Märtyrer - Marius von Mayenburg - Theaterpädagogisches Material für den Unterricht Inhalt 1. Einleitung 1 2. Der Autor 2 3. Das Stück 3.1 Inhalt 3.2 Charaktere 3.3 Beziehungsdiagramm 3 3-4 5 4. Themen, die Sie in der Vor- und Nachbereitung ansprechen können 4.1 Was ist ein Märtyrer? 6 4.2 Religionsfreiheit 4.2.1 Religionsfreiheit im Grundgesetz 6 4.2.2 Positive und Negative Religionsfreiheit 7 4.2.3 Warum ist Religionsfreiheit so wichtig? 7 4.3 Fanatismus 7 4.3.1 Wie macht sich Fanatismus bemerkbar? 8 4.3.2 Häufige Erscheinungsformen 8 4.4 Macht - Formen der Macht 4.4.1 Formen der Macht 4.4.2 Diskussionsanregungen Kontakt Arbeitsblatt Beziehungsdiagramm 8-9 9 10 „Märtyrer“ - Marius von Mayenburg Pädagogisches Begleitmaterial für den Unterricht Im Februar 2013 hatte das neuste Stück Marius von Mayenburgs Premiere am DeutschSorbischen Volkstheater Bautzen. Seither haben zahlreiche Besucher die Inszenierung besucht und sie mit unterschiedlichen Reaktionen verlassen. Oftmals ergeben sich im Anschluss Gespräche, welche von verschiedensten Aspekten geprägt sind: Wie geht man mit einer solchen Situation um? Warum handeln die Charaktere genau auf diese und keine andere Art und Weise? Kann die Veränderung einer Person so plötzlich kommen oder wird sie erst nach einem schleichenden Prozess erkannt? Wer ist Schuld? Viele Fragen, die nur sehr schwer beantwortet werden können. Wir empfehlen den „Märtyrer“ für Schüler und Jugendgruppen ab Klasse 10. Das Stück eignet sich besonders für den Ethik- und Religionsunterricht. Dieses Material soll Ihnen eine Hilfe sein, Ihre Schüler auf den Vorstellungsbesuch vorzubereiten und Anregungen geben, Diskussionen in der Schule fortzuführen. Dabei werden verschiedene Aspekte beleuchtet, die im Stück selbst nur indirekt zum Vorschein kommen. Während der Vor- und Nachbereitung des Vorstellungsbesuchs stehen wir Ihnen bei Fragen und für Informationen gern zur Verfügung. Heide-Simone Barth Theaterpädagogin [email protected] 03591 - 584 271 1 Der Autor Marius von Mayenburg * 21. Februar 1972 in München • Studium der Altgermanistik in München • 1994 - 1998 Studium des „Szenischen Schreibens“ an der Universität der Künste in Berlin • 1995 Hospitation an den Münchener Kammerspielen • 1998 Mitarbeiter der Dramaturgie an der „Baracke“ des Deutschen Theaters Berlin • seit 1999 Dramaturg, Hausautor und Regisseur an der Schaubühne Berlin Marius von Mayenburg hat bereits mehrere eigene Stücke geschrieben. So zum Beispiel: „Messerhelden“ (1996) „Feuergesicht“ (1998) - ausgezeichnet mit dem Kleist-Förderpreis für junge Dramatik „Parasiten“ (2000) „Eldorado“ (2004) - Kurzfilm-Adaption im Jahr 2008 „Der Häßliche“ (2007) „Perplex“ (2010) - Uraufführung im November 2010, danach am DSVTh Bautzen „Märtyrer“ (2012) - Uraufführung am 29. Februar 2012, seit 22.2.2013 am DSVTh Bautzen 2 Das Stück Regie: Michael Funke Darsteller: Jonas Lauenstein, Gabriele Rothmann, Lilli Jung, Olaf Hais, Ralph Hensel, Rainer Gruß, Anna-Marie Lehmann, Anthony Mrosek a.G. Benjamin Südel geht nicht mehr zum Schwimmunterricht. Seine Mutter vermutet Drogen, aber er behauptet, dass Mädchen im Bikini seine religiösen Gefühle verletzen. Während die Mutter alles als dummen Scherz abtut, glaubt Frau Roth, die Biologielehrerin, zu erkennen, dass hier ein junger Mensch nach Hilfe schreit. Aber bald gerät sie selbst in die Schusslinie. Benjamin springt vollbekleidet ins Schwimmbecken, vergräbt sich immer tiefer in die Bibellektüre und provoziert mit seinen radikalen Ansichten zu Evolutionstheorie und Homosexualität den Widerspruch der Biologin. Sie findet bei