Die Expression von Androgen-, Vitamin-D-Rezeptor, FHL

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Aus der Universitäts-Frauenklinik
der Albert-Ludwigs-Universität
Freiburg im Breisgau
Die Expression von
Androgen-, Vitamin-D-Rezeptor, FHL-2
sowie des Bone Sialo Proteins
in primären Mammakarzinomen
INAUGURAL-DISSERTATION
zur
Erlangung des Medizinischen Doktorgrades
der Medizinischen Fakultät
der Albert-Ludwigs-Universität
Freiburg im Breisgau
vorgelegt 2006
von Florian Michael Herrle
geboren in Nürnberg
Meinen Eltern
Dekan
Hr. Prof. Dr. med. Christoph Peters
1. Gutachterin
Fr. PD Dr. med. Annette Hasenburg
2. Gutachter
Hr. Prof. Dr. med. Nikolaus Freudenberg
Jahr der Promotion
2006
Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung .............................................................................................................1
1.1 Das Mammakarzinom ..........................................................................................1
1.1.1 Epidemiologie ...........................................................................................1
1.1.2 Pathomorphologische Klassifizierung.......................................................1
1.1.3 Staging und Therapie des Mammakarzinoms ...........................................4
1.2 Metastasierung beim Mammakarzinom .............................................................12
1.3 Steroidhormonrezeptoren und Kofaktoren.........................................................17
1.3.1 Die Familie der Steroidhormon-Rezeptoren ...........................................17
1.3.2 Die Steroidhormon-Rezeptoren Östrogen-, Progesteron-,
Androgen- und Vitamin-D-Rezeptor.......................................................20
1.3.2.1 Die Rolle von Östrogen- und Progesteronrezeptoren
beim Mammakarzinom............................................................................20
1.3.2.2 Die Androgenrezeptoren und der Androgenrezeptor-Koaktivator
FHL-2 ......................................................................................................23
1.3.2.3 Der Vitamin-D-Rezeptor.........................................................................25
1.4 Bone Sialo Protein (BSP) ....................................................................................29
2.
Fragestellung und Ziel der Arbeit ...................................................................32
3.
Material und Methoden ....................................................................................33
3.1 Patientinnenkollektive .........................................................................................33
3.2 Untersuchungsmaterial........................................................................................34
3.3 Immunhistochemische Färbungen.......................................................................34
3.4 Auswertungsverfahren ........................................................................................36
3.5 Statistik................................................................................................................36
4.
Ergebnisse ..........................................................................................................38
4.1 Patientinnenkollektive .........................................................................................38
4.2 Nachweis der Expression von AR, FHL-2, VDR, BSP ......................................40
4.3 Statistische Auswertungen ..................................................................................43
5.
Diskussion ..........................................................................................................45
6.
Literaturverzeichnis..........................................................................................52
7.
Zusammenfassung.............................................................................................69
8.
Anhang
8.1 Abkürzungsverzeichnis
8.2 Vergleich TNM-Staging-System Mammakarzinom 1998 und 2003
8.3 Danksagung
8.4 Curriculum Vitae
1
1. Einleitung
1.1
Das Mammakarzinom
1.1.1
Epidemiologie
Das Mammakarzinom ist die häufigste maligne Erkrankung der Frau in der
westlichen, industrialisierten Welt und weist ab einem Alter von ca. 30 Jahren ein
steil ansteigendes Erkrankungsrisiko auf.
Seit Mitte der 90-er Jahre ist in Deutschland, aber auch in den USA und
Großbritannien, eine rückläufige Mortalität zu beobachten, die sowohl auf
verbesserte Programme zur Früherkennung als auch auf den zunehmenden Einsatz
adjuvanter Hormon- und/oder Chemotherapie zurückzuführen sind (Peto 2000).
1.1.2
Pathomorphologische Klassifizierung
Mammakarzinome gehen vom Drüsenepithel aus, können sowohl nicht-invasiv als
auch invasiv sein und werden anhand dieses Merkmals unterschiedlich bewertet.
Für die Klassifikation der nicht-invasiven duktalen Carcinoma in situ (DCIS) haben
sich die Van-Nuys-Klassifikation und der Van-Nuys-Prognostic-Index (VNPI)
durchgesetzt (Silverstein 1995a; Silverstein 1995b; Silverstein 1996):
Zur Klassifikation werden DCIS zunächst nach Grading der Zellkerne in „highgrade“ und „non-high-grade“ eingeteilt; high-grade-DCIS (Gruppe 3: nuclear-highgrade DCIS) haben nach brusterhaltender Operation und unabhängig von einer
lokalen Nachbestrahlung das größte Rezidivrisiko. Bei non-high-grade-DCIS werden
solche ohne und mit Vorhandensein von Tumornekrosen des Comedo-Typs
unterschieden (Gruppe 1: ohne Comedotyp-Nekrosen, Gruppe 2: mit ComedotypNekrosen). Der VNPI kombiniert diese Klassifikation mit den weiteren
prognostischen Prädiktoren Tumorgröße und Abstand zwischen Tumor und
gesundem Gewebe. Es werden jedem Prädiktor Punktzahlen von 1-3 zugeordnet
deren Addition den VNPI ergibt (3 Punkte: beste Prognose; max. 9 Punkte und
2
schlechteste
Prognose).
Anhand
einer
Langzeit-Beobachtung
(medianer
Beobachtungszeitraum 8 Jahre) ermittelte Silverstein, daß für Punktzahlen 3 und 4
eine brusterhaltende lokale Tumorexzision ohne Nachbestrahlung vertretbar ist
(Lokalrezidivrate bei Lokalexzision mit bzw. ohne Radiatio: 0% bzw. 3%). Bei
einem Score von 5-7 Punkten wird zusätzlich zur brusterhaltenden Exzison eine
Nachbestrahlung empfohlen, weil damit das Lokalrezidivrisiko um 17% gesenkt
werden konnte (32% vs. 15%). Für Tumoren mit Score 8-9 wird eine Mastektomie
empfohlen, da bei brusterhaltender Therapie unabhängig von einer Nachbestrahlung
innerhalb von acht Jahren bei mehr als 60% der Patientinnen Lokalrezidive auftraten.
Die Klassifikation der invasiven Karzinome folgt der WHO-Klassifikation, die den
histologischen Phänotyp ohne pathogenetische Beziehungen beschreibt. Wenn
mehrere Typen in einem Tumor vorhanden sind, ist der dominierende Anteil
diagnostisch hervorzuheben (World Health Organization 2002)
Tab. 1 Histo-morphologische Typen des Mammakarzinoms (Berg 1995)
Invasiv-duktal (IDC)
70-80%
Tubulär
10-20%
Invasiv-lobulär (ILC)
5-10%
Medullär
5-10%
Muzinös
1-2%
Mikropapillär, metaplastisch und andere
(Paget-, inflammatorische Ca’s)
1-2%
Je nach Verhältnis von Tumor- zu Bindegewebe wird auch zwischen soliden
(vorwiegend Tumorgewebe) und szirrhösen (vorwiegend Stroma) Karzinomen
unterschieden.
Für die Beurteilung der invasiven Karzinome ist der Differenzierungsgrad
entscheidend (Grading, G1-G3). Aus den drei Merkmalen Tubulusausbildung,
3
Kernpolymorphie und Mitoserate wird ein Score gebildet und den drei
Malignitätsgraden G1-G3 zugeordnet: G1: gering maligne, gut differenzierte
Tumoren mit einem Score von 3-5; G2: mäßig maligne, mäßig differenzierte
Tumoren mit einem Score von 6-7; G3: hoch maligne, schlecht differenzierte
Tumoren
mit
einem
Score
von
8-9.
Das
Grading
korreliert
eng
mit
Lymphknotenstatus, Rezeptorstatus, Rezidivfrequenz und Mortalität (Elston 2002).
Das invasiv-duktale Karzinom (IDC) hat im Vergleich zum invasiv-lobulären
Karzinom eine schlechtere Prognose, die vermutlich auf die Tendenz zur früheren
Metastasierung zurückzuführen ist. Dies wird auch durch eine große retrospektive
Studie
von
Li
belegt
(Li
2003).
Die
meisten
selteneren
Formen
des
Mammakarzinoms haben insgesamt eine günstigere Prognose als das IDC (Bijker
2001; Thurman 2004).
Das inflammatorische Mammakarzinom ist wahrscheinlich eine eigene Entität und,
im Vergleich zu lokal fortschrittenem IDC, unter anderem mit höherer Inzidenz bei
jungen Patientinnen, schlechterer Differenzierung, negativem Östrogenrezeptor
(ER)-Status und ungünstigerer Prognose korreliert (Anderson 2003).
4
1.1.3 Staging und Therapie des Mammakarzinoms
Staging
Grundlage für das Staging von Mammakarzinomen ist das Manual des American
Joint Commitee on Cancer (AJCC) (Greene 2002).
Das präoperative klinische Staging (cTNM-Stadium) umfaßt Anamnese und
klinische Untersuchung, Mammographie beider Brüste sowie eine diagnostische
Feinnadelpunktion,
Stanz-Biopsie
oder
Probeexzision.
Je
nach
klinischer
Präsentation (suspekte mammographische Läsion/Mikrokalk, unklarer palpabler
Brustknoten,
T4-Tumor)
und
Stadium
(z.B.
Verdacht
auf
primäre
Fernmetastasierung) kommen weitere diagnostische Verfahren zum Einsatz
(Ultraschall von Brust und/oder Abdomen, CT des Abdomens, MRT der Brust,
Knochenszintigraphie und die Positronen-Emissions-Tomographie (PET).
Postoperativ ergibt sich aus der histologischen Aufarbeitung des gesamten
Tumorgewebes und der regionären Lymphknoten das differenzierte pathologische
Staging (pTNM-Stadium).
Beim prognostisch besonders wichtigen Staging der axillären Lymphknoten hat sich
in den letzten zehn Jahren das Konzept der „sentinel lymph node dissection“ (SLND)
durchgesetzt: Die ersten drainierenden axillären Lymphknoten des tumorbefallenen
Brustsegmentes werden nach Injektion eines Markers (Tinte und/oder radioaktives
Colloid) identifiziert, reseziert und im Schnellschnitt untersucht. Wenn der SentinelLymphknoten tumorfrei ist (sN0-Stadium) kann mit vertretbar niedriger Fehlerrate
auf eine tumorfreie Restaxilla geschlossen und auf eine komplette axilläre
Lymphknotendissektion
verzichtet
werden.
Nur
bei
Befall
der
Sentinel-
Lymphknoten wird eine formale Axilladissektion durchgeführt, um das genaue
Staging zu ermitteln. Falls bei histologischer Aufarbeitung der entnommenen und im
Schnellschnitt als tumorfrei bewerteten Sentinel-Lymphknoten doch ein Tumorbefall
nachweisbar ist, besteht die Möglichkeit,
in einem zweiten Eingriff die
Axilladissektion nachzuholen und eine erweiterte adjuvante Therapie zu planen.
5
Die SLND ist seit den Anfängen der 90-er Jahre in zahlreichen Studien mit der
konventionellen axillären Lympknotendissektion verglichen und validiert worden
(reviewed in: (Kelley 2004)): Die vorliegenden Ergebnisse von Multizenterstudien
sprechen für den breiten Einsatz dieser Technik und belegen, daß die Patientinnen
keinem erhöhten Risiko für die Bildung von Lokalrezidiven ausgesetzt sind. Die
Identifikationsraten befallener Lymphknoten liegen zwischen 86 und 94%, die Rate
falsch-negativer SLN zwischen 4 und 13% und die diagnostische Genauigkeit
zwischen 97 und 99%.
Die aktuelle und seit Anfang 2003 gültige Fassung des AJCC-Staging-Manuals (6.
aktualisierte Fassung) enthält wichtige Neuerungen und Modifikationen, vor allem
zur Beurteilung des LK-Status (Singletary 2002; Woodward 2003; Thor 2004):
-
Einteilung der Hauptgruppen pN1-3 primär nach Anzahl der befallenen
Lymphknoten;
-
Kennzeichnen einer erfolgten Sentinel-Lymphknotenbestimmung (pN0(sn));
-
differenzierteres
und/oder
pN0-Stadium
molekular
unter
Einbeziehung
nachgewiesener
immunhistochemisch
Mikrometastasen
(pN0(i-/i+),
pN0(mol-/mol+);
-
differenzierteres pN3-Stadium, zu dem Lymphknoten infraklavikulär (pN3a), im
Bereich der A. mammaria interna (pN3b) sowie supraklavikulär (pN3c, früher
M1) gehören).
Diese Modifikationen wurden aufgrund neuer Daten zu stadienspezifischen
Überlebenszeiten und aufgrund der Verbreitung neuer diagnostischer Methoden
(insbesondere SLND, Verwendung der Immunhistochemie und/oder molekularer
Indizes zur Detektion von Mikrometastasen) nötig und sie erlauben eine bessere
therapeutische Stratifizierung. Es konnte gezeigte werden, daß die aggressive
Therapie von Tumoren mit Befall der supraklavikulären Lymphknoten - früher als
M1-Tumoren üblicherweise nicht kurativ behandelt – zu ähnlichen Überlebenszeiten
führt, wie sie Patientinnen im Stadium-IIIB-Kollektiv erwarten können (Brito 2001).
6
Weiterhin erlaubt die systematische Dokumentation der Ergebnisse neuer
diagnostischer Verfahren, deren therapeutische und prognostische Relevanz zu
klären. Insbesondere die klinische Relevanz von mikroskopisch-histologisch nicht
sichtbaren (pN0) sondern ausschließlich immunhistochemisch (pN0(i+)) und/oder
molekular (pN0(mol+)) nachweisbaren Mikrometastasen ist noch unklar. In der
Praxis werden im allgemeinen auch die als pN0(i+) bzw. pN0(mol+) klassifizierten
Lymphknoten als positive Lymphknoten gewertet und die Patientinnen werden
entsprechend therapiert.
