren, um eventuelle Wandadsorptionseffekte nachzuweisen. Exemplarisch wurde „Pseudomonas spezies 6537“ diesem Test unterzogen (vgl. Abb. Bodenzahl 4.26c). 35000 35000 30000 30000 25000 25000 20000 20000 15000 15000 10000 10000 75 100 125 150 Kapillarinnendurchmesser [µm] Abbildung 4.27c: Abhängigkeit der Bodenzahl von Kapillardurchmesser am Beispiel von „Pseudomonas spezies 6537“. Puffer: Phosphat pH 7, c = 2mM; I = 50 kVs Kapillare: Lges = 111 cm, Leff = 100 cm; U = 30 kV Analog zur p-Toluolsulfonsäure konnte hier ein linearer Verlauf zwischen Bodenzahl und Kapillarinnendurchmesser beobachtet werden. Es kann daher davon ausgegangen werden, daß bei dieser Spezies keine bedeutenden Wandadsorptionseffekte aufgetreten sind. Diese Aussage kann nicht verallgemeinert werden, sondern muß für jede Spezies überprüft werden. Für bestimmte Bakterienspezies, konnte nach Durchlaufen des elektrophoretischen Systems kein Peak erhalten werden (vgl. Abb. 4.27). 77 4.5 Bandenverbreiternde Effekte bei Bekterien in der CE AU Totzeit t [min] Abbildung 4.27: Elektropherogramm von „Pseudomonas spezies 1110“; U = 30 kV Puffer: Phosphat pH 7, c = 2mM; I = 50 kVs; Kapillare: Lges = 111 cm, Leff = 100 cm; Dafür gibt es zwei mögliche Erklärungen: • Die Zellen besitzen so stark unterschiedliche Mobilitäten, daß sich dadurch die Zellen entlang eines größeren Kapillarabschnitts verteilen. Dies ist jedoch unwahrscheinlich. • Die Zellen weisen eine starke Wechselwirkung mit der Kapillarwand auf und werden zum teil adsorbiert: Die Zellen verteilen sich über die komplette Kapillare. 78 4.5 Bandenverbreiternde Effekte bei Bakterien in der CE Ein solch starker adsorptiver Effekt kann natürlich nicht mehr mittels obiger Methode nachgewiesen werden. Deshalb wurden die Bakterien hydrodynamisch durch die Kapillare (L = 111 cm; 75 µm I.D.) gedrückt, p = 500 mbar. Die Injektionsparameter betrugen I = 10 s 500 mbar. Zur Bestimmung der Totzeit wurde Thioharnstoff injiziert (vgl. Abb. 4.28a). Bakterien, welche nach obiger Methode keine Adsorption an der Kapillarwand zeigten, eluierten deutlich früher als der Thioharnstoff. Dies ist auf einen hydrodynamischen Effekt zurückzuführen (vgl. Abb. 4.29). AU AU AU Zeit Zeit a) b) Zeit c) Abbildung 4.28a-c: Hydrodynamische Elution von a) Thioharnstoff, b) „Micrococcus luteus“ und c) „Pseudomonas spezies 1110“; Kapillare: L = 111 cm, 75 µm I.D. ; p = 500 mbar, I = 10 s 500 mbar; Puffer: Phosphat pH 7, c = 2 mM Größere Partikel halten sich durchschnittlich mehr in der Mitte der Kapillare auf, als am Rand. Nicht so jedoch Moleküle, welche auf Grund ihrer geringen Größe gleichmäßig entlang des Kapillarquerschnitts verteilt sind. Deshalb werden Zellen im Durchschnitt schneller transportiert, da in der Mitte der Kapillare auf Grund des parabolischen 79 4.5 Bandenverbreiternde Effekte bei Bekterien in der CE Strömungsprofils eine höhere Fließgeschwindigkeit herrscht [38]. Die Zellen eluieren daher vor der Totzeit. Während Thioharnstoff einen symmetrischen Peak ergab, war bei den Zellen ein starkes Tailing beobachtbar, was auf gewisse Adsorptionseffekte schließen läßt (vgl. Abb. 4.28b). Fließrichtung Abbildung 4.29: Flußprofil in einer offenen Kapillare unter hydrodynamischen Bedingungen „Pseudomonas spezies 1110“, die bei der Elektrophorese keinen Peak ergaben (vgl. Abb. 4.27), zeigt hier einen unerwarteten Effekt: Ein Teil der Zellen eluiert analog wie die anderen Spezies vor der Totzeit. Zusätzlich ist deutlich nach der Totzeit ein zweites Signal sichtbar (vgl. Abb. 4.28c). Dies läßt sich nur bedingt auf eine Wandadsorption zurückführen, da dieser Effekt bei identischen Zellen lediglich ein verstärktes Tailing verursachen würde. Somit ergibt sich die Vermutung, daß zwei verschiedene Formen derselben Spezies vorliegen, von denen eine Form verstärkt mit der Kapillarwand wechselwirkt und daher später eluiert. Diese These der zweierlei Zellarten bzw. Zellformen wird durch eine weitere Beobachtung unterstützt: Das Verhältnis der beiden Peakflächen bleibt in etwa identisch, unabhängig von der Zellkonzentration im injizierten Probepuffer. Die Ursache hierfür bleibt allerdings unklar. Die Vermutung liegt jedoch nahe, daß ein enger Zusammenhang zwischen dem Doppelpeakphänomen im hydrodynamischen Modus und den fehlenden Peaks bei der Elektrophorese besteht. 80 4.5 Bandenverbreiternde Effekte bei Bakterien in der CE 4.5.5 Einfluß des Gegendrucks Ist eine Weiterverarbeitung der kapillarelektrophoretisch getrennten Bakterien gefordert, muß die Gesamtzahl der injizierten Zellen erhöht werden. Diese präparative Arbeitsweise wird durch Verwendung von Kapillaren mit größerem Innendurchmesser, sowie einer Verlängerung der Injektionszeit erreicht. Der resultierende Verlust an Bodenzahlen muß dafür in Kauf genommen werden. Ausgehend von einer Zellsuspension mit 109 Zellen/mL werden bei einer Standardkapillaren (L = 111 cm, 75 µm I.D.) bei I = 50 kVs 17000 Zellen injiziert. Bei Verwendung einer Kapillare mit I.D. 150 µm (L = 111 cm) und I = 5 mbar 60s werden bereits 335000 Zellen injiziert, also die 20-fache Menge. Vor allem bei größeren Kapillardurchmessern macht sich das parabolische Strömungsprofil, welches durch die Erwärmung der Kapillare verursacht wird, bemerkbar. Es sollte nun untersucht werden, ob durch Anlegen eines geringen Bodenzahl Gegendrucks dem Temperaturprofil ein gleichförmig entgegengesetztes Profil überlagert 1500 1500 1250 1250 1000 1000 750 750 500 500 250 250 0 0 -4 -2 0 2 4 Druck [mbar] Abbildung 4.30: Abhängigkeit der Bodenzahl vom Gegendruck. Druckangabe in Fließrichtung positiv, gegen die Fließrichtung negativ. Kapillare: L = 111 cm, 150 µm I.D. ; Puffer: Phosphat pH 7, c = 2 mM; U = 30 kV, I = 5 mbar 60s (hydrodynamisch) 81 4.5 Bandenverbreiternde Effekte bei Bekterien in der CE werden kann. Durch die Überlagerung sollten sich die beiden Profile zum Teil kompensieren, wodurch eine Abschwächung des Temperatureffekts erreicht werden soll. In Abb. 4.30 ist der Einfluß dieses Gegendrucks auf die Bodenzahl der Bakterien zu erkennen. Ein Maximum bei -1 bis -2 mbar ist deutlich erkennbar. Hier schwächen sich also tatsächlich beide Strömungsprofile gegenseitig maximal ab. Bei Verwendung von kleinem Kapillardurchmesser ist der thermische Effekt nur sehr gering. In Abb. 4.31 ist kein Einfluß des Gegendrucks auf die Bodenzahl beobachtbar. Daraus folgt, daß die Bodenzahl thermische Beeinflussung der Bandenverbreiterung vernachlässigbar klein ist. 20000 20000 17500 17500 15000 15000 12500 12500 10000 10000 7500 7500 -4 -2 0 2 4 Druck [mbar] Abbildung 4.31: Abhängigkeit der Bodenzahl vom Gegendruck. Druckangabe in Fließrichtung positiv, gegen die Fließrichtung negativ. Kapillare: L = 111 cm, 75 µm I.D. ; Puffer: Phosphat pH 7, c = 2 mM; U = 30 kV, I = 50 kVs 82 4.6 Elektrophoretische Mobilität 4.6 Elektrophoretische Mobilität 4.6.1 Charakterisierung von Bakterien Generell gibt es viele Wege, Bakterien zu charakterisieren. Die einfachste Methode ist die Untersuchung der morphologischen Eigenschaften, wie z.B. Größe und Form der Bakterien, sowie Größe, Form und Farbe der Kolonien. Mit dieser Methode ist in der Regel lediglich eine Grundzuordnung möglich, z.B. in Stäbchen oder Kokken etc.. Eine genauere Charakterisierung erfolgt bei Standardverfahren mittels bestimmten differentialdiagnostisch wichtigen Stoffwechselleistungen. Vielfach wird das gesamte Besteck aller dazu vorgelegter Substrate und Substanzen als „Bunte Reihe“ bezeichnet [2]. Der Nachweis erfolgter Reaktionen ist u.a. an Farbumschlägen verschiedener Indikatoren zu erkennen, wodurch ein „buntes“ Bild entsteht. Jedoch ist auch diese Methode zur Identifizierung und Charakterisierung der Bakterien relativ ungenau oder zumindest nicht immer erfolgreich. Deshalb wurden ständig neue Methoden entwickelt, um eine genauere Zuordnung der Bakterien zu ermöglichen. Dies hat dazu geführt, daß v.a. in den letzten 20 Jahren viele Spezies umbenannt wurden, da sie auf Grund von unzureichenden Untersuchungsmethoden zur falschen Gattung zugeordnet worden waren. Ein Beispiel solcher Methoden ist die Bestimmung der Ribosomen der Zelle über die Sedimentationsgeschwindigkeit. Ebenso lassen sich durch Untersuchungen des Zellaufbaus Rückschlüsse auf die Bakterie ziehen. So gehört die Bestimmung des Guanin- und Cytosinanteils in der DNS zur Standarduntersuchung [26,27]. Ein weiteres charakteristisches Merkmal von Bakterien ist der Aufbau der Zellhülle. So variieren die Anteile an bestimmten Zuckerbausteinen oder Fettsäuren zum Teil erheblich: Chemotaxonomie. Eine weitere und sehr einfache Methode ist die Charakterisierung der Zellen mittels Kapillarelektrophorese: Ein einfaches, allerdings unspezifisches Unterscheidungsmerkmal kann hier bereits die Peakform der Zellen sein. Neben „normalen“ symmetrischen Peaks gibt es eine Vielzahl an Peakformen. In Abb. 4.32 sind hierzu ein paar Beispiele aufgeführt. 