Erfassung, Monitoring und Analyse ökologischer Merkmale Gebietsfremde Pflanzenarten in der Märkischen Schweiz Von Jörg Hoffmann, Braunschweig Die Vegetation und Flora der Landschaften Mitteleuropas wurde in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder durch den Menschen verändert. Von wesentlichem Einfluss waren und sind dabei die wechselnde Besiedlungsdichte, der Wandel der Nutzungen im Bereich von Land- und Forstwirtschaft sowie die sich verändernden Transport- und Austauschbedingungen von Handel und Verkehr. Die vom Menschen veränderten Standortbedingungen und das zielgerichtete Einbringen, häufig auch die unbeabsichtigte Einschleppung gebietsfremder Pflanzenarten, führte zu einem deutlichen Anstieg nichteinheimischer Pflanzenarten und einer Vergrößerung der von ihnen besiedelten Fläche. Vor diesem Hintergrund wird am Beispiel des Naturparks Märkische Schweiz die floristische Zusammensetzung der Farn- und Blütenpflanzen ermittelt und hinsichtlich ökologischer Merkmale analysiert. Als wichtige Faktoren für die Gefährdung der biologischen Vielfalt wird in diesem Zusammenhang nach der Biotopzerstörung an zweiter Stelle die vom Menschen verursachte Ausbreitung nichteinheimischer Arten genannt. Für unsere mitteleuropäischen Kulturlandschaften ist dabei von Interesse, welche Tendenzen sich bezüglich der Artenvielfalt einheimischer und nichteinheimischer Arten abzeichnen, welche Effekte sowie welcher Handlungsbedarf sich daraus für Land-, Forstwirtschaft und Naturschutz ergeben. Das Untersuchungsgebiet Der Naturpark Märkische Schweiz hat eine Größe von 204 km². Er liegt im östlichen, subkontinental geprägten Teil Brandenburgs, zwischen Berlin und Frankfurt/Oder. Das Gebiet gehört der sommergrünen Laubwaldzone an. Das Jahresmittel der Lufttemperatur beträgt 8,3 °C. Die Niederschlagssumme liegt im Mittel bei 530 mm. Die Oberflächenform wurde eiszeitlich geprägt. Naturräumlich lassen sich Teile des Naturparks der Lebusplatte im Süden, der Barnimplatte im Nordwesten und dem Oderbruch im Nordosten zuordnen (Abb. 1). Allsamt Gebiete, die überwiegend Dr. J. Hoffmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Pflanzenbau und Grünlandwirtschaft an der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft. 2 landwirtschaftlich genutzt werden und nur relativ geringe Reliefheterogenitäten aufweisen. Das Kernstück der Märkischen Schweiz, die Buckower Hügel- und Kessellandschaft, zeigt ausgeprägte Reliefunterschiede. Sie wird von Wäldern und Forsten, meist Mischwaldgesellschaften, dominiert [2]. Eingelagert sind zahlreiche Seen, Kesselmoore, kleine Feuchtwiesen, Trocken- und Halbtrockenrasen. Die Verteilung der Hauptbiotoptypen zeigt Abbildung 2. Die Besiedlungsdichte in der Märkischen Schweiz ist mit etwa 35 Einwohner je km² im Vergleich zu anderen Gebieten in Deutschland gering. Land- und forstwirtschaftliche Nutzungen entsprechen denen vergleichbarer Gebiete in Brandenburg. Durch die Nähe zum Ballungsraum Abb. 1 (oben): Lage des Naturparks Märkische Schweiz in Beziehung zu der naturräumlichen Gliederung im östlichen Brandenburg Abb. 2: Verteilung der Hauptbiotoptypen im Naturpark AFZ-DerWald /2003 Berlin (ca. 50 km bis zum Stadtzentrum) wird der Naturpark relativ stark durch Erholungssuchende frequentiert. Methoden Artenvielfalt und Häufigkeit der Arten: Für die Ermittlung der Artenvielfalt wurden 179 Literaturquellen mit Bezug zum Untersuchungsgebiet ab dem Jahr 1816 ausgewertet. Die eigentliche Erfassung