Ob die Differenzierung zwischen Mikrometastasen (Tumorzellepots mit einer Größe
zwischen 0,2mm und 2mm Größe (pN1mi)) und sog. „isolated tumor cells“ in
Lymphknoten klinisch relevant ist, ist noch nicht abschließend geklärt.
Tumorzelldepots, die kleiner als 0,2mm sind oder einzelne Tumorzellen werden als
„isolated tumor cells“ bezeichnet, N0 klassifiziert und bedürfen keiner adjuvanten
Therapie, da man annimmt, daß die Morbidität der Behandlung durch den noch
unbekannten Nutzen einer adjuvanten Therapie nicht kompensiert würde.
Eine komplette axilläre Lymphknotendissektion ist nach diesem Kenntnisstand
routinemäßig nur bei histologischem Befall der Lymphknoten (ab pN1mi) indiziert.
Für das Verfahren bei anderen Konstellationen (z.B. pN0(i+/mol+)) muß noch ein
Konsens gefunden werden.
Therapie
Die Therapie des Mammakarzinoms ist heutzutage hochspezialisiert, interdisziplinär
und multimodal. Die Therapieplanung (kurativ/palliativ/(neo)adjuvant) richtet sich
primär nach histologischem Tumortyp, Staging, Grading sowie etablierten Risiko-,
Prognose- und prädiktiven Faktoren; es sollten jedoch auch immer die individuellen
Wünsche der Patientin berücksichtigt werden. Als wichtigste Therapiemodalitäten
stehen Operation, Hormon-, Chemo-, Strahlen- und Immuntherapie zur Verfügung.
Prinzipiell muß zwischen kurativem und palliativem Therapieansatz unterschieden
werden: Ist Heilung ein realistisches Ziel, sind im allgemeinen auch aggressivere
Therapien mit erhöhter Nebenwirkungsrate zu vertreten. Andererseits sollte wegen
7
möglicher Langzeitfolgen und unnötiger Kosten bei Patientinnen mit niedrigem
Rezidivrisiko nicht übertherapiert werden. Ist dagegen bei metastasiertem Karzinom
eine Heilung nicht mehr möglich, sollte die Lebensqualität der Patientin für die
Auswahl der Therapie maßgeblich sein.
Die klinisch und therapeutisch relevantesten prädiktiven Faktoren sind der
immunhistochemisch bestimmte ER- und PR-Status (Harvey 1999; Goldhirsch
2001).
Prognostische Faktoren erlauben es, den wahrscheinlichen Verlauf der Erkrankung
(Gesamtüberleben, rezidivfreies Überleben) abzuschätzen, da sie das biologische
Verhalten
des
Tumors
(Wachstums-,
Invasions-,
Metastasierungspotential)
wiederspiegelen. Diese Faktoren sind folglich für die Wahl einer risikostratifizierten
Therapie wichtig (NIH consensus conference 1991; Bast 2001; Eifel 2001). Da der
Lymphknotenstatus die stärkste prognostische Aussagekraft besitzt, hat er auch bei
der Therapieplanung das größte Gewicht (Fitzgibbons 2000).
Die klinische Bedeutung der prognostischen und prädiktiven Faktoren wird durch
den therapeutischen Nutzen der adjuvanten Hormon- und Chemotherapie bei
Frühstadien des Mammakarzinoms unterstrichen (Early Breast Cancer Trialists'
Collaborative Group 1992; Early Breast Cancer Trialists' Collaborative Group
1998a; Early Breast Cancer Trialists' Collaborative Group 1998b; Adjuvant Therapy
for Breast Cancer. NIH Consensus Statement Online 2000 November 1-3 2000).
Gerade im Falle von Patientinnen mit tumorfreien Lymphknoten und niedrigem
Rezidivrisiko will man unnötige Therapien mit Nebenwirkungen vermeiden, da ein
größerer Teil der Patientinnen auch ohne adjuvante Therapie geheilt bliebe. In Tab. 2
ist das auf der Konsensuskonferenz St. Gallen 2003 erarbeitete Schema
wiedergegeben (Senn 2003).
8
Tab. 2: Risikoadaptierte adjuvante Therapie beim primären, invasiv-duktalen
Mammakarzinom gemäß St. Gallen Konsensus Konferenz 2003
"Endocrine re sponsive"
präpostmenopausal
menopausal
Niedriges Risiko
N0, T<2cm, G1, ER
und/oder PR pos.,Pat.
älter als 35 J
"Endocrine non-resp."
präpostmenopausal menopausal
TAM oder nichts TAM oder nichts
entfällt
entfällt
Ovarsuppression
N0: TAM
+/- TAM
oder CT+TAM
oder
N+: CT + TAM
CT + TAM
CT
CT
CT + endokrine
Therapie (obligat)
CT
_
Durchschnittl. Risiko
alle anderen
Konstellationen und
Pat. älter als 35 J
Pat. jünger als 35 Jahre
_
TAM=Tamoxifen, CT=Polychemotherapie, Rezeptor-pos: wenn ER und/oder PR
pos.; Rezeptor-neg.: wenn ER und PR negativ
Zu den seit einigen Jahren etablierten molekularen Markern gehört auch der
Her2/neu-Status. Her2/neu (cErbB2) ist ein transmembranöses Glykoprotein mit
intrazellulärer Tyrosin-Kinase-Aktivität und gehört zur Familie der Epidermalgrowth-factor-Rezeptoren.
Diese
Rezeptoren
spielen
bei
Proliferierung,
Differenzierung, Motilität und Adhäsion epithelialer Zellen ein wichtige Rolle (King
1985; Karunagaran 1996; Gschwind 2004). Die Überexpression von Her2/neu bei
invasiven Mammakarzinomen wird in 20-40% aller Fälle beobachtet, und ist eine
unabhängige Variable für ungünstige Prognose ist (Slamon 1989; Ross 2003).
Andererseits ist es möglich, die durch verstärkte Expression von Her2/neu dauerhaft
aktivierte Signaltransduktion mit einem monoklonalen Antikörper (Trastuzumab,
Herceptin®) zu blockieren. Daher hat die Bestimmung des Her2/neu-Status sowohl
prognostische als auch prädiktive Bedeutung.
Trastuzumab ist ein humanisierter monoklonaler Maus-Antikörper, der die
extrazelluläre Domäne von Her2/neu bindet und damit die Dimerisierung des
9
Rezeptors inhibiert (Hudziak 1989). Zahlreiche Studien zeigen, daß die
Überexpression von Her2/neu ein starker positiver Prädiktor für das klinische
Ansprechen auf die Therapie mit Trastuzumab ist (Bast 2001). Die Zugabe von
Trastuzumab zu einer palliativen Chemotherapie bei Patientinnen mit Her2/neu
positivem metastasierten Mammakarzinom führt zu einer 20% höheren Ansprechrate
sowie zu einem verlängertem Überleben (median +5 Monate) (Slamon 2001).
Seitdem Trastuzumab 1998 von der FDA zunächst zur Behandlung des
fortgeschritten metastasierten Mamma-Karzinoms zugelassen wurde, wird es
inzwischen auch in der adjuvanten und neo-adjuvanten Therapie verwendet (Buzdar
2005; Mohsin 2005)
Während Tumorgröße und LK-Status im wesentlichen die Anwendung von Chemound/oder Radiotherapie bestimmen, ist die Expression der Hormonrezeptoren
(ER/PR) entscheidend für die Gabe einer adjuvanten Hormontherapie. Da die
Proliferation
von
ER-
(und
PR-)
positiven
Tumoren
im
allgemeinen
östrogenabhängig erfolgt, kann bei diesen Tumoren durch verschiedene Verfahren
der medikamentösen Hormonablation die hormonabhängige Proliferation reduziert
werden (s. Tab 3). Ein Vorteil der Hormontherapie gegenüber der Chemotherapie ist
die im allgemeinen bessere Verträglichkeit bei geringerer Zytotoxizität. In Tabelle 3
sind
einige
der
zusammengestellt.
heute
verwendeten
Präparate
und
ihre
Wirkungsweisen
10
Tab. 3: Medikamentöse Hormonablation beim Mammakarzinom
I. Hemmung der Östrogenbiosynthese
a) durch Hemmung der LH-abhängigen
Biosynthese im Ovar
Wirkstoff (Präparat)
LH-RH-Analoga
(Goserelin=Zoladex®)
(Robertson 2003)
Aromataseinhibitoren (AI)
- Nicht-steroidal: Anastrozol=Arimidex®,
b) durch Hemmung der Aromatase im Ovar
Letrozol=Femara®*
- Steroidal: Exemestan=Aromasin®**
(Morandi 2004)*
II. Zell- bzw. gewebespezifisches
Blockieren der Ligandenbindungsstelle
des Rezeptors
Selektive ER-Modulatoren (SERM)
a) gemischte Antagonisten
(z.B.Tamoxifen, Raloxifen=Evista®)
(Frasor 2004; Jordan 2004)
Antiöstrogen ICI 182780
b) reine Antagonisten
(Fulvestrant=Faslodex®)
(Johnston 2004; Osborne 2004)
* Hauptindikation nichtsteroidaler AI: Adjuvante Therapie beim Mammakarzinom
(Stadium I, II) bei post-menopausalen Frauen mit ER und/oder PR positivem
Rezeptorstatus;
** Hauptindikation steroidaler AI: Therapie des fortgeschrittenen Mammakarzinoms
bei post-menopausalen Frauen nach Progression unter Antiöstrogenbehandlung.
Neben den bereits erwähnten „etablierten“ Prognosefaktoren werden zahlreiche
andere potentielle Marker evaluiert:Hierzu gehören solche, die mit Proliferation (Ki67, Anteil der Zellen in der S-Phase), Angiogenese (vascular endothelial growth
factor) oder Invasion und Metastasierung (Zelladhäsionsmolekül E-cadherin, diverse
Proteasen wie z.B. der Plasminogenaktivator vom Urokinasetyp (uPA) oder
Matrixmetalloproteasen (MMP)) assoziiert sind. Diese müssen jedoch erst in
11
größeren prospektiven Studien validiert werden, bevor sie in die Routinediagnostik
aufgenommen werden können (Fitzgibbons 2000).
Ein neuer Ansatz zur Identifizierung von Tumoren mit schlechter bzw. guter
Prognose ist die Genexpressionsanalyse (van de Vijver 2002; van 't Veer 2002; Kang
2003; Ramaswamy 2003; Sotiriou 2003; Paik 2004; Wang 2005). Allerdings ist auch
dieses Verfahren noch nicht für den Einsatz in der Patientenversorgung geeignet, da
zum einen jeweils nur relativ kleine Kollektive untersucht wurden und zum anderen
die Erfassung und Interpretation der Daten (noch) nicht standardisiert ist (Jenssen
2005; Michiels 2005).
12
1.2
Metastasierung beim Mammakarzinom
Metastasierung, das Enstehen von Tumorabsiedlungen in tumorfernen Geweben,
kann als Endstufe eines sequenziellen Entartungsprozesses verstanden werden.
Voraussetzung für eine Metastasierung ist, daß Tumorzellen in der Lage sind, sich
vom Primärtumor zu lösen, in das umliegende Gewebe einzudringen, es zu
durchwandern und in einer dem Primärtumor fremden Umgebung zu adhärieren und
zu proliferieren (Abbildung 1 (Hanahan 2000)).
Abb. 1: Universelles Modell der Tumorigenese (Hanahan 2000).
A: Sechs universelle Charakteristika von Tumoren
B: Mögliche parallele Wege der Tumorgenese; diese können je nach Reihenfolge
und Tempo differieren. So erwirbt z.B. beim untersten Beispiel die Zelle alle
Eigenschaften in nur fünf Schritten - zwei davon in nur einem Schritt (z.B. durch
Verlust der p53-Kontroll-Funktion). Im obersten Beispiel benötigt eine Zelle jeweils
zwei Schritte, um zu Gewebeinvasion und Metastasierung fähig zu sein bzw. um
Apoptose umgehen zu können
13
Hanahan postuliert, daß praktisch alle bösartigen Tumore die in Abb.1 aufgeführten
Charakteristika besitzen, wenngleich es große Unterschiede sowohl zwischen
verschiedenen Tumorarten und –subtypen als auch beim Tempo und der
Reihenfolge, in denen diese Veränderungen auftreten, gibt.
Das Metastasierungsverhalten und der Langzeitverlauf des Mammakarzinoms ist,
trotz der gesicherten Korrelationen zwischen Tumorgröße, Differenzierung,
Lymphknotenstatus einerseits und Überlebens- bzw. Heilungschancen andererseits,
heterogen.
Obwohl das Rezidivrisiko des invasiven Karzinoms im wesentlichen durch die
Tumorgröße und die Zahl der befallenen Lymphknoten bestimmt wird, gibt es kleine
Tumoren, die rasch metastasieren oder große infiltrierende T4-Tumoren, die noch
keine Fernmetastasen gesetzt haben (Emens 2003). Auch Lokalrezidive können nicht
nur – wie am häufigsten – innerhalb der ersten drei bis fünf Jahre auftreten, sondern
Jahrzehnte später. Hämatogene Fernmetastasen können sich zeitgleich oder nach der
lymphogenen Metastasierung bilden (Rutqvist 1984; Weiss 2003).
Die meisten metastasierten Mammakarzinome werden im Zusammenhang mit
Tumorrezidiven diagnostiziert, bei 1-5% der Patientinnen sind jedoch bereits zum
Zeitpunkt der Erstdiagnose des Tumors Fernmetastasen vorhanden. Im allgemeinen
ist nach Ausbildung von Fernmetastasen keine Heilung sondern nur noch palliative
Therapie möglich. Vereinzelt wurden jedoch Vollremissionen nach Chemotherapie
und Langzeitüberlebende bis zu 20 Jahre nach Therapie beschrieben (Falkson 1990;
Greenberg 1996).
