01.10.2014 2014 200 Jahre deutsche Kleingartenvereine 150 Jahre Schrebergärten In diesem Jahr blicken die deutschen Kleingartenvereine auf drei Jahrhunderte ihrer Geschichte zurück. Der erste deutsche Kleingartenverein entstand am 28.04.1814 in Kappeln an der Schlei im heutigen Bundesland Schleswig Holstein. Pastor H.F.Ch. Schröder verpachtete für die Dauer seiner Amtszeit auf der Pastoratskoppel Groß Scheunenfeld 24 Gartenparzellen. Auf der Grundlage einer Pachtordnung regelten vier Vorsteher alle anfallenden Aufgaben-der erste deutsche Kleingartenverein war entstanden. Aber bereits 1797/98 hatte der Landgraf Carl von Hessen ,königlicher Stadthalter der Herzogtümer Schleswig und Holstein,32 Bauplätze mit Gartenland für arme Kappeler Bürger als Pachtland zur Verfügung gestellt. Er gilt als der Begründer von Armengärten, die sich aber in der weiteren Folge als nicht zukunftsträchtig erwiesen. Ein halbes Jahrhundert nach der Gründung des ersten dt. Kleingärtnervereins in Kappeln an der Schlei schlägt in Leipzig die Geburtsstunde der Schreberbewegung, die im öffentlichen Bewusstsein als der eigentliche Ursprung des organisierten Kleingartenwesens angesehen wird. Die am 01.10.1924 gegründete Kleingartenanlage " Zukunft" ,Hagelbergerstr.,14776 Brandenburg an der Havel, begeht in diesem Jahr den neuzigsten Jahrestag ihres Bestehens. Sie ist, so wie alle anderen Kleingartenanlagen der Stadt, Bestandteil des um die Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzenden organisierten Kleingartenwesens in Deutschland. Ursächlich hängt ihre Entstehung mit zwei umwälzenden Prozessen zusammen: der Industrialisierung und Urbanisierung der Städte in Deutschland. Industrialisierung ab den 30 er und 40 er Jahren des 19. Jahrhunderts bedeutete eine gigantische Umwälzung qualitativer Art des gesamten Produktionsprozesses, d.h. des Charakters der Arbeit. Mit der Industrialisierung ging die Urbanisierung einher. Mittlere Städte mit weitgehend ländlichem Charakter wandelten sich in Großstädte mit Stadtteilen, deren Gesicht von Mietskasernen geprägt waren. So stieg zum Beispiel die Einwohnerzahl zwischen 1800 und 1900 in Berlin von 172000 auf 1.89 Millionen, in Hamburg von 100000 auf 740000 und in Leipzig von 30000 auf fast 500000. Die Folge: Die Urbanisierung ließ den Bedarf an Wohnraum sprunghaft ansteigen, Wohnungsnot und hoffnungslose Überbelegung folgten. Das hatte für die Physis und Psyche der Menschen teilweise verheerende Folgen. Frühzeitige Sterblichkeit, Kränklichkeit, epidermische Krankheiten, physische Verkrüpplungen und geistige Verwahrlosung gefährdeten die Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund bildeten sich im 19. Jahrhundert die Ursprünge der deutschen Kleingärtnerbewegung heraus, die zwei entscheidende Antriebe hatten. Die erste war das Streben nach verbesserte Ernährung und die Sehnsucht nach dem verlorenen Leben auf dem Lande, nach Arbeit und Erholung in der freien Natur. Der zweite Antrieb resultierte aus den neuen Lebensbedingungen in den entwickelten Großstädten, aus den Wohnverhältnissen und der innerstädtischen Architektur mit ihren oft verheerenden Auswirkungen auf die Gesundheit wie auf die Erziehung der Kinder und Jugendlichen. In dieser konkreten Notsituation traten Männer und Frauen auf den Plan, die nicht nur diese Zustände beklagten, sondern konkrete Gegenmaßnahmen ergriffen. Sie waren Ärzte, Pädagogen, Politiker, Fabrikherrn und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. So forderte z.B. der Leipziger Arzt( Orthopäde), Dr. des 19. Daniel Gottlob Moritz Schreber (1808-1861), in den 50 ziger Jahren des 19. Jh. Spielplätze im Freien, "Tummelplätze" für gebrechliche und besonders schwächliche Kinder und Jugendliche aus niederen Verhältnissen die ihrer Gesundheit förderlich sein sollten, weil die Jugend nach seiner Ansicht im Verdacht stand, in den " reißend schnell anwachsenden Städten zu degenerieren". Drei Jahre nach Schrebers Tod 1861, ließ der Schuldirektor der Leipziger 4. Bürgerschule, Dr. Ernst Innocenz Hauschild(1808-1866), am Rande der Leipziger Innenstadt einen Tummelplatz für Kinder anlegen, auf dem sie unter Aufsicht eines "Spielvaters" Gymnastik treiben konnten, Schreber zu Ehren "Schreberplatz" genannt. Die dann entstandenen Schrebervereine verstanden sich vorrangig als Erziehungsvereine mit einer kleingärtnerischen Komponente aus denen sich in Folge Kleingartenvereine mit einer ausgeprägten erzieherischen Komponente entwickelten. Wenige Jahre nachdem 1864/65 ersten entstandenen "Schreberplatz" kam der passionierte Oberlehrer Karl Gesell auf den Einfall, rund um den Spielplatz Beete anzulegen, damit sich die "lieben Kleinen" auch bei der Gartenarbeit ertüchtigen konnten.Möglicherweise war er inspiriert von den Fröbel-Kindergärten, (Friedrich Wilhelm August Fröbel ), die damals als Speerspitze frühkindlicher Pädagogik galten. Doch der Versuch ging schief, die Beete waren schnell von Unkraut überwuchert, bis schließlich die Eltern zu Hacke und Spaten griffen und aus den "Kinderbeeten" am Rand der Schreberschen Spielwiese " Familienbeete" Unterstellhütten und Zäunen machten, die man später parzellisierte. So wurde aus einem gescheiterten Erziehungsprojekt des erwachsenen Städters liebste " Freizeit-Therapie". 