der Pflanzenarten erfolgte durch systematischen Felderhebungen im Zeitraum von 1988 bis 2002. Für jede Art wurde die Häufigkeit in den Häufigkeitsklassen verschollen/erloschen, sehr selten, selten, zerstreut, häufig, sehr häufig ermittelt. Zeitliches Auftreten und Etablierungsgrad: Für das zeitliche Auftreten sowie die Unterscheidung der Arten in Einheimische und Nichteinheimische wurden die Kategorien T1 - indigene Art, T2 - Archäophyt (nichteinheimische Art, vor 1500 in das Gebiet gelangt) und T3 - Neophyt (nichteinheimische Art, nach 1500 in das Gebiet gelangt), verwendet. Der Etablierungsgrad charakterisiert unabhängig vom zeitlichen Auftreten die Reproduktions- und Überlebensfähigkeit einer Art in einem abgegrenzten Gebiet. Es werden fünf Kategorien unterschieden [1]: • E1 – gegenwärtig etabliert Abb. 4: Zeitliche Veränderung der Artenvielfalt indigener Arten (T1) und Neophyten (T3) Abb. 3: Zeitliche Veränderung der Artenvielfalt unter Berücksichtigung aller bisher festgestellten Arten • E2 – gegenwärtig vorkommend, aber nur früher etabliert • E3 – gegenwärtig nicht vorkommend, aber früher etabliert • E4 – gegenwärtig vorkommend, aber weder gegenwärtig noch früher etabliert • E5 – nur früher nicht etabliert vorkommend Vorkommen auf Standorten mit unterschiedlicher Naturnähe: Je nach Grad der Standortveränderung durch den Menschen werden Standorte mit unterschiedlicher Naturnähe unterschieden. Vereinfacht lassen sich drei Grundtypen differenzieren: • 1 – natürliche bis naturnahe Standorte, z.B. nicht entwässerte Moore, Trockenrasen, Feucht-waldgebiete, • 2 – Standorte mit mittlerer menschlicher Beeinflussung, z.B. Extensivweiden, ausdauernde Brachfächenvegetation, • 3 – naturferne bis naturfremde Standorte, z.B. Äcker, Intensivweiden, Straßenränder, gärtnerische Pflanzungen. Die Analyse der Vorkommen einer Pflanzenart in Abhängigkeit von der Naturnähe erlaubt Aussagen, inwiefern einheimische Pflanzenarten auch auf weniger naturnahen bis naturfernen Standorten vorkommen, sich also den Standortveränderungen anzupassen vermögen, unter welchen Bedingungen sie etabliert oder nur unbeständig auftreten, wo Ansiedlungen nichteinheimischer Arten erfolgen und unter welchen Standortbedingungen deren Etablierung und ggf. Ausbreitung begünstig wird. Herkunft und ursprüngliche Hauptverbreitung der Arten: Je nach Standortheterogenität setzt sich die Flora einer Landschaft aus Arten unterschiedlicher Florenelemente zusammen. In kleinklimatisch kühlen Kessel- Abb. 5: Vorkommen der indigenen Arten auf Standorten unterschiedlicher Naturnähe (1 - natürlich bis naturnah, 2 Standorte mittlerer menschlicher Beeinflussung, 3 - naturfern bis naturfremd) mooren finden sich z.B. viele nordische Arten, deren Hauptverbreitung in kühleren, weiter nördlicheren Gebieten liegt, auf südexponierten Trockenrasen siedeln dagegen „wärmeliebende“ Arten, die stärker zu mediterranen Florenelementen tendieren. Durch Vergleich der Anteile unterschiedlicher Florenelemente einheimischer und nichteinheimischer Arten erhält man u.a. Rückschlüsse darüber, aus welchen klimatischen Regionen nichteinheimische Arten stammen, die sich unter den neuen Bedingungen erfolgreich ausbreiten können und welche weniger erfolgreich sind. Verbreitungsmuster: Für seltene, jedoch diagnostisch oft wichtige Zeigerarten, kann relativ leicht durch Kartierung der Fundorte die aktuelle Situation der Populationen im Gebiet als Basis für ein Monitoring zu Bestandsveränderungen