Die erwähnten Eigenheiten führten dazu, das Mammakarzinom primär als
systemische Erkrankung zu betrachten und zu behandeln. Die Chance auf Heilung
wird also nicht nur durch die Radikalität bei der lokalen Tumorresektion determiniert
sondern auch durch eine adäquate systemische Therapie, die eventuell schon
vorhandene disseminierte Tumorzellen oder klinisch noch nicht feststellbare
Mikrometastasen eliminiert.
14
Das Mammakarzinom kann prinzipiell in alle Organe metastasieren. Die häufigsten
Lokalisationen sind jedoch Knochenmetastasen (ca. 70%), gefolgt von Lungen- oder
Lebermetastasen (27%). (Coleman 1987).
Anatomisch werden grundsätzlich zwei Metastasierungswege unterschieden:
Lymphogene (lokale) Metastasierung: diese folgt je nach Ort des Primärtumors den
Lymphgefäßen bis in die drainierenden Lymphknoten und erfolgt in der Regel vor
der weitreichenderen hämatogenen Disseminierung. Karzinom der äußeren
Quadranten metastasieren vornehmlich in axilläre Lymphknoten, während medial
gelegene Tumoren entlang der Lymphgefäße der A. mammaria interna die
retrosternalen und supraklavikulären Lymphknoten erreichen und über diesen Weg
sogar Pleura, Mediastinum und die kontralaterale Mamma besiedeln können.
Hämatogene (Fern-) Metastasierung: Die verschiedenen Phasen der Metastasierung
sind in Abb. 2 schematisch für die Bildung von Knochenmetastasen gezeigt.
Abb.
2:
Prozeß
der
hämatogenen
Metastasierung
am
Beispiel
von
Knochenmetastasen (Choong 2003):
Zunächst kommt es zu lokaler Proliferation, Migration und invasivem Verhalten des
Primärtumors. Nach Angiogeneseinduktion, Intravasation und Extravasation in
Endstromgefäßen ist die systemische Tumorverbreitung möglich. Je nach Einfluß des
Milieus am Metastasierungsort (hier das wachstumsfördernde Knochenmilieu)
15
kommt es erneut zur Tumorproliferation und letztlich Ausbildung von klinisch
manifesten Metastasen (hier über die Stimulation von Osteoklasten bzw.
Osteoblasten).
Schon 1889 hatte Paget bei der retrospektiven Analyse von Obduktionsberichten die
Prädilektion verschiedener Krebsarten für spezielle Zielorgane, unter anderem des
Mammakarzinoms für Metastasierung in Knochen (Osteotropismus), bemerkt und
daraufhin die „seed and soil“-Hypothese aufgestellt. Derzufolge liefern die
„Zielorgane“ den abgesiedelten Tumorzellen einen „fruchtbaren Boden“ zum
weiteren Wachstum (Paget 1889).
Neben dem Mammakarzinom bilden auch typischerweise Prostata-, Bronchial-,
Schilddrüsen- und Nierenkarzinome Knochenmetastasen. Offensichtlich stellt der
Knochen für diese Tumoren das passende Wachstumsmilieu dar und Zellen dieser
Tumoren sind in der Lage, die einzigartige Umgebung im Knochen für ihr Wachstum
einsetzen (Yoneda 2000). Diese Metastasen können osteolytisch oder osteoplastisch
sein; beim Mammakarzinom überwiegen osteolytische oder gemischte Typen
(Mundy 2002).
Osteolytische
Metastasen
verursachen
erhebliche
Morbidität
(Schmerzen,
Osteoporose, Hyperkalzämie, Knocheninstabilität bis zur Fraktur und möglicher
ZNS-Kompression) und sind gegenüber palliativer Hormon- und Chemotherapie
resistenter als Weichteilmetastasen. Trotzdem beträgt die mediane Überlebenszeit
von Patientinnen mit Knochenmetastasen 20-30 Monate, während Patientinnen mit
Weichteilmetastasen nur 3-5 Monate überleben. Zur Therapie stehen je nach
Symptomatik, Tumorprogredienz und Hormonrezeptorstatus lokale (Radiotherapie,
operative
Stabilisierung
frakturgefährdeter
Knochen)
und/oder
systemische
Maßnahmen zur Verfügung. Bei osteolytischen Knochenmetastasen ist auch eine
Therapie mit Bisphosphonaten möglich (Coleman 1987; Coleman 2001).
Die Osteoklasten-modulierte Interaktion zwischen Tumorzellen und Knochenmatrix
ist am Beispiel osteolytischer Metastasen in Abb. 3 gezeigt:
16
Abb. 3: Osteoklasten-modulierte Interaktion von Tumorzellen und Knochen
(Roodman 2004):
Tumorzellen sezernieren das Parathyroid hormon-related-peptid (PTRP), das
Osteoklasten aktiviert und zur Zunahme der Knochenresorption führt. Dadurch
werden wiederum Wachstumsfaktoren (u.a. Transforming growth factor β (TGF-β),
Insulin-like growth factors (IGFs), Fibroblast growth factors (FGFs), Platelet-derived
growht factor (PDGF)) freigesetzt, die ihrerseits sowohl das Tumorwachstum födern
als auch durch Stimulation der PTRP-Sekretion den Prozeß aufrechterhalten.
Ferner wird postuliert, daß Mammakarzinomzellen nicht nur indirekt durch
Osteoklasten sondern auch direkt auf die Knochenmatrix einwirken können. Eine
vergleichende Studie zur Expression des Bone Sialoproteins (BSP) in Primärtumoren
und den dazu gehörenden Knochen- bzw. Weichteilmetastasen zeigte, daß die
Tumorzellen, die sich in engem Kontak zur Knochenmatrix befanden, besonders
stark BSP exprimierten; das könnte auf eine BSP-vermittelte Interaktion zwischen
Karzinomzellen und Knochen hindeuten (Waltregny 2000).
Sowohl in vitro als auch anhand von Tiermodellen und Gewebe der Patientinnen
wurden
mehrere
Faktoren
ermittelt,
die
zur
Identifizierung
osteotroper
17
Mammakarzinome
geeignet
sind.
Darüberhinaus
würde
die
prospektive
Diskriminierung zwischen osteotropen und nicht-osteotropen Mammakarzinomen
auch eine gezieltere Planung der (adjuvanten) Therapie erlauben.
Zu den in diesem Zusammenhang beschriebenen Faktoren gehören das BSP,
Vitamin-D-Rezeptor-Genotypvarianten,
das
Osteopontin
(OPN),
Parathyroid
hormone related protein (PTHrP), Periostin und das Urokinase-PlasminogenAktivatorsystem (uPA) (Fisher 2000; Diel 2001; Sloan 2002; Carlinfante 2003;
Choong 2003; Sasaki 2003; Schondorf 2003).
1.3
Steroidhormonrezeptoren und Kofaktoren
1.3.1 Die Familie der Steroidhormon-Rezeptoren
Steroidhormonrezeptoren gehören zur Super-Familie nukleärer Rezeptoren, die als
Transkriptionsfaktoren wirken. Je nach Ligand regulieren sie die Aktivierung und
Expression ihrer Zielgene und steuern somit letztlich Differenzierungs- und
Proliferationsprozesse aber auch Stoffwechselfunktionen und Reproduktion. Neben
den „klassischen“ Typ I Steroidhormon-Rezeptoren (Östrogen (ER)-, Progesteron
(PR)-, Androgen (AR)-, Glukokortikoid (GR)-, und Mineralokortikoidrezeptoren
(MR)) existiert die Familie der Typ II Nicht-Steroidhormon-Rezeptoren. Zu dieser
Familie gehören unter anderem der Thyroidhormon-Rezeptor (TR), der RetinolSäure-Rezeptor (RAR) und der Vitamin-D3-Rezeptor (VDR) (Carson-Jurica 1990;
Beato 1995; Mangelsdorf 1995; McKenna 1999a; McKenna 2001; Murphy 2002).
18
Abb. 4: Aufbau und Funktion nukleärer Rezeptoren (Alberts 2002):
Der Aufbau der Steroidhormonrezeptoren ist relativ konstant: An die N-terminale
Domäne mit liganden-unabhängiger Aktivierungsfunktion (AF-1) (transcription
activation domain) schließt sich die DNA-Bindungs-Domäne (DBD), die „hingeregion“, sowie die Liganden-Bindungs-Domäne (LBD), die die liganden-abhängige
Aktivierungsfunktion (AF-2) enthält, an. Variabilität zwischen verschiedenen
nukleären Rezeptoren besteht vor allem in der N-terminalen-Region, aber auch in der
„hinge-region“ und der C-terminalen Region. Dagegen sind die DNA-bindende
Domäne und die Liganden-bindende Domäne in hohem Grade konstant.
Funktionsprinzip: Nach Bindung des Liganden an den im Zytosol vorhandenen
Rezeptor entstehen aktive Rezeptor-Hormon-Komplexe, die nach Dimerisierung in
den Zellkern translozieren. Dort binden sie mit der DBD an spezifische DNA-
19
Sequenzen (receptor-binding-elements/hormone-response-elements) und steuern
nach Interaktion mit weiteren Kofaktoren die Transkription hormonabhängiger
Zielgene.
Neben der Aktivierung des Rezeptors durch den dazugehörenden Liganden kann
auch die ligandenunabhängige Aktivierungsfunktion 1 ebenfalls zu einer Aktivierung
des Rezeptors führen. In diesem Zusammenhang ist zum Beispiel die Aktivierung
des ER durch Endothelial growth factor (EGF) oder Insulin-like growth factor 1 zu
nennen (Hillner 2000; Yee 2000).
Neben der klassischen Funktion der Steroidhormonrezeptoren als nukleäre
Transkriptionsfaktoren
gibt
es
auch
eine
Signaltransduktion
über
membrangebundene Rezeptoren (Ho 2002). Hierunter fällt zum Beispiel die über
eine membranständige ER-Isoform induzierte Prolaktinfreisetzung bei bestimmten
Hypophysentumoren (Norfleet 2000; Ho 2002).
Neben der Interaktion zwischen Hormon und Rezeptor spielen Kofaktoren (KoAktivatoren bzw. Ko-Repressoren) - einer der ersten identifizierten ist SRC-1
(steroid receptor coactivator-1 (Onate 1995)) - bei der Regulation von
Transaktivierung und Transkription eine wichtige Rolle (reviewed in: (McKenna
1999b).
Ko-Repressoren lagern sich an die Liganden- und DNA-Bindungs-Domäne und
verhindern in Abwesenheit spezifischer Liganden die Rezeptor-Aktivierung bzw.
Transkription. Nach Bindung der Liganden an den Rezeptor dissoziiert der KoRepressor-Komplex und ermöglicht die Interaktion mit den hormon-responsiven
Elementen der Zielgene (Burke 2000).
20
1.3.2 Die Steroid-Hormonrezeptoren ER, PR, AR und VDR
1.3.2.1 Die Rolle von Östrogen- und Progesteronrezeptor beim
Mammakarzinom
Die Östrogen- und Progesteronrezeptoren sind nicht nur für die Steuerung der
reproduktiven
Organe
(Uterus,
Ovar)
sondern
auch
für
Wachstum
und
Differenzierung der Mamma notwendig.
Die Östrogen-Rezeptoren (ER)
Nachdem lange nur eine Form des ER, der „klassische“ ER (=ERα), bekannt war,
wurde 1996 eine weitere Isoform des ER beschrieben und als ERβ bezeichnet
(Kuiper 1996; Mosselman 1996): ERα und ERβ werden von zwei unterschiedlichen
Genen kodiert, sind jedoch hinsichtlich der DBD- und LBD-Domänen weitgehend
homolog. Auch die Transaktivierung von ER-abhängigen Zielgenen erfolgt durch
ER-β analog zu ERα. Beide Isoformen unterscheiden sich aber in der N-terminalen
liganden-unabhängigen Transkaktvierungsdomäne (AF-1). Im Gegensatz zu ERα
enthält ERβ zwar keine starke AF-1-Funktion aber eine spezielle Repressorbindende-Domäne, die nach Dissoziation des Repressors die Transkriptionsaktivität
des Rezeptor-Hormon-Komplexes erhöht. Neben der Bildung von ERα- bzw. ERβHomodimeren können sich auch biologisch aktive Heterodimere bilden (Pace 1997).
Zusätzlich moduliert ERβ die Transkriptionsaktivität von ERα.
Die physiologische Funktion von ERα und ERβ wurde in knock-out-Mäusen (ERα /- und/oder ERβ -/-) untersucht (Couse 1999). ERα-/- Mäuse sind infertil; in den
Ovarien wurden anstelle von reifen Follikeln und Corpora lutea lediglich
hämorrhagische Zysten gefunden. Der Uterus dieser Mäuse ist unreif, hypoplastisch
und damit für die Implantation und Versorgung von Embryonen ungeeignet. Ferner
fehlt in ERα-/- Mäusen Wachstum und Ausdifferenzierung der Brustdrüsen.
21
In ERβ-/- Mäusen waren hingegen Ovarien, Uterus und Mammae morphologisch
normal und diese Mäuse sind fertil; allerdings bilden sich in den Ovarien dieser Tiere
selbst nach Stimulation durch Gonadotropine deutlich weniger Follikel.
Der Phänotyp (ERα-/-, ERβ-/-) entspricht im wesentlichen den ERα-defizienten
Mäusen, was die vorrangige Bedeutung des ERα für die reproduktiven Funktionen
unterstreicht. Aus den ungenügend vorhandenen und stimulierbaren Follikeln der
ER-β-knock-out-Mäuse kann jedoch auf eine eigene Funktion des ERβ für eine
reguläre Follikelbildung und –funktion geschlossen werden (Couse 1999).