Schuldirektor Batzler keinerlei Unterstützung. Der Religionslehrer ist von Benjamin sogar begeistert und versucht ihn für die Kirche zu vereinnahmen. Benjamin gewinnt in dem Außenseiter und Mitschüler Georg einen ersten ihm ergebenen Jünger und auch seine Klassenkameradin Lydia, die ihn zunächst abblitzen lässt, ist mehr und mehr von ihm angezogen. Während Benjamin zunehmend seine Mitmenschen mit Bibelzitaten terrorisiert, wird er von Frau Roth immer entschiedener bekämpft. Eine gewaltsame Eskalation des Konflikts scheint vorprogrammiert. Charaktere Benjamin Südel, Schüler. Er ist ein Einzelgänger, der beginnt, sich intensiv mit der Bibel zu beschäftigen und so zum fanatischen Fundamentalisten wird. Er zeigt ein starkes und sehr dominantes, dabei auch manipulatives Auftreten, das ihn zu einer Art Helden für seine Anhänger macht. Inge Südel, alleinerziehende Mutter. Sie ist mit Kind, Haushalt und Scheidung überfordert und nimmt Benjamins religiöse Ansichten nicht ernst. 3 Erika Roth, Biologielehrerin. Sie ist die einzige Person, die sich Benjamins Wandel anzunehmen versucht, wird von diesem jedoch abgewiesen. Um ihn verstehen zu können, beginnt auch sie, sich mit der Bibel zu beschäftigen und verliert sich so in ihrer Aufgabe. Willy Batzler, Direktor. Er bevorzugt den Weg des geringsten Widerstandes und ist für Frau Roth keine Hilfe. Im Gegenteil: er nutzt seine übergeordnete Position aus und stellt die Lehrerin vor ihren Schülern bloß. Markus Dörflinger, Sport- und Geschichtslehrer. Er bemerkt als Erster Benjamins Veränderung, tut diese jedoch als pubertäre Spinnerei ab. Statt sich den Problemen anzunehmen, hält er Bestrafungen wie schlechte Noten oder Nachsitzen für die einzige Lösung. Georg Hansen, Schüler. Wegen seiner Behinderung ist er ein Außenseiter, der von den Mitschülern verspottet wird. Die Aufmerksamkeit, welche er von Benjamin bekommt, gibt ihm das Gefühl der Anerkennung. Dabei bemerkt er aber nicht, wie er mehr und mehr zu Benjamins Werkzeug wird. Pfarrer Dieter Menrath Er ist begeistert, dass sich junge Menschen wieder mit der Bibel beschäftigen und bietet Benjamin an, seinen (radikalen) Glauben mit den Kindern und Jugendlichen der Gemeinde zu teilen. Lydia Weber, Schülerin. Sie hält Benjamin für einen Spinner, der in seiner eigenen Welt lebt. Je mehr er sich aber gegen sämtliche Autoritäten auflehnt, desto mehr fühlt sie sich zu ihm hingezogen. 4 Beziehungsdiagramm (Arbeitsblatt siehe Anhang) Willy Batzler ------------ Belästigung ------------> <------------ Ohnmacht -------------- Erika Roth Bestrafung Annahme; später Hass Ausnutzung <--------------- Ekel ------------------------ Anziehung ------> Ignoranz <------ Anerkennung ----------- Gleichgültigkeit ----> Benjamin Südel Verachtung Manipulation Bewunderung Verehrung Abneigung Georg Hansen Markus Dörflinger <------------ Verzweiflung ----------Provokation Bestärkung Lydia Weber <----------------- Liebe --------------> Pfarrer Menrath Unterstützung Hilflosigkeit -------- Sympathie -------> <--------- Mitleid ----------- Inge Südel sucht Hilfe Ein Beziehungsdiagramm soll in erster Linie die Verhältnisse der handelnden Personen zueinander aufzeigen. Es eignet sich besonders gut für die Vorstellungsnachbereitung, da die Schüler das Wissen bereits erworben haben und so in der Lage sind, die Beziehungen der Charaktere noch einmal zu betrachten und dadurch eventuelle Fragen oder Unklarheiten, die sich während des Stücks ergeben haben, zu erklären und zu verstehen. Das Diagramm kann ebenfalls zur Vorbereitung auf den Vorstellungsbesuch genutzt werden. So können bereits im Vorfeld