Alopecia X Kaum eine andere (Haut)-Erkrankung hat so viele Synonyme: Seit ihrer ersten Beschreibung von ca. 15 Jahren nannte man sie Pseudo-Cushing-Syndrom, Wachstumshormon-abhängige Dermatose des erwachsenen Hundes, Kastrations-reaktive Dermatose, Östrogen-reaktive Dermatose, Testosteron-abhängige Dermatose, Biopsieabhängige Dermatose, Störung der adrenal-produzierten Sexualhormone, kongenitales NebennierenrindenHyperplasie-ähnliches Syndrom, Lysodren-abhängige Dermatose, follikuläre Dysplasie der nordischen Rassen, follikuläre Dysplasie des Sibirean Husky etc. etc. Der heutige Ausdruck „Alopecia X“ spiegelt schlicht wider, dass man über die Ätiologie und Pathogenese noch immer sehr wenig weiß. Bis vor kurzem zählte man die Alopecia X aufgrund der klinischen Symptome und der vermuteten Pathogenese (Störung der adrenal produzierten Sexualhormone) zu den sexualhormonabhängigen Dermatosen, dies wird derzeit wieder diskutiert. Ursache: Völlig unklar („Alopecia X“), möglicherweise ein Enzymdefekt in der Steroidgenese der Nebennierenrinde, ausgehend vom Cholesterol, bei dem es zur Anhäufung von Cortisol-Vorstufen und/oder Vorstufen von Sexualhormonen kommt. Andere glauben an Veränderungen im Bereich der Hormonrezeptoren der Haarfollikel, wieder andere halten all diese Patienten für subklinische Cushing-Patienten (auch wenn sie über Jahre hinweg nicht klinisch manifest werden...). Prädispositionen: „plüschfellige“ Rassen, v.a. Sibirean Husky, Malamute, Samojede, Keeshond, American Eskimo Dog, Finnish Spitz, Pomeranian, Chow-Chow – und Zwergpudel Alter: meist jung-adulte Tiere (Beginn meist mit 1-3 Jahren), aber in jedem Alter möglich Keine Geschlechtsprädisposition (beide Geschlechter, kastriert und unkastriert) Klinisches Bild: Schleichender progressiver Verlust zunächst der Primär-, später der Sekundärhaare („Welpenfell“) bis hin zur Alopezie (nicht-entzündlich, nicht pruriginös), geringe Neigung zu Sekundärinfektionen. Charakteristisches Verteilungsmuster: Haut-/Fellveränderungen und Alopezie v.a. zirkulär am Hals, kaudal von Schultern, dorso-lateraler Rücken, Rute, Perineum, Kaudalfläche der Hintergliedmaßen, später evtl. generalisierte Alopezie im Rumpfbereich, Kopf und Gliedmaßen bleiben unverändert. Hyperpigmentierung der haarlosen Bezirke mit unterschiedlich starker Seborrhoe, evtl. Verringerung der Hautdicke dort (v.a. bei Pomeranian und nicht-nordischen Rassen) Veränderung der Fellqualität: die einzelnen Haare sind trocken, spröde und glanzlos, brechen leicht, zeigen evtl. Farbveränderungen (Ausbleichen) Typisch: Nachwachsen der Haare an Stellen mit Traumatisierung (Biopsie, Verletzung), aber nicht nach Scheren! Keine Allgemeinstörungen (<-> Cushing!) Diagnose: Rasse, Alter, klinisches Bild, Ausschluß von Differentialdiagnosen (v.a. Hyperadrenokortizismus!!), evtl. Histopathologie ( „Flame follicles“; benötigt multiple Proben und sehr erfahrenen Dermatohistopathologen, sonst wird evtl. nur „endokrine Imbalanz“ diagnostiziert) Evtl. hilfreich: ACTH-Stimulationstest (Bestimmung von Cortisol plus 17-OH-Progesteron), C/C-Messungen im Urin (Cave: Zwergpudel und Pomeranians haben höhere C/C-Werte als andere Rassen!) Therapie: Im Hinblick auf die Gesundheit der Tiere unnötig, da rein kosmetischer Defekt! Falls Therapie dennoch erfolgen soll: Zuerst Kastration (vorübergehende Wirkung für maximal 2-3 Jahre) Melatonin (hilft in ca. 50% der Fälle) 3-6 mg/Hund 2-3x täglich Eventuell lokale Anwendung von Minoxidil (unter tierärztlicher Kontrolle!) Ebenfalls wurden Mitotane (Lysodren®) in niedriger Dosis, Methyltestosteron (bei kastrierten Tieren), porcines STH und Trilostan (Vetoryl®) mit mehr oder weniger gutem Erfolg eingesetzt, neuerdings werden auch die intramuskuläre bzw. subkutane Injektion der sehr teuren Anti-Gonadotrop wirkenden Präparate Leuprolid (Lupron®) oder Goserelin (Zoladex®) diskutiert.