83 4.6 Elektrophoretische Mobilität AU "fronting" "Schulter" "Begleitpeaks" Zeit Abbildung 4.32: Beispiele verschiedener Peakformen: „Fronting“ (Serratia ficaria), „Schulter“ (Pseudomonas spezies 6708) und „Begleitpeaks“ (Pseudomonas spezies 6537); Puffer: Phosphat pH 7, c = 2 mM; Kapillare: Lges = 111 cm, Leff = 100 cm, 75 µm I.D. ; U = 30 kV, I = 50 kVs Ebenso kann die Peakbreite bzw. die Bodenzahl unter identischen Versuchsbedingungen ein charakteristisches Unterscheidungsmerkmal der einzelnen Spezies sein (vgl. Abb. 4.34). Es sei an dieser Stelle jedoch darauf hingewiesen, daß nicht alle Zellen mittels Kapillarelektrophorese bestimmbar waren (vgl. Kapitel 4.5.4). Ein weitaus wichtigeres Charakterisierungsmerkmal von Bakterien ist die elektrophoretische Mobilität. Sie ist wie Form und Größe der Zellen ein relativ einfach zu bestimmender Wert, jedoch mit großer Aussagekraft. In Tabelle 4.1 wurde ein EMKataolg für die untersuchten Bakterien zusammengestellt. 84 4.6 Elektrophoretische Mobilität AU a b Zeit Abbildung 4.33: Peakbreite als Charakteristikum der Bakterien: Beide Peak besitzen in etwa dieselbe EM. a: „Serratia ficaria“ (31500 Böden); b: „Sphingomonas spezies 6014“ (903 Böden) Puffer: Phosphat pH 7, c = 2 mM; Kapillare: Lges = 111 cm, Leff = 100 cm, 75 µm I.D. ; U = 30 kV, I = 50 kVs Die EM ist vom Aufbau der Zellwand abhängig und daher im weiteren Sinne mit der Chemotaxonomie verwandt. Betrachtet man die Mobilitätsverteilung in Tab.4.1, so ergeben sich wesentliche Merkmale: Prinzipiell wäre zu erwarten gewesen, daß ähnliche Bakterien, wie z.B. sämtliche „Pseudomonas spezies“ eine ähnliche Mobilität besitzen, oder daß sich generell Gram-positive und Gram-negative Bakterien unterscheiden lassen. Dies ist allerdings nicht der Fall. Somit resultiert nachteilig, daß die alleinige Bestimmung der EM nicht für eine generelle Zuordnung in übergeordnete Gruppen geeignet ist. Der große Vorteil dieser Methode besteht jedoch darin, daß sich scheinbar identische, bzw. sehr ähnliche Kulturen, welche sowohl morphologisch als auch stoffwechselspezifisch nicht unterscheidbar sind, mittels der EM differenzieren lassen. 85 4.6 Elektrophoretische Mobilität Daher stellt diese Methode eine Ergänzung der bisher bekannten Charakterisierungen dar, welche zusätzliche und wichtige Informationen über die entsprechende Spezies liefern kann. Spezies DSM Nr. µem[104 Bodenzahl Besonderheiten cm2/Vs] Pseudomonas putida 548 0,41 20614 Pseudomonas spezies 1749 0,82 24700 Pseudomonas spezies 5536 0,99 9300 „Schulter“ Pseudomonas spezies 6708 1,16 2560 Peak verrauscht Rhodococcus erythropolis 1069 2,52 1060 Peak verrauscht Arthrobacter agilis 20550 2,68 810 Pseudomonas spezies 6537 2,86 20700 Micrococcus luteus 20030 2,98 12800 65 3,47 690 Pseudomonas putida 50222 3,48 1210 Serratia ficaria 4569 4,02 31500 Sphingomonas spezies 6014 4,12 903 Xanthobacter autotrophicus 3874 --- --- kein Peak Pseudomonas spezies 1110 --- --- kein Peak Pseudomonas spezies 2583 --- --- kein Peak Paracoccus denitrificans „Fronting“ Tabelle 4.1: EM der untersuchten Bakterien und deren Peakform Puffer: Phosphat pH 7, c = 2 mM; Kapillare: Lges = 111 cm, Leff = 100 cm, 75 µm I.D. ; U = 30 kV, I = 50 kVs Um entsprechende EM sinnvoll vergleichen zu können, müssen sämtliche Parameter konstant gehalten werden, bzw. die Beeinflussung der EM der Zellen durch Veränderung gewisser Parameter bekannt sein. Ausschlaggebend für die Änderung der Mobilität sind hier hauptsächlich die Ladungen der Zellen, also die funktionellen Gruppen. Aber auch die Zelle selbst kann über ihre Größe und Form die Mobilität beeinflussen. 86 4.6 Elektrophoretische Mobilität 4.6.2 Einfluß des pH-Wertes Die funktionellen Gruppen, die für die Ladungserzeugung der Zelle verantwortlich sind, stellen überwiegend schwache organische Säuren, bzw. Basen dar. Deren Protolysegleichgewicht hängt stark vom pH-Wert des Puffers ab: R fG − H → ← R fG − + H+ (27) RfG: funktionelle Gruppe der Zelle Mit fallendem pH-Wert verschiebt sich die Lage des Gleichgewichtes nach links, d.h. der Anteil an deprotonierten funktionellen Gruppen nimmt ab. Dies bedeutet eine Verminderung der Ladung auf der Zelloberfläche. Für die Mobilität in Abhängigkeit des pH-Wertes ist ein Verlauf analog dem der Dissoziationskurve einer schwachen organischen Säure zu erwarten (vgl. Abb. 4.34). 100 % Dissoziationsgrad 0% pH Abb.4.34: Typischer Dissoziationsverlauf einer schwachen organischen Säure in Abhängigkeit des pH-Wertes 87 4.6 Elektrophoretische Mobilität In unseren Untersuchungen wurde dieser Verlauf experimentell bestätigt (vgl. Abb. 3,2 3,2 3,0 3,0 2,8 2,8 2,6 2,6 2,4 2,4 -4 2 (10 cm /Vs) Elektrophoretische Mobilität 4.35) [37]. 4 5 6 7 8 9 10 pH Abb.4.35: EM von "Pseudomonas spezies 6537" in Abhängigkeit des pH-Wertes einer Kochsalzlösung der Ionenstärke 5 mM U = 30 kV; Lges = 144,5cm; Leff = 116,5cm; Injektion: 0,3mbar*min Bei pH-Werten zwischen 6 und 10 bleibt die EM nahezu konstant. Hier ist die Protonenkonzentration so gering, daß nach Gleichung 27 das Gleichgewicht vollständig auf der rechten Seite liegt. Erst bei pH-Werten unter 6 ist eine deutliche Verschiebung des Gleichgewichts und somit eine Abnahme des Dissoziationsgrades beobachtbar. Bei genügend geringem pH-Wert wäre ein Rückgang der Mobilität auf Null zu erwarten gewesen: Alle funktionellen Gruppen sind protoniert. Rein theoretisch ist eine Umkehr der Mobilität möglich, da basische funktionelle Gruppen vorhanden sein können, die bei der Protonierung eine positive Ladung erzeugen. Dies konnte experimentell nicht bestimmt werden, da bei diesen niedrigen pH-Werten ein Arbeiten mit diesen Bakterien 88 4.6 Elektrophoretische Mobilität nicht mehr möglich war: Bereits beim Waschvorgang erfolgte eine Koagulation der Zellen, die inhomogene Suspensionen zur Folge hatte. Von praktischer Relevanz ist allerdings hauptsächlich die pH-Konstanz im Bereich von 6-10 (vgl. Abb. 4.36). Daraus ergibt sich die Möglichkeit, Puffer verschiedener pH- 0,8 0,8 0,6 0,6 0,4 0,4 0,2 0,2 -4 2 [10 cm /Vs] Elektrophoretische Mobilität Werte miteinander vergleichen zu können. 