die Beziehungen besprochen werden, wodurch den Schülern das Verstehen der Handlung erleichtert wird. 5 Themen, die Sie in der Vor- und Nachbereitung ansprechen können ➣ Was ist ein Märtyrer? Zum ersten Mal wird der Begriff Märtyrer in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts benutzt. Er tauchte im Zusammenhang mit dem Martyrium des Polykarp von Smyrna auf. Die genaue Entstehung ist jedoch (noch) nicht erforscht. Im Neuen Testament wurden als Märtyrer („Martys“) die Leute bezeichnet, die von ihrem Glauben an Jesus Christus berichteten, weil sie Jesu Taten erlebt hatten. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes ist daher mit der des Wortes „Zeuge“ in Verbindung zu bringen. Es handelte sich also um Wort- bzw. Glaubenszeugen. Zu dieser Zeit wurden Menschen, die für oder wegen ihres Glaubens starben, noch nicht als Märtyrer bezeichnet. Der erste christliche Märtyrer war Stephanus: er wurde auf Grund seines Glaubens gesteinigt. (siehe Apostelgeschichte 7, 54-60) ➣ Religionsfreiheit Die Religionsfreiheit ist in Deutschland ein garantiertes Grundrecht, welches im Grundgesetz verankert ist. So wird jedem in Deutschland lebenden Bürger die Freiheit zugesichert, zu der Religion zu gehören und die Traditionen auszuleben, die er für sich gewählt hat. Da die Bundesrepublik dazu verpflichtet ist, die Religionsfreiheit zu schützen, darf sich jeder Mensch zu jeder Zeit und an jedem Ort zu seiner Religion und seiner Weltanschauung bekennen. Religionsfreiheit im Grundgesetz Artikel 4 des GG: (1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. (3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz. 6 Positive und Negative Religionsfreiheit Die positive Religionsfreiheit gibt jedem Menschen die Freiheit, sich einer Religionsgemeinschaft anzuschließen, sich zu ihr zu bekennen, nach ihren Traditionen zu leben und für die persönlichen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen einzutreten. Zur positiven Religionsfreiheit zählt auch die Gründung einer eigenen religiösen Gemeinschaft. Unter der negativen Religionsfreiheit versteht man das Recht auf Selbstbestimmung, eine religiöse Gemeinschaft zu verlassen und nicht an ihren Handlungen und Traditionen teilzunehmen. Auch sichert sie dem Individuum das Recht zu, nicht über seine religiösen oder weltanschaulichen Motive sprechen zu müssen und nicht zur Teilnahme an religiösen Handlungen gezwungen werden zu können. Warum ist Religionsfreiheit so wichtig? Durch die Religionsfreiheit wird das Zusammenleben der verschiedenen Kulturen ermöglicht. Sie gibt den Menschen das Recht auf Selbstbestimmung und die freie Wahl, sich einer bestimmten Gruppe anzuschließen. Würde der Staat seinen Bürgern eine Religion oder Weltanschauung vorschreiben, so wäre das ein schwerer Eingriff in die Persönlichkeit eines Menschen. Ein Problem unserer Gesellschaft ist jedoch ein immer noch sehr hohes Maß an Intoleranz gegenüber Gläubigen, egal welcher Religion oder Weltanschauung. ➣ Fanatismus (von lat. fanaticus = göttlich inspiriert) Der Begriff Fanatismus bezeichnet die Besessenheit von einer Idee, Vorstellung oder Überzeugung. So zum Beispiel einer Religion oder Ideologie. Von ihm stammt die Bezeichnung des Fans, der auf sehr emotionale Weise an eine Tätigkeit, ein Interessengebiet oder auch einen Sportverein gebunden ist und eher als Enthusiast betrachtet werden kann. 7 Wie macht sich Fanatismus bemerkbar? • die eigenen Vorstellungen werden um jeden Preis für wahr erklärt • hohe Intoleranz gegenüber abweichenden Meinungen • Versuche der Überzeugung anderer von der eigenen Meinung • Verteidigung der eigenen Ideologie um jeden Preis, teils ohne vernünftige Argumentation • der Betroffene verfällt in eine Art Wahn • zwischenmenschliche Beziehungen können durch die veränderte Lebensführung leiden, Partnerschaften zerbrechen, im schlimmsten Fall kommt es zur sozialen Isolation häufige Erscheinungsformen Extremismus (extremistische Ideologien), Rassismus, Fundamentalismus, religiöser Fanatismus (wie radikaler Islamismus) ➣ Macht - Formen von Macht „Macht“ von gotisch „magan“ = Können, Fähigkeit, Vermögen vergleichbar mit lateinisch „potentia“ von Verb „potere“ = können Unter dem Begriff Macht wird die Fähigkeit verstanden, das Verhalten und Denken anderer zu beeinflussen und in bestimmte Richtungen zu lenken und somit eigene Ziele zu erreichen. Dominanz: Das Streben einer Person nach einer Machtposition. Sie bezieht sich auf einen einzelnen Menschen, der das Gefühl der Überlegenheit anstrebt. Autorität: Einfluss einer Person auf eine andere, der jedoch in eine gewünschte Richtung zielt. Sie entsteht auf Grund einer Position, welche durch fachliche oder menschliche Fähigkeiten, das allgemeine Ansehen oder Erfahrungen erreicht wurde. Zumeist wird einer autoritären Person freiwillig gefolgt. 8 Wird die Autorität aber durch Regeln oder Positionen erreicht, welche nichts mit Eigenschaften oder Fähigkeiten zu tun haben, kommt sie der Macht im Sinne der Überlegenheit näher und ist somit negativ behaftet. Manipulation: Ein Sammelbegriff für die verschiedensten, meist negativen, Beeinflussungen einer Person durch eine ihr überlegene. Meistens erfolgt eine Manipulation verdeckt, das heißt, der Manipulierte bemerkt sie nicht. Es setzt ein schleichender Veränderungsprozess des Denkens ein, welcher im Manipulierten bestimmte Bedürfnisse erzeugt. Diese können von Anerkennung bis hin zur Belohnung für begangene Taten reichen. Diskussionsanregung: ☞ Was löst das Gefühl von Macht und Überlegenheit in einer Person aus? ☞ Wozu kann Machtmissbrauch führen? ☞ Welche Charaktere im Stück „Märtyrer“ entsprechen den oben genannten Machtformen? Warum? Benjamins Dominanz gegenüber seiner Mutter und dem Pfarrer Benjamin und Georg als Beispiel für Manipulation Frau Roth und Pfarrer Menrath als Autoritätspersonen auf Grund ihres Wissens und ihrer Erfahrung Direktor Batzler missbraucht seine Macht um Überlegenheit gegenüber seinen unterstellten Lehrern zu demonstrieren 9 Kontakt Sollten Sie Interesse an einer weiterführenden Betreuung durch unsere Kollegen haben, bieten wir Ihnen neben der Vorbereitung auf den Theaterbesuch auch: • Einführungen • Zuschauergespräche • Projekttage • Herstellung von weiterführenden Kontakten Bitte setzen Sie sich mit uns in Verbindung. Heide-Simone Barth, Theaterpädagogin : Tel.: 03591 - 584 271 Mail: [email protected] Theaterkasse: Tel.: 03591 - 584 225 (Di - Fr, 11.00 - 18.00 Uhr) Impressum: Deutsch-Sorbisches Volkstheater Bautzen Seminarstraße 12 02625 Bautzen Intendant Lutz Hillman - Spielzeit 2012/13 Redaktion: Melanie Richter. 10 Beziehungsdiagramm Tragt die unten stehenden Begriffe in die leeren Felder auf den Pfeilen ein. Versucht euch dabei an die Verhältnisse der Charaktere untereinander zu erinnern. Willy Batzler Erika Roth Markus Dörflinger Lydia Weber Benjamin Pfarrer Menrath Georg Hansen Inge Südel Abneigung - Anerkennung - Annahme; später Hass - Anziehung - Ausnutzung - Belästigung - Bestärkung - Bestrafung - Bewunderung; Verehrung - Ekel Gleichgültigkeit - Hilflosigkeit - Ignoranz - Liebe - Manipulation - Mitleid - Ohnmacht - Provokation - sucht Hilfe - Sympathie - Unterstützung - Verachtung Verzweiflung