Das alte BAND 70 BAND 70 Ägypten Der Autor: Mumien, Hieroglyphen und Pyramiden – die Kultur der alten Ägypter fasziniert uns noch heute. Univ.-Prof. Dr. Dieter Kurth Ägyptologe Welche Macht besaß der Pharao? Wie lebten Bauern und Beamte? Wie wurden die Hieroglyphen entschlüsselt? BAND 70 Ägypten Das alte Ägypten Behutsam entfernen die Forscher die schwere Grabplatte. Atemmasken schützen sie vor dem Staub, der jahrtausendelang das Grab des Pharao bedeckte. Der Schein der Lampe fällt auf den Inhalt des Sarkophags ... Das alte SEHEN MITMACHEN SEHEN | HÖREN | MITMACHEN www.wasistwas.de Komm den Geheimnissen des alten Ägypten auf die Spur! In dieser Reihe bereits erschienen: Band 1 Unsere Erde Band 2 Der Mensch Band 3 Energie Band 4 Chemie Band 5 Entdecker und ihre Reisen Band 6 Die Sterne Band 7 Das Wetter Band 8 Das Mikroskop Band 9 Der Urmensch Band 10 Fliegerei und Luftfahrt Band 11 Hunde Band 12 Mathematik Band 13 Wilde Tiere Band 14 Versunkene Städte Band 15 Dinosaurier Band 16 Planeten und Raumfahrt Band 17 Licht und Farbe Band 18 Der Wilde Westen Band 19 Bienen, Wespen und Ameisen Band 20 Reptilien und Amphibien Band 21 Der Mond Band 23 Architektur Band 24 Elektrizität Band 25 Schiffe Band 27 Pferde Band 28 Akustik Band 29 Wissenschaften Band 30 Insekten Band 31 Bäume Band 32 Meereskunde ISBN 978-3-7886-0410-3 9 783788 604103 C010_R_04103_70_Aegypt_111020a.indd 1 Band 33 Pilze Band 34 Wüsten Band 35 Erfindungen Band 36 Polargebiete Band 37 Computer und Roboter Band 38 Säugetiere der Vorzeit Band 39 Magnetismus Band 40 Vögel Band 41 Fische Band 42 Indianer Band 43 Schmetterlinge Band 44 Die Bibel. Das Alte Testament Band 45 Mineralien und Gesteine Band 46 Mechanik Band 47 Elektronik Band 48 Luft und Wasser Band 49 Sport Band 50 Der menschliche Körper Band 51 Muscheln, Schnecken, Tintenfische Band 52 Briefmarken Band 53 Das Auto Band 54 Die Eisenbahn Band 55 Das alte Rom Band 56 Ausgestorbene und bedrohte Tiere Band 57 Vulkane Band 58 Die Wikinger Band 59 Katzen Band 60 Die Kreuzzüge Band 61 Pyramiden 11/11 € [D] 9,95 € [A] 10,30 Band 62 Die Germanen Band 63 Fotografie Band 64 Die alten Griechen Band 65 Eiszeiten Band 66 Geschichte der Medizin Band 67 Die Völkerwanderung Band 68 Natur Band 69 Fossilien Band 70 Das alte Ägypten Band 71 Piraten Band 72 Heimtiere Band 73 Spinnen Band 74 Naturkatastrophen Band 75 Fahnen und Flaggen Band 76 Die Sonne Band 78 Geld Band 79 Moderne Physik Band 80 Tiere – wie sie sehen, hören und fühlen Band 81 Die sieben Weltwunder Band 82 Gladiatoren Band 83 Höhlen Band 84 Mumien Band 85 Wale und Delfine Band 87 Türme und Wolkenkratzer Band 88 Ritter Band 89 Menschenaffen Band 90 Der Regenwald Band 91 Brücken und Tunnel Band 92 Papageien und Sittiche Band 93 Die Olympischen Spiele Band 94 Samurai Band 95 Haie und Rochen Band 96 Schatzsuche Band 97 Zauberer, Hexen und Magie Band 98 Kriminalistik Band 99 Sternbilder und Sternzeichen Band 100 Multimedia und virtuelle Welten Band 101 Geklärte und ungeklärte Phänomene Band 102 Unser Kosmos Band 104 Wölfe Band 105 Weltreligionen Band 106 Burgen Band 107 Pinguine Band 108 Das Gehirn Band 109 Das alte China Band 110 Tiere im Zoo Band 112 Fernsehen Band 113 Europa Band 114 Feuerwehr Band 115 Bären Band 116 Musikinstrumente Band 117 Bauernhof Band 118 Mittelalter Band 119 Gebirge Band 120 Polizei Band 121 Schlangen Band 122 Bionik Band 123 Päpste Band 124 Band 125 Band 126 Band 127 Band 128 Band 129 Band 130 Bergbau Klima Deutschland Ernährung Hamster, Biber und andere Nagetiere Lkw, Bagger und Traktoren Maya, Inka und Azteken Gedruckt in Europa. www.tessloff.com www.wasistwas.de 04.11.2011 11:45:48 Uhr Ein in Karnak ausgegrabener Steinblock, der darauf wartet, von den Ägyptologen genauer bestimmt zu werden. Inhalt Ägypten, ein Geschenk des Nils Die Gräber der Pharaonen Was bedeutete der Nil für das alte Ägypten? 