0,0 0,0 7 8 9 10 11 pH Abbildung 4.36: Mobilitätskonstanz im neutralen und schwach alkalischen Bereich am Beispiel von „Pseudomonas spezies 1749“; Puffer: Phosphat pH 7, c = 2 mM; Kapillare: Lges = 111 cm, Leff = 100 cm, 75 µm I.D. ; U = 30 kV, I = 50 kVs 4.6.3 Einfluß der Pufferzusammensetzung Nicht nur der pH-Wert vermag die Lage des Gleichgewichts von Gleichung 27 zu beeinflussen, sondern auch andere Kationen: R fG − K → ← R fG − + K+ (28) K: Kation Je nach vorhandenen Kationen erhält man unterschiedliche Gleichgewichtskonstanten, wodurch die Lage des Gleichgewichts und somit die Gesamtladung der Zellen 89 4.6 Elektrophoretische Mobilität beeinflußt wird. [5,20] Deshalb wurde beim Vergleich verschiedener Puffer jeweils Na+ als Gegenion, bzw. NaOH zur Einstellung des pH-Wertes verwendet. Geht man vereinfacht von einer kugelförmigen Zelle mit dem Radius 0,5 µm und einer Mobilität von 10-4 cm2/Vs aus, so läßt sich die effektive Ladung der Zelle berechnen. Die Viskosität des Puffers beträgt in etwa η = 10-3 Ns/m2. Ausgehend von Gleichung 7 läßt sich mit diesen Daten die Ladung ermitteln: q = 6 π⋅ µ ⋅r ⋅η ⇒ q = 6 π ⋅10 −8 (7a) m2 Ns ⋅ 0,5 ⋅10 −6 m ⋅10 −3 2 V ⋅s m = 9,4 ⋅10 −17 C Die Elementarladung beträgt e =1,6 ⋅10 −19 C Daraus ergibt sich eine effektive negative Gesamtladung der Zelle von: q n = = 589 e Bei Verwendung eines 2 mM Phosphatpuffers wurden mit Gleichung 7 für die Spezies „Pseudomonas spezies 6537“ die Ladung q = 2,7 ⋅10 −16 C ermittelt, was ca. 1700 Elementarladungen entspricht. Für „Pseudomonas spezies 1749“ ergibt dies entsprechend 500 Ladungen. Berücksichtigt man die Größe der Zelle, so erscheint diese Zahl doch eher gering. Es stellt sich daher die Frage, ob sich die Zahl an Ladungsträgern erhöhen läßt. Die natürliche Zahl der funktionellen Gruppen auf der Oberfläche ist begrenzt. Eine gezielte spezifische Änderung der Ladung läßt sich durch Zugabe von Immunoreagenzien erreichen [40,41]. Diese Reagenzien heften sich spezifisch an entsprechende Zellen, wodurch die Oberflächenbeschaffenheit und somit die Ladung der Zelle verändert wird. Der Nachteil dieser Methode besteht darin, daß im Prinzip für jede Bakterienart ein eigenes Reagenz benötigt wird. Dieses aufwendige Verfahren ist sicherlich nur in Einzelfällen als sinnvoll zu betrachten, da die Reaktion zudem irreversibel verläuft, so daß die Zellen im Anschluß meist nicht mehr verwendbar sind. 90 4.6 Elektrophoretische Mobilität Hieraus resultiert die Forderung nach einem unspezifischen Puffer, bzw. Zusatz, der reversibel in Form einer Gleichgewichtseinstellung mit der Zelloberfläche reagiert, bzw. wechselwirkt. Dabei sollte es sich um Verbindungen handeln, die zum einen Ladungen tragen und zum anderen „zellophil“ sind, d.h. mit der Zelloberfläche in Wechselwirkung treten. Die Zelloberfläche besteht größtenteils aus Peptid- und Zuckerbausteinen. Es sind daher hauptsächlich Verbindungen von Interesse, die Wasserstoffbrückenbindungen ausbilden können. Bei den folgenden Untersuchungen wurden 5 verschiedene Puffer getestet: • Phosphatpuffer pH 7 • Glucose-1-phosphat pH 8,5 • Glutardialdehydbis(natriumhydrogensulfit) pH 7 • Schleimsäure pH 7,2 • Borsäure pH 9,5 In den Darstellungen wurde bewußt auf die Angabe der Konzentration in Form der Ionenstärke verzichtet. Vor allem bei Boratpuffer ist es nahezu unmöglich, diese zu bestimmen, da dem Borat keine exakten Strukturformeln zugrunde gelegt werden können und somit ein direkter Vergleich über die Ionenstärke wenig sinnvoll wird. In Abb. 4.37 ist die EM in Abhängigkeit der Pufferzusammensetzung exemplarisch für drei Spezies dargestellt. Mit Ausnahme des Boratpuffers sind für jede der drei Spezies die EM bei allen Puffersystemen nahezu identisch, so daß der Art des Puffers keine signifikante Rolle zukommt. Daraus läßt sich folgern, daß keine relevanten Wechselwirkungen zwischen Zelloberfläche und Pufferion stattfinden. Die Ausnahmestellung des Boratpuffers zeigt sich in einem deutlichen Anstieg der EM bei „Pseudomonas spezies 1749“. Diese Erhöhung der Mobilität von 0,3 auf 0,78 10-4 cm2/Vs resultiert aus einer entsprechenden Zunahme der Anzahl effektiver Ladungen. Unter der Voraussetzung, daß die Größe der Zelle in allen Puffersystemen identisch ist, sind in etwa 280 neue Ladungen pro Zelle entstanden. Borat ist in der Lage, reversibel mit vicinalen OH-Gruppen u.a. in Zuckermolekülen unter Ausbildung einer neuen negativen Ladung zu reagieren: 91 4.6 Elektrophoretische Mobilität OH HO B OH OH + O - OH B O OH OH OH + 2 H2O Diese Zunahme der EM konnte weder bei den anderen beiden Spezies noch bei Verwendung der anderen genannten Puffersysteme beobachtet werden. Weshalb diese Reaktion nur bei „Pseudomonas spezies 1749“ stattfindet ist unklar. Um dies hinreichend aufzuklären, wäre eine genaue strukturelle Untersuchung der 4,0 4,0 3,5 3,5 3,0 3,0 2,5 2,5 2,0 2,0 1,5 1,5 1,0 1,0 0,5 0,5 0,0 0,0 Borat pH 9,5 4,5 Schleimsäure pH 7,2 4,5 Glutardialdehydbis(natriumhydrogensulfit) pH 7 5,0 Glucose-1phosphat pH 8,5 5,0 Phosphat pH 7 -4 2 [10 cm /Vs] Elektrophoretische Mobilität Zellhüllen aller verwendeten Spezies notwendig. Abbildung 4.37: EM in Abhängigkeit der Pufferzusammensetzung bei gleicher Konzentration (c = 10 mM) für „Micrococcus luteus“ (schwarz), „Pseudomonas spezies 1749“ (grau) und „Pseudomonas spezies 6537“ (weiß). Kapillare: 75 µmI.D., Lges = 111 cm, Leff = 100 cm; U = 30 kV, I = 50 kVs Parallel mit der Erhöhung der Mobilität bei „Pseudomonas spezies 1749“ durch den Boratpuffer ist ein Einbruch der Bodenzahl zu beobachten (vgl. Abb. 4.17). Erfolgt die Reaktion des Borations relativ ungleichmäßig mit den Zellen, so verursacht dies eine 92 4.6 Elektrophoretische Mobilität größere Streuung der Oberflächenladung. Eine verstärkte Bandenverbreiterung ist die Folge. 93 4.6 Elektrophoretische Mobilität 4.6.4 Einfluß der Pufferkonzentration Wie bereits in Kapitel 4.6.3 erwähnt, können im Puffer befindliche Kationen die Anzahl der Zelladungen beeinflussen (vgl. Geichung 28). Die Lage des Gleichgewichts ist konzentrationsabhängig. Es ist daher zu erwarten, daß sich mit abnehmender Pufferkonzentration die Ladung bzw. die EM erhöht, da sich die Lage des Gleichgewichts aus Gleichung 28 nach rechts verlagert. In Abb. 4.38 ist der konzentrationsabhängige Verlauf der EM für verschiedene 4,0 4,0 3,5 3,5 3,0 3,0 2,5 2,5 2,0 2,0 1,5 1,5 1,0 1,0 0,5 0,5 -4 2 [10 cm /Vs] Elektrophoretische Mobilität Bakterienspezies dargestellt. 0,0 0,0 0 2 4 6 8 10 Pufferkonzentration [mmol/L] Abbildung 4.38: EM-Verlauf in Abhängigkeit der Pufferkonzentration für „Micrococcus luteus“ (O), „Pseudomonas spezies 1749“ (!) und „Pseudomonas spezies 6537“ (∆); Kapillare: 75 µm I.D., Lges = 111 cm, Leff = 100 cm; Puffer: Phosphat; U = 30 kV, I = 50 kVs Es ist deutlich zu erkennen, daß die Bakterien bei sehr geringen Konzentrationen eine relativ große EM besitzen. Diese nimmt mit zunehmender Konzentration des Puffers ab: Die Kurve geht in eine Parallele zur x-Achse (Pufferkonzentrationsachse) über. Die EM zeigt oberhalb einer bestimmten Konzentration (hier in etwa 5 mM) keine signifikante Veränderung mehr. Dieser Kurvenverlauf geht mit den Ergebnissen, die aus Gleichung 28 resultieren, konform. Der extreme Anstieg der Mobilität im niedrigen Konzentrationsbereich bleibt dabei zunächst ungeklärt. Geht man davon aus, daß sich 94 4.6 Elektrophoretische Mobilität die Form der Zelle nicht gravierend verändert (bei geringeren Konzentrationen wird die Zelle unter Umständen auf Grund des osmotischen Drucks „aufgebläht“, was zu einer Verringerung der EM nach Gleichung 7 führen müßte), so muß sich die effektive Ladung erhöhen. Da an der Oberfläche nur begrenzt Ladungsträger vorhanden sind, ist es denkbar, daß bei geringen Konzentrationen tiefere Schichten der Zellhülle zur Ladungserzeugung beitragen, indem die „gebundenen“ mobilen Gegenionen aus der Zelle wandern. Y. Nakano berichtet von einem Abschirmeffekt der Elektrolytionen gegenüber in tieferen Zellschichten gelegenen funktionellen Gruppen [12]. Dieser Abschirmeffekt verringert sich mit abnehmender Konzentration des Puffers, wodurch die Gesamtladung der Zelle zunimmt. Sehr gut ist in Abb. 4.38 zu erkennen, daß dieser Effekt bei Zellen mit geringer Mobilität stärker ausgeprägt ist. Durch Variation der Pufferkonzentration läßt sich somit 2,5 2,5 2,0 2,0 1,5 1,5 1,0 1,0 0,5 0,5 -4 2 [10 cm /Vs] Elektrophoretische Mobilität die EM gezielt verändern. 