Lücken in den Ringen www.wissenschaft-schulen.de/ artikel/1156171 und 1156164 ALMA / ESO / NAOJ / NRAO / SuW-Graphik Die protoplanetare Scheibe um den Stern Größenvergleich Sonnensystem HL Tauri (links) überrascht die Wissenschaftsgemeinde durch ihre unerwartet detaillierte Struktur. In der von ALMA gewonnenen Aufnahme zeigen sich hell leuchtend die Staubteilchen in der Scheibe. Diese ist durch eine Vielzahl von dunklen, staubfreien Ringen durchsetzt, die als Jupiterbahn 50 Astronomische Einheiten direkter Nachweis von Planetenentstehung gelten. Das Inset zeigt den direkten Größenvergleich mit unserem Sonnensystem. ALMA setzt neue Maßstäbe: Planeten bei HL Tauri? In einer Aufnahme des Radiointerferometers ALMA zeigt sich in der protoplanetaren Scheibe um den noch jungen Stern HL Tauri eine unerwartet komplexe Ringstruktur, die sich wohl als Hinweis auf gerade entstehende Planeten deuten lässt. eit das Atacama Large Millimeter/sub- von rund 450 Lichtjahren, der von einer Steckbrief – HL Tauri S millimeter Array ALMA vor wenigen protoplanetaren Scheibe umgeben ist. Jahren den Beobachtungsbetrieb auf­ge­ Im sichtbaren Licht ist HL Tauri durch HL Tauri ist ein junger Stern vom Typ nom­men hat, konnten Wissenschaftler eine dichte Hülle aus Gas und Staub ver- T Tauri. Solche Objekte sind vor nicht weltweit Erkenntnisse über die Entste- deckt. Diese wird für Beobachtungen im mehr als rund einer Million Jahre hung und Entwicklung von Galaxien, Ster­ Millimeter-Wellenlängenbereich entstanden und weisen einen starken nen und Planeten erlangen. ALMA hat ei­ transparent und erlaubt tiefe Einblicke in Sternwind auf. Ihnen entströmen ne große Anzahl an Antennen: Bis zu 66 dieses junge Sternsystem (siehe Kasten schnelle bipolare Jets, die in Stoß- von ihnen lassen sich als gemeinsames links). fronten enden. Dort treten zumeist Teleskop betreiben. Es arbeitet als Interfe- leuchtende Nebel auf, die Herbig- rometer. Im Zusammenspiel mit den her- ALMA enthüllt Strukturen im Ring Haro-Objekte. HL Tauri und T-Tauri- ausragenden Beobachtungsbedingungen Durch frühere Beobachtungen mit Hilfe Sterne im Allgemeinen befinden sich auf dem Chajnantor-Plateau der chileni- anderer Observatorien war es möglich, die in einer Sternentstehungsregion, in schen Atacamawüste in rund 5000 Meter ra­dia­le Struktur der Scheibe um HL Tauri der sie sich gebildet haben. Höhe ist die mit ALMA erreichte Empfind- in groben Zügen zu charakterisieren, je- lichkeit um Größenordnungen besser als doch blieben viele Fragen, zum Beispiel mit jedem anderen Instrument, das im über eventuell gerade entstehende Pro- gleichen Wellenlängenbereich beobachtet. toplaneten, weitgehend unbeantwortet. Helligkeit: 15,1 mag, variabel Nun hat man bei der ALMA Long Baseline Räumliche Auflösung und Sensitivität Entfernung: rund 450 Lichtjahre Campaign, einem Projekt im Rahmen des waren bei allen bisherigen Teleskopen der Masse: rund eine Sonnenmasse Programms zur Inbetriebnahme und Ab- limitierende Faktor, was somit eine beson- Alter: rund 100 000 Jahre nahme neuer Beobachtungsmodi, einen dere Herausforderung an die Leistungsfä- absoluten Meilenstein in Sachen Auflö- higkeit von ALMA stellte. Position: 4h31m38s, +18°139570 Sternbild Stier sung erreicht. 