ermittelt werden. Für diesen Zweck wurden für etwa 20% aller Arten Abb. 6: Vorkommen der Neophyten auf Standorten unterschiedlicher Naturnähe (1 - natürlich bis naturnah, 2 Standorte mittlerer menschlicher Beeinflussung, 3 - naturfern bis naturfremd) AFZ-DerWald /2003 3 Abb. 7: Verbreitungsmuster von Fallopia japonica in der Märkischen Schweiz Abb. 8: Verbreitungsmuster von Petasites hybridus in der Märkischen Schweiz die Fundorte kartiert, deren Koordinaten ermittelt sowie die jeweils besiedelten Fläche in den Größenklassen: erloschen, < 100 m², 100 - 1000 m², > 1000 m², erfasst. Die Biotoptypenkarte (vergl. Abb. 1) diente zur Erstellung von Verbreitungskarten mit punktscharfer Darstellung der einzelnen Populationen jeder Art. Ergebnisse Insgesamt wurden 1.310 Pflanzenarten festgestellt. Obwohl die Märkische Schweiz eine noch in großen Teilen relativ naturnahe und intakte Landschaft ist, wird diese Artenzahl nur zu 61 % (knapp 800 Arten) aus einheimischen Arten gebildet. 39 % zählen zu den Nichteinheimischen (11 % Archäophyten, 28 % Neophyten). In der Gesamtbilanz ist somit unter Einbeziehung der Nichteinheimischen Arten eine deutliche Erhöhung der regionalen Artenvielfalt festzustellen (Abb. 3). Es lassen sich grundsätzlich zwei unterschiedliche Einwanderungsformen nichteinheimischer Arten unterscheiden: Beabsichtigt eingeführt 1. ursprünglich als Zier- und Nutzpflanzen, z.B. in Gärten, Parks, auf Ackerflächen und forstlichen Anpflanzungen, Beispiel: Wälder und Forsten in der Märkischen Schweiz, Familie der Kieferngewächse (23 Arten), Indigen nur Pinus sylvestris, nichteinheimisch und forstlich eingebracht sind weitere 22 Arten: Tsuga canadensis, Pseudotsuga menziesii, Abies concolor, A. grandis, A. alba, A. nordmanniana, Picea sitchensis, P. pungens, P. abies, P. omorica, P. obovata, Larix kaempferi, L. decidua, L. x eurolepis, Pinus strobus, P. cembra, P. nigra, P. banksiana, P. contorta, P. poderosa, P. monticola, P. peuce. 2. Aus „Liebhabergründen“ oder zur „Bereicherung“ der heimischen Artenvielfalt eingebrachte (angesalbte) Arten, die aus anderen Gebieten stammen, 4 Beispiel: Wiesen/extensives Grünland: Iris sibirica, Serratula tinctoria. Unbeabsichtigt eingeführt 1. Eingeschleppte Arten, z.B. über Saatund Pflanzgut, durch Tierfutter, Verkehrsmittel, Warenaustausch, regional durch Entsorgungsprozesse, Beispiel: Äcker/Ruderalfluren/Brachen/Erdstofflager- und Schuttflächen: Familie der Amaranthgewächse (Amaranthus retroflexus, A. albus, A. blitum, A. bouchonii, A. chlorostachys, A. graecizans). Die Einwanderung und Etablierung nichteinheimischer Arten erfolgte in mehreren Zeitetappen. Sie wurde vor allem durch Landnutzungsänderungen und erhöhte Mobilität unter zunehmenden Wegfall natürlicher Verbreitungsgrenzen verursacht. Während etwa bis zum 18. Jahrhundert nur ein relativ geringer Anstieg nichteinheimischer Arten erfolgte, hat sich deren Anzahl bis 1950 leicht, mit der Intensivierung der Landnutzungen von 1950 bis 1990 deutlich und nach 1990 sprunghaft erhöht. Die enorme Zunahme der nichteinheimischen Arten in den letzten 12 Jahren steht in engem Zusammenhang mit der in Ostdeutschland nach der Wende erhöhten Mobilität, dem stark angestiegenem Warenaustausch aus dem westund südeuropäischen Handelsraum und von Übersee, besonders Nordamerika, sowie einer Zunahme regionaler Umlagerungs- und Entsorgungsprozesse. Etwa ab 1800 sind direkte Vergleiche der Veränderung der Artenvielfalt indigener