0,0 0,0 0 10 20 30 40 Pufferkonzentration [mmol/L] Abbildung 4.39: EM-Verlauf in Abhängigkeit der Pufferkonzentration von „Pseudomonas spezies 1749“ für Puffer aus Borat pH 9,5(!), Phosphat pH 7 (O), Glutardialdehyd(bisnatriumhydrogensulfit) pH 7 ( ∇), Glucose-1-phosphat pH 8,5 (∆) und Schleimsäure pH 7,2 ( ); Kapillare: 75 µm I.D., Lges = 111 cm, Leff = 100 cm; U = 30 kV, I = 50 kVs 95 4.6 Elektrophoretische Mobilität Abb. 4.39 bestätigt die Vermutung aus dem Kapitel 4.6.3, daß die Puffersysteme Phosphat, Glucose-1-phosphat, Glutardialdehydbis(natriumhydrogensulfit) und Schleimsäure keine Wechselwirkungen mit der Zelle eingehen. Der Kurvenverlauf ist bei allen 4 identisch. Somit ist also nur das Gegenion (Na+) für die Änderung der Mobilität verantwortlich. Boratpuffer zeigt einen ähnlichen Kurvenverlauf wie die anderen 4 Puffersysteme. Allerdings ist die Kurve sowohl entlang der x- als auch y-Achse verschoben. Sehr deutlich ist zu erkennen, daß der Grenzwert für die EM bei zunehmender Pufferkonzentration deutlich höher liegt. Da dies nicht auf das Gegenion zurückzuführen ist (bei allen gleich: Na+), muß das Borat-Ion für die veränderte Mobilität verantwortlich sein (vgl. Kapitel 4.6.3). 4.6.5 Einfluß der Nährlösung Da die EM direkt abhängig vom Aufbau der Zellwand ist, galt es zu untersuchen, ob eine Veränderung der EM bzw. des Zellwandaufbaus durch Variation der Nahrungsquelle der Bakterien erreicht werden kann. Deshalb wurde „Pseudomonas spezies 6537“ zum einen mit Vollmedium und zum anderen mit speziellem Mineralmedium angezüchtet. Beim letzteren sind nur die für das Wachstum absolut notwendigen Komponenten enthalten. Vergleiche der beiden Elektropherogramme ergaben allerdings keinen signifikanten Unterschied, weder bei der EM noch bei der Bodenzahl. Es war daher kein meßbarer Einfluß der Nährlösung auf die elektrophoretischen Eigenschaften der Zellen zu erkennen. 96 4.7 Trennung von Bakterien 4.7 Trennung von Bakterien Die Isolierung bzw. Trennung von Mikroorganismen hat in der Bakteriologie und Mikrobiologie eine große Bedeutung. Bisher konnte der Versuch, Zellen zu isolieren, prinzipiell in zwei Kategorien eingeteilt werden, die "Einzelzell"- und die Fraktionierungsmethode. Die "Einzelzell-Methode" schließt Techniken wie das Aufbringen der Zellen auf Nährplatten, Zellsortierungen sowie Mikroverfahren ein. Hierbei werden die einzelnen Organismen aus einer Zellmischung räumlich getrennt und anschließend zu einzelnen Kolonien herangezogen. Obwohl hierbei eine hohe Auflösung erreicht werden kann, eignen sich diese Techniken lediglich zur Abtrennung einzelner spezifischen Zelltypen, während ein mögliches Übergewicht an anderen Organismen in der Probe ignoriert wird. Fraktionierungstechniken, wie unterschiedliche Zentrifugations-, Filtrations- und Adsorptionsmethoden, werden in der Wachstumsphase der Zellen angewendet. Hierbei werden Mischungen in Untergruppierungen aufgetrennt, welche unterschiedliche biologische, chemische und/oder physikalische Eigenschaften besitzen. Die Auflösung ist jedoch stark begrenzt und es existieren nur sehr wenige Zelltypen, die sich auf diese Weise von einem komplexen Gemisch abtrennen lassen. Bisher ermöglichen weder die "Einzelzell"- noch die Fraktionierungsmethode eine zuverlässige Quantifizierung von mikrobiologischen Untergruppen in einer komplexen Mischung. Die elektrophoretische Trennung von Zellen ist schon seit einigen Jahrzehnten eine interessante analytische und präparative Technik, der vor allem in medizinischen, mikrobiologischen und biotechnologischen Bereichen große Bedeutung zukommt. Es existieren eine Vielzahl von Verfahren zur Erfassung einzelner Zelltypen, sowohl im präparativen als auch im nichtpräparativen Maßstab. [41-57] Mit der Entwicklung der Kapillarelektrophorese entstand nun eine Methode, bei der das Problem der Wärmeerzeugung und des hohen Zeitaufwandes minimiert werden konnte [25,58]. 97 4.7 Trennung von Bakterien Unterscheiden sich Bakterien ausreichend in ihrer EM, so müßten sich diese theoretisch mittels CE trennen lassen (vgl. Abb. 4.40). Durch Variation der Pufferkonzentration ist eine Veränderung der Mobilitäten innerhalb gewisser Grenzen möglich (vgl. Kapitel 4.6.4). AU 3 2 1 1 5 8 10 12 14 Zeit [min] Abbildung 4.40: Elektropherogramm eines einfachen Bakteriengemisches: 1= Thioharnstoff, 2 = „Rhodococcus erythropolis“, 3 = „Sphingomonas spezies“ Puffer: Phosphat pH 7, c = 2mM; Kapillare: 75 µm I.D., Lges = 111 cm, Leff = 100 cm, I = 50 kVs, U = 30 kV Abb. 4.38 zeigt, daß die Differenz der EM der beiden Spezies „Pseudomonas spezies 6537“ und „Micrococcus luteus“ mit steigender Konzentration des Phosphatpuffers zunimmt. Um diese beiden Spezies voneinander trennen zu können, ist die Verwendung eines höher konzentrierten Puffers notwendig. Jedoch ist nicht nur die EM-Differenz allein ausschlaggebend, auch die Peakbreite bzw. Bodenzahl der Bakterien sind von Bedeutung. Als Maß für die Trennqualität zweier Peaks wurde in der Analytik die Auflösung R eingeführt. Sie hängt direkt von der Bodenzahl und der Differenz der Mobilität ab [36]: 98 4.7 Trennung von Bakterien 1 1 ∆µ R= N 2 ( ) 4 µ (29) N: Bodenzahl µ : Gemittelte EM Mit steigender Pufferkonzentration nimmt die Bodenzahl zu (vgl. Kapitel 4.5.2). Dies bedeutet, daß mit zunehmender Konzentration die Trennqualität steigen muß. In Abb. 4.41 und 42 ist dieser Effekt zu erkennen: Bei einer Konzentration von c = 2 mM ist keine Trennung der beiden Bakterienarten möglich. Man erhält lediglich einen Peak dessen Maximum zwischen den Mobilitäten der zu trennenden Spezies liegt. Erst bei einer Konzentration von c = 10 mM ist eine vollständige Trennung möglich (vgl. Abb. 4.42). AU 2 1 1 5 8 10 12 14 Zeit [min] Abbildung 4.41: Elektropherogramm eines dimeren Gemisches; 1 = Thioharnstoff, 2 = Gemisch aus „Pseudomonas spezies 6537“ und „Micrococcus luteus“ Puffer: Phosphat pH 7 c = 2 mM; Kapillare: 75 µm I.D., Lges = 111 cm, Leff = 100 cm, I = 50 kVs, U = 30 kV 99 4.7 Trennung von Bakterien AU 3 1 2 1 5 8 10 12 Zeit [min] Abbildung 4.42: Elektropherogramm eines dimeren Gemisches; 1 = Thioharnstoff, 2 = „Pseudomonas spezies 6537“ und 3 = „Micrococcus luteus“ Puffer: Phosphat pH 7 c = 10 mM; Kapillare: 75 µm I.D., Lges = 111 cm, Leff = 100 cm, I = 50 kVs, U = 30 kV Die Verwendung des konzentrierteren Puffers ist nicht immer von Vorteil. Durch die erhöhte Pufferkonzentration verringert sich der EOF, d.h. die Analysenzeit nimmt zu. Dies wird zum Teil durch die abnehmende EM der Bakterien kompensiert. Durch die verstärkte Wärmeerzeugung nimmt jedoch die Stabilität der Zellen ab. Dies ist v.a. bei Bakterien mit einer großen Mobilität problematisch, da diese der Belastung über längere Zeit ausgesetzt sind. Zusätzlich wird durch die Verringerung der EM automatisch das Detektionszeitfenster verringert. Auch bei Bakterien mit einer geringen EM ist die Verwendung konzentrierter Puffer von Nachteil, da die EM-Differenzen absolut gesehen sehr gering werden. Für Bakteriengemische, wie in Abb. 4.43 dargestellt, ist ein höher konzentrierter Puffer notwendig: c = 10 mM. Eine geringe Konzentration des Puffers würde zu keiner vollständigen Trennung der Bakterien 3 und 4 führen (vgl. Abb. 4.41 und 42). 