1870 gab es bereits 100 solcher Gärten. Nur einer hat nie den Fuß in einen Schrebergarten gesetzt, Dr. Daniel Gottlob Moritz Schreber, der Namenspatron der Bewegung, dem das Verdienst gebührt, die Leibeserziehung und Heilgymnastik reformiert zu haben. Die Schreberbewegung war aber nur ein Teil des organisierten Kleingartenwesens in Deutschland und nicht der eigentliche Ursprung.Daneben gab es die Armengärten, die Naturheilkundebewegung, die Laubenkolonisten, die Arbeitergärten,Fabrikgärten und Gartengesellschaften für bestimmte Berufsgruppen. Die bewusst organisierte Kleingartenbewegung ist Ausdruck der dem Menschen eigenen Verbundenheit mit der Natur. Wenn gleich der Gedanke des Kleingartenbaus im letzten Drittel des 19. JH.(1870-1900) öffentliche d.h. staatlich, insbesondere kommunale Anerkennung fand, so erwies sich seine Durchsetzung von Beginn an als harter Kampf vor allem gegen Großpächter und Bodenspekulanten. Trotz vieler Widerstände kommt es dann 1909 zur "Gründung des Zentralverbandes deutscher Arbeiter und Schrebergärten". Am 8. Mai 1921 wird schließlich der Reichsverband der Kleingärtenvereine Deutschlands gegründet. Es folgten eine Vielzahl nationaler Verbände in Europa was schließlich folgerichtig zur Konstituierung des Internationalen Verbandes 1926 mit Sitz in Genf führte. Die Zeit des Nationalsozialismus unterbrach abrupt die in der Weimarer Republik unternommenen vielfältigen demokratischen Ansätze urbaner Gartenkultur. Nach 1945 gingen die Kleingartenvereine in Ost und West getrente Wege.Waren die Kleingärten im Westen schon viel eher Freizeitbiotope , so erfüllten die im VKSK vereinten Kleingärtner der DDR vor allem eine wirtschaftspolitische Aufgabe in der Gestalt der Versorgung der Bevölkerung mit Obst,Gemüse, Honig, Fleisch und Wolle. Wie bedeutend die Arbeit für die Staatsführung der DDR war bewieß die Absicht ,150000 neue Kleingärten bis zum Parteitag der SED ( geplant für 1991) zu schaffen. Aber die gesellschaftliche Entwicklung beendete mit der Herstellung der Einheit Deutschlands auch die Geschichte des VKSK( Verband der Kleingärten, Siedler und Kleintierzüchter), der sich 1990 auflöste und die in den Folgejahren gegründeten Landesverbände der neuen Bundesländer Mitglieder des " Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde e.V." ( BDG) wurden. Im Kleinverband Brandenburg sind zur Zeit 96 Vereine mit insgesamt 5.393 Kleingärten organisiert. 7.726 Mitglieder setzen auf der Grundlage des Leitbildes des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde e.V. die erfolgreiche traditionsreiche deutsche Kleingärtnerbewegung fort. Dabei blicken viele Vereine auf eine sehr lange Tradition zurück. Die ältesten Kleingartenanlagen in unserer Stadt sind die Vereine Helgoland(1903),Holland (1905), Kammgarn (1905), Hoffnung (1906) und Eintracht E I (1907). Zur Zeit haben nicht nur die Brandenburger Kleingartenfreunde Nachwuchssorgen und so mancher Garten liegt brach oder wird Zweck entfremdet benutzt. Auch die Begehrlichkeiten den Grund und Boden anderweitig zu vermarkten, sind unübersehbar. Aber nach wie vor haben Kleingartenanlagen auch in unserer Stadt eine große gesellschaftliche und städtebauliche Bedeutung und leisten eine durch die Stadtführung und Fachämter anerkannte Arbeit.Sie sind wie Parks und andere Grünanlagen die grünen Lungen der Städte.Als öffentliche zugängliche Grünanlagen bieten nicht nur Kleingärtnerinnen und Kleingärtner , sondern allen Bürgerinnen und Bürgern Teilhabe an den Natur Vorgängen , mögliche Gesundheitsvorsorge und psychische Balance.Sie sind soziale und bei Funktionsfähigkeit auch kulturelle Zentren und leisten in Zeiten wachsender Naturentfremdung einen bedeutenden Beitrag für Umweltbewustsein und Naturschutz. Niemand sollte herablassend lächeln, wenn er das nächste Mal an einer Schreberkolonie vorbei spaziert. Wo sonst kann er auf 500 Quadratmetern Natur und Kultur, Ordnung und Trieb, Freizeit und Zwang,Gesundheit und Wahnsinn, Vereinsmeier und Hobby-Lenne miteinander ringen sehen? Am klarsten hat Karl Foerster, der Garten-Philosoph und Züchter vieler Pflanzen, die romantische Ironie erfasst,die der Schreberbewegung ihren Zauber verleiht: " Auch ein kleiner Garten ist eine endlose Aufgabe". Mit der Bitte um Zeitnaher Veröffentlichung Kleingartensparte " Zukunft" Mit freundl.Gruß Kerstin Schönfeld