Die Progesteronrezeptoren (PR)
Auch die PR existieren in zwei Isoformen - PR-A und PR-B. Im Gegensatz zum ER
werden die PR durch separate Promoter und Translationsorte auf einem identischen
Gen generiert (Kastner 1990). Obwohl sich die zwei Isoformen strukturell nur durch
165
zusätzliche
Aminosäuren
ligandenunabhängigen
am
AF-1-Domäne)
N-terminalen
unterscheiden,
Ende
des
sind
PR-B
sie
(der
funktionell
weitgehend eigenständig; dies wird unter anderem durch unterschiedliches
Bindungsverhalten
gegenüber
Ko-Faktoren
und
dadurch
verschiedene
Transkriptionsaktivierung erklärt (Giangrande 2000; Richer 2002).
Es ist bekannt, daß Progesterone über ihre Rezeptoren sowohl Proliferation und
Morphogenese der Brustdrüsen als auch das Entstehen und Aufrechterhaltung einer
Schwangerschaft im Uterus entscheidend mitsteuern (Conneely 2002).
PR-A-knock-out-Mäuse haben schwere Abnormalitäten in den Funktionen von Ovar
und Uterus und sind infertil. Hingegen sind Entwicklung und Funktion der
Brustdrüsen normal. Im Gegensatz dazu zeigen PR-B -/- Mäuse ein normales
Ansprechen und ungestörte Funktion von Ovarien und Uterus während das
Wachstum der Brustdrüsen reduziert ist.
Hieraus läßt sich schließen, daß PR-A für die normale Funktion von Uterus und Ovar
und somit für Fertilität unerlässlich ist, während PR-B notwendig ist, um
Brustdrüsengänge wachsen und differenzieren zu lassen (Conneely 2002).
22
Da ER und PR oft im Tumorgewebe exprimiert sind, wachsen ER- und/oder PRpositive Mammakarzinome häufig hormonabhängig. Andererseits können diese
Rezeptoren durch Selektive-Estrogen-Rezeptor-Modulatoren (SERM) wie z.B.
Tamoxifen und Raloxifen oder durch gewebespezifische reine Antiöstrogene
(Fulvestrant) inaktiviert und dadurch das Tumorwachstum gebremst werden.
Prinzipiell besteht daher die Möglichkeit, die Proliferation durch eine gerichtete
medikamentöse Intervention zu behindern, und die Prognose der Patientinnen mit
ER-/PR-positiven Tumoren ist besser als die einer Patientin mit ER/PR-negativem
Tumor (Balleine R 2000). Weiterhin ist bekannt, daß PR-negative Tumoren eine
höhere Wahrscheinlichkeit für Metastasen haben und daher als aggressivere
Tumoren eingestuft werden (Balleine R 2000).
Die genaue Bedeutung der einzelnen Rezeptor-Isoformen für die Onkogenese und
das Verhalten der Mammakarzinome ist noch unklar. Es gibt Hinweise darauf, daß es
während der Entwicklung eines Mammakarzinoms zu einer verstärkten ERα- und
verringerten ERβ-Expression kommt; hingegen nehmen die Expressionslevel mit
fortschreitender maligner und damit entdifferenzierender Entwicklung wieder ab
(Leygue 1998; Kurebayashi 2000; Roger 2001). Dies legt eine Dysregulation der
Östrogenwirkung nahe und läßt eine pathogenetische Bedeutung der überwiegenden
ERα-Form vermuten. Eine neuere Untersuchung von Suzuki mit IHC- und PCRDetektion des ERα in 102 bzw. 30 Patientinnen zeigte eine positive Korrelation von
ERα-Expression und schlechter Prognose (Suzuki 2004). Die Bedeutung von ERβ
für die Prognose des Mammakarzinoms wird kontrovers diskutiert (Dotzlaw 1997;
Jarvinen 2000; Jensen 2001; Fuqua 2003). Ebenso könnte die Expression von ERβ
für die gelegentlich beobachtete Tamoxifenresistenz ERα-positiver Tumoren
verantwortlich sein (Speirs 1999).
Auch die Expression der PR-Isoformen ist bei der Tumorigenese und im etablierten
Mammakarzinom vermutlich dysreguliert und häufig überwiegt die Expression des
PR-A gegenüber der des PR-B (Mote 2002). Während PR-A und PR-B bei benignen
23
proliferativen Brustläsionen in nahezu 100% exprimiert sind, nimmt der PRExpressionsgrad bei DCIS (PR-A 65%/PR-B 75%) und invasiven Karzinomen (PRA 66%/PR-B55%) ab – im Verhältnis ist dabei der PR-A meist stärker exprimiert als
der PR-B (Ariga 2001).
1.3.2.2 Die Androgenrezeptoren (AR) und der Androgenrezeptor-Koaktivator
FHL-2
AR:
Auch die AR existieren in zwei Isoformen: dem AR-B und dem AR-A, die erstmals
1994 in humanen Fibroblasten nachgewiesen wurden (Wilson 1994). Analog zum PR
werden auch die Isoformen des AR durch Starten der Translation an verschiedenen
Orten eines identischen Gentranskripts generiert und AR-A ist am N-Terminus 188
Aminosäuren kürzer als AR-B. Damit unterscheiden sich die AR-Isoformen analog
zu
den
PR-Isoformen
in
der
ligandenunabhängigen
N-terminalen
Transaktivierungsdomäne (AF-1).
Der AR-B ist, mit Ausnahme des adulten Lymphknotengewebes, in allen fetalen und
adulten Geweben nachweisbar (Wilson 1996): die Expression ist in männlichen und
weiblichen reproduktiven Organen am deutlichsten (Prostata > Ovar > Endometrium
> Uterus). AR-A ist in praktisch allen fetalen Geweben, jedoch nicht in adulten
Geweben von Kolon, Lung und Niere nachweisbar und hier beträgt das Verhältnis
von AR-A zu AR-B durchschnittlich 1 zu 10.
Trotz der strukturellen Ähnlichkeit zwischen PR und AR erscheinen die
funktionellen Unterschiede zwischen AR-A und AR-B nicht so deutlich ausgeprägt
wie beim PR-A und PR-B.
Zoppi fand 1993 bei der Untersuchung einer Familie mit kompletter testikulärer
Feminisierung nur geringe Mengen einer gekürzten Form des AR (Zoppi 1993);
diese stellte sich später als AR-A-Isoform heraus (Wilson 1994; Wilson 1996). In
24
einer in-vitro Studie mit Zellinien konnte gezeigt werden, daß die RezeptorIsoformen auf verschiedene Androgen-Agonisten und –antagonisten ähnlich
reagieren, sofern beide Isoformen in gleichen Mengen exprimiert sind (Gao 1998).
Da aber in-vivo der AR-B deutlich überwiegt (AR-A : AR-B = 1:10) ist das bei
dieser Familie beschriebene funktionelle Defizit des AR-A eher eine Folge der
geringeren Expression als auf eine strukturbedingte Abweichung zurückzuführen.
Klinisch-therapeutisch relevant ist der Androgenrezeptor bisher vor allem beim
Prostata-Karzinom, wo analog zum Mammakarzinom über antihormonelle Therapie
das Tumorwachstum kontrolliert werden kann.
Die Rolle der AR beim Mammakarzinom ist noch nicht im Detail erforscht. Bekannt
ist, daß der AR-B sowohl in 70-90% der primären Mammakarzinome als auch in ca
70% der Fernmetastasen exprimiert wird; zudem besteht eine positive Korrelation
zum ER/PR-Status. (Lea 1989; Kuenen-Boumeester 1992; Isola 1993). Auffällig ist,
daß der AR auch in ER/PR-negativen, schlecht differenzierten Tumoren relativ
häufig exprimiert wird (Moinfar 2003).
Abgesehen von der bekannten Funktion der Androgene als virilisierende und anabole
Hormone ist bei Mammakarzinomzellinien jedoch auch eine wachstumshemmende
Wirkung
beschrieben
worden:
Man
postuliert,
daß
die
Effekte
einer
Medroxyprogesteronacetat (MPA)-Therapie auch über den AR gesteuert werden. Es
wurde gezeigt, daß MPA die Proliferation von ER/PR-negativen Zellinien hemmend
beeinflußt, wenn diese den AR exprimieren (Hackenberg 1993).
Ob die AR als prognostische und/oder prädiktive Faktoren beim Mammakarzinom
geeignet sind, ist noch unklar.
25
FHL-2:
Ein Ko-Aktivator des AR ist das FHL-2 (Four-and-a-half-LIM-domains 2). FHL-2
enthält vier LIM-Domänen und eine N-terminale halbe LIM-Domäne. LIMDomänen sind durch ein doppeltes Zink-Finger-Motiv charakterisiert, worüber
direkte Protein-Protein-Interaktionen mit LIM-enthaltenden Proteinen oder anderen
Protein-Klassen vermittelt werden können ( Jurata and Gill, 1998; Dawid et al 1998).
FHL-2 wurde als gewebespezifischer Koaktivator des AR beschrieben (Muller
2000). Ursprünglich wurde FHL-2 in Prostataepithelien und Myozyten beschrieben;
spätere Untersuchungen wiesen auch eine Expression in anderen Geweben sowie
Prostata-, Ovarialkarzinomen sowie Mammakarzinom-Zellinien nach (Muller 2000;
Nessler-Menardi 2000; Magklara 2002; Gabriel 2004).
In Anwesenheit des Liganden Dihydrotestosterons interagiert FHL-2 spezifisch mit
AR-B, jedoch nicht mit anderen nukleären Rezeptoren derselben Familie (GR, MR,
PR, Thyroid-Hormon-Rezeptor, Retinoid-Acid-Receptor). Durch diese Interaktion
wird die Transkriptionsaktivität des AR - zum Beispiel für das prostata-spezifische
Zielgen Probasin – gesteigert. Diese Wirkung von FHL-2 fand sich bei keinem der
anderen nukleären Rezeptoren, wie z.B. ER, VDR, TR.
Eine mögliche Assoziation des FHL-2 mit der Entstehung des Mammakarzinoms
ergibt sich aus der Interaktion zwischen BRCA1 und FHL-2, die zu einer erhöhten
Transaktivierung führte (Yan 2003). Die genaue Relevanz bei der Tumorgenese ist
jedoch noch ungeklärt.
1.3.2.3 Der Vitamin-D-Rezeptor (VDR)
Der VDR unterscheidet sich im Aufbau von den Steroidhormonrezeptoren - wie z.B.
AR, PR, AR - vor allem durch die sehr kurze N-terminale Domäne. Der wichtigste
26
Ligand ist das 1-α,25-Dihydrocholecalciferol, die biologisch aktive Form des
Vitamin-D3 (VD3).
Die vielfältigen biologischen Wirkung des VD3 werden durch den VDR und diverse
Kofaktoren vermittelt und sind in Abb. 5 schematisch dargestellt (Haussler 1997;
Haussler 1998; MacDonald 2001).
Die klassische Funktion – die endokrine Regulation der Calciumhomöostase über die
intestinale Calciumresorption - ist dabei nur ein Teilaspekt.
Abb. 5: Physiologische Wirkungen des VDR und seines Liganden 1- ,25dihydroxycholecalciferol (1,25(OH)2-D3): Die aktive Form des Vitamin-D,
1,25(OH)2-D3, bindet an den nukleären VDR, der als Transkriptionsfaktor and der
Regulation des Knochenstoffwechsels (Ca-, Phosphat-Homöostase) beteiligt ist.
Darüberhinaus spielt VD3 für die Funktion von Makrophagen, die Sekretion des
Parathormons und die Erhaltung der epidermalen Integrität eine wichtige Rolle.
Viele dieser Effekte werden durch VDR-regulierte Transkription bestimmter
Zielgene gesteuert, die auch an Zellproliferation, Differenzierungsvorgängen und
Apoptose beteiligt sind (Welsh 2003).
27
Die gewebespezifische Wirkung des VD3 läßt sich über den Metabolismus des
Vitamin-D zur seiner biologisch aktiven Form VD3 beschreiben. Abb. 6 zeigt die
organ-spezifischen Wege der Aktivierung. Hieraus lassen sich sowohl die
systemisch-endokrine
Wirkungsweise
des
VD3
–
die
Regulation
der
Calciumhomöostase – als auch die lokalen parakrin und autokrin vermittelten Effekte
verstehen.
Abb 6: Metabolismus und Aktivierung des Vitamin-D (Welsh 2003):
Vitamin-D ist in Form des Ergocalciferols (D-2) oder Cholecalciferols (D-3) in der
Nahrung enthalten und wird über den Gastrointestinaltrakt absorbiert. Zusätzlich
kann der Körper in sonnenexponierter Haut VD3 aus Vorstufen synthetisieren, die
vom Cholesterin abstammen. Die metabolische Aktivierung des VD3 zum
1,25(OH)2-D3 erfolgt in der Leber, Niere und denjenigen Zielgeweben, die über das
entsprechende Enzym vefügen (z.B. Haut, Prostata, Colon, Brust). Die Aktivierung
28
in der Niere und Freisetzung ins Blut führt hauptsächlich zur systemisch-endokrinen
Wirkung,
Aktivierung
in
spezifischen
Zielgeweben
vermittelt
lokal-
parakrine/autokrine Effekte zur Zellregulation. 25-OHASE: 25-hydroxylase; 1 OHASE: 1 -hydroxylase.