Arten und Neophyten möglich. Dabei zeigt sich ein deutlich gegenläufiger Trend beider Artenkurven. Die Entstehung neuer Arten lässt sich für die Artengruppe der Indigenen in den vergangenen Jahrzehnten nicht zweifelsfrei nachweisen, wenngleich nicht selten stabile Kreuzungen nahestehender Arten, z.B. der Gattung Viola, sowie zahlreiche „Kleinarten“ bei Gattungen wie Taraxacum und Hieracium, die auf aktive Artbildungsprozesse hinweisen, feststellbar sind. Somit ist auch rezent mit der Entstehung neuer einheimischer Arten zu AFZ-DerWald /2003 rechnen. Mit 11,3% der indigenen Arten, die als erloschen bzw. ausgestorben im Gebiet gelten, ist die regionale Aussterberate in den letzten 200 Jahren jedoch vergleichsweise sehr hoch. Nach den Kriterien der Roten Liste der Farn- und Blütenpflanzen sind weitere 23,1 % gefährdet und 14,5 % stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Im Kontrast zu dieser Tendenz hat die Anzahl der Neophyten zunächst allmählich, in den letzten Jahrzehnten jedoch progressiv steigend zugenommen (Abb. 4). Knapp 90 % die Indigenen sind etabliert. Der Prozentsatz etablierter Neophyten liegt mit etwa 50 % deutlich unter dem der indigenen Arten. Unter den gegenwärtigen Bedingungen treten etwa die Hälfte der festgestellten Neophyten nur unbeständig in Erscheinung und können bisher aus eigener Kraft keine reproduktionsund überlebensfähigen Populationen bilden. Ihr Fortbestand ist derzeit an eine immer wieder erneute Einschleppung oder Einbringung durch menschliche Aktivitäten gebunden, die durch entsprechende Vermeidungsstrategien unterbunden werden könnte. Die Mehrzahl der etablierten Neophyten gehört gegenwärtig zu den sehr seltenen und seltenen Arten (72 %). Nur relativ wenige Neophyten sind im Gebiet weit verbreitet und kommen in den Häufigkeitsklassen zerstreut (20 %), z.B. Mahonia aquifolium, Acer negundo, Clematis vitalba, häufig (6 %), z.B. Prunus serotina, Senecio vernalis, Euphorbia cyparissias oder sehr häufig (2 %), z.B. Robinia pseudoacacia, Impatiens parviflora, Arrhenatherum elatius, vor. Die Auswertung der Vorkommen einheimischer und nichteinheimischer Arten in Abhängigkeit zur Naturnähe der Standorte zeig einen deutlich konträren Verlauf (Abb. 5 und 6). Die größte Artenzahl nichteinheimischer Pflanzenarten (63 %) siedelt auf naturfernen, vom Menschen stark gestörten Standorten. Dabei ist der Anteil unbeständiger Arten sehr hoch. Mit Zunahme der Naturnähe nimmt die absolute Anzahl der nichteinheimischen Arten deutlich ab. Der relative Anteil etablierter Arten steigt jedoch auf naturnahen Flächen im Vergleich zur Anzahl der unbeständigen Arten an. Die größte Artenvielfalt etablierter indigener Arten findet sich demgegenüber erwartungsgemäß auf naturnahen Standorten (77 %). Sie nimmt im Gradient von naturnah zu naturfern stark ab. Der relative Anteil unbeständiger Arten, die sich auf naturfernen Standorten nicht zu etablieren vermögen, nimmt dagegen zu. Eine zunehmende Entfernung von den natürlichen Standortbedingungen durch Eingriffe des Menschen reduziert somit drastisch die einheimische Artenvielfalt und fördert die Ansiedlung und Ausbreitung nichteinheimischer Arten. Obwohl naturferne, vom Menschen stark gestörte Standorte auch für die Mehrzahl der Neophyten nur ein unbeständiges Auftreten erlauben, bilden sie häufig eine Möglichkeit zur Akklimatisierung und Einwanderung in naturnähere Lebensräume der Umgebung und können dann, entsprechend ihrer räumlichen Ausbreitung, Populationen