DER IMPLANTIERBARE DEFIBRILLATOR

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DER IMPLANTIERBARE DEFIBRILLATOR
Dr. med. Hans O. Gloor, Facharzt FMH für Kardiologie

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Schutz vor plötzlichem Herztod
Gesamtsterblichkeit vermindert
Kardiale Grunderkrankung durch Defibrillator nicht behandelt
In der Schweiz sterben jährlich ungefähr 10’000
Menschen an einem plötzlichen Herztod. Todesursache ist in den meisten Fällen eine Herzrhythmusstörung. Dabei handelt es sich in 60 bis
80 Prozent der Fälle um ein Kammerflimmern,
wesentlich seltener um einen totalen Ausfall der
Impulsleitung im Herzen. Durch einen sofortigen
Elektroschock, eine sogenannte Defibrillation,
kann bei einem Kammerflimmern der Sinusrhythmus zwar wiederhergestellt werden, im Alltag
ist jedoch in den meisten Fällen kein Arzt mit
einem externen Defibrillationsgerät zur Stelle.
Aus diesem Grunde entwickelte Michel Mirowski
in den Vereinigten Staaten das Konzept des
automatischen implantierbaren Defibrillators.
1980 wurde der erste Defibrillator am Menschen
implantiert, mittlerweile leben in der Schweiz
ungefähr 500 Patienten mit einem Defibrillator.
Aufbau und Funktionsweise
Der implantierbare Defibrillator (Abb. 1) enthält
einen konventionellen Herzschrittmacher, der bei
einer Bradykardie das Herz stimuliert. Überdies
kann er einen plötzlichen Herztod verhindern,
indem er durch einen automatisch abgegebenen
Gleichstromschock eine Kammertachykardie oder
ein Kammerflimmern stoppt und den Herzschlag
normalisiert.
Der Defibrillator ist ähnlich aufgebaut wie der
Herzschrittmacher. Generator und Elektrode
werden im Körper implantiert. Mit einem
externen Programmiergerät kann die Funktion
des Generators nachträglich verändert und neu
programmiert werden.
In den wenigen Jahren seiner Entwicklung wurde
der Generator mehrmals technisch verbessert
und gleichzeitig in seinen Dimensionen verkleinert, z.B. sein Gewicht von anfangs 240 g auf
heute 97 g reduziert und gleichzeitig die Speicherfunktion von 4 auf 128 Kilobite erweitert. Der
Generator ist in einem Titaniumgehäuse untergebracht und enthält zwei Lithium-Silber-Vanadium-Oxyd-Batterien mit einer Spannung von 6
Volt. In 6 bis 10 Sekunden können die Batterien
die zwei Kondensatoren laden und die zur Defibrillation notwendige Hochspannung von 700
bis 800 Volt erzeugen. Die Energie von 30 bis
34 Joules wird über die Elektrode an das Herz
abgegeben, wenn die elektronische Schaltung
eine Herzrhythmusstörung registriert.
Die neuen Systeme bestehen aus einem Generator und nur einer Elektrode. Die Energieabgabe
erfolgt über die Spitze der Elektrode, die in der
rechten Herzkammer liegt (Minuspol), und über
die «elektrisch aktive» Aussenhülle des Generators (Pluspol). Bei älteren Systemen musste der
damals noch grössere Generator im Bauchraum
implantiert werden. Zur Defibrillation dienten
mehrere grossflächige Elektroden, die direkt auf
das Herz aufgenäht wurden. Dementsprechend
bedeutete eine Defibrillatorimplantation damals
einen grossen operativen Eingriff (eine Sternotomie). Heute wird der Defibrillator wie ein Schrittmacher pektoral links im Unterhautfettgewebe
implantiert.
Der Generator überwacht den Herzrhythmus
des Patienten ständig. Bei einem normalen,
«physiologischen» Herzrhythmus, beispielsweise
bei einem Puls von 60/min tagsüber beim Lesen
und 150/min beim Velofahren, gibt das Gerät keine
Impulse ab. Falls der Herzrhythmus nachts unter
die programmierte Frequenz von 50/min fällt, stimululiert der eingebaute Schrittmacher mit 50/min: Das
entspricht der klassischen Bradykardiefunktion. Bei
einem pathologischen Anstieg der Frequenz auf
180/min, also einer Kammertachykardie, versucht
der Generator, mit einer schnellen Kammerüberstimulation, einem Antitachykardiepacing, einen normalen Sinusrhythmus wiederherzustellen. Wenn dadurch aber eine noch schnellere Kammerrhythmusstörung, ein Kammerflimmern, ausgelöst wird, defibrilliert der Generator mit 750 Volt.