Der VDR spielt auch für die Differenzierung und Proliferation von Tumorzellen eine
Rolle: Es konnte gezeigt werden, daß VD3 die Proliferation von myeloiden MausLeukämiezellen hemmt und die Differenzierung zu Makrophagen induziert (Abe
1981). Dies führte zu der Idee, VD3 im Sinne einer Differenzierungstherapie
einzusetzen (Zhao 2001). Mit Blick auf die klinische Anwendung wurden VD3Analoga synthetisiert, um die als potentielle Nebenwirkung zu erwartende
Hyperkalzämie zu kontrollieren, ohne dabei den antiproliferativen Effekt zu
verlieren. Es wurde gezeigt, dass Calcitriol und seine Analoga die Proliferation von
Mammakarzinomzellinien sowohl in vitro (Frampton 1983; Simpson 1986; Hansen
1994; Vandewalle 1995) als auch im Tiermodell (Colston 1989) hemmen können.
Darüberhinaus konnte gezeigt werden, dass es zu einer VDR-abhängigen Hemmung
der Invasion und Migration in vitro sowie zur Hemmung der Angiogenese in vivo
kommt (Hansen 1994; Mantell 2000). Eine neuere Untersuchung anhand eines
etablierten Nacktmaus-Modells für Knochenmetastasen (Arguello 1988) zeigte für
das
Vitamin-D-Analogon
EB
1089
sowohl
präventive
Wirkung
gegen
Knochenmetastasierung als auch verlängertes Überleben der Versuchstiere (El
Abdaimi 2000).
Im Hinblick auf die bereits etablierte Therapie des Mammakarzinoms wurde eine
durch Antiöstrogene vermittelte Potenzierung der antiproliferativen Wirkung
verschiedener Vitamin–D-Analoga gefunden (Love-Schimenti 1996). Ferner konnte
Vitamin-D die Empfindlichkeit von Mammakarzinomzelllinien für Zytostatika
steigern (Ravid 1999; Wang 2000).
VD3 und seine Analoga werden zur Zeit nicht nur als Adjuvans bei schon
bestehender Erkrankung eingesetzt, sondern auch im Hinblick auf ihre Eignung zur
Chemoprävention des Mammakarzinoms untersucht (Welsh 2003).
29
Es gibt jedoch auch Daten, die auf eine proliferationsfördernde Wirkung des VD3 bei
Malignomen hinweisen: So ist die VDR-Expression in Karzinomen von Mamma und
Kolon im Gegensatz zu der anderer Steroidhormonrezeptoren hochreguliert, was auf
eine VDR-abhängige oder zumindest beeinflusste Proliferation hindeutet (Cross
1996; Friedrich 1998).
VD3 hat ein pleiotropes Wirkspektrum, was unter anderem auf die regulatorische
Wirkung bestimmter Metaboliten beim enzymatischen Umbau durch das Enzym
25(OH)D3-24-Hydroxylase (CYP24) zurückgeführt wird (Rashid 2001). So konnte
an Leukämiezellen in vitro gezeigt werden, daß 1α,24(R),25(OH)3-D3 hauptsächlich
pro-proliferativ wirkt, wohingegen das ursprüngliche 1,25(OH)2-D3 und ein weiteres
Zwischenprodukt, das 1α25(OH)2-24-oxo-D3, hauptsächlich pro-differenzierend
wirken (Campbell 1999).
1.4 Bone Sialo Protein (BSP)
Das Bone Sialo Protein (BSP) ist ein Glykoprotein, das etwa 12% der nichtkollagenen Knochenmatrix darstellt und wird normalerweise von Osteoblasten und
Osteoklasten produziert (Fisher 1983; Fisher 1990).
BSP vermittelt die Adhäsion zwischen Osteoklasten bzw. Osteoblasten und der
extrazellulären Knochenmatrix und reguliert die Knochenmineralisierung (Fisher
1983; Fisher 1990; Bianco 1991; Raynal 1996).
BSP kommt hauptsächlich in der Knochenmatrix vor, ist aber auch in
Weichteilgeweben
(z.B.
Plazenta)
und
verschiedenen
malignen
Tumoren
nachgewiesen worden (Bianco 1991; Bellahcene 1994; Bellahcene 1997; Bellahcene
1998; Bellahcene 2000b; Carlinfante 2003; Detry 2003).
Die Bedeutung des BSP wird hauptsächlich im Rahmen des osteotropen
Metastasierungsverhalten beim Mammakarzinom gesehen:
30
Das
Bone
Sialoprotein
wurde
erstmals
in
einer
immunhistochemischen
Untersuchung von Bellahcene mit dem Osteotropismus des Mammakarzinoms in
Verbindung
gebracht
(Bellahcene
1994).
Es
wurde
gezeigt,
daß
eine
immunhistochemisch nachweisbare BSP-Expression im Mammakarzinomgewebe
mit einer selektiven Knochenmetastasierung korreliert; Zusammenhänge mit
etablierten prognostischen Faktoren wie zum Beispiel Lymphknotenstatus, ER/PRStatus konnten jedoch nicht festgestellt werden (Bellahcene 1996a). Weitere Studien
an diversen Tumorgeweben, bestätigten eine solche Assoziation und postulierten das
BSP als potentiellen prädiktiv-prognostischen Faktor für Knochenmetastasierung
beim Mamma- und auch Prostata-Karzinom (Bellahcene 1996a; Bellahcene 1996b;
Waltregny 1998; Waltregny 2000; Diel 2001). Weiterhin konnte in-vitro und in-vivo
gezeigt werden, daß BSP-Expression auch Proliferation, Migration und Angiogenese
bei Mammakarzinomzellen fördert (Sung 1998; Bellahcene 2000a).
Abgesehen von den Primärtumoren wurde BSP auch in den Metastasen
verschiedener Mammakarzinome nachgewiesen; BSP war hierbei fast immer in
ossären Metastasen exprimiert, konnte aber auch in Weichteilmetasasen detektiert
werden (Waltregny 2000; Sharp 2004).
Nachdem das BSP initial meist immunhistochemisch in Tumorgewebe untersucht
wurde, folgte 1997 die Beschreibung im Serum bei malignen Knochenkranheiten
(Withold 1997) sowie die Entwicklung eines kommerziellen Radio-Immuno-Assays
zur Untersuchung des BSP im Serum (Karmatschek 1997).
Diel zeigte 1999 in einer Studie mit 388 Mammakarzinom und einem medianen
follow-up
von
20
Monaten,
dass
17
von
jenen
19
Patientinnen
mit
Knochenmetastasen im Vergleich zu neun Patientinnen mit selektiv-viszeraler
Metastasierung einen signifikant erhöhten präoperativen Serum-BSP-Spiegel hatten.
Die Serumkonzentration von BSP korrelierte aber nur mit der Größe des
Primärtumors und mit keinem anderen prognostischen Faktor. In der multivariaten
Analyse konnte der erhöhte präoperative Serum-BSP-Spiegel (>2.4ng/l) als
31
wichtigster unabhängiger prädiktiver Faktor für Knochenmetastasen ermittelt werden
(P < 0.001; relative risk, 94; Spezifität 96.7%, Sensitivität 89.5% (Diel 1999).
Fedarko zeigte jedoch, daß BSP – und auch Osteopontin (OPN) – im Serum an den
Komplementfaktor H gebunden sind, was Tumorzelllinien vor Komplementvermittelter Attacke schützen kann; zudem können erst nach Dissoziation hiervon die
totalen Serum-Konzentrationen des BSP gemessen werden (Fedarko 2000). Darauf
aufbauend wurde ein neuer Assay entwickelt, der Serum-BSP und OPN-Levels nach
Dissoziation vom Komplement H bei Patienten mit verschiedenen Tumorarten
(Colon, Brust, Prostata, Lunge) maß. Hier konnte zwar eine Spezifität für
Tumorpatienten versus Nicht-Tumorpatienten, jedoch nicht für spezielle Tumorarten
gefunden werden (Fedarko 2001).
Abgesehen von der Komplexierung des BSP mit anderen Proteine, gibt es das
prinzipielles
Problem,
daß
Serumproteine
nicht
notwendigerweise
einem
spezifischen Syntheseort – in diesem Fall den Tumorzellen - zuzuordnen sind.
Die genannten Rezeptoren (ER, PR, AR und VDR) und das BSP sind demnach
Beispiele für einerseits etablierte (ER, PR), andererseits postulierte (AR, VDR, BSP)
prognostische oder prädiktive Faktoren beim Mammakarzinom.
32
2. Fragestellung und Ziel der Arbeit
Obwohl
die
Heilungschancen
bei
Mammakarzinom
durch
verbesserte
Früherkennung und multimodale Therapiekonzepte gestiegen sind, entwickelt doch
ein beachtlicher Anteil der Patientinnen Fernmetastasen. Meist treten diese im
Verlauf der Nachsorge auf; in 1-5% wird jedoch schon bei der Erstdiagnose des
Tumors auch eine Fernmetastasierung diagnostiziert.
Zur Therapie des Mammakarzinoms stehen je nach Tumorstadium lokale,
systemische und (neo)adjuvante Maßnahmen zur Verfügung. Bei der adjuvanten
Therapie Hormonrezeptor-positiver Tumoren spielen Substanzen eine wichtige
Rolle, die den Rezeptor blockieren und dadurch die hormoninduzierte Proliferation
des Tumors hemmen. Analog zur Inhibierung des ER durch Tamoxifen kann die
Signaltransduktion membranständiger Rezeptoren der Epidermal-growth-factor
(EGF)-Rezeptor-Familie (Her1, Her2, Her3, Her4) durch spezifische Antikörper
gehemmt werden.
Im Rahmen der vorliegenden Studie sollte retrospektiv untersucht werden, ob die
Expression von Steroidhormonrezeptoren (ER, PR, AR), einem AR-Kofaktor (FHL2), dem Vitamin-D-Rezeptor und dem BSP mit dem Metastasierungsverhalten
primärer Mammakarzinome korreliert.
Tumoren von Patientinnen mit primärer Fernmetastasierung (nur Knochenmetastasen
vs. nur Weichteilmetastasen) wurden ausgewählt, um die Expression von AR, VDR,
FHL-2 und BSP immunhistochemisch zu analysieren. Als Kontrolle dienten
Tumoren von Patientinnen, die bei Diagnose und mindestens fünf Jahre nach
Primärtherapie rezidivfrei geblieben waren.
33
3.
Material und Methoden
3.1
Patientinnenkollektive
In
die
Studie
wurden
Patientinnen
mit
der
Diagnose
eines
primären
Mammakarzinoms (n=45) aufgenommen, die zwischen 1992 und 2000 an der
Universitäts-Frauenklinik-Freiburg behandelt wurden. Patientinnen, die bereits
früher an einem anderem Tumor erkrankt waren und/oder die bereits zum Zeitpunkt
der
Diagnose
des
Mammakarzinoms
sowohl
an
Knochen-
als
auch
Weichteilmetastasen litten, wurden ausgeschlossen.
Die
Tumoren
wurden
anhand
der
klinischen
Daten
und
des
weiteren
Krankheitsverlaufs einer von drei Gruppen zugeteilt. Neben der Lokalisation der
Metastasen spielte auch das zeitliche Auftreten eine Rolle für die Zuordnung (Tab 4).
Tabelle 4: Zuordnung der Proben und Alter der Patientinnen bei Diagnose
total
Gruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
Primäre Mammakarzinome
45
21
9
15
Altersangaben
Altersmedian (Jahre)
Pat. < 50 J.
Pat. > 50 J.
54 (29-76) 51 (35-76)
13
9
32
12
59 (29-76)
2
7
58 (33-67)
2
13
- Grupppe 1: lokale Erkrankung: primäre, nicht-metastasierte Mammakarzinome
ohne Lokalrezidiv oder Fernmetastasen innerhalb von mindestens fünf Jahren
- Gruppe 2: Karzinome mit selektiv viszeraler Metastasierung (Zeit zwischen
Erstdiagnose und Diagnose der Metastasen: Median 12 Monate, Bereich 1-41
Monate)
- Gruppe 3: Karzinome mit selektiver Knochenmetastasierung (Zeit zwischen
Erstdiagnose und Diagnose der Metastasen: Median 2 Monate, Bereich 0-31 Monate)
34
3.2
Die
Untersuchungsmaterial
Paraffinblöckchen
der
Primärtumoren
wurden
freundlicherweise
vom
Pathologischen Institut der Universitätsklinik Freiburg (Geschäftsführender Direktor:
Prof. Dr. med. H.E. Schäfer; jetzt: Prof. Dr. med. M. Werner) zur Verfügung gestellt.
3.3
Immunhistochemische Färbungen
Die immunhistochemischen Färbungen wurden an formalin-fixierten und in Paraffin
eingebetteten Tumorgewebeproben durchgeführt:
Gewebeschnitte
(5µm)
auf
Starfrost-Objektträger
µ
(Fa.
Langenbrinck,
Emmendingen) wurden in Xylol entparaffiniert und in absteigender Alkoholreihe
rehydriert. Anschließend erfolgte die Blockierung der endogenen Peroxidase mit 1%igem Wasserstoffperoxid (20 min) sowie die Antigendemaskierung in Citratpuffer
(pH 6.0, Behandlung in der Mikrowelle (500W), 3 x 5-10 Min. mit
Abkühlungsphasen von jeweils 5 Min.). Nach Abkühlen auf Raumtemperatur
wurden die Präparate mit Phosphat-gepufferter Kochsalzlösung (PBS) gewaschen
und mit dem jeweiligen Primärantikörper inkubiert (s. Tabelle 5). Bei der Färbung
des FHL-2-Rezeptors wurde zuvor eine Blockierung unspezifischer Bindungsstellen
durch Inkubation mit Pferdeserum in PBS (5ml PBS + 50µl Pferdeserum, 20Min.
RT, feuchte Kammer) durchgeführt.
Spezifisch
gebundener
Antikörper
wurde
mit
der
Avidin-Biotin-Komplex
Immunperoxidase Technik und 3,3`-Diaminobenzidin (Fa. Pierce, Illinois, USA) als
Substrat visualisiert. Die Gegenfärbung erfolgte mit Hämatoxylin (Hämalaun nach
Meyer).