4 Woher kommt das Wasser der Nilflut? 5 Durch welche Gebiete fließt der Nil? 6 Was ist eine Pyramide? Wie wurde ein Pharao bestattet? Wie wurde eine Pyramide gebaut? Gibt es andere Königsgräber als die Pyramiden? Was wissen wir über Grabräuber? Die lange Geschichte der Pharaonen Was war vor den Pharaonen? 8 Wer begründete das Reich der Pharaonen? 9 Wie waren die Beziehungen Ägyptens zu seinen Nachbarn? 10 Wann erreichte Ägypten seine größte Macht?11 Wer war Echnaton? 12 Wer waren die Ptolemäer? 13 Was kam nach den Pharaonen? 14 Unser Wissen über Ägypten Was sind historische Quellen? Wer entzifferte die Hieroglyphen? Was ist ein Ägyptologe? Was wissen wir noch nicht über Ägypten? 15 16 18 20 Der Pharao, König und Gott Welche Macht besaß der Pharao? Wie lebte der Pharao? Wie wurde Ägypten regiert? Wie wurde ein Streit entschieden? 21 23 25 26 28 29 31 33 34 Die altägyptische Religion Wie viele Götter gab es? Wo wurden die Götter verehrt? Glaubten die Ägypter an ein Weiterleben nach dem Tode? Was ist eine Mumie? Was ist das Totengericht? Welche Bedeutung hatte das Grab? 36 37 38 39 40 41 Vom Leben der Untertanen Wer gehörte zu einer Familie? Wie sahen die Häuser aus? Wie lebte man zu Hause? Welche Feste wurden gefeiert? Wie wurden die Kinder erzogen? Welche Berufe gab es? Wie wurden die Löhne bezahlt? 42 43 44 44 45 46 47 Das Erbe der altägyptischen Kultur Was verdanken wir den alten Ägyptern? 48 3 D003_R_04103_Bd70Aegyp_110411e.indd 3 20.06.2011 9:24:46 Uhr Unser Wissen über Ägypten Der erste Pylon (zweitürmige Torbau) des Tempels von Karnak. Beiderseits des Eingangs sehen wir senkrechte, große Aussparungen im Stein. Genau darüber befindet sich jeweils eine Öffnung. Wozu sie dienten, zeigt das Bild auf der nächsten Seite. D003_R_04103_Bd70Aegyp_110411e.indd 15 Über die Geschichte Ägyptens haben wir nun einiges erfahren, Was sind Weiteres wird folhistorische gen. Woher aber Quellen? weiß man all dies? Man erschließt es aus den historischen Quellen. Jeder hört gerne Geschichten aus der Vergangenheit. Dabei fragt man nicht, ob sich die Sache genau so zugetragen hat, wie sie erzählt wird. Die Hauptsache ist, dass die Erzählung interessant und spannend bleibt. Anders sieht das der Historiker, also der Wissenschaftler, der die Geschichte erforscht. Er glaubt nicht ohne Prüfung, was über die Vergangenheit erzählt wird; sein Ziel ist nämlich, herauszufinden, wie die Sache wirklich war. Dabei stützt er sich auf Funde, die von dem Ort und aus der Zeit stammen, um die es geht; solche Originalfunde nennt man historische Quellen. In Ägypten findet man drei Arten von historischen Quellen. Es sind Gegenstände, Bilder und Texte. Gegenstände sind zum Beispiel ein Tempel, ein Haus, ein Grab, eine Statue, eine Mumie, Waffen, Möbel, Töpfe, ein Musikinstrument, ein Brettspiel, ein Hemd, ein Paar Sandalen, ein Papyrus, eine Puppe, eine Halskette, ein Ohrring oder eine Perle. Die gegenständlichen Quellen zeigen dem Historiker, was es damals alles gab, wie diese Dinge aussahen, oft auch wozu sie dienten und wie sie funktionierten. Die Bilder befinden sich auf einigen der genannten Gegenstände: ein eingeritztes Bild auf einer Tempelmauer, ein gemaltes Bild auf der Wand eines Grabes, auf einer Mumie oder auf einem Topf. Weil aber die bildlichen Quellen den Gegenstand meist nur von einer Seite abbilden, wird manchmal nicht klar, wie er genau aussah oder wozu er diente. 