100 4.7 Trennung von Bakterien 2 AU 1 3 1 5 8 10 4 12 5 14 16 Zeit [min] Abbildung 4.43: Trennung eines Bakteriengemisches mittels CE; 1 = Thioharnstoff, 2 = „Pseudomonas spezies 1749“ und 3 = „Pseudomonas spezies 6537“, 4 =„Micrococcus luteus“, 5 = „Serratia ficaria“ Puffer: Phosphat pH 7 c = 10 mM; Kapillare: 75 µm I.D., Lges = 111 cm, Leff = 100 cm, I = 50 kVs, U = 30 kV In Abb. 4.43 ist eine verschlechterte Auflösung im vorderen Bereich des Elektropherogramms (Peak 1 und 2) zu erkennen. Dies resultiert aus der starken Verringerung der Mobilität dieser Zellen. Oftmals ist zu beobachten, daß sich die gemessenen Mobilitäten der Bakterien aus Gemischen von denen der Reinkulturen unterscheiden: Die Zellen behindern sich vermutlich gegenseitig (Wechselwirkungen untereinander), so daß eine Auftrennung erschwert wird. Die gemessene EM ist scheinbar erniedrigt. Zusätzlich findet eine Beeinflussung der Bodenzahl der Bakterien statt. So werden für „Pseudomonas spezies 1749“ anstatt 120000 nur noch 33000 Böden erreicht. Bei einer verbleibenden EM von etwa 0,18 anstatt 0,32 10-4 cm2/Vs für „Pseudomonas spezies 1749“ und einer verbleibenden Bodenzahl von 33000, läßt sich aus Abb. 4.43 ableiten, daß z.B. eine Trennung der Bakterien „Pseudomonas spezies 1749“ und 101 4.7 Trennung von Bakterien „Pseudomonas putida 548“ oder Bakterien ähnlicher Mobilität unter diesen Bedingungen nicht möglich ist. Wird die Konzentration des Puffers erniedrigt, so nimmt zwar die Bodenzahl wieder ab, dafür die EM aber zu. Bei einer Pufferkonzentration von 2 mM (vgl. Abb. 4.44) wurden die beiden Spezies „Pseudomonas putida 548“ und „Pseudomonas spezies 5536“ vollständig getrennt, während dies bei c = 10 mM nicht möglich gewesen wäre. 1 AU 5 3 4 2 2 4 6 8 10 12 14 Zeit [min] Abbildung 4.44: Trennung eines Bakteriengemisches mittels CE; 1 = Thioharnstoff, 2 = „Pseudomonas putida 548“ und 3 = „Pseudomonas spezies 5536“, 4 =„Pseudomonas spezies 6537“, 5 = „Paracoccus denitrificans 65“ Puffer: Phosphat pH 7 c = 2 mM; Kapillare: 75 µm I.D., Lges = 111 cm, Leff = 100 cm, I = 50 kVs, U = 30 kV 102 4.7 Trennung von Bakterien Ausschlaggebend für die Wahl des Puffers bzw. dessen Konzentration ist daher das jeweilige Trennproblem. Es ist dabei gut möglich, daß nicht alle Bakterien eines Gemisches gleichzeitig getrennt werden können. In diesem Fall muß man sich auf die Trennung von Teilen des Bakteriengemisches beschränken. Für die Auswahl des Puffers lassen sich folgende generelle Regeln formulieren: • Bakterien mit geringer EM: Verwendung eines Puffers mit geringer Konzentration • Bakterien mit mittlerer EM: Verwendung eines Puffers mit erhöhter Konzentration • Bakterien mit hoher EM: Verwendung eines Puffers mit geringer Konzentration Wie aus den Abb. 4.43 und 44 hervorgeht, ist die Zahl möglicher Peaks stark begrenzt. Sie beträgt in etwa 8-10. Durch Variation des Puffers und durch „splitten“ der Analyse, läßt sich die Zahl der trennbaren Bakterienarten sicherlich etwas erhöhen. Eine vollständige Auftrennung komplexer Bakteriengemische mittels CE ist dagegen nicht möglich. Jedoch können durch geschickte Wahl der Parameter einzelne Arten aus einem solchen Gemisch abgetrennt werden. In jedem Fall ist eine Vortrennung möglich, wodurch die Gesamtzahl an Kulturen pro Volumeneinheit (s. auch Kapitel 4.8) stark verringert und weiteres Bearbeiten mit herkömmlichen Methoden erleichtert wird. 103 4.8 Fraktionierung von Bakterien 4.8 Fraktionierung von Bakterien Zusätzlich zur Charakterisierung von Mikroorganismen über die EM können die Bakterien mittels CE getrennt und fraktioniert werden. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, die isolierten Bakterien zusätzlich mit herkömmlichen Methoden zu untersuchen. 4.8.1 Vollständige Trennung von Bakterien ?! Wird die Gaußverteilung zu Grunde gelegt, so wird rein mathematisch niemals eine vollständige Trennung erreicht, d.h. ein Teil einer Verbindung kommt immer als Verunreinigung im Peak der anderen Verbindung vor (vgl. Abb. 4.45). Abbildung 4.45: Auflösung zweier Peaks Dabei gibt die Auflösung das Ausmaß an, in dem Peaks bei einer chromatographischen Trennung aufgelöst werden. In der Regel spricht man in der Analytik von vollständiger Trennung bei einer Auflösung von R > 1,5. Dies bedeutet eine Verunreinigung der Peakflächen von kleiner als 0,1 %. Bei einer Injektion von 10 000 Zellen einer Spezies bedeutet dies, daß 10 Zellen als Verunreinigung im Peak der anderen Spezies vorkommen. 104 4.8 Fraktionierung von Bakterien Es wird somit deutlich, daß eine vollständige Trennung (100%) der Bakterien nur sehr schwer erreichbar ist. Daher ist es sinnvoll, mit relativ wenig Zellen zu arbeiten, da dadurch die Wahrscheinlichkeit abnimmt, daß eine Zelle als Verunreinigung in einer anderen Fraktion enthalten ist. Die Wahrscheinlichkeit der Existenz von Verunreinigungen durch eine unvollständige Trennung kann allerdings nie gleich Null gesetzt werden. 4.8.2 Diskontinuierliche Fraktionierung Die diskontinuierliche Fraktionierung ist denkbar einfach: Das Outlet-Vial wird in bestimmten Zeitabständen ausgetauscht. Dazu ist jeweils eine Unterbrechung des Stromflusses und somit der Elektrophorese notwendig. Es werden also Fraktionen über einen gewissen Zeitraum gesammelt. Zur Bestimmung der Zellzahl in den einzelnen Fraktionen wird ein definierter Volumenanteil der Fraktion auf Agarplatten (Vollmedium - Kapitel 4.1 - mit 1,2 % Agar) ausgestrichen und nach einer gewissen Wachstumszeit erfolgt die Auszählung der Kolonien. Hierbei können lediglich die im Eluat befindlichen, lebenden und teilungsfähigen Zellen bestimmt werden. Experimentelle Bedingungen: Für die Probensuspension wurden 700 µL Phosphatpuffer (2mM) mit Thioharnstoff als Totzeitmarker steril vorgelegt und, soweit nicht anders angegeben, mit jeweils 10 µL der Nährbakteriensuspension versetzt. Dies ergibt eine Verdünnung der Zellsuspension um den Faktor 71. Konditionierung: Die Kapillare (Lges= 111 cm, Leff= 100 cm, 75 µm I.D.) wurde • 3 Minuten bei 1,5 bar mit 0,2 N Natronlauge • 3 Minuten bei 1,5 bar mit 2 mM Phosphatpuffer steril • 3 Minuten bei 1,5 bar mit 2 mM Phosphatpuffer steril (frisches Vial) konditioniert. 105 4.8 Fraktionierung von Bakterien Zur Fraktionierung wurden im Outlet-Vial jeweils 600 µL steriler Phosphatpuffer (2 mM) vorgelegt. Nach verstreichen der Totzeit wurden die Vials in bestimmten Zeitintervallen gewechselt. Von jeder Fraktion wurden 100 µL entnommen und auf Agarplatten ausgebracht. Je nach Wachstumsgeschwindigkeit wurden die Kolonien auf den Platten nach 18 bis 32 Stunden ausgezählt (vgl. Abb. 4.46). Da bei der Bestimmung nur das Verhältnis der Zellen zwischen den einzelnen Fraktionen von Bedeutung ist, wurde in Abb. 4.47 und 48 nicht die Gesamtzellzahl als Funktionsparameter verwendet, sondern die gezählten Kolonien bzw. „Zellen“ - aus jeder teilungsfähigen Zelle entsteht eine Kolonie - auf eine bestimmte Sammelzeit normiert und entsprechend aufgetragen. Daher wurde der Begriff „relative Zellzahl“ verwendet. Für eine Quantifizierung sind die entsprechenden Verdünnungen bzw. Arbeitsschritte zu berücksichtigen. Bei der Durchführung der Fraktionierung sind folgende Punkte zu beachten: • Die Zellzahl der Bakterien ist zu gering als daß eine UV-Detektion möglich wäre • Die Migrationszeiten unterscheiden sich von den bisherigen, da die „Elution“ nicht mehr beim Erreichen des Detektionsfensters, sondern erst beim Erreichen des Kapillarendes erfolgt. Bei Verwendung obiger Kapillare erhöhen sich die vom UVDetektor bestimmten Migrationszeiten um den multiplikativen Faktor F = L ges L eff = 1,11 . Beträgt die gemessene Totzeit 7 Minuten, so beträgt die tatsächliche Totzeit 7,77 Minuten. • Die Fraktionierung wird nach Erreichen der tatsächlichen Totzeit begonnen. In Abb. 4.47a ist das Ergebnis einer solchen Fraktionierung graphisch dargestellt. Wichtig bei der Diskussion dieser Darstellung ist, sich stets bewußt zu sein, daß es sich um eine diskontinuierliche Fraktionierung handelt: Die aufgetragenen Werte stellen nur Mittelwerte über einen definierten Zeitraum dar. Erst bei infinitesimal kleinen Zeitabschnitten würde die diskontinuierliche in eine kontinuierliche Fraktionierung übergehen. Es ist daher sinnvoll, das Ergebnis im Balkenformat darzustellen (vgl. Abb. 4.47b). 