Mit Ausnahme der Färbungen mit dem anti-FHL-2-Antikörper wurde der „Super
Sensitive Ready-to-Use Detection kit“ der Firma Biogenex (Vertrieb: DCSDiagnostics, Hamburg, Deutschland) verwendet. Zum Nachweis von FHL-2 wurde
35
der Vectastain Elite ABC-kit der Firma Vectorlabs (Vertrieb: Alexis, Grünberg,
Deutschland) eingesetzt.
Grundsätzlich wurden bei jeder Färbung Positiv- und Negativkontrollen sowie
Isotyp-Kontrollen zum Nachweis unspezifischer Färbungen mitgeführt.
Tabelle
5:
Antigene,
Primarantikörper
und
Kontrollgewebe
für
die
immunhistochemischen Untersuchungen
Antigen
Primärantikörper
Monoklonaler
Androgen-Rezeptor
(AR)
Kontrollgewebe
Maus-anti-human-
Androgen-Rezeptor Antikörper
(Klon AR 441; Dako; Copenhagen, humaner Hoden
Dänemark)
1:150; 1h, 42°C, feuchte Kammer
FHL-2
Monoklonaler Maus-anti-human-α-
(Four and a half Lim- FHL-2-Antikörper
domain-2 protein)
AR-pos.
(Muller 2000)
1:200; 2h, 37°C, feuchte Kammer
Monoklonaler
Vitamin-D-Rezeptor
(VDR)
humaner Hoden,
Mamma-
karzinomgewebe.
Ratten-anti-human-
Vitamin-D-Rezeptor Antikörper
(Klon 9A7 (MAB1360) Chemicon,
Hampshire, UK)
humaner
Dünndarm
1:750; 12h, 8°C, feuchte Kammer
Polyklonales
Bone sialo Protein
human-BSP
(BSP)
(Bianco 1991)
Kaninchen-antiAntiserum
(LF83);
1: 3000, 2h RT, feuchte Kammer
humane Plazenta
36
Für die Herstellung von 0.01M Citratpuffer (pH 6.0) wurden 15 ml 0.1M
Zitronensäure mit H2O auf 850 ml verdünnt, mit 0.1M tri-Natriumcitrat-Lösung auf
einen pH von 6,0 eingestellt und das Volumen mit H2O auf 1000 ml ergänzt.
Die PBS-Arbeitslösung war wie folgt zusammengesetzt:
2,7 mM KCl + 1,5mM KH2PO4 + 138 mM NaCl + 8 mM Na2HPO4 x 7 H2O
Grundchemikalien stammten, wenn nicht anders angegeben, von der Firma Merck
(Darmstadt, Deutschland) und hatten mindestens p.a.-Qualität. Alle Lösungen
wurden mit doppelt-deionisiertem Wasser (Millipore-Anlage) hergestellt.
3.4
Die
Auswertungsverfahren
Präparate
wurden
unabhängig
und
getrennt
durch
Mitarbeiter
der
Universitätsfrauenklinik Freiburg und des Pathologischen Institutes (Fr. Dr. med. M.
Orlovska-Volk) beurteilt. Je nach Anzahl und Intensität der gefärbten Zellen wurden
die Präparate als negativ, schwach positiv, mittelgradig positiv oder stark positiv
(semiquantitativer Färbescore: 0-3) bewertet.
Die photographischen Aufnahmen wurden von Fr. Dr. med. M. Orlovska-Volk
erstellt (Zeiss-Mikroskop; Vergrößerungsfaktor 10x bzw. 25x) und auf einem Canon
Scanner (max. Auflösung 4000dpi x 4000dpi) digitalisiert.
3.5
Statistik
Die statistische Auswertung erfolgte unter Anwendung von SAS Version 6.09 (SAA
Institute Inc., Cary, NC, USA). Zur Analyse der Assoziation verschiedener Variablen
untereinander wurde der Spearman-Korrelations-Koeffizient angewendet. Zum
Vergleich verschiedener Gruppen/Kollektive wurde der Kruskal-L-Wallis-Test
37
verwendet. Um evtl. vorhandene unabhängige Variablen für eine bestimmte
Metastasierungsart zu ermitteln, wurde zudem eine logistische Regressionsanalyse
bezüglich der klinisch-pathologischen Parameter und der Rezeptor-Scores als
Einflußgrößen durchgeführt. Als Signifikanzniveau wurde p<0,05 gewählt.
38
4.
Ergebnisse
4.1
Patientinnenkollektive
Es wurden Tumoren von Patientinnen mit und ohne Fernmetastasen bei Diagnose
ausgewählt. Die Daten zum ER-/PR-Status wurden aus den Krankenakten
übernommen. Die Daten der Patientinnen sowie die Charakteristika der Patientinnen
und Tumoren sind in Tab. 6 wiedergegeben.
Die Altersverteilung unter den drei Kollektiven war ohne signifikante Unterschiede.
Hingegen bestanden Unterschiede hinsichtlich Tumorstadium, Nodalstatus und
Hormonrezeptorstatus: Die Kontrollpatientinnen hatten erwartungsgemäß niedrigere
N-Stadien als Patientinnen mit Fernmetastasen. In der Untergruppe der Patientinnen
mit rein viszeralen Metastasen bestand im Vergleich zu den Kontrollpatientinnen ein
signifikant höheres T-Stadium und häufiger PR-negativer Hormonrezeptorstatus.
39
Tabelle 6: Verteilung der histopathologischen Merkmale
Kontroll-Patientinnen
Patientinnen mit Fernmetastasen
gesamt
nur VM
nur KM
24
9
15
n
21
Alter bei Diagnose (Jahre)
Median
51
58
59
58
35-76
29-76
29-76
33-76
p
n.s.
Bereich
a
Tumorstadium
pT1
pT2
pT3
13
7
0
6
5
1
2
2
1
4
3
0
pT4
unbekannt
0
1
10
2
2
2
8
0
0.048
Nodalstatus
b
0.003
pN0
pN1
pN2
pN3
18
3
0
0
2
11
6
1
1
4
2
0
1
7
4
1
unbekannt
0
4
2
2
Grading
G1
G2
G3
3
7
11
1
9
14
0
4
5
1
5
9
c
0.002
n.s.
d
Hormonrezeptorstatus
0.024
ER (pos)
PR (pos)
Follow-up (Monate)
Median
Bereich
16
18
17
8
4
2
13
6
73
64-83
5
0-41
12
1-41
2
0-31
Zeit bis zur Metastasierung
Median
keine Fernmetastasen
0
6
0
Bereich
keine Fernmetastasen
0-34
0-34
0
a
Kontrollpatientinnen
b
vs.
Patientinnen
mit
rein
Kontrollpatientinnen vs. Pat. mit Fernmetastasen;
viszeraler
Metastasierung;
c
Kontrollpatientinnen vs.
Patientinnen mit rein ossärer Metastasierung; dPR-Status der Kontrollpatientinnen vs.
Patientinnen mit rein viszeraler Metastasierung.
40
4.2
Nachweis der Expression von AR, FHL-2, VDR, BSP
In allen Tumoren wurde die Expression von AR, FHL-2, VDR und BSP
immunhistochemisch untersucht. In Abb. 7 ist orientierend die Pathomorphologie
drei ausgewählter Mammakarzinome anhand von Hämatoxylin-Eosin-Färbungen
wiedergegeben. In Abb. 8 ist eine Übersicht der immunhistochemischen Färbungen
dargestellt. Die Abb. 9-11 zeigen exemplarisch vergrößerte Bildausschnitte der
immunhistochemisch untersuchten Proteine.
Tumor Koll. 1 (10x)
Tumor Koll. 2 (10x)
Tumor Koll. 3 (10x)
Abb 7: HE-Färbungen drei ausgewählter Mammakarzinome aus Kollektiv 1, 2 und 3
Alle Präparate wurden aufgrund der Intensität und Zahl der gefärbten Tumorzellen
mit einem Score von 0-3 beurteilt. In Tab.7 sind. die immunhistochemischen
Färbescores wiedergegeben.
Die immunhistochemischen Färbungen zeigten eine spezifische nukleäre Expression
des Androgenrezeptors in den Tumorzellen (sporadisch auch in Stromazellen). Der
Androgenrezeptor-Coaktivator FHL-2 war unabhängig von Tumorstaging und
Kollektiv meist mäßig bis stark in Tumorzellen sowie in gesundem Gewebe
exprimiert. Auch in den wenigen AR-negativen Tumorgeweben war FHL-2 mäßig
bis gut nachweisbar.
Auch der VDR zeigte eine meist deutliche und spezifisch nukleäre Expression. Beim
Nachweis des BSP (mAK LF83) fiel bereits bei der Positivkontrolle (humane
Plazenta-Synzytiotrophoblastzellen) auf, daß neben dem Zytoplasma teilweise auch
Zellkerne angefärbt waren. Ebenso ließ sich in verschiedenen MammakarzinomGeweben eine Färbung der Zellkerne nachweisen.
41
Sowohl FHL-2 als auch das BSP war in allen Kollektiven meist deutlich exprimiert.
Der PR-Status war bei Patientinnen mit selektiv viszeraler Metastasierung signifikant
häufiger negativ als bei den Kontrollpatientinnen. Im Vergleich der VDR-Expression
bei Patientinnen mit selektiv viszeraler vs. ossärer Metastasierung fiel eine Tendenz
zu höherer Expression bei Patientinnen mit selektiv viszeraler Metastasierung
auf (p 0.057).
Koll.2
Koll.3
Pos.ktr.
Neg.ktr.
Kollektiv 3 –Tumor einer Patientin mit selektiv ossärer Metastasierung
Kollektiv 2 –Tumor einer Patientin mit selektiv viszeralen Metastasen
Kollektiv 1 –Tumor einer Patientin ohne Fernmetastasierung
AR-Kontrollen: Hoden, FHL-2-Kontrollen: Mamma, VDR-Kontrollen: Dünndarm, BSP-Kontrollen: Plazenta
Vergrößerung AR-pos.ktr. 25x, alle anderen Aufnahmen 10x.
negativen Kontrollen
Abb. 8: Immunhistochemische Färbungen (AR, FHL-2, VDR, BSP) der Kollektive 1-3 mit den dazugehörenden positiven und
BSP
VDR
FHL-2
AR
Koll.1
BSP
FHL-2
Abb. 9: Vergrößerungsausschnitte der immunhistochemische Färbungen Kollektiv 1
VDR
AR
BSP
FHL-2
Abb. 10: Vergrößerungsausschnitte der immunhistochemische Färbungen Kollektiv 2
VDR
AR
BSP
FHL-2
Abb. 11: Vergrößerungsausschnitte der immunhistochemische Färbungen Kollektiv 3
VDR
AR
42
Tabelle 7: Expression von ER und PR (aus den Akten übernommen) sowie von AR,
FHL-2, VDR und BSP als semiquantitativer Score (0 (neg) bis 3 (stark positiv))
Kontroll-Patientinnen
n
Patientinnen mit Fernmetastasen
21
gesamt
24
nur VM
9
nur KM
15
5
16
7
17
5
4
2
13
p
Hormonrezeptorstatus
ER
- neg
- pos
n.s.
a
PR
3
16
7
9
18
8
2
6
-neg
2
7
5
2
+1
+2
3
9
3
9
0
3
3
6
+3
7
5
1
4
-neg
+1
0
1
0
3
0
1
0
2
+2
14
13
4
9
+3
6
8
4
4
- neg
- pos
0.024
AR
n.s.
FHL-2
n.s.
b
VDR
0.057
-neg
2
5
1
4
+1
+2
4
5
10
6
5
1
1
5
4
8
6
2
+3
n.s.
BSP
-neg
+1
0
2
0
1
0
0
0
1
+2
10
15
3
12
+3
9
8
6
2
a
Kontrollpatientinnen vs. Patientinnen mit rein viszeraler Metastasierung;
b
Patientinnen mit rein viszeraler Metastasierung vs. Patientinnen mit rein ossärer
Metastasierung
43
4.3
Statistische Auswertungen
Der Vergleich aller Patientinnen-Kollektive mittels Kruskal-Wallis-Test ergab
hinsichtlich
TNM-Stadium,
Grading,
und
Rezeptorexpression
signifikante
Unterschiede (vgl. Tabelle 6 und 7):
Patientinnen mit den aggressiveren primär fernmetastasierenden Tumoren (ossär und
viszeral) hatten höhere T- (p=0.004) und N-Stadien (p=0.005) als die
Kontrollpatientinnen ohne Fernmetastasierung. Den höchsten Wert für T und N
hatten Patientinnen mit selektiv ossärer Metastasierung.
Beim AR und FHL-2 gab es keine signifikanten Unterschiede im Vergleich aller
Kollektive. FHL-2 war in allen Kollektiven gleichermaßen exprimiert.
Der VDR war bei Patientinnen mit selektiv viszeraler Metastasierung maximal
(p=0.02), und bei Patientinnen mit selektiv ossären Metastasen minimal exprimiert.
Im Untergruppen-Vergleich fand sich beim VDR stärkere Expression bei selektiv
viszeral
gegenüber
ossär
metastasierten
Tumoren
(p=0.02)
bzw.
bei
Kontrollpatientinnen gegenüber Patientinnen mit selektiv ossären Metastasen
(p=0.01).
Für das Bone Sialo Proteins gab es im Gesamtvergleich keine signifikanten
Unterschiede (p=0.07); lediglich eine Tendenz zu maximaler Expression bei selektiv
viszeral metastasierten Tumoren, jedoch nicht bei Tumoren mit selektiv ossärer
Metastasierung. Wie FHL-2 war auch das BSP in allen drei Gruppen meist stark
exprimiert.
In
den
logistischen
Regressionsanalysen
waren
folgende
Zusammenhänge
signifikant:
Im Vergleich aller Patientinnen-Kollektive korrelierte ein positiver LK-Status mit
dem
Auftreten
von
Fernmetastasen
(p=0.0003).