20.06.2011 9:26:18 Uhr Diese Darstellung auf einer Wand des Tempels von Luxor zeigt die Außenseite eines Pylonen. Als bildliche Quelle lässt sie erkennen, wozu die Aussparungen und Öffnungen dienten: In den Aussparungen standen früher vier hohe Masten, die bei den Öffnungen befestigt und gesichert wurden. Die Masten überragten das Dach des Pylonen, und an ihrer Spitze wehten bunte Wimpel; dass die Wimpel bunt waren, erfahren wir aus schriftlichen Quellen. Dafür aber zeigen die Bilder oft und nach der wissenschaftlichen DisObelisken mehrere Gegenstände in einem kussion ist oft vieles klarer als vorher. Vor dem Pylon standen in der sachlichen Zusammenhang; hieraus Der Streit zeigt aber auch, dass wir Regel zwei Obelisken. Diese ergibt sich manchmal die Erklä- damals nicht dabei waren und dass wurden aus einem einzigen, rung, wozu der einzelne Gegenstand wir deshalb die Vergangenheit nur riesigen Block Rosengranit rekonstruieren können. diente. hergestellt, waren bis zu etwa Texte und Inschriften findet man 30 m hoch und konnten dann Im Jahre 1799 fanden franzö- über 300 Tonnen wiegen. auf den verschiedensten Gegenstänsische Soldaten Obelisken verjüngen sich nach den, auf Felsen, auf Mauern und im westlichen oben, und ihre Spitze, die mit Wänden, auf Möbeln, Waffen und Wer Delta, beim Gold überzogen war, gleicht Statuen, auf Topfscherben, vor allem entzifferte die Dorf Rosette, einer kleinen Pyramide. aber auf Papyrus. Diese schriftlichen Hieroglyphen? einen dunklen Obelisken spielten eine Quellen können nur recht ungenau Stein. In diesen wichtige Rolle bei der Verehangeben, wie etwas aussah. Aber nur sie halten Namen fest, geben Maße waren drei verschiedene Schriften rung des Sonnengottes und und Größen in Zahlen an, erzählen eingeritzt, die hieroglyphische, die garantierten dadurch den Märchen, berichten über weit zu- demotische und die griechische. Fortbestand des Lebens. rückliegende Ereignisse und bewah- Als die europäischen Gelehrten Abren, was Menschen längst Die Hieroglyphenschrift vergangener Zeiten gefühlt Die Bilder der Hieroglyphenschrift haben teils einen Bildwert, teils einen Lautwert. So beund gedacht haben. den Bildwert „Fisch“ und den Bildwert „weinen“, aber Jede der drei Arten sitzt zum Beispiel (ein Mund) den Lautwert r und (eine Eule) den Lautwert m. Da man nur Konhistorischer Quellen ver- d den Lautwert rm. Erst die Schreibungen schweigt etwas. Deshalb sonanten schrieb, hat erfahren wir am meisten und unterscheiden rm „weinen“, von rm, „Fisch“. Also ist die hieroüber eine Sache, wenn wir glyphische Schrift ein Gemisch aus Bilderschrift und Lautschrift; sie zu lesen verlangt viel dazu sowohl Gegenstände, Übung. Die koptische Schrift gibt auch die Vokale wieder und kann deshalb ohne Bildzeials auch Bilder und Texte chen die Wörter piMi (rimi), „weinen“, und eee(rami), „Fisch“, auseinanderhalten. besitzen. Allerdings bleibt Wie kam nun das Bildzeichen zu seinem Lautwert? Etwa so: Wenn ich einen Aal und einen auch dann noch vieles offen. Die Historiker streiten Arm zeichne, die Bedeutung der Wörter außer Acht lasse und nur ihre Lautwerte hinterei„Aalarm“, das heißt als neues Wort „Alarm“. sich nämlich nicht selten nander spreche, ergibt sich darum, wie die Quellen zu Einige Lautzeichen: verstehen sind. Dieser Streit b p f m n r h s k t