106 4.8 Fraktionierung von Bakterien 1 2 3 5 4 6 Abbildung 4.46: Fraktionierung von „Serratia ficaria“: 6 Fraktionen von je 0,7 min. 107 relative Zellzahl 4.8 Fraktionierung von Bakterien 500 500 400 400 300 300 200 200 100 100 0 0 6 8 10 12 14 16 M igrationszeit [min] relative Zellzahl Abbildung 4.47a: Fraktionierung von „Pseudomonas spezies 1749“ und „Serratia ficaria“ nach der elektrophoretischen Trennung; Puffer: Phosphat pH 7 c = 2 mM; Kapillare: 75 µm I.D., Lges = 111 cm, I = 50 kVs, U = 30 kV; Fraktionen: ∆t: 0,5 min, t0 = 6,86 min 500 500 400 400 300 300 200 200 100 100 0 0 6 8 10 12 14 16 M igrationszeit [min] Abbildung 4.47b: Fraktionierung von „Pseudomonas spezies 1749“ und „Serratia ficaria“ nach der elektrophoretischen Trennung (Säulendiagramm); Puffer: Phosphat pH 7 c = 2 mM; Kapillare: 75 µm I.D., Lges = 111 cm, I = 50 kVs, U = 30 kV; Fraktionen: ∆t: 0,5 min, t0 = 6,86 min 108 4.8 Fraktionierung von Bakterien Dadurch wird allerdings ein Direktvergleich mit einem entsprechenden Elektropherogramm erschwert. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Elektropherogramm und der Bestimmung der relativen Zellzahl nach erfolgter Fraktionierung basiert auf der Detektion. Der UVDetektor erkennt unspezifisch alle Zellen unabhängig von ihrem Zustand. Bei der Zellfraktionierung werden allerdings nur die lebenden noch teilungsfähigen Zellen erfaßt. Es lassen sich daher Vergleiche zwischen den teilungsfähigen Zellen und der Gesamtzellzahl bezüglich EM und Bodenzahl anstellen. In Abb. 4.48 und 49a ist das Elektropherogramm bzw. die Fraktionierung eines trimeren Bakteriengemisches dargestellt. AU 2 1 4 3 1 5 7 9 11 13 Zeit [min] Abbildung 4.48: Trennung eines Bakteriengemisches mittels CE; 1 = Thioharnstoff, 2 = „Pseudomonas spezies 1749“, 3 =„Pseudomonas spezies 6537“, 4 = „Serratia ficaria“; Puffer: Phosphat pH 7 c = 2 mM; Kapillare: 75 µm I.D., Lges = 111 cm, Leff = 100 cm, I = 50 kVs, U = 30 kV 109 4.8 Fraktionierung von Bakterien Die injizierten Zellmengen unterscheiden sich bei den beiden Versuchsdurchführungen auf Grund der Detektionsprobleme erheblich (Faktor 23). Das Verhältnis der Zellzahl zueinander ist jedoch identisch. Es ist deutlich zu erkennen, daß die Bodenzahl der „Peaks“ durch die Fraktionierung deutlich verringert wurde. Dies ist allerdings wie bereits erwähnt, auf die relativ große Sammelrate der einzelnen Fraktionen zurückzuführen. Die Peakformen der Bakterien sind in beiden Abbildungen in etwa vergleichbar. Beide „Serratia ficaria“-Signale weisen ein Fronting auf. Ebenso ist das Verhältnis der Peakhöhen in den beiden Abbildungen vergleichbar. Das Elektropherogramm ist über mehrere Wochen hinweg reproduzierbar, selbst wenn keine teilungsfähigen Zellen mehr vorhanden sind. Der direkte Vergleich der teilungsfähigen Zellen mit der Gesamtzellzahl hat gezeigt, daß kein Unterschied zwischen den Zellen besteht, welcher die Elektrophorese in irgendeiner Art beeinflussen könnte. Die Fraktionierung hat gegenüber der UV-Detektion einen großen Vorteil: Der UV-Detektor ist lediglich in der Lage, die Zellen unspezifisch zu erfassen. Er ist nicht in der Lage, einzelne Spezies zu unterscheiden. Bei Verwendung von Agarplatten in der Fraktionierung haben Bakterienarten in der Regel unterschiedliche Wachstumsgeschwindigkeiten. Viele Bakterien lassen sich daher anschließend durch Form, Farbe und Größe der Kolonien unterscheiden. Werden zusätzlich SelektivAgarplatten verwendet, so wird dieser Effekt noch verstärkt. Man erhält somit eine selektive Detektion. Während in Abb.4.49a nur die Summe aller Zellen aufgetragen wurde, kann nun für jede Bakterienart die Zellverteilung angegeben werden, wodurch eventuelle Überschneidungen bzw. Verunreinigungen deutlich sichtbar werden (vgl. Abb. 4.49b). 110 relative Zellzahl 4.8 Fraktionierung von Bakterien 400 400 350 350 300 300 250 250 200 200 150 150 100 100 50 50 0 0 6 8 10 12 14 16 18 20 M igrationszeit relative Zellzahl Abbildung 4.49a: Fraktionierung von „Pseudomonas spezies 1749“,“Pseudomonas spezies 6537“ und „Serratia ficaria“ nach der elektrophoretischen Trennung; Puffer: Phosphat pH 7 c = 2 mM; Kapillare: 75 µm I.D., Lges = 111 cm, I = 50 kVs, U = 30 kV; Fraktionen: ∆t: 0,75 min, t0 = 7,50 min 400 400 350 350 300 300 250 250 200 200 150 150 100 100 50 50 0 0 6 8 10 12 14 16 18 M igrationszeit [min] Abbildung 4.49b: Fraktionierung von „Pseudomonas spezies 1749“(____), “Pseudomonas spezies 6537“(- - - ) und „Serratia ficaria“(. . . .) nach der elektrophoret. Trennung; Puffer: Phosphat pH 7 c = 2 mM; Kapillare: 75 µm I.D., Lges = 111 cm, I = 50 kVs, U = 30 kV; Fraktionen: ∆t: 0,75 min, t0 = 7,50 min 111 4.8 Fraktionierung von Bakterien 4.8.3 Anwendungsmöglichkeiten Durch Kombination der CE mit der anschließenden Fraktionierung und der Verwendung von Selektiv-Agarplatten entsteht eine Methode mit hoher Auflösung und Selektivität. Zusätzlich zeichnet sich diese Methode durch einen relativ geringen Zeitaufwand und vernachlässigbarer Diskriminierung einzelner Bakterienarten aus. Daher ergeben sich eine Reihe von Anwendungsgebieten: • Auftrennung, Identifizierung und Isolierung von Bakterien aus einfachen Gemischen zur Erhaltung von Reinkulturen. • Identifizierung und Abtrennung von Verunreinigungen aus kontaminierten Reinkulturen. Hierbei ist die hohe Selektivität und die fehlende Diskriminierung von großem Nutzen. Selbst geringste Verunreinigungen können erkannt werden. In Abb. 4.50 wurde eine 0,43 %ige Verunreinigung der Spezies „Pseudomonas spezies 1749“ mit „Serrtia ficaria“ simuliert. • Es existieren Bakterienarten, die mit anderen Bakterienspezies in Symbiose leben. Eine Isolierung mit herkömmlichen Methoden war bisher meist nicht möglich, da diese Kulturen nur in Kombination mit ihrem Symbionten leben bzw. sich vermehren können. Es ist daher nicht möglich eine Reinkultur zu erhalten. Durch die Trennung dieser Zellen mittels CE kann nun eine größere Zahl dieser Zellen relativ einfach isoliert werden. 112 4.8 Fraktionierung von Bakterien 1 2 3 Abbildung 4.50: Abtrennung einer simulierten Kontamination von 0,43 % „Serratia ficaria“ in „Pseudomonas spezies 1749“: t0 = 7,3 min; 1. Fraktion: „Pseudomonas spezies 1749“ (∆t = 3 min), 2. Fraktion: Leer (∆t = 2 min), 3. Fraktion: Verunreinigung „Serratia ficaria“(∆t = 4 min). Phosphat pH 7 c = 2 mM; Kapillare: 75 µm I.D., Lges = 111 cm, I = 50 kVs, U = 30 kV 113 114 IV Zusammenfassung und Literaturverzeichnis 115 116 5. Zusammenfassung 5. Zusammenfassung In dieser Arbeit sollte die Kapillarelektrophorese als neue Methode bei der Charakterisierung von Mikroorganismen eingeführt werden. Dazu mußte eine Apparatur angefertigt werden, die den speziellen Anforderungen gerecht wurde. Flexibilität und leichte Handhabbarkeit ermöglichten einen raschen Wechsel von Kapillaren und Puffersystemen. Um eine optimale Detektion zu gewährleisten, war eine Bestimmung des Absorptionsmaximums der Zellen notwendig, da eine Streulichtmessung für dieses System keine ausreichende Empfindlichkeit zeigte. Alle untersuchten Bakterienstämme wiesen nahezu identische UV-Spektren mit einem Absorptionsmaximum bei etwa 208 nm auf. Durch Variation des Kapillardurchmessers konnte eine Abhängigkeit der Detektierbarkeit der Bakterien vom Durchmesser der Kapillare beobachtet werden. Bei kleineren Durchmessern als 75 µm (z.B. 50 µm) ließ sich keine Detektion der Zellen mehr realisieren. Die Wärmeerzeugung in der Kapillare, die Temperaturerhöhungen von bis zu 50 K bedingen kann, stellte einen problematischen Parameter dar. Durch die Erwärmung der Kapillare wird die elektroosmotische Mobilität stark beeinflußt: Mit zunehmender Feldstärke steigt die Mobilität an, obwohl nach Definition diese feldstärkeunabhängig sein sollte. Zudem erhöht sich die EM der Bakterien mit zunehmender Erwärmung der Kapillare. Um diesen Temperatureinfluß zu minimieren, wurden Kapillaren mit geringem Innendurchmesser (75 µm) und Puffer in geringer Konzentration (2mM) verwendet. Die geringe Stabilität der Zell-Puffersuspension erforderte weitere Optimierungsschritte: Durch Kühlung der Suspension konnte der Zersetzungsprozeß im Vorfeld verlangsamt werden. In 1-2 mM Phosphatpuffern ließ sich sowohl ein Stabilitätsoptimum der Zellen, als auch ein Optimum der Reproduzierbarkeit ihrer EM erzielen. Die Lebensdauer der Kapillaren wurde durch die Verwendung von biologischen Matrices begrenzt: Ablagerungen von Zellfragmenten verringerten den EOF gravierend. 