einheimischer Arten verdrängen. Im Vergleich zur indigenen Flora, die sich zu großen Teilen aus Florenelementen kühler, gemäßigter und mäßig warmer Florenelemente zusammensetzt, überwiegen unter den Neophyten Arten wärmerer Klimaregionen, besonders aus dem submediterranen bis mediterranen Florenraum sowie aus Amerika und Asien. Abb. 9: Eine seltene einheimische Wespenart sucht Nektar an der nichteinheimischen Pflanzenart Mentha longifolia Je nach Herkunft und ökologischen Merkmalen, z.B. der Lebensform, der phänologischen Entwicklung im Jahresverlauf, der Ansprüche an bestimmte Feuchte-, Licht- und Nährstoffbedingungen, zeigt jede der in der Märkischen Schweiz gefundenen nichteinheimischen Arten ein unterschiedliches Verhalten mit differenzierter Einnischung in vorhandene Lebensräume. Dieses artspezifische Verhalten wird auch in den ermittelten Verbreitungsmustern, die sich bei jeder Art unterscheiden, kenntlich (Abb. 7 und 8). Abb. 10: Die Robinie (Robinia pseudoacacia) ist in der Märkischen Schweiz eine sehr häufige, nichteinheimische Gehölzart mit reichem Blühaspekt, sie wird von Imkern zur Gewinnung des begehrten Robinienhonigs genutzt. AFZ-DerWald /2003 Die Mehrzahl der gebietsfremden Arten ist in ihrer Verbreitung und offensichtlich auch in ihrem Ausbreitungsvermögen auf wenige lokale Bereiche in der Landschaft begrenzt. In der Märkischen Schweiz zeigen nur etwa 18 % der Neophyten eine größere Flächenrepräsentanz und von diesen nur relativ wenige Arten eine starke Ausbreitungstendenz. Dringen solche Arten verstärkt in naturnahe und/oder von der Land-, Forst- und Wasserwirtschaft genutzte Ökosysteme ein und verursachen Schäden, werden sie als invasive Arten bezeichnet. Dabei muss Invasivität als ein dynamischer Prozess verstanden werden, der in engem Zusammenhang mit den vom Menschen verursachten Standort- und Umweltveränderungen einher geht. Meist ist die zu beobachtende Invasivität einzelner Arten in den Kulturlandschaften nur die „Antwort“ der Pflanzen auf die nutzungsbedingten Standortveränderungen durch den Menschen. Aber auch sich wandelnde Umweltbedingungen und die Veränderlichkeit der Pflanzen selbst führen zu einem dynamischen Verhalten. Vitalität und Durchsetzungsvermögen, die zu rascher Ausbreitung führen können, sind artspezifisch verschieden. Sie können u.a. auf kurzen Entwicklungszyklen der Pflanze von Keimung bis zur Samenreife, erfolgreicher Wachstumsstrategie u.a. durch Hochstauden- und Ausläuferwuchs, hoher generativer und vegetativer Vermehrungsrate, großer ökologischer Ampluitude, nicht ausgefüllten oder freien ökologische Nischen, klimatisch guter Anpassung für bestimmte Mikrostandorte, hoher Konkurrenzkraft und fehlende oder geringere Anzahl von Prädatoren, beruhen. Erfolgreich können nichteinheimi- 5 sche Arten besonders auch dann sein, wenn als Folge anthropogener Nutzungen die Vegetationsbedeckung lückig ist oder zeitweilig gänzlich fehlt und unter diesen Bedingungen Konkurrenz durch andere Arten kaum besteht. Die Dynamik invasiver Arten lässt sich nach zeitlichen Kriterien unterteilen in: • früher invasive Arten, deren Populationen wieder stark zurückgegangen sind, z.B. Agrostemma githago, als Unkraut mit giftigen Samen in früheren Getreidefelder weit verbreitet, mit der Saatgutreinigung des Getreides fast überall verschwunden; • aktuell invasive Arten mit regionaler/lokaler Bedeutung, dies sind Arten, die aufgrund spezifischer naturräumlicher Bedingungen oder