gehört zur Wissenschaft, 16 D003_R_04103_Bd70Aegyp_110411e.indd 16 15.08.2011 13:06:51 Uhr das System der hieroglyphischen Schrift erkannte. Er hatte sich für seine Studien gut vorbereitet, hatte Griechisch und Latein gelernt, ebenso wie Hebräisch, Arabisch und Koptisch. Die Arbeiten seiner Kollegen kannte er zu einem guten Teil, mit ihren vielen Fehlern, aber auch mit ihren richtigen Erkenntnissen. Wichtig für seinen Erfolg war das Studium der „Kartuschen“, also der Königsnamen, welche in einem länglich-ovalen Feld stehen. Champollion verglich zum Beispiel die folgenden Kartuschen und ihre griechischen Wiedergaben: Der Stein von Rosette (siehe Ptolemäus und Kleopatra Bild) ist das Bruchstück einer Stele, also eines Denksteines. Er besteht aus Basalt und trägt ein und denselben Text in drei Schriften und zwei Sprachen. Die obere Schrift ist die hieroglyphische, sie hält den Text in der alten und heiligen mittelägyptischen Sprache fest. Es folgt die demotische Schrift, die den Text in der ägyptischen Alltagssprache wiedergibt, und das war zu jener Zeit das Demotische. Unten steht der Text in griechischer Schrift und Sprache. Die beiden ägyptischen Versionen des Textes wurden aus der griechischen Sprache übersetzt. schriften der Texte bekamen, wurde der griechische sofort übersetzt. Er enthält den Beschluss einer Priesterversammlung aus dem Jahre 196 v. Chr. An seinem Ende ist zu lesen, dass der Beschluss in drei Schriften aufgeschrieben werden sollte. Damit war klar, dass jede Schrift denselben Text wiedergab. Der Stein von Rosette musste der Schlüssel zur Entzifferung der Hieroglyphen sein. Auch mithilfe dieses Schlüssels bemühten sich viele Gelehrte vergebens. Einige kamen allerdings der Lösung des Problems näher. Sehr weit gelangte der englische Physiker Thomas Young. Er ermittelte bereits die Lautwerte einiger Zeichen und die Bedeutung einiger Wörter; das System der Hieroglyphenschrift blieb ihm aber verborgen. Es war der Franzose Jean François Champollion (1790–1832), der Er fand unter anderem, dass nach der Position der Zeichen den Lautwert p hat, den Lautwert o und den Lautwert l. Vieles blieb noch zu klären, so zum Beispiel, dass das Zeichen für o eigentlich kein Vokal ist, weil die ägyptische Schrift nur Konsonanten kennt. Champollion wusste bald, dass die Hieroglyphen zwar Bilder sind, dass aber viele von ihnen feste Lautwerte haben, ähnlich wie unsere Buchstaben. Rasch fand er die Lautwerte zahlreicher Zeichen heraus, las Königsnamen und Texte. Im Jahre 1822 legte Champollion die Ergebnisse seiner Forschungen vor. Sie waren zweifellos richtig, aber viele Kollegen wollten seine Entdeckung nicht anerkennen. Schließlich prüfte der deutsche 17 D003_R_04103_Bd70Aegyp_110411e.indd 17 15.08.2011 13:06:56 Uhr gen nennen. In Paris wurde er 1830 Professor für das Fach Ägyptologie; die Stelle hatte man eigens für ihn neu geschaffen. Die erste deutsche Professur für Ägyptologie erhielt Richard Lepsius 1842 in Berlin. Die Ägyptologen können viele ägyptologische Probleme nicht alleine lösen; denn sie haben z. B. nicht gelernt, wie man den Gang der Sterne oder den Sternhimmel vor 4 000 Jahren errechnet, wie man das Innere einer Mumie sichtbar macht, wie man aufgefundene Überreste von Pflanzen, Tieren, Steinen und Metallen naturwissenschaftlich bestimmt, wie man Fundstücke konserviert oder wie das Alter eines Stückchens Holz ermittelt wird. Deshalb arbeiten die Ägyptologen immer häufiger mit anderen Wissenschaftlern zusammen. Zu diesen gehören