Im
Vergleich
zwischen
Kontrollpatientinnen und Patientinnen mit selektiv viszeralen Metastasen waren
lediglich hohes T-Stadium (p=0.048) und negativer PR-Status (p=0.02) mit
vizeralem Metastasierungsverlauf assoziiert.
44
Auch im Vergleich zwischen Kontrollpatientinnen und Patientinnen mit selektiv
ossären Metastasen war nur positiver LK-Status mit ossärer Fernmetastasierung
assoziiert (p=0.002). Die VDR- und BSP-Expression waren nicht signifikant mit
Knochenmetastasen assoziiert.
Im Vergleich zwischen selektiv viszeral und ossär metastasierten Tumoren war
negative bzw. geringe VDR-Expression (p=0.03) mit der Ausbildung von
Knochenmetastasen assoziiert, wenn man den BSP-Status in die Regressionsanalyse
miteinbezog. Positive bzw. starke AR-Expression war in diesem Fall nur tendenziell
aber nicht signifikant mit Knochenmetastasierung assoziiert.
Wurde der BSP-Status nicht in die Analyse miteinbezogen, ergab sich eine
signifikante Assoziation von ossärer Metastasierung mit positivem AR-Status
(p=0.048) wohingegen der VDR-Status nicht signifikant mit ossärer Metastasierung
assoziiert war.
Die Spearmannsche Korrelationsanalyse aller Kollektive untereinander ergab
folgende Tendenzen:
Es wurden positive Korrelationen gesehen zwischen ER und jeweils PR, Grading
und AR; weiterhin zwischen N- und T-Stadium. Auch VDR und BSP korrelierten
positiv. Negativ korrelierten jeweils PR und N-, VDR und T- sowie FHL-2 und TStadium. Zwischen VDR und AR bestand keine Korrelation.
Zusammengefaßt bestehen aufgrund der erhobenen Daten Hinweise, daß ein geringer
VDR-Score sowie ein stark positiver AR-Score mit selektiv ossärer Metastasierung
zusammenhängen könnten und daß ein negativer PR-Status möglicherweise mit
selektiv viszeraler Metastasierung assoziiert ist. Ein hoher VDR- oder BSP-Score
war jedoch nicht signifikant mit Knochenmetastasen assoziiert.
45
5. Diskussion
Im Hinblick auf die hohe Inzidenz des Mammakarzinoms, haben in den letzten
Jahren unter anderem verbesserte Screening-Programme zur Diagnose früherer
Tumorstadien geführt. Dies erlaubt eine weniger aggressive Therapie mit z.B.
brusterhaltenden
Operationsverfahren
und
schonender
axillärer
Sentinel-
Lymphknotendissektion. Aufgrund der reduzierten Radikalität stellt sich jedoch die
Frage nach der Indikation zur adjuvanten Chemo- und/oder Strahlentherapie in
diesen Frühstadien. Es bleibt problematisch, daß beim Mammakarzinom auch im
Falle einer früheren Diagnose eines lokal begrenzten Tumors eine Metastasierung
nicht ausgeschlossen werden kann.
Daher wird intensiv nach geeigneten Markern gesucht, die sowohl eine Vorhersage
des biologischen Metastasierungspotentials erlauben, als auch zwischen einer
bevorzugt ossären und viszeralen Metastasierung diskriminieren könnten. Solche
prädiktiven Faktoren würden eine differenziertere Indikation zur adjuvanten
Therapie
erlauben
und
damit
den
Patientinnen,
die
keine
relevante
Prognoseverbesserung durch eine adjuvante Therapie erreichen können, die
Nebenwirkungen und zum Teil erheblichen Komorbiditäten ersparen.
In der vorliegenden Arbeit sollte geprüft werden, ob die Hormonrezeptoren AR (mit
FHL-2 als Kofaktor), VDR und das BSP als „knochenspezifisches Protein“ evtl. als
Marker geeignet sind, Metastasierungsverhalten vorherzusagen. Hier stand
insbesondere zu klären, ob eine erhöhte BSP- und VDR-Expression bei selektiv ossär
metastasierenden Tumoren auftritt. Für eine erste Prüfung dieser Hypothese wurde
retrospektiv eine immunhistochemische Untersuchung an drei kleineren, klinisch gut
definierten Kollektiven durchgeführt.
46
Der überraschendste Befund war die signifikant niedrigste VDR-Expression in
Tumoren von Patientinnen mit selektiv ossär metastasierten Karzinomen (Kollektiv
3). Es konnte kein Zusammenhang für höhere Gewebedifferenzierung bei primär
ossär im Vergleich zu viszeral metastasierenden Tumoren gesehen werden. Dies
steht im Gegensatz zur Ausgangshypothese, daß VDR in diesem Kollektiv deutlich
und mehr als bei Patientinnen mit selektiv viszeral metastasierten Karzinomen
(Kollektiv 2) exprimiert sei.
Ferner gab es in dieser Studie keine Hinweise auf eine signifikant erhöhte BSPExpression bei Tumoren mit selektiver Knochenmetastasierung. BSP - wie auch
FHL-2 - waren ubiquitär und meist stark exprimiert. Weiterhin waren die Tumoren
von Patientinnen aus der Kontrollgruppe rezidivfreier Mammakarzinome (Kollektiv
1) unerwartet gering differenziert, zeigten aber fast alle eine meist stark positive
Expression aller Rezeptoren. Dies könnte ihren klinisch günstigeren Verlauf
miterklären.
Im Vergleich aller Kollektive fiel die negative Korrelation von VDR mit T- und NStadium auf. Es konnte aber keine Korrelation von VDR und AR gefunden werden.
Bezüglich der Rezeptorexpression bestehen in dieser Studie Hinweise, daß bei
geringem VDR-Score bzw. bei (stark) positivem AR-Score eher Knochenmetastasen
auftreten.
Aus der Literatur ist bekannt, daß AR und ER/PR häufig ko-exprimiert sind, und
dass der AR auch häufig in schlecht differenzierten, ER/PR-negativen Tumoren
detektierbar ist (Kuenen-Boumeester 1996; Moinfar 2003). Agoff fand in einer
immunhistochemsichen Untersuchung, daß positive Expression des AR speziell im
Kollektiv der ER-negativen Mamma-Karzinome auf ein längeres rezidivfreies
Intervall hinweist und daher zur Therapie-Stratifizierung bei dieser Patientengruppe
dienen
kann,
die
wegen
des
negativen
Standardtherapie erhält (Agoff 2003).
ER-Status
oft
keine
endokrine
47
Unsere Daten stimmen mit der Literatur insofern überein, als der AR meist (in 42/53
Tumoren) detektiert werden konnte und auch in ER/PR-negativen Tumoren häufig
exprimiert war. Auffällig war die Tendenz häufiger AR-negativer Tumore im
Kollektiv
2
(7/12).
Die
Annahme,
dass
AR-Expression
mit
selektiver
Viszeralmetastasierung assoziiert ist, konnte jedoch wegen der kleinen Fallzahl im
Kollektiv 2 nicht signifikant nachgewiesen werden.
Der AR-spezifische Koaktivator FHL-2 war sowohl in Tumorzellen als auch in
gesundem Gewebe exprimiert. Auch in den wenigen AR-negativen Tumoren war
FHL-2 mäßig bis gut nachweisbar. Es zeigte sich, daß die FHL-2-Expression
ubiquitär war und keine Assoziationen zu Tumorstadium oder Kollektiv bestanden.
Die Expression des FHL-2 in AR-negativen Tumoren könnte einerseits als falschnegative Färbung des AR interpretiert werden; FHL-2 könnte jedoch auch weitere
Funktionen besitzen und somit als Koaktivator nicht nur AR-spezifisch auftreten.
Der
Zusammenhang
zwischen
VDR-Expression,
klinisch-pathologischen
Parametern, dem Hormonrezeptor-Status, Metastasierung und Prognose wird bis
heute kontrovers diskutiert:
Eisman wies erstmals den VDR biochemisch in einer Mammakarzinom-Zelllinie
(MCF7) nach und spekulierte über eine mögliche Assoziation zwischen VDRExpression und dem Metastasierungsverhalten des Tumors (Eisman 1979). Freake
untersuchte in einem relativ kleinen Kollektiv von 68 Patientinnen die Korrelation
des biochemisch ermittelten VDR-Status mit klinischen Variablen und fand keine
Beziehung zu ER-, Menopausenstatus, T-Stadium oder histologischem Tumortyp;
auch zu metastasenverdächtigen Läsionen in Skelettszintigraphien und insgesamt zur
Prognose war keine Korrelation ersichtlich (Freake 1984). Eine follow-up Studie von
Eisman mit 191 Patientinnen über eine Zeitraum von bis zu 68 Monaten ergab
lediglich eine Assoziation von positivem VDR-Status mit späterer LKMetastasierung jedoch keine Beziehung zu selektiver Knochenmetastasierung; auch
das Gesamtüberleben war nicht beeinflußt (Eisman 1986).
48
In einer späteren immunhistochemischen Untersuchung und retrospektivem followup von 136 Patientinnen mit Mammakarzinom ermittelte Berger zwar ein signifikant
verlängertes rezidivfreies Intervall bei VDR-positiven Tumoren, fand sonst aber
keine
Korrelation
zu
ER/PR,
Menopausenstatus,
T-,
N-Stadium
oder
Metastasierungsverhalten (Berger 1991).
Neuere Untersuchungen fokussieren auf die Assoziation von VDR-Genotypvarianten
(BSML, TAQI) mit spezifischem Tumorverhalten: So waren zum Beispiel für die
Variante BSML doppelt homozygote Patientinnen (bb) mit einem vierfach höheren
Risiko
für
Fernmetastasierung
behaftet
als
Patientinnen,
denen
diese
Genotypvariante in beiden Allelen fehlte (BB) (Ruggiero 1998; Lundin 1999).
Bezüglich selektiver Knochenmetastasierung detektierte Schöndorf kürzlich einen
VDR-Genotyp (APAI), bei dessen Abwesenheit in beiden Allelen (AA) mit einer
1,7fach erhöhten Inzidenz von Knochenmetastasen zu rechnen sei (Schondorf 2003).
Die genauen Mechanismen, wie durch verschiedene VDR-Genotypen das
Risikoprofil eines Mammakarzinoms determiniert wird, sind jedoch noch unklar.
Unsere Ergebnisse stimmen insofern mit der beschriebenen Literatur überein, als
keine signifikante Korrelation zu ER/PR-Status und Grading gefunden werden
konnte. Im Vergleich aller Kollektive bestand jedoch eine inverse Korrelation von
VDR-Expression und T- sowie N-Stadium. Auffällig waren die signifikant
niedrigsten VDR-Scores im Kollektiv 3 mit selektiv ossärer Metastasierung. Speziell
in diesem Kollektiv fiel eine Tendenz zu Lymphknotenbefall und hohen
Tumorstadien auf. Unter Berücksichtigung der geringen Fallzahl ist dieses Ergebnis
jedoch nicht generalisierbar.
49
Die am meisten untersuchte Funktion des BSP ist im Zusammenhang mit dem
bekannten Osteotropismus des Mamma-Karzinoms zu sehen. Welche Funktion das
BSP im Metastasierungsprozess genau spielt, ist trotz intensiver Recherche bis heute
nicht vollständig geklärt.
1991 wies Bianco BSP-Protein und -mRNA in diversen humanen Geweben mittels
IHC und in-situ-Hybridisierung nach; auffällig war die stark positive Expression in
Plazenta-Trophoblastzellen und die BSP-Synthese in Osteoklasten, was BSP als
möglichen Mediator der Adhäsion an die Knochmatrix erscheinen ließ (Bianco
1991). Weiterhin wurde eine in-vitro Stimulation der Knochenresorption durch BSP
beschrieben,
die
unter
anderem
auf
die
BSP-vermittelte
Erhöhung
der
Zellbindungsfähigkeit von Osteoklasten zurückgeführt wurde (Roach 1994; Raynal
1996).
1998 konnte Sung in Mammakarzinomzellinien zeigen, wie Krebszellen durch BSP
nicht nur über Osteoklasten sondern auch direkt mit dem Knochen interagieren
können; dies geschieht über verschiedene Integrine. Zudem wurde gezeigt, dass BSP
auch die Migration und Invasion der malignen Zellen in vitro fördert (Sung 1998).
Bellahcene wies 2000 erstmals BSP-vermittelte verstärkte Endothelzellanhaftung,
Migration und Angiogenese in einem Modell mit venösen Endothelzellen nach
(Bellahcene 2000a).
Spätere Studien bestätigten auch in Tiermodellen, dass BSP Migration, Invasion und
Proliferation von Mammakarzinomzellen fördern kann (Chen 2003; Sharp 2004). In
Sharps Studie war der Wachstumseffekt auf Primärtumor bzw. korrespondierende
Metastasenläsionen jedoch nicht spezifisch für Knochenmetastasen; er wurde auch in
viszeralen Metastasen konstatiert.
Funktionell bedeutsam ist auch die Beeinflussung der BSP-Expression durch
Steroidhormone:
Oldberg
zeigte
als
erster,
daß
Dexamethason
in
Ratten-Knochen
und
Osteosarkomzellen in vitro die Bildung von BSP-mRNA erhöhen und Vitamin-D3
50
diese nach unten regulieren kann (Oldberg 1989). Später zeigten Ogata bzw. Sodek
dieselbe Wirkung von Dexamethason bzw. Vitamin-D3 auf die BSP-Transkription in
Assoziation mit der Differenzierung von Osteoblasten: Dexamethason stimulierte die
BSP-Expression in differenzierten Osteoblasten und damit die Knochenneubildung
während Vitamin-D3 die BSP-Expression abbrach und die Osteosynthese
unterdrückte (Ogata 1995; Sodek 1995).