eines begrenzten Ausbreitunspotentials oft nur kleinräumig invasiv in Erscheinung treten, z.B. in der Märkischen Schweiz Petasites hybridus entlang von Bachläufen und an einigen Quellfluren, Doronicum pardalianches in Laubmischwaldgesellschaften mit früher parkartiger Nutzung und Galeobdolon argentatum an Waldsäumen; • aktuell invasive Arten mit großräumiger/überregionaler Bedeutung, z.B. Impatiens parviflora in fast allen Waldund Forstgesellschaften, Robinia pseudoacacia in Mischwaldgesellschaften, bildet eigene Robinenwaldgesellschaften und Prunus serotina besonders in Kiefernforsten; • potenziell oder zukünftig invasive Arten, z.B. Ambrosia artemisiifolia sowie genetisch veränderte Arten (bisher noch nicht im Gebiet), für die ein Ausbreitungspotenzial angenommen werden kann. Mit der Ansiedlung und Ausbreitung nichteinheimischer Arten stehen sich negative und positive Effekte für Landnutzung und Naturschutz gegenüber. Als negativ kann u.a. gelten: • Pflanzengeografie – natürliche Verbreitungsgebiete und Florenzusammensetzungen werden zunehmend verwischt; • Naturschutz – einheimische Arten werden teilweise verdrängt, besonders nachteilig wirkt sich die Ausbreitung nichteinheimischer Arten in naturnahe Biotope aus, meist im Komplex mit anderen Faktoren tragen sie zum Bestandsrückgang und Gefährdung einheimischer Arten bei, die mögliche Einkreuzung von Kultursippen kann zur Veränderung der indigenen Populationen führen; • Landwirtschaft – gehäuftes Auftreten einiger Arten, die als Problemunkräuter in Erscheinung treten, führt zu erhöhtem technischen Aufwand (Herbizide) und oft zu Ertrags- und Qualitätsminderungen, die Bekämpfung von Problemarten ist meist mit Nebenwirkungen für die Umwelt (Wasser, Boden, Luft, biologische Vielfalt) verbunden; • Forstwirtschaft – unerwünschte nichteinheimische Gehölze können zu hö- 6 herem technischen Aufwand bei forstlichen Maßnahmen führen; • Gesundheit – neue, oft wenig bekannte Gesundheitsrisiken können entstehen, z.B. durch Ausbreitung allergener Pflanzen wie den Ambrosia-Arten. Bei Massenauftreten können außerdem invasive Arten als Wirtspflanzen für potenziell neue Schädlinge dienen. Demgegenüber zeichnen sich eine Reihe positiver Effekte und potenzieller Vorteile ab: • Naturschutz – regional wird in vielen Fällen, besonders auf den anthropogen stark beeinflussten Standorten, die Artenvielfalt bereichert, die Blütenvielfalt erhöht und die Kontinuität der Blütenabfolge als Nektar- und Pollenquelle für viele Insektenarten verbessert (Abb. 9), häufig entstehen nach längerer Etablierung einzelner Arten neue Formen und Varietäten, vereinzelt Kleinarten, seltener neue Arten (Neoendemismus); • Landwirtschaft – die zu großen Teilen aus raschwüchsigen, nichteinheimischen Arten gebildete Unkrautflora bietet guten Erosionsschutz, zeitweilig vegetationsfreie Flächen werden rasch besiedelt; • Forstwirtschaft – erhöhte Vielfalt der Baumarten ermöglicht ein breiteres Spektrum der Nutzung für unterschiedliche wirtschaftliche Belange, größere Holzartenvielfalt kann zur Reduzierung von Holzimporten beitragen, Honigtracht, z.B. bei reichen Robinienbeständen (Abb.: 10); • Klimaänderung – höhere Flexibilität der Vegetation und Flora bei globaler Klimaerwärmung durch größere Anzahl von Arten mit unterschiedlicher klimatischer Anpassung. Schlussfolgerungen Die Einwanderung und Ausbreitung nichteinheimischer Arten wird vor allem durch anthropogen verursachte Standortveränderungen gefördert und