117 5. Zusammenfassung Vergleiche mit niedermolekularen Verbindungen zeigten, daß Bakterien eine starke Bandenverbreiterung aufweisen. Deshalb wurden die Einflüsse der Pufferzusammensetzung und Konzentration auf die Bodenzahl untersucht. Mit einer Ausnahme konnte kein signifikanter Einfluß des Puffers auf die Bodenzahl festgestellt werden. Mit Zunahme der Pufferkonzentration war ein Anstieg der Bodenzahl beobachtbar. Als mögliche Ursache wurden sowohl polarisierende Effekte im Zellinneren als auch isotachophoretische Effekte diskutiert. Variationen des Kapillarinnendurchmessers ermöglichten ein Testverfahren zur Überprüfung von Wandadsorptionseffekten. Bei „Pseudomonas spezies 6537“ ließ sich keine Wandadsorption nachweisen. Für präparative Arbeiten wurden größere Kapillardurchmesser (150 µm) verwendet. Dabei zeigte sich, daß durch Erzeugen eines geringen Gegendrucks der Einfluß des entstehenden Temperaturprofils minimiert wurde. Die kapillarelektrophoretische Bestimmung der Bakterien hat sich als wichtige Ergänzung für ihre Charakterisierung erwiesen. Dabei liefern Peakform, Peakbreite und die elektrophoretische Mobilität wichtige Informationen über die Bakterien. Eine Relation der Spezies zur EM war nicht festzustellen: Ähnliche Spezies haben nicht zwangsläufig ähnliche Mobilitäten. Dadurch ist es möglich, nahezu identische Kulturen mittels EM zu differenzieren. Durch Erstellung eines Mobilitätskatalogs für Bakterien wird die Charakterisierung von Mikroorganismen erleichtert. Des weiteren wurde der Einfluß verschiedener Parameter auf die EM untersucht: Im Bereich von pH 6-10 ist die EM unabhängig vom pH-Wert. Erst bei Unterschreiten dieses Bereichs nimmt die Mobilität ab. 4 von 5 getesteten Puffern zeigten keinerlei Einfluß auf die EM der Bakterien. Eine Wechselwirkung des Puffers konnte somit ausgeschlossen werden. Lediglich in Boratpuffer wurde ein Anstieg der EM für „Pseudomonas spezies 1749“ beobachtet. Paralell zu diesem Anstieg der Mobilität verringerte sich die Bodenzahl. Borat ist in der Lage, mit vicinalen OH-Gruppen unter Bildung eines Fünfrings zu reagieren, wodurch eine weitere negative Ladung an der Bakterienoberfläche entsteht. Dadurch wird die Gesamtladung und somit die EM der Zelle erhöht. Mit zunehmender Pufferkonzentration nimmt die EM der Zellen zunächst stark ab und strebt mit steigender Konzentration gegen einen Grenzwert. Als Ursache wurde ein 118 5. Zusammenfassung Abschirmeffekt der Elektrolytionen gegenüber in tieferen Zellschichten gelegenen funktionellen Gruppen diskutiert. Variationen der Nährlösung ergaben keine signifikanten Änderungen der EM. Bakterien, welche sich in ihrer EM unterscheiden, ließen sich mittels CE trennen. Durch Variation der Pufferkonzentration konnten je nach Anforderungen die Trenneigenschaften optimiert werden. Für Bakterien mit geringer und sehr großer Mobilität sind verdünnte Puffer von Vorteil. Für Bakterien mittlerer Mobilität haben sich höhere Pufferkonzentrationen vorteilig erwiesen. Die Zahl möglicher trennbarer Peaks beträgt in etwa 8-10 und kann durch „Splitten“ der Analyse noch erhöht werden. Bei komplexen Gemischen ist eine Vor- bzw. Teiltrennung möglich, wodurch weitere Untersuchungen mit herkömmlichen Methoden erleichtert werden. Um die Bakterien nach der Trennung weiter verwenden zu können, wurde eine Fraktionierungsmethode entwickelt. Mit der Fraktionierung und anschließendem Ausplattieren auf Nährböden können nur die noch teilungsfähigen Zellen bestimmt werden. Vergleiche mit Elektropherogrammen mit nicht mehr teilungsfähigen Bakterien haben gezeigt, daß diese Eigenschaften das Trennverhalten der Bakterien nicht beeinflussen. Durch Verwendung von Selektivagar wurde ein selektives Detektionsverfahren entwickelt, welches neben der reinen Bestimmung der Gesamtzellzahl (unspezifisch) eine Differenzierung der Zellen ermöglichte. Durch die Kombination der CE mit dieser Fraktionierungstechnik entstand eine Methode mit hoher Auflösung und Selektivität, wodurch sich eine Reihe von Anwendungsgebieten erschließen lassen. 119 6. Literaturverzeichnis 6. Literaturverzeichnis [1] W. Fritsche: Mikrobiologie, Gustav Fischer Verlag, Jena 1990 [2] H. Weide und H. Aurich: Allgemeine Mikrobiologie, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, New York (1979) [3] J.P. Kutter: Skript zum Praktikumsseminar des Fortgeschrittenenpraktikum für Analytische Chemie der Universität Ulm (1992) Kapillarelektrophorese [4] M. Donner, I.F. Stolz: L´electrophorese cellulaire; In: J.F. Stoltz, M. Donner, E. Puchelle (eds) Techniques en Biorheologie 143 INSERM Paris (1986) 143-155 [5] J.P. Hsu, W.C. Hsu, Y.I. Chang: Effects of fixed-charge distribution and pH on the electrophoretic mobility of biological cells, Colloid Polym Sci 272 (1994) 251-260 [6] R.W. Wunderlich : The effects of surface structure on the electrophoretic mobilities of large particles, J. Colloid Interface Sci. 88 (1982) 385-397 [7] E. Donath, V. Pastushenko: Electrophoretical investigation of cell surface properties, Bioelectrochem. Bioenerg. 6 (1979) 543ff [8] S. Levine, M. Levine, K.A. Sharp, D.E. Brooks: Theory of the electrokinetik behavior of human erythrocytes, Biophys. J. 42 (1983) 127-135 [9] K.A. Sharp, D.E. Brooks: Calculation of the electrophoretic mobility of a particle bearing bounce polyelectrolyte using the nonlinear Poisson-Boltzmann equation, Biophys. J. 47 (1985) 563ff [10] H. Oshima, T. Kondo: Approximate analytic expression for the electrophoretic mobility of colloidal particles with surface-charge layers, J. Colloid Interface Sci. 130 (1989) 281-282 [11] G.Adam, P. Läuger, G. Stark: Physikal. Chemie u. Biophysik Springer-Verlag, Berlin - Heidelberg - New York (1988) 182-184 [12] Y. Nakano, K. Makino, H. Oshima, T. Kondo: Analysis of elctrophoretic mobility data for human erythrocytes according to sublayer models, Biophys. Chem. 50 (1994) 249-254 120 6. Literatuverzeichnis [13] S. Kawahata, H. Oshima, N. Muramatsu, T. Kondo: Charge distribution in the surface region of human erythrocytes as estimated from electrophoretic mobility data, J. Colloid Interface Sci. 138 (1990) 182-186 [14] K. Morita, N. Muramatsu, H. Oshima, T. Kondo: Electrophoretic behavior of rat lymphocyte subpopulations, J. Colloid Interface Sci. 147 (1991) 457-461 [15] T. Nagahama, N. Muramatsu, H. Oshima, T. Kondo:Surface electric characteristics of guinea-pig polymorphonuclear leucocytes, Colloids Surf. 67 (1992) 61ff [16] J. Bubenik, D. Bubenikowa: Electrophoresis of mouse leukocytes and leukemia cells; In: W.Schütt, H. Klinkmann (eds) Cell Electrophoresis de Gruyter Berlin - New York (1985) 459-466 [17] E.J. Fried, G. Joyce: Family studies in multiple sclerosis; In: W.Schütt, H. Klinkmann (eds) Cell Electrophoresis de Gruyter Berlin - New York (1985) 703-720 [18] E.J. Field, G. Joyce, D. Field: Multiple sclerosis; In: W.Schütt, H. Klinkmann (eds) Cell Electrophoresis de Gruyter Berlin New York (1985) 721-732 [19] A.W. Preece, N.P. Luckman, R.J. Jones: Laser Cytopherometry in multiple sclerosis; In: W.Schütt, H. Klinkmann (eds) Cell Electrophoresis de Gruyter Berlin - New York (1985) 733-745 [20] Y.J. Chung, C.Y. Hsieh: The effect of cationic electrolytes on the elektrophoretic properties of bacterial cells, Colloids Surf. 53 (1991) 21-31 [21] M.K. Brakke: Zone electrophoresis of dyes, proteins and viruses in densitygradient column of sucrose solutions, Arch. Biochem. Biophys. 