Indikation
Bei Patienten, die eine oder mehrere Episoden einer
spontanen Kammertachykardie oder eines Kammerflimmerns erlitten haben und die mit Medikamenten
nicht geschützt werden können oder wegen der
Nebenwirkungen keine Medikamente einnehmen
können, ist die Implantation eines Defibrillators
angebracht.
Von 100 Empfängern eines Defibrillators haben
75 bis 80 früher einen Herzinfarkt erlitten, 5 bis 10
leiden unter einer Herzinsuffizienz, 5 weitere unter
einer anderen organischen Herzkrankheit. In 10 von
100 Fällen konnte nach einer ersten erfolgreichen
Reanimation keine organische Herzkrankheit
gefunden werden. Dennoch ist bei diesen Patienten
die Implantation eines Defibrillators angezeigt, weil
sie gefährdet sind, einen weiteren Herzstillstand zu
erleiden.
Der Patient muss den Generator alle vier Monate
durch seinen Arzt überprüfen lassen. Bei dieser ambulanten Kontrolle, die ungefähr 30 Minuten dauert,
werden die Funktion des Gerätes und der Batteriezustand geprüft. Zusätzlich gibt die Memory-Funktion
des Gerätes Auskunft über die während der letzten
vier Monate erlittenen Rhythmusstörungen. Die Programmierung kann dabei stets den aktuellen Bedürfnissen des Patienten angepasst werden.
Ein versehentliches Auslösen eines Defibrillatorschocks ist zwar praktisch ausgeschlossen, doch
kann die Erkennungsfunktion des Gerätes von stärkeren Magnetfeldern vorübergehend gestört werden.
Patienten mit einem Defibrillator müssen deshalb von
Sicherheitskontrollen auf dem Flughafen (Patientenausweis zeigen), Schweissgeräten, Natel-D-Telefonen, Industrieanlagen, Kernspintomographie-Untersuchungen etc. Abstand halten.
Defibrillator vs. Medikamente
Eine amerikanische Studie hat an Patienten, die nach
einem Kammerflimmern erfolgreich reanimiert oder
nach einer Kammertachykardie elektrokonvertiert
wurden, die Wirksamkeit des Defibrillators gegenüber
einer antiarrhythmischen medikamentösen Therapie
mit Cordarone untersucht. Diese in der sogenannten
AVID-Studie (Antiarrhythmics Versus Implantable
Defibrillator) eingeschlossenen 1’016 Patienten hatten alle eine verminderte Auswurfleistung der linken
Herzkammer von unter 40 Prozent.
Wie die Studie ergab, war die Gesamtsterblichkeit
bei den Patienten, die einen Defibrillator erhalten
hatten, nach einem Jahr um 39 Prozent, nach zwei
Jahren um 27 Prozent und nach drei Jahren um
31 Prozent geringer als bei denjenigen, die mit
Medikamenten behandelt worden waren. Demnach
leben Patienten, die nach einem Kammerflimmern
oder einer symptomatischen Kammertachykardie
erfolgreich reanimiert wurden, mit einem Defibrillator
länger als mit Medikamenten allein.
Wer einen Herzinfarkt erlitten hat und unter einer
stark eingeschränkten Funktion der linken Herzkammer leidet, hat eine erhöhte Sterbewahrscheinlichkeit. Gibt es also Patienten, die von einer prophylaktischen Implantation des Defibrillators profitieren
würden?
In der MADIT-Studie (Multicenter Automatic Defibrillator Implantation Trial) wurden elektrophysiologisch
solche Patienten abgeklärt, die nach einem Herzinfarkt eine eingeschränkte Funktion der linken Herzkammer von weniger als 35 Prozent und dokumentierte asymptomatische Kammertachkardien aufwiesen. Diejenigen 196 Patienten, bei denen in der
elektrophysiologischen Untersuchung die Tachykardie mit Procainamid nicht unterdrückt werden
konnte, wurden in eine Defibrillatorgruppe und eine
medikamentös behandelte Gruppe randomisiert. Die
Resultate nach einer mittleren Beobachtungsdauer
von 27 Monaten zeigten in der Defibrillatorgruppe
ein vermindertes Risiko der Gesamtsterblichkeit
von 46 Prozent gegenüber den Patienten in der
Medikamentengruppe. Daraus folgt, dass bei
Patienten mit erhöhtem Risiko für lebensbedrohliche
Kammerrhythmusstörungen nach einem Herzinfarkt
die prophylaktische Implantation eines Defibrillators
das Überleben gegenüber einer konventionellen
Therapie mit Medikamenten allein verlängern kann.