Zusammengefaßt bestehen aktuell folgende Hypothesen zum Osteotropismus speziell
des Mammakarzinoms.
-
Die klassische, schon 1889 von Paget formulierte „seed and soil“-Theorie.
Derzufolge liefern die „Zielorgane“ den abgesiedelten Tumorzellen einen
„fruchtbaren Boden“ zum weiteren Wachstum (Paget 1889).
-
Waltregny, Bellahcene et al. schlugen ein Modell vor, in dem maligne Zellen
analog zu Osteoklasten BSP selbst synthetisieren, um über Integrine (z.B.
ανβ3) direkt an die Knochenmatrix binden zu können und dort je nach
Zelltyp
osteolytische
oder
osteoplastische
Läsionen
zu
induzieren.
(Waltregny 2000). Bislang konnte jedoch eine direkte Interaktion von
malignen Zellen mit Knochen in vivo noch nicht definitiv bewiesen werden.
-
Barnes et al. postulierten, daß sich metastasierende Zellen speziell in den
Knochen ansiedeln und dort proliferieren, weil sie den Phänotpy von
normalen Skelettzellen vortäuschen, indem sie Proteinprodukte typischer
Gene von Knochenzellen generieren. Hierzu zählt zum Beispiel das BSP. Auf
diesem Hintergrund wurde ein Bindungselement (Runx2) gefunden, das
durch ektope Produktion in Mammakarzinomzellen die BSP-Expression
aktivieren kann und einen möglichen Weg der Aktivierung von Skelettspezifischen Genen durch Krebszellen darstellt (Barnes 2003).
Unsere
Ergebnisse
bezüglich
des
BSP
als
möglicher
Marker
für
eine
Knochenmetastasierung stimmen in einem zentralen Punkt nicht mit der
51
entsprechenden Literatur überein: BSP war im Kollektiv mit selektiver
Knochenmetastasierung nicht stärker exprimiert als in den Vergleichskollektiven;
insgesamt gab es keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen,
sondern sogar eine Tendenz zu höherem Anteil an BSP in Tumoren mit selektiv
viszeraler als in Tumoren mit selektiv ossärer Metastasierung. Die Expression in
Viszeralmetastasen wurde jedoch bereits beschrieben (Waltregny 2000; Sharp 2004)
und suggeriert, daß BSP auch in Weichteilgeweben am Metastasierungsprozess
beteiligt sein kann.
Übereinstimmend mit der Literatur konnte auch in dieser Arbeit keine Korrelation
zwischen BSP-Expression und klinisch-pathologischen Parametern wie T-, NStadium, Grading und ER/PR-Status nachgewiesen werden. Ebenso existierte keine
Korrelation zwischen BSP und VDR- bzw. AR/FHL-2-Expression. Eine solche
wurde nach Wissen des Autors bisher auch noch nicht untersucht. Wegen der
bekannten hemmenden Wirkung von Vitamin-D3 auf die BSP-Expression, wäre dies
jedoch eine interessante Fragestellung für weitere Untersuchungen.
52
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7. Zusammenfassung
Das invasive Mammakarzinom der Frau ist ein Tumor mit Prädilektion für eine
Knochenmetastasierung und verursacht erhebliche Morbidität und Mortalität.
Prognostische und prädiktive Faktoren für ein spezifisches Tumorverhalten spielen
eine immer größere Rolle bei einer risikoadaptierten Therapie und Nachsorge.
Neben etablierten Faktoren wie dem Östrogen (ER)- und Progesteronrezeptor (PR)Status wurden zuletzt auch der Androgenrezeptor (AR), Vitamin-D-Rezeptor (VDR)
und das Bone Sialo Protein (BSP) als mögliche prädiktive bzw. prognostische
Faktoren diskutiert. Der Androgenrezeptor-Koaktivator Four-and-a-half-LIMdomain-protein-2 (FHL-2) wurde erst kürzlich als gewebespezifischer Kofaktor des
AR beschrieben, bisher jedoch noch nicht in Mammakarzinomgewebe untersucht.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, ob zwischen dem Nachweis
der genannten Proteine im Tumor und dem Metastasierungsverhalten ein
Zusammenhang besteht.
Immunhistochemisch wurde die Assoziation einer selektiven Metastasierung bei 9
Patientinnen mit viszeral metastasierten (Gruppe 2), 15 Patientinnen mit ossär
metastasierten (Gruppe 3) und 21 Patientinnen mit Mammakarzinomen ohne
Metastasen (Kontrollgruppe = Gruppe 1) bezüglich der Expression von AR, VDR
und BSP untersucht. Zusätzlich wurde FHL-2 gefärbt, um dessen Expression in
Mammakarzinomgewebe zu untersuchen.
Es konnte gezeigt werden, daß der VDR die niedrigste Expression im Kollektiv der
selektiv ossär metastasierten Karzinome aufwies und eine Assoziation von PRnegativen Tumoren mit einer viszeralen Metastasierung bestand. BSP und FHL-2
waren in allen drei Gruppen gleichermaßen exprimiert. Hinweise auf eine erhöhte
BSP-Expression im Kollektiv mit selektiver Knochenmetastasierung fanden sich in
dieser Studie nicht.
8. Anhang
Abkürzungsverzeichnis
AR
Androgen Rezeptor
BSP
Bone Sialo Protein
DBD
DNA-binding domain
DCIS
Duktales Carcinoma in situ
EGF
Endothelial growth factor
ER
Estrogen Rezeptor
FGF
Fibroblast growth factor
FHL-2
Four-and-a-half LIM-domain protein 2
IDC
Invasiv duktales Carcinom
ILC
Invasiv lobuläres Carcinom
ILGF
Insulin-like growth factor
LBD
Ligand-binding domain
LCIS
Lobuläres Carcinoma in situ
OPN
Osteopontin
PDGF
Platelet derived growth factor
PR
Progesteron Rezeptor
PTHrP
Parathormon related Protein
PTRP
Parathormon related peptid
RAR
Retinoid Acid Receptor
SLND
Sentinel Lymph Node Dissection
SRC-1
Steroid receptor coactivator-1
TGF-beta
Transforming growth factor beta
uPA
urokinase-Plasminogen-Aktivator
VD3
Vitamin-D-3
VDR
Vitamin-D-Rezeptor
VNPI
Van-Nuys-Prognostic-Index
Vergleich der AJCC-Staging Systeme 1998 und 2003
für Mammakarzinome
1988
Primary
tumor (T)
2003
Primary
tumor (T)
unchanged from 1988
TX
Primary tumor cannot
be assessed
TX
Primary tumor cannot be assessed
TO
No evidence of primary
tumor
TO
No evidence of primary tumor
Tis
Carcinoma in situ:
intraductal carcinoma,
lobular carcinoma in
situ, or Paget’s disease
of the nipple with no
tumor
Tis
Carcinoma in situ: intraductal
carcinoma, lobular carcinoma in situ,
or Paget’s disease of the nipple with
no tumor
T1
Tumor 2 cm or less in
greatest dimension
T1
Tumor 2 cm or less in greatest
dimension
T2
Tumor more than 2 cm
but not more than 5 cm
in greatest dimension
T2
Tumor more than 2 cm but not more
than 5 cm in greatest dimension
T3
Tumor more than 5 cm
in greatest dimension
T3
Tumor more than 5 cm in greatest
dimension
T4
Tumor of any size with
direct extension (a) to
the chest wall (b) skin,
only as described
below
T4
Tumor of any size with direct
extension (a) to the chest wall (b) skin,
only as described below
T4a extension to chest
wall
T4a extension to chest wall
T4b edema (including
peau d’orange) or
ulceration of the skin of
the breast or satellite
skin nodules confined
to the same breast
T4b edema (including peau d’orange)
or ulceration of the skin of the breast
or satellite skin nodules confined to
the same breast
T4c (a) and (b)
T4c (a) and (b)
T4d inflammatory
carcinoma
T4d inflammatory carcinoma
Regional
lymph
nodes (N)
Regional
lymph
nodes (N)
Important changes (in bold)
NX
Regional lymph nodes
cannot be assessed
NX
Regional lymph nodes cannot be
assessed
N0
No regional lymph
node metastasis
N0
No regional lymph node metastasis
N1
Metastasis to movable
ipsilateral axillary
lymph node(s)
N1
Metastasis in one to three axillary
lymph nodes, and/or in internal
mammary nodes with microscopic
disease detected by sentinel lymph
node dissection but not clinically
apparent*
N1a
Only micrometastasis
N1mi
Micrometastasis (> 0.2 mm, 2.0
mm)
N1bi
Metastasis in one to
three lymph nodes (>
0.2 cm, < 2 cm)
N2
Metastasis in four to nine axillary
lymph nodes, or in clinically
apparent internal mammary lymph
nodes in the absence of axillary
lymph node metastasis
N1bii
Metastasis in four or
more lymph nodes (>
0.2 cm, < 2 cm)
N3
Metastasis in 10 or more axillary
lymph nodes, or in infraclavicular
lymph nodes, or in clinically
apparent ipsilateral internal
mammary lymph nodes in the
presence of one or more axillary
lymph nodes; or in more than three
axillary lymph nodes with clinically
negative microscopic metastasis in
internal mammary lymph nodes; or
in ipsilateral supraclavicular lymph
nodes
N1biii
Extension beyond the
capsule (involved node
> 0.2 cm, < 2 cm)
N1biv
Metastasis to lymph
node greater than 2 cm
N2
Metastasis to ipsilateral
axillary lymph nodes
fixed to one another or
to other structures
N3
Metastasis to ipsilateral
internal mammary
lymph node(s)
Stage
groupings
Stage
groupings
changes: new Stage IIIc
Stage 0
TisN0M0
Stage 0
TisN0M0
Stage I
T1N0M0
Stage I
T1N0M0
Stage IIa
T0N1M0, T1N1M0,
T2N0M0
Stage IIa
T0N1M0, T1N1M0, T2N0M0
Stage IIb
T2N1M0, T3N0M0
Stage IIb
T2N1M0, T3N0M0
Stage IIIa
T0N2M0, T1N2M0,
T2N2M0, T3N1M0,
T3N2M0
Stage IIIa
T0N2M0, T1N2M0, T2N2M0,
T3N1M0, T3N2M0
Stage IIIb
T4 any N, any T N3
Stage IIIb
T4 N0M0, T4N1M0, T4N2M0
Stage IIIc Any T N3
Stage IV
Any T any N M1
Stage IV
Any T any N M1
Quelle: Journal of Clinical Oncology, Vol 21, Issue 17 (September), 2003: 3244-3248
Danksagung
Herrn Prof. Dr. med. D.G. Kieback danke ich für die Überlassung des Themas.
Frau PD Dr. med. A. Hasenburg danke ich ganz herzlich für ihre sehr effiziente
Hilfe und die Übernahme des Gutachtens. Herrn Prof. N. Freudenberg danke ich
für die Übernahme des Zweitgutachtens.
Frau Dr. rer.nat. D.-C. Fischer danke ich besonders für ihre hervorragende
Betreuung, Hilfsbereitschaft und große Geduld. Sie hat maßgeblichen Anteil am
Entstehen und Fortschreiten dieser Arbeit. Herrn Dr. med. X. Tong danke ich für
konstruktive Ratschläge.
Frau Dr. med. M. Orlovska-Volk danke ich sehr für ihre Hilfe beim Auswerten
bzw. Erstellen der immunhistochemischen Photos. Frau B. Seidel danke ich für
ihre praktische Unterstützung bei der Vorbereitung der Schnitte und Färbungen
Mein Dank gilt weiterhin Herrn Prof. Dr. med. H.E. Schäfer für die freundliche
Überlassung des Untersuchungsmaterials sowie Herrn Prof. Dr. rer. nat. J.
Schulte-Mönting für die Hilfe bei der statistischen Auswertung.
Meinen Eltern, meiner Partnerin Barbara Schedel, meinen Freunden Ueli Güller
und Hector Peralta, meinem Bruder Daniel und meinen Schwestern Bastienne
und Veronika möchte ich ganz herzlich dafür danken, daß sie mich so geduldig
unterstützten und immer wieder neu anspornten.
Curriculum vitae
Florian Herrle
Persönliche Daten
geboren am 20.05.1972 in Nürnberg
Eltern:
Raimund Herrle – Forstdirektor i.R.
Ilse Herrle-Urbuteit – Cembalistin
Geschwister: Bastienne, Daniel, Veronika
Schulbildung
1979 – 1992
Abschluss Juli 1992
Grundschule/Gymnasium in Nürnberg/Würzburg
Abitur in Würzburg
Zivildienst
Aug. 1992 – Dez. 1993
Sozial- und Kulturarbeit bei Lyon, Frankreich
Studium
April 1994 – März 1996
Juli/Nov.1995
Rhetorik, Philosophie und Sprachen in Tübingen
Zwischenprüfungen in Rhetorik/Philosophie
April 1995 – Sept. 1998
Okt. 1998 – Mai 2002
Mai 2002
Humanmedizin in Tübingen
Humanmedizin in Freiburg
Ärztliche Prüfung, Universität Freiburg
Famulaturen/Praktisches Jahr
Juli 1997 – Mai. 2002
Chirurgie (7 Mon.)
- Uniklinik München, Tumorklinik in Havanna, Kuba
- Hopital O´Horan, Merida, Mexico
- Hôpital des Cadolles Neuchâtel, Schweiz
Gynäkologie (7 Mon.)
- Universitätsfrauenklinik und Josefsklinik, Freiburg
Innere Medizin (6 Mon.)
- Inselspital Bern, Schweiz
- Concord Hospital, Sydney, Australien
Beruflicher Werdegang
Juli 2002 – April 2005
seit Mai 2005
Assistenzarzt, St. Claraspital, Basel, Schweiz
Assistenzarzt, Universitätsklinikum Mannheim
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