20 März 2015 jedoch Bei den Testbeobachtungen mit ALMA Als Objekt für diesen Testlauf wähl- bei einer Wellenlänge von 1,2 Millime- ten die Astronomen HL Tauri, einen tern zielte man auf die Emission des kal- noch jungen Stern in einer Entfernung ten Staubs innerhalb der protoplanetaren Sterne und Weltraum N O In der unmittelbaren Umgebung des Sterns HL Tauri befinden sich weitere junge HH 150 HL Tauri Objekte: XZ Tauri und der LkHA 358 von der Seite sichtbare bipolare Nebel HH 30/V 1213 Tauri. Die Aufnahme des Weltraumteleskops Hubble zeigt einen engen Spektral- XZ Tauri bereich im Roten durch ein H-Alpha- und ein R-Filter bei den Wellenlängen 658 (HAlpha) und 625 Nanometer. ESA / NASA / Judy Schmidt HH 30 20 Bogensekunden 0,05 Lichtjahre 3000 Astronomische Einheiten V 1213 Tauri Scheibe ab. Die dabei entstandene Auf- noch nicht bekannter Mechanismus für Durch derartig hochaufgelöste Be- nahme übertraf in vielerlei Hinsicht die die Entstehung der gefundenen Radial- obachtungen protoplanetarer Scheiben Erwartungen aller Beteiligten und hinter- struktur verantwortlich ist, wird sich hoffen die Astronomen, Rückschlüsse lies zunächst viele Forscher sprachlos vor wohl erst in weiteren Aufnahmen zeigen. auf die Entstehung ferner Planetensys- Staunen (siehe Bild links). Die mehrfach teme ziehen zu können: Wo entstehen bessere Auflösung sowie um Größenord- Auflösungsvermögen wie Hubble nungen höhere Empfindlichkeit im Ver- In Zukunft wird ALMA Aufnahmen mit Und wann genau während der Entwick- gleich zu Aufnahmen anderer Millimeter- solch hoher Auflösung quasi routinemä- lung geschieht dies? Observatorien erlaubt es, Strukturen mit ßig erzeugen können. Um bei Interfero- Dadurch möchten die Forscher frü- einer Größe von lediglich fünf Astrono- metern wie ALMA die Winkelauflösung her oder später auch Rückschlüsse auf mischen Einheiten innerhalb der Scheibe zu verbessern, ist es nötig, das Signal die Entstehung unseres eigenen Son- aufzulösen. Es zeigten sich deutlich meh- möglichst weit voneinander entfernter nensystems ziehen, sowie insbesondere rere Ringe sowie Lücken verschiedener Antennen zu kombinieren. Dabei ist un- auf die Herkunft unserer Erde und den Breite. Solche Zonen werden üblicherwei- abdingbar, die Position aller Antennen bis Ursprung des Lebens darauf genauer se mit noch jungen Planeten in Verbin- auf Bruchteile der Wellenlänge genau zu beleuchten. Die von ALMA mit dessen dung gebracht, die im Laufe ihrer Entste- bestimmen. Die längste bei den Beobach- einzigartiger Empfindlichkeit und Win- hung Material aus der Scheibe akkretie- tungen von HL Tauri erreichte Basislinie, kelauflösung gewonnene Aufnahme von ren und im Zuge dessen ihre Umlaufbahn also die Verbindungslinie zweier Anten- HL Tauri mit seiner Scheibe ist im Hin- quasi entstauben. nen, war mit 15 Kilometer nur unwesent- blick auf die Beantwortung dieser Fragen ein erster großer Schritt. Planeten? Wie viele Planeten bilden sich? All diese Strukturen in der neuen Auf­ lich kürzer als die maximal erreichbare nah­me zu sehen, kam für einige Forscher Länge von 16 Kilometer. Die dabei erreich- durch­aus überraschend. Gängigen Theo­ te Winkelauflösung von 35 Millibogense- Markus Schmalzl ist Postdoc bei »Allegro« rien zufolge werden in der noch relativ kunden entspricht etwa der Auflösung des (ALMA Local Expertise Group), einem Teil des jungen Scheibe nämlich keinerlei Hin- Weltraumteleskops ­Hubble – dort aller- europäischen ALMA Regional Centres. weise auf die Entstehung von Planeten dings im sichtbaren Licht. Aufnahmen bei erwartet. »Diese eine Aufnahme wird die kürzeren Wellenlängen werden es ALMA Theorien der Planetenentstehung revo- in der Zukunft erlauben, die Auflösung lutionieren«, ist sich Catherine Vlahakis auf bis zu fünf Millibogensekunden zu sicher, die leitende Wissenschaftlerin steigern. Dies würde einem Beobachter in der ALMA Long Baseline Campaign. Ob Hamburg gestatten, noch auf der Zugspit- eben nun tatsächlich die Entstehung von ze Objekte von der Größe einer Zwei-Euro- Planeten oder vielleicht doch ein neuer, Münze räumlich auflösen. www.sterne-und-weltraum.de Literaturhinweis ESO Photo Release 1436: Revolutionary ALMA Image Reveals Planetary Genesis. http://www.eso.org/public/news/ eso1436/ März 2015 21