Der Defibrillator reguliert jedoch nur den Rhythmus
und heilt nicht die zugrundeliegende Herzkrankheit.
Die Patienten leben wohl länger, aber nicht ewig, da
sie an einer anderen Krankheit sterben.
Kosten und Perspektiven
In der Schweiz stieg in den vergangenen Jahren die
Anzahl der implantierten Defibrillatoren stetig an.
Während 1992 nur 20 Geräte implantiert wurden, waren es 1996 bereits 88. Man rechnet damit, dass sich
die Anzahl für unser Land um 100 Geräte pro Jahr
stabilisieren wird.
Ein Defibrillator mit Elektrode kostet zwischen 30’000
und 50’000 Franken. Der Generator hat eine Lebensdauer von ungefähr fünf Jahren und muss danach
ausgewechselt werden. Das neue Gerät wird dann
an die bestehende Elektrode angeschlossen.
Eigene Erfahrungen
An der Hirslanden Klinik Aarau wurde seit September
1993 bei zwei Frauen und 28 Männern im Alter von
59,8 (22–76) Jahren ein Defibrillator implantiert. Kein
Patient verstarb im Rahmen der Implantation, auch
traten keine Infekte auf.
einer verminderten Auswurfleistung der linken Herzkammer auf 27 Prozent und nicht anhaltenden Kammertachykardien im Langzeit-EKG wurde der Defibrillator prophylaktisch implantiert. Anamnestisch hatten
17 Patienten Synkopen im Rahmen der Herzrhythmusstörung erlitten.
Nach einem Beobachtungsintervall von 24,8 (2–60)
Monaten konnten 27 Patienten nachkontrolliert werden. Drei Patienten waren inzwischen an einer Herzinsuffizienz nach 1, 10 und 25 Monaten verstorben.
Bei der Untersuchung dieser 27 Patienten zeigte
sich, dass der Defibrillator bei 22 Patienten Schockentladungen abgegeben hatte. Die erste Schockentladung war durchschnittlich nach 8,5 Monaten erfolgt.
Bei 15 Patienten waren Kammertachykardien durch
Überstimulation 7,8 Monate nach der Implantation
zum Sinusrhythmus konvertiert worden. Bei vier
Patienten war seit der Implantation keine Rhythmusstörung mehr aufgetreten. Acht Patienten nahmen
nach der Defibrillatorimplantation Cordarone ein.
Als kardiale Grundkrankheit bestand bei 19 Patienten
eine koronare Herzkrankheit. 16 dieser 19 Patienten
hatten einen Herzinfarkt erlitten; bei neun war eine
aortokoronare Bypassoperation durchgeführt worden;
sechs Patienten litten an einer idiopathischen dilatatativen Kardiomyopathie und drei an einer rechtsventrikulären Dysplasie. Bei zweien war keine strukturelle Herzkrankheit vorhanden. Die Auswurfleistung der
linken Herzkammer war im Mittel auf 38,8 Prozent
vermindert.
Bei zwei Patienten musste wegen einer Batterieerschöpfung nach zweidreiviertel bzw. drei Jahren ein
Generatorwechsel vorgenommen werden. Bei beiden
funktionierte der Defibrillator auch andauernd als
konventioneller Herzschrittmacher. Zwei Elektroden
mussten revidiert werden, die eine wegen Verschiebung, die andere wegen eines technischen Defektes.
Alle Generatoren zeigten eine technisch einwandfreie
Funktion.
Als klinisch dokumentierte Arrhythmie hatte bei 25
Patienten eine Kammertachykardie vorgelegen. Vier
Patienten hatten wegen eines Kammerflimmerns
reanimiert werden müssen. Bei einem 51-jährigen
Patienten mit einer schweren Kardiomyopathie mit
Zusammenfassend stellt die Defibrillatorbehandlung
heute eine ausgereifte Technologie dar, die Patienten
mit lebensgefährlichen Rhythmusstörungen vor dem
plötzlichen Herztod schützen, ihr Leben verlängern
und ihre Lebensqualität erhalten kann.
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