55 ( 1955 ) 175ff [22] J.P. Kutter: Kapillarelektrophoretische Trenntechniken für die Spurenanalytik von Explosivstoffen; Dissertation, Universität Ulm (1995) [23] H. Engelhardt, W. Beck, T. Schmitt: Kapillarelektrophorese; Vieweg Verlag Braunschweig - Wiesbaden (1994) [24] V. Pretorius, B.J. Hopkins, J. Schieke: Elektroosmosis, a new concept for High speed liquid chromatography; J.Chromatogr. 99 (1974) 23 [25] A. Zhu, Y. Chen: High-voltage capillary zone electrophoresis of red blood cells, J. Chromatogr. 470 (1989) 251-260 121 6. Literaturverzeichnis [26] M. Starr, H. Stolp, H. Trüper, A. Balows, H. Schlegel (eds.): The Prokaryotes, a handbook on habitants, isolation and identification of bacteria Vol 1-2 Springer Verlag (1981) Berlin, Heidelberg, New York [27] P. Sneath, N. Mair, M. Sharpe, J. Holt (eds.): Bergey´s manual of systematic bacteriology Vol. 1-2, Williams & Wilkins (1986) Baltimore, München, Tokyo [28] Catalogue of strains, DSMZ GmbH, 5. Auflage (1993) [29] F. Bäuml: Charakterisierung von Mikrosäulen in der Elektrochromatographie, Diplomarbeit, Universität Ulm (1997) [30] H. Naumer, W. Heller: Untersuchungsmethoden in der Chemie Georg Thieme Verlag, Stuttgart - New York (1990) [31] J.H.Knox: Thermal effect and band spreading in capillary electro-separation Chromatographia, Vol. 26 (1988) 329-337 [32] J.H. Knox, K.A. McCormack: Temperature effects in CE. 1: Internal Capillary Temperature and Effect upon Performance. Chromatographia 38 (1994) 207 [33] J.H. Knox, K.A. McCormack: Temperature effects in CE. 2: Some theoretical calculations and predictions, Chromatographia 38 (1994) 215 [34] A. Pfetsch: Anwendung der Kapillarelektrophorese auf die Trennung von Mikroorganismen, Diplomarbeit, Universität Ulm (1996) [35] J.W. Jorgenson, K. DeArman Lukacs: High-resolution separations based on electrophoresis and electroosmosis. J. Chromatogr. 218 (1981) 209 [36] D.N. Heiger: High performance capillary electrophoresis - an introduction Hewlett-Packard GmbH, Waldbronn 1992 [37] A. Pfetsch, T. Welsch: Determination of the electrophoretic mobility of bacteria and their separation by capillary zone electrophoresis, Fresenius J. Anal. Chem. 359 (1997) 198-201 [38] D. Ishii, Introduction to microscale High-Performance Liquid Chromatography; VCH Verlagsgesellschaft, New York, 1998 [39] J.S. Fritz, G.H. Schenk: Quantitative Analytische Chemie, Vieweg Verlag Braunschweig Wiesbaden 1989 [40] H. Hayashi, N. Toyama, M. Fujii, C. Yoshikumi, Y. Kawai, T. Iwaguchi: Determination of cell mixtures by an automated cell electrophoretic instrument and monoclonal antibody, Electrophoresis 8 (1987) 224-228 122 6. Literatuverzeichnis [41] E. Hansen, Th. Wustrow, K. Hannig: Antigen-specific electrophoretic cell separation for immunological investigations, Electrophoresis 10 (1989) 645-652 [42] R.C. Boltz, Jr., P. Todd, M.J. Streibel, M.K. Louis: Preparative electrophoresis of living mammalian cells in a stationary ficoll gradient, Prep. Biochem. 3 (1973) 383-401 [43] A.L. Griffith, N. Catsimoolas, H.H. Wortis: Eletrophoretic seperation of cells in a density gradient, Life Sci. 16 (1975) 1693-1702 [44] M.K. Brakke: Zone Electrophoresis of dyes, proteins and viruses in densitygradient columns of sucrose solutions, Arch. Biochem. Biophys. 55 (1955) 175 ff [45] Ph. Sturgeon, A. Kolin, K.S. Kwak, S.J. Luner: Studies of human erythrocytes by endless belt electrophoresis, Haematologia 6 (1972) 93-108 [46] A. Kolin: Method for elimination of thermalconvection, J. appl. Phys. 25 (1954) 1442f [47] D.R. Parks, C.A. Herzenberg:Fluorescence-activated cell sorting, Meth. Enzym. 108 (1984) 197-241 [48] J. Bauer: Electrophoretic separation of cells, J. Chromatogr. 364 (1986) 11-24 [49] J.M. Graham, R.B.J.Wilson, K. Patel: Free flow electrophoresis: Its application to the separation of cells and cell membrans, Methodol. Surv. Biochem. Anal. 17 (1987) 143-152 [50] H.G. Heidrich, K. Hannig: Separation of cell populations by free-flow electrophoresis, Meth. Enzym. Vol 171 (1989) 513-531 [51] E. Hansen, K. Hannig: Electrophoretic separation of lymphoid cells, Meth. Enzym. Vol 108 (1984) 180-197 [52] K. Hannig: New aspects in preparative and analytical continuous free-flow cell electrophoresis, Electrophoresis 3 (1982) 235ff [53] P. Todd: Microgravity cell electrophoresis on the Space shuttle; In: W. Schütt, H. Klinkmann: Cell electrophoresis. Walter de Gruyter, Berlin (1985) 3ff [54] P. Mattlock, G.F. Aitchinson, A.R. Thomson: Velocity gradient stabilized, continuous, free-flow electrophoresis, Sep. Purif. Methods 9 (1980) 1ff [55] P.M. Bronson, C.J. van Oss: Preparative cell electrophoresis with D2O as a stabilizing agent, Prep. Biochem. 9 (1979) 61-70 123 6. Literaturverzeichnis [56] R. Zbinden, J. Gottschalk, K. Mez, H. Neuenschwander, H. Heinzer: A simplified agarose gel electrophoresis for rotavirus detection, Zentralbl. Bakteriol. 277 (1992) 84-89 [57] Y. Kato, T. Satoh, C. Kaneuchi, T. Itoh, M. Matsuda: Differentiation of thermophilic species of Campylobacter, in particular C.Coli and C.Jejuni, Microbios 76 (1993) 153-160 [58] R.C. Ebersol, R.M. McCormick: Separation and Isolation of viable bacteria by capillary zone elektrophoresis, Bio/Technology 11 (1993) 1278-1282 124 7. Abkürzungen 7. Abkürzungen Abb. Abbildung b0,5 Peakbreite auf halber Höhe c Konzentration CE Kapillarelektrophorese E Elektrische Feldstärke EM Elektrophoretische Beweglichkeit EOF Elektroosmotischer Fluß I Injektionsvolumen I.D. Innendurchmesser N Trennstufenzahl oder Bodenzahl U Spannung UV Ultraviolett 125 Danksagungen Mein ganz besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Thomas Welsch für die sehr interessante und vor allem nicht alltägliche Aufgabenstellung. Er gab mir die Möglichkeit, fächerübergreifend ein bis dahin nahezu unbekanntes Gebiet kennenzulernen und zu erforschen. In dieser Zeit habe ich sehr viel im wissenschaftlichen wie auch im persönlichen Bereich von ihm gelernt. Sein großes Engagement, sein Ideenreichtum wie auch seine stete Diskussionbereitschaft haben maßgeblich zum Erfolg dieser Arbeit beigetragen. Ganz besonders möchte ich mich bei ihm dafür bedanken, daß ich an einigen wissenschaftlichen Tagungen im In- und Ausland teilnehmen durfte, was mir zusätzlicher Anreiz für die tägliche Arbeit war. Herrn Prof. Dr. H. Jones danke ich für die Erstellung des zweiten Gutachtens. Herrn Dr. Reuter, Herrn Dr. Buchert, Frau Schlunck und Frau Wenning danke ich für ihre Hilfe bei kleineren und größeren alltäglichen Problemen. Ein besonderer Dank gilt meinen Laborkollegen Stefan Kolb, Fred Bäuml, Daniela Michalke und Martin Schmid für die angenehme Zeit im Labor, mit denen es nie langweilig wurde. Die wöchentlichen Sitzungen am Freitag nachmittag im kleinen Kreis werde ich vermissen. Allen Mitgliedern der Abteilung danke ich für die nette Zeit, viele schöne Erinnerungen und die gute Zusammenarbeit. Besonderer Dank gilt Prof. Dr. P. Dürre und Frau Petra Dangel (Abt. Angewandte Mikrobiologie der Universität Ulm) für ihren fachlichen Rat und die Bereitstellung mikrobiologischer Ausrüstung. Zum Schluß möchte ich mich bei meiner Freundin Eva und meinen Eltern bedanken, die mir stets hilfreich zur Seite gestanden haben.