auf naturfernen Standorten stärker begünstigt als im Vergleich zu Standorten mit größerer Naturnähe. Aus dieser Erkenntnis lässt sich ableiten, dass prioritär die vorhandenen Gebiete mit natürlicher und naturnaher Vegetation zu erhalten und zu vergrößern sind. Weiterhin sollte zur Förderung der einheimischen und naturraumtypischen Artenvielfalt die natürliche Entwicklung der Ve getation mit ihren unterschiedlichen Sukzessionsstadien (Naturentwicklungsgebiete) stärker zugelassen werden. Der mit der zunehmenden Globalisierung verbundene Anstieg der Mobilität, die Überbrückung großer Distanzen zwischen unterschiedlichen Florengebieten der Erde in kürzester Zeit sowie der damit verAFZ-DerWald /2003 bundene Wegfall natürlicher Verbreitungsbarrieren lässt zukünftig eine weitere, rasche Einwanderung und Ausbreitung nichteinheimischer Arten erwarten. Eine Prognose, in welchem Ausmaß sich dieser Prozess fortsetzt und welche Arten z.B. zukünftig invasiv in Erscheinung treten, erscheint gegenwärtig nur schwer möglich. Zu erwarten ist, dass in den mitteleuropäischen Kulturlandschaften ein weiterer Wandel der Artenzusammensetzung der Floren zugunsten der nichteinheimischen Arten erfolgt. Welche Auswirkungen sich daraus in der Gesamtbilanz für die Landnutzungen und biologische Vielfalt ergeben, ist gegenwärtig ebenso nur sehr schwer abschätzbar. Durch Monitoring und Vergleiche zwischen Gebieten mit unterschiedlichen klimatischen Bedingungen könnten Hinweise über zukünftige Veränderungen, z.B. in Folge globaler Klimaerwärmung, zu erhalten sein. So haben sich in den vergangenen 50 Jahren in dem im Jahresmittel um etwa 2° C wärmeren Ungarn nichteinheimische Unkrautarten wie die allergene Ambrosia artemisiifolia, Abuthilon theophrasti und Datura stramonium, zu den häufigsten Problemarten der Landwirtschaft entwickelt, während sie im kühleren Deutschland erst selten vorkommen, jedoch leichte Ausbreitungstendenzen aufweisen. Wie viele Beispiele aus der Vergangenheit zeigen, lassen sich erst einmal eingebürgerte und bereits weit verbreitete nichteinheimische Arten kaum erfolgreich bekämpfen oder gänzlich beseitigen. Zur Begrenzung sollte daher mehr auf das Vorsorgeprinzip durch Vermeidungsstrategien, die der weiteren Einführung und Ausbreitung nichteinheimischer Arten entgegenwirken, orientiert werden. Eine zielgerichtete Gestaltung der Landnutzungssysteme, die auch der Förderung naturraumtypischer, einheimischer Artenvielfalt dienen - im Bereich der Forstwirtschaft z.B. durch naturgemäßen Waldbau, in der Landwirtschaft durch Erhalt extensiver Landnutzungsformen und Förderung ökologischer Formen der Landnutzung, sollte stärkere Beachtung finden. Zur Gewinnung von Erkenntnissen über Ansiedlung und Ausbreitung nichteinheimischer Arten und für die Entwicklung von Modellansätzen für Prognosen sollten systematische Erhebungen zur floristischen Zusammensetzung in Gebieten mit unterschiedlichen naturräumlichen Bedingungen langfristig durchgeführt werden. Literaturhinweise: [1] KOWARIK, I. (1991): Berücksichtigung anthropogener Standort- und Florenveränderungen bei der Aufstellung Roter Listen. In: Auhagen, A., Platen, R., H. Sukopp (Hrsg.): Rote Liste der gefährdeten Pflanzen und Tiere in Berlin. Landschaftsentwicklung und Umweltforschung S6: 25-56. [2] HOFFMANN, J. (1997): Bericht über die 28. Brandenburgische Botanikertagung vom 27.-29. Juni 1997 in Pritzhagen (Märkische Schweiz). In: Verh. Bot. Ver. Berlin Brandenburg 130: 285-296.