Astronomen, Ärzte, Biologen, Chemiker, Geologen, Physiker und andere. Die Zusammenarbeit hat sich gelohnt, denn durch sie ist manches Problem geEin Pfeiler der Weißen Kapelle Sesostris I. in Karnak. Der Gott löst worden. Month führt den König (links) zum Gott Amun. Über den drei großen Bildern sieht man viele kleine Bilder, die genauso fein Dank der Zusammenausgearbeitet sind wie die großen. Sie lassen sich lesen und arbeit von Ägyptologen aussprechen, sind Bild und Schrift zugleich: Hieroglyphen. und Geologen kann man Der Ägyptologe ist ein Historiker, heute in vielen Fällen sagen, aus der sich speziell welchem Steinbruch des Landes ein mit der Geschich- Stein kommt. Auch lässt sich das te des alten Alter einer Arbeitsstelle im SteinWas ist ein Ägypten beschäf- bruch mithilfe der Meißelspuren Ägyptologe? tigt. Weil Cham- bestimmen. Manchmal kennen die Ägyptopollion sich als Erster ganz dem Studium des pha- logen nur die ungefähre, aber nicht raonischen Ägypten gewidmet hat die genaue Bedeutung eines Wortes. und weil er dabei so erfolgreich war, So wusste man vom Wort wch. nur, darf man ihn den ersten Ägyptolo- dass es der Name irgendeiner Frucht Gelehrte Richard Lepsius die Ergebnisse Champollions und erklärte sie für grundsätzlich richtig. Lepsius löste noch einige Probleme des Schriftsystems, die Champollion nicht hatte klären können. Damit war die Entzifferung der Hieroglyphen abgeschlossen. Ein grob gearbeiteter Topf, der in einem Grab gefunden wurde. Die Aufschrift lautet wch. , Erdmandeln. Hieratisch wch. , Erdmandeln, Das Wort wurde in Hieratisch geschrieben. Die hieratische Schrift ist die kursive Schreibschrift der alltäglichen Geschäfte. Hieroglyphen, vergleichbar unseren Druckbuchstaben, benutzte man in der Regel nur für monumentale Inschriften auf Stelen sowie auf den Wänden der Paläste, Tempel und Gräber. 18 D003_R_04103_Bd70Aegyp_110411e.indd 18 20.06.2011 9:34:07 Uhr Großaufnahme des Eies einer Bilharzie (Schistosoma haematobium). Das Ei stammt aus einer Mumie und zeigt, dass die gefährliche Krankheit „Bilharziose“ bereits im alten Ägypten verbreitet war. Die ägyptische Armee im Angriff. Zwar ist diese lebendige und sehr eindrucksvolle Darstellung mithilfe der historischen Quellen gezeichnet worden, aber es handelt sich doch nur um eine Rekonstruktion. Bei ihr ist zu bezweifeln, dass der Löwe des Königs aktiv in den Kampf eingegriffen hat. D003_R_04103_Bd70Aegyp_110411e.indd 19 war. Es war ein glücklicher Umstand, dass Töpfe gefunden wurden, welche die Aufschrift wch. trugen und Früchte enthielten. Als Biologen die Früchte analysierten, stellte sich heraus, dass es sich um Erdmandeln handelte, also um die nahrhaften Wurzelknollen einer Pflanze. Nun weiß man, dass das Wort wch. die Erdmandel bezeichnet. Dabei wollen wir nicht hoffen, dass ein alter Ägypter die Erdmandeln in die falschen Töpfe gelegt hat. Die für die Medizin entwickelte Methode der Computertomografie hat man auch zur Untersuchung ägyptischer Mumien eingesetzt. Nun kann man in die Mumie hineinsehen, ohne dass man sie aufwickeln, aufschneiden und damit zerstören muss. Die computertomografischen Bilder zeigen in vielen Einzelheiten, wie die jeweilige Mumie hergestellt wurde. Mitunter sind sogar die Erreger bestimmter Krankheiten zu erkennen, öfters auch deren Folgen sowie allerlei körperliche Missbildungen. Aus dem Körpergewebe der Mumie lässt sich die Blutgruppe des Verstorbenen feststellen. Auch DNAAnalysen sind möglich. Beides kann über die verwandtschaftlichen Beziehungen der Toten Auskunft geben. Entsprechende Untersuchungen an den Königsmumien können entscheiden, welche Könige miteinander blutsverwandt sind. Das hilft dem Historiker, offene Fragen zu den einzelnen Dynastien zu klären. Der Computer ist ein unentbehrliches Arbeitsgerät des Ägyptologen geworden. Mit ihm kann er Hieroglyphen „zeichnen“. Riesige Textmengen lassen sich mithilfe des Computers erfassen, ordnen oder durchsuchen. Dank des Computers ist es leichter geworden, Gebäude 20.06.2011 9:34:14 Uhr Das Erbe der altägyptischen Kultur Die Überreste des alten Ägypten lagen Jahrtausende unter dem Was verdanken Sand verborgen, wir den alten bis die ÄgyptoloÄgyptern? gen sie ausgruben und anfingen, das Leben und die Kultur Ägyptens zu rekonstruieren. Was sie vorfanden, war eine der frühen Hochkulturen, wie wir sie zum Beispiel auch aus dem Zweistromland oder dem Industal kennen. Die frühen Hochkulturen waren Erben der Steinzeit, aber sie entwickelten vieles weiter und erfanden Neues dazu, was die Völker der Antike übernahmen und an uns weitergaben. Das erklärt, warum wir manche Wurzeln unserer Kultur bis ins alte Ägypten zurückverfolgen können. Unsere Schrift stammt letztlich aus dem alten Ägypten. Wir benutzen etliche Wörter, die auf die altägyptische Sprache zurückgehen. Dazu gehören „Oase“, „Natron“, „Eben(holz)“, „Gummi“ oder „Papier“. Auch in der Bibel steht einiges, was aus dem alten Ägypten entlehnt wurde. So lesen wir im Alten Testament in den Sprüchen Salomos: „Jeder glaubt, sein Weg sei richtig, aber Gott prüft die Herzen.“ Das Prüfen der Herzen erinnert sehr an das ägyptische Totengericht. Die Ägypter hielten 110 Jahre für das ideale Lebensalter, und im 1. Buch Mose wird gesagt: „Also wohnte Joseph in Ägypten ... und lebte 110 Jahre.“ Die ägyptischen Quellen für das ideale Lebensalter sind wesentlich älter als die Bibel. Schließlich verdanken wir auch unseren Kalender den Ägyptern. Diese hatten nämlich das Jahr in 365 Tage eingeteilt, mit zwölf Monaten zu je 30 Tagen und fünf Zusatztagen. Die Schalttage wurden von Julius Caesar und von Papst Gregor XIII. eingeführt. Als Erste gliederten die Ägypter den Tag in 24 Stunden, zwölf für den Tag und zwölf für die Nacht. Damit teilen wir unsere Zeit noch heute so ein, wie es die alten Ägypter vor Jahrtausenden erfunden haben. Die Herkunft unserer Schrift Nach dem Vorbild der ägyptischen Schrift bildeten die Phönizier, über Zwischenstufen, eine alphabetische Schrift, die allerdings nur die Konsonanten schrieb. Erst die Griechen fügten die Vokale hinzu. Das griechische Alphabet wurde von den Römern ihrer eigenen Sprache angepasst und mit dem Latein in Europa verbreitet. So schreiben wir heute lateinische Buchstaben, deren Geschichte aber reicht zurück bis zu den alten Ägyptern. Zeittafel Vorgeschichte Jungsteinzeit 2. Zwischenzeit Assyrer 671-664 Hyksos ab 1650 Libyer (Saiten) 664-525 um 3000 Ahmose vor 1500 Perser 525-404 Djoser um 2700 Amenhotep I. um 1500 30. Dynastie 380-343 Cheops um 2600 Hatschepsut vor 1450 Alexander d. G. 332-323 Teti um 2300 Thutmosis III. um 1450 Ptolemäus I. Pepi II. um 2200 Echnaton Menes/Aha ab 6. Jahrt. ab 1700 Tutanchamun nach 1350 vor 1300 Kleopatra VII. Augustus 306-283/2 51-30 1. Zwischenzeit ab 2150 Mentuhotep II. um 2000 Ramses II. 1279-1213 Byzantiner 27-14 n.Chr. Amenemhet I. vor 1900 Ramses III. 1187-1156 Araber ab 640 Sesostris III. vor 1800 3. Zwischenzeit ab 1050 Türken ab 1517 Amenemhet III. um 1800 Nubier vor 700 Republik ab 1952 ab 395 48 D003_R_04103_Bd70Aegyp_110411e